Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Was sich überhaupt nicht schön anhört, ist Ihr Vergleich mit Volkan und dem Kampfhund; auch das müssten Sie erklären. Andererseits sind Sie auch aktiv in der Hundelobby und haben vor nicht allzu langer Zeit dafür plädiert, Kampfhunde zukünftig wieder von der Leine zu lassen. Das ist super-unglaubwürdig, entschuldigen Sie bitte.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Herr Kienscherf, Sie versuchen hier den Eindruck zu hinterlassen, wir hätten gestern im Ausschuss etwas von der Tagesordnung genommen, weil uns irgendwelche Themen vielleicht unangenehm sein könnten.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, ist ja auch so!)

Ich gehe darauf noch ein.

Wenn Sie sagen, jeder Tag, an dem wir nicht handeln, sei einer zuviel, dann steht das schon im argen Widerspruch zum Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses Hamburg-Mitte, das ist Herr Johannes Kahrs, der bei der letzten Jugendhilfeausschusssitzung ganz klar gesagt hat, wir müssten uns die Zeit und die Gründlichkeit nehmen, diesen Fall genau zu durchleuchten und lückenlos aufzu

(Dirk Kienscherf)

klären. Das sagte Herr Kahrs und damit hat er recht.

Herr Kienscherf, uns ging es gar nicht darum, gestern irgendetwas nicht zu besprechen, sondern wir haben einvernehmlich – das ist nachzulesen, Frau Veit, darüber werden wir sicherlich noch einmal im Ausschuss sprechen – bei der vorletzten Ausschusssitzung gesagt, dass wir wieder über diese Thematik sprechen wollen, sowie es umfassende neue Erkenntnisse gibt. Das ist übrigens ein Vorschlag der CDU und der GAL gewesen in der letzten Sitzung.

Insofern geht es uns einfach darum, dass wahrscheinlich bis Mitte April viel mehr Fakten vorliegen und wir dieses Thema gesamtheitlich am 21. April aufarbeiten wollen. Wir werden dafür sorgen, dass dieses lückenlos aufgeklärt wird, und dazu brauchen wir nicht Ihre Aufforderung.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat die Abgeordnete Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mir scheint, dass wir jetzt nach dem Beitrag von Herrn Müller langsam wieder zu einer Sachlichkeit zurückkehren, die auch erforderlich ist.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich habe lebendige Debatten sehr gern, weil ich selber auch gerne lebendig rede; ich versuche es zumindest. Aber ich habe langsam das Gefühl, das gesamte Parlament – ich beziehe uns in die Selbstkritik ruhig mit ein – mutiert dahingehend, dass wir alle nur noch reden, aber keiner mehr dem anderen zuhört, denn ansonsten kann ich mir einige Punkte nicht erklären, die wir in dieser Debatte erleben.

Abgeordnete der CDU- und der GAL-Fraktion sagen hier mehrfach, das ist auch nachzulesen, was wir in Hamburg vorhaben: Verbindliche Vorsorgeuntersuchungen, das wiederhole ich noch einmal für alle, sind im Koalitionsvertrag ausgeführt und mit einem Antrag im Februar ins Leben gerufen worden. Und warum erst jetzt? Verbindliche Vorsorgeuntersuchungen kosten auch Geld. Sie sind Gegenstand unserer Haushaltsberatungen beziehungsweise Gegenstand unseres Etats. Deswegen gab es kurz nach unserer Haushaltsausschusssitzung oder in Einklang damit ein Konzept für die verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen; das ist Fakt. Ich kann nicht verstehen, dass Frau Ernst hier wiederholt sagt, der Senat wolle nicht aktiv werden in Sachen verbindlicher Vorsorgeuntersuchungen. Was brauchen Sie denn noch mehr als einen Antrag von uns?

Ich kann verstehen, wenn Sie jetzt kritisieren und sagen, das gehe Ihnen nicht weit genug. Das ist in Ordnung, das wäre eine Kritik, die angebracht ist, damit kann man sich fachlich auseinandersetzen. Das wollen wir auch gar nicht blockieren. Aus diesem Grund haben wir jetzt schon mehrfach gesagt, dass wir eine Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss wollen.

(Dirk Kienscherf SPD: Im Nachhinein!)

Das wird auch dringend erforderlich, Herr Kienscherf, denn man sollte nicht immer nur Teilaspekte im Kopf haben. Wir haben zum Beispiel eine Studie des Deutschen Jugendinstituts, die bislang Auswertungen gemacht hat über verbindliche Vorsorgeuntersuchungen. Das sind Ergebnisse, die man auch einmal in Betracht ziehen muss.

Deutschland hat zum Beispiel mit dem Weg der verbindlichen Vorsorgeuntersuchung einen Sonderweg beschritten. Unsere europäischen Nachbarländer machen das nicht. Es gibt Untersuchungen vom Deutschen Jugendinstitut – also unabhängig und nicht von einer Partei –, die belegen, dass es Todesfälle von Kindern gab, bei denen im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen keine Auffälligkeiten festgestellt wurden. Und es gibt auch Untersuchungen, die belegen, dass mit dem schnellen Fortschritt Deutschlands im Kinderschutz – was ja auch gut ist – die Fortbildungen der Ärzte nicht so schnell Schritt halten können. Denn auch die müssen geschult werden, um erst einmal zu lernen, woran man Kindesvernachlässigung überhaupt erkennt.

Das alles sind wichtige Punkte und die müssen berücksichtigt werden. Ich will mich auch gar nicht für meine Fraktion dagegen sperren, über eine Ausweitung der U-Untersuchungen nachzudenken, das sagte ich schon. Nur hier zu sagen, das müsse jetzt alles sofort eingeführt werden, ist der verkehrte Weg.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich möchte noch einmal sehr deutlich sagen, dass es uns wirklich nicht um Zwangsmaßnahmen geht. Ich möchte nicht das bayerische Modell hier haben, bei dem Eltern, die ihre Kinder nicht zu Ärzten bringen, Abzüge beim Elterngeld bekommen.

(Dirk Kienscherf SPD: Warum nicht?)

Das ist der absolut verkehrte Weg. Das Einzige, was wirklich zählt und wichtig ist, ist, dass wir die Familien identifizieren, die möglicherweise Hilfebedarf haben. Dies wird möglich, indem wir ein verbindliches Einladewesen schaffen, sodass wir in letzter Instanz das Jugendamt einschalten, das zu den Familien geht und schaut, warum sie ihre Kinder nicht zur Vorsorgeuntersuchung bringen; das ist doch der springende Punkt.

Ich kann auch nicht verstehen, dass Sie sich so darüber aufregen, dass wir das Thema gestern im

(Stephan Müller)

Ausschuss vertagt haben. Ihnen läuft doch die Kritik nicht weg.

(Dirk Kienscherf SPD: Darum geht es doch gar nicht, Frau Blömeke!)

Sie können in drei Wochen in aller Ausführlichkeit all die Punkte anbringen, die Ihnen nicht passen. Aber es macht doch erst dann Sinn, wenn wir belegbare Fakten und Daten haben. Wir können doch nicht aus Mutmaßungen heraus diskutieren. Wir können nicht irgendetwas herbeizaubern und darüber diskutieren.

Sie erwähnen die von Herrn Senator Wersich herausgegebene Pressemitteilung. Darin hat er begrüßt, dass zum Beispiel eine externe Prüfung stattfindet. Darin hat er begrüßt, dass jetzt auch das Jugendamt Hamburg-Mitte prüft und analysiert, und eine lückenlose Aufklärung gefordert. Es gab in dem Sinne keine Neuigkeiten, denn die gilt es erst einmal zu schaffen und dann auch zu bewerten. Deswegen ist Ihr Getue, Ihre Aufblaserei hier fehl am Platz.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Ich denke, Sie wollten sachlich sein!)

Ich möchte allen Anwesenden hier noch einen Zahn ziehen, was eben von Frau Artus gesagt wurde, wenn wir das alles getan hätten, dann wären Fälle wie Lara unmöglich. Das wird leider nie passieren, leider werden wir nie ein Netz so eng knüpfen können, dass solche Fälle nicht wieder passieren. Aber wir werden alles versuchen, um diese Fälle zu minimieren, bis sie nicht mehr vorkommen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Böwer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Blömeke, hier geht es nicht um Aufblasen, es geht nicht um Vorgaukeln,

(Olaf Ohlsen CDU: Luft ablassen!)

hier geht es darum, wie man aus schrecklichen, dramatischen Ereignissen richtige politische Schlussfolgerungen ziehen kann, wie man das Netz enger knüpfen kann.

Anlehnungspunkt der heutigen Aktuellen Stunde ist der Bericht des Sonderausschusses Jessica. Einer der Punkte war, er findet sich in der Drucksache auf Seite 3:

"Erfahrungen aus den staatlichen Pflichtuntersuchungen nach dem [Hamburgischen Schulgesetz] und dem Kinderbetreuungs-Gesetz sollten nach ca. 3 Jahren ausgewertet und der Bürgerschaft

über die Erkenntnisse Bericht erstattet werden."

Heute Nachmittag – das haben wir als Bürgerschaft einstimmig beschlossen – gehen Sie hin und wollen den Wegfall der gesundheitlichen Untersuchungen nach dem Kinderbetreuungsgesetz streichen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der GAL, ist widersprüchlich und gefährdet das Wohl von Kindern in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist widersprüchlich, gemeinsam in einen Sonderausschuss zu gehen und zu sagen, wir wollen das nach drei Jahren auswerten. Und die drei Jahre sind noch gar nicht vorbei und CDU und GAL gehen an dieser Stelle hin und beschließen, es einfach zu streichen. Wenn Sie dann von einer Expertenanhörung sprechen, die erst im Anschluss daran stattfindet, dann brauche ich auch keine Expertenanhörung, denn Sie scheinen ja sozusagen die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Kommen wir zur gestrigen Sitzung. Da bestellt Herr Wersich bei GAL und CDU das Absetzen der Debatte

(Stephan Müller CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie können sich ja noch einmal zu Wort melden –, obwohl er selber in einer Pressemitteilung des Senats vom 27. März in einem für mich sprachlich fast nicht mehr nachvollziehbarem Stil sagt, alles sei geregelt.

Es geht an dieser Stelle im Wesentlichen darum, nicht mit Sicherheit zu sagen, dass man alles geregelt hat, Herr Senator, sondern um den Tod eines Kindes. Wir wissen über die Ursachen des Todes in der Tat noch nicht hundertprozentig Bescheid. Da wird der Tod eines Kindes zum Anlass genommen zu überprüfen, ob das Netz eng genug geknüpft ist, das wir als Bürgerschaft im wahrsten Sinne des Wortes den Kindern zum Überleben zur Verfügung stellen. Und da kommt der Senator zu dem Ergebnis, dass alle notwendigen Dinge für den Kinderschutz in Hamburg bereits geregelt sind. Diese Selbstsicherheit habe ich nicht und haben viele andere in meiner Fraktion auch nicht. Darüber hätten wir gerne einige Fragen im Ausschuss gestellt.

Es ist zum wiederholten Mal, Kollegin Blömeke, dass Schwarz-Grün in diesem Ausschuss versucht hat, Debatten während laufender Beratung durch Geschäftsordnungsanträge, Schluss der Debatte, zu beenden. Es ging in dieser Frage explizit um eine Hilfeform, nämlich die sozialpädagogische Familienhilfe. Wir haben versucht, in einer Beratung über die Fallzahlentwicklung auf bestimmte Dinge aufmerksam zu machen, und Sie haben dann ir