Protokoll der Sitzung vom 03.03.2009

Was den Sanierungsstau betrifft, da haben wir vor Kurzem erst deutlich gesagt, dass der Sanierungsstau in Höhe von drei Milliarden Euro, der uns aus SPD-Zeiten geblieben ist, nach und nach über ein Sondervermögen abgebaut wird.

(Ties Rabe SPD: Wie denn?)

Auf das Thema Lehr- und Lernmittelfreiheit möchte ich nicht allzu genau eingehen. Was Sie dazu aus

(Ties Rabe)

geführt haben, ist völlig falsch. Diejenigen, die Lehr- und Lernmittel brauchen und sie nicht bezahlen können, werden diese auch bekommen. Insgesamt ist es eine Wohltat, dass wir jetzt endlich vernünftige Lehr- und Lernmittel an den Hamburger Schulen haben; das war früher völlig anders.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Eva Gümbel GAL)

Es ist bedauerlich, dass Sie einerseits zerrissen sind und nicht wirklich wissen, was Sie wollen, und andererseits unser Konzept der Primarschule, der Stadtteilschule und des Gymnasiums bewusst völlig falsch darstellen. Sie tun so, als wollten wir die Grundschule ein bisschen verlängern und das war es dann; genau das ist nicht der Fall.

(Ties Rabe SPD: Genau das ist der Fall, weil im Haushalt kein Geld ist!)

Die Senatorin hat eben – wir haben es in der Vergangenheit auch schon mehrfach gesagt – genau dargelegt, was geplant sei.

Sie werfen uns vor, Ihre vielen Fragen würden nicht beantwortet und auf der anderen Seite geht Ihnen alles viel zu schnell. Ich habe den Eindruck, bevor überhaupt gearbeitet wird, müssen schon alle Fragen beantwortet sein, und das klappt nun überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vielleicht ganz hilfreich gemeint war der Hinweis auf den Doppeljahrgang an den Hamburger Schulen. Ich kann dazu nur sagen, dass ich froh bin, dass Hamburg die Verkürzung des Abiturs schnell realisiert hat, bevor es die großen Bundesländer gemacht haben. Viele Abiturienten stehen nachher vor den Universitäten und da ist es ganz gut, dass die Hamburger Abiturienten schon vor denen der großen Bundesländer da sind, für sie ist das ein großer Vorteil. Aus Gesprächen mit den Kammern weiß ich, dass sie darauf vorbereitet sind, dass ein Doppeljahrgang auf den Hamburger Ausbildungsmarkt kommt. Insofern gehe ich fest davon aus, dass wir das lösen werden.

Wir sind zurzeit auf einem guten Weg für die Hamburger Schullandschaft und ich weiß die Hamburger Schulpolitik beim Senat und bei der Senatorin in guten Händen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Herr Gwosdz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Rabe, ich komme noch einmal auf Ihre Vorwürfe an uns zurück. Sie unterschreiben Ihren Antrag mit "Bessere Chancen für alle durch Bildung". Das ist auch richtig und wichtig, das sind wir uns einig. Doch wir haben einen

nicht ganz unwesentlichen Punkt, in dem Dissens besteht, nämlich in der Frage, ob es gut für Hamburg ist oder nicht, dass die sechsjährige Primarschule kommt.

(Ties Rabe SPD: Nein, ist das Geld da, das ist die Frage!)

Sie bestreiten, dass es gut für Hamburg ist, wenn wir sechs Jahre lang gemeinsames Lernen für unsere Kinder schaffen. Sie hängen Ihre Kritik immer an organisatorischen Problemen auf,

(Wilfried Buss SPD: Natürlich, das ist doch das Selbstverständlichste!)

zum Beispiel an der Raumfrage. Natürlich wäre es wunderbar, wenn man alle Schulen komplett neu bauen könnte. Aber ist es denn wirklich so beklagenswert, wenn ein Teil der Schulkinder – und das wird sicherlich der Fall sein – zur vierten Klasse geschlossen im Klassenverband das Gebäude wechseln muss, das Gebäude, nicht die Schule? Wollen Sie deswegen den Kindern die auch von Ihnen als unbestreitbar erkannten und immer wieder betonten Vorteile des längeren gemeinsamen Lernens vorenthalten? Ist für Sie die Trennung nach Klasse 4 ein in Beton gegossenes Schicksal für unsere Kinder?

(Thomas Böwer SPD: Was? Das habe ich jetzt nicht verstanden!)

Sie sagen, die Gebäudestruktur in Hamburg ist nicht dafür geeignet, die Primarschule einzuführen und weil die Strukturen in Hamburg nun einmal so sind, lassen wir es, wie es ist, und trennen die Kinder weiter nach Klasse 4.

Sie kritisieren einschneidende Veränderungen für Lehrerinnen und Lehrer, für Schülerinnen und Schüler. Natürlich wird es in gewisser Weise einschneidende Veränderungen geben. Die neue Lernkultur allerdings ist eingestellt auf das einzelne Kind, auf individuellen Förderbedarf, die Notwendigkeit, sich mit der Vielfalt und Unterschiedlichkeit auseinanderzusetzen. Das mag in der Tat für einige eine Veränderung bedeuten, aber das ist doch genau das, was Sie auch wollen. Also können Sie hier doch nicht sagen, das sei alles schwer zu organisieren und werde nicht klappen.

Wir sind uns darüber einig, dass homogene Lerngruppen heute schon eine Illusion sind, wenn 52 Prozent der Schüler auf das Gymnasium gehen. Dann stellt sich die Frage, ob unsere Lehrkräfte heute in der Lage sind, mit der auch jetzt schon gegebenen Heterogenität zurechtzukommen. Wenn Sie antworten, das sind sie, dann ist unsere Reform nicht weiter problematisch, dann kommen sie auch mit der künftigen Situation zurecht. Wenn Sie aber antworten, das sind sie nicht, dann ist die Reform umso dringender.

(Ties Rabe SPD: Das ist richtig!)

(Egbert von Frankenberg)

Deshalb fördern wir jetzt die Fortbildung für die Lehrkräfte, die hier noch Nachholbedarf haben. Sie fordern auch eine Fortbildungsoffensive für individualisiertes Lernen und einiges mehr, da liegen wir doch gar nicht weit auseinander und deswegen verstehe ich Ihre Aufregung auch nicht.

(Beifall bei der GAL)

Von einer einschneidenden Änderung, die mit großen Risiken behaftet ist, kann man hier nicht sprechen.

Mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler, bei denen Sie auch einschneidende Veränderungen beklagen, möchte ich einen Aspekt erwähnen. Für den einzelnen individuellen Schüler und die einzelne individuelle Schülerin an einer Hamburger Schule ändert sich im Prinzip zunächst einmal nichts, denn jedes einzelne Kind hat seine individuelle Bildungsbiographie und wird die eigene Situation nicht mit dem Zustand der Schule in früheren Zeiten vergleichen können.

(Ties Rabe SPD: Was ist das denn für eine Logik?)

Es kann nicht sein, dass ein Kind sagt, früher war die Schule anders und ich leide unter der jetzigen Situation, denn es hat die frühere Situation selbst gar nicht erlebt. Ich kann auch nicht sagen, vor 50 Jahren hätte ich mich in diesem Haus anders gefühlt, weil es damals anders war, denn ich erlebe die Situation nur so, wie sie jetzt ist. Und so wird es auch den Schülerinnen und Schülern gehen, die erleben das Ganze anders.

(Dirk Kienscherf SPD: Dann können die Ar- men ja auch arm bleiben! – Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Ich bitte um etwas Ruhe, damit Herr Gwosdz seine Rede in Ruhe fortsetzen kann. – Vielen Dank.

– Man kann natürlich auch polemisieren, Herr Kienscherf. Nur, wenn ein Schüler jetzt in die erste Klasse eingeschult wird und dann sechs Jahre lang gemeinsam mit anderen lernt, dann weiß er nicht, wie es damals war, als ich zur Schule ging.

Wenn ich soziale Probleme in der Stadt habe, kann ich natürlich vergleichen. Ich kann nachsehen, wie es nebenan aussieht und mich fragen, ob es sozial gerecht zugeht und nicht zum Beispiel wir in diesem Haus mit unseren Einkommen das Büchergeld selbst bezahlen können. Was ist daran so problematisch?

(Andy Grote SPD: Das versteht niemand au- ßer Ihnen, Herr Gwosdz!)

Sie behaupten, es würde im Zusammenhang mit dem Büchergeld überhaupt nichts verändert. Sie

wissen aber auch aus den Haushaltsplanberatungen, dass die Befreiung vom Büchergeld auf die Wohngeldempfänger ausgedehnt wird. Das ist ein wichtiger Schritt, das heißt, wir erweitern die Gruppe der Menschen, die davon befreit werden.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist diskrimi- nierend und stigmatisierend!)

Sozial ist es, wenn die Menschen, die sich das Büchergeld nicht leisten können, davon befreit werden.

(Beifall bei der GAL)

Es ist aber nicht sozial, wenn jemand mit meinem Einkommen kein Büchergeld bezahlen muss, denn ich könnte mir das durchaus leisten. Die Frage ist, wem fordert man etwas ab. Leistungsfähige Menschen in unserer Gesellschaft können sich auch an diesen Kosten beteiligen; das ist meine Überzeugung.

(Unruhe bei der SPD)

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Sie reden so gerne über Bildungsfrieden. Sie können den Bildungsfrieden haben, doch die Definitionshoheit darüber, was Bildungsfrieden ist, haben Sie nicht allein gepachtet. Wir laden Sie ein, mit uns die Reform umzusetzen, eine Reform, die im Übrigen – das tut mir jetzt leid für die Kollegen von den Grünen und von der CDU – in vielen Punkten sozialdemokratische Politik ist. Besinnen Sie sich auf die Gemeinsamkeiten, die wir alle haben, und dann haben wir auch Bildungsfrieden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich komme nun zu den Abstimmungen.

Wir kommen zum Bericht des Haushaltsausschusses aus der Drucksache 19/2233.

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 19/1847: Haushaltsplan 2008, Einzelplan 3.1, Behörde für Schule und Berufsbildung hier: Nachträgliche Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben nach § 37 Absatz 4 Landeshaushaltsordnung (LHO) – Mehrbedarf für Maßnahmen der Ausbildungsförderung (Se- natsantrag) – Drs 19/2233 –]