Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Es ist zum wiederholten Mal, Kollegin Blömeke, dass Schwarz-Grün in diesem Ausschuss versucht hat, Debatten während laufender Beratung durch Geschäftsordnungsanträge, Schluss der Debatte, zu beenden. Es ging in dieser Frage explizit um eine Hilfeform, nämlich die sozialpädagogische Familienhilfe. Wir haben versucht, in einer Beratung über die Fallzahlentwicklung auf bestimmte Dinge aufmerksam zu machen, und Sie haben dann ir

(Christiane Blömeke)

gendwann gesagt, das interessiert uns nicht mehr, darüber wollen wir nicht mehr reden.

So, Kolleginnen und Kollegen von GAL und CDU, kann man mit der Problematik erst recht dann nicht umgehen, wenn ein Kind in Wilhelmsburg gestorben ist. – Danke.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Debatten leben manchmal vom Reden und Antworten. Herr Böwer, Sie waren jetzt gerade das Paradebeispiel eines Abgeordneten für mich, den ich gerade versuchte zu beschreiben: Reden, reden, reden, aber nicht zuhören. Das haben Sie eigentlich gar nicht nötig, ebenso wenig, wie Sie hier mit Unterstellungen und Unwahrheiten argumentieren, und das auch noch öffentlich in Pressemitteilungen, in denen Sie zu der Ansicht kamen, dass Senator Wersich bei CDU und GAL das Absetzen eines Ausschusses beantragt hätte; so ein Quatsch.

(Thomas Böwer SPD: Ausschuss habe ich überhaupt nicht gesagt!)

Im ersten Moment habe ich mich amüsiert, im zweiten war ich ärgerlich. Sie waren anwesend im Ausschuss, Sie haben die Diskussion mitgekriegt. Das war ein Entschluss der Abgeordneten von CDU und GAL; nur soviel an dieser Stelle.

(Beifall bei der GAL)

Fachlich und inhaltlich möchte ich zu einem Punkt noch etwas sagen, den Herr Böwer angesprochen hat. Wir streichen die Dreijährigen-Untersuchung im Kita-Bereich, das ist richtig, aber vielleicht ist Herr Böwer auch nicht auf dem neuesten Stand der Dinge. Denn von der Bundesregierung, bei der die SPD auch beteiligt ist, wurde glücklicherweise eine neue, verbindliche Vorsorgeuntersuchung geschaffen, und zwar die U7a. Diese ist ergänzend zu den anderen Vorsorgeuntersuchungen nahezu identisch mit der Dreijährigen-Untersuchung bei uns in Hamburg, auf diesem Hamburger Sonderweg.

Um Doppeluntersuchungen zu vermeiden, die nicht nur belastend für die Kinder sind, haben wir in Hamburg die Dreijährigen-Untersuchung streichen können, weil wir jetzt eine übergeordnete Instanz haben, die U7a, geschaffen durch die Bundesregierung.

Herr Böwer, das sollten Sie von Ihrer eigenen Fraktion aus Berlin vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen, dann wird Ihnen diese Maßnahme hier auch ganz deutlich.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Abgeordnete Veit wünscht das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ich es einfach bemerkenswert finde, dass Sie, Frau Blömeke, diese unglaubliche Unwissenheit, die Sie in diesen Antrag geschrieben haben, auch noch hier öffentlich vortragen. Das ganze Haus sollte noch einmal hören, wie das richtigzustellen ist.

Die Untersuchungen nach dem Kinderbetreuungsgesetz finden im vierten Lebensjahr statt, irgendwann zwischen dem dritten und vierten Geburtstag der Kinder. Die neue U7a, die eingeführt wurde, findet bis zum dritten Geburtstag statt.

(Christiane Blömeke GAL: Ja, es gibt eine Überschneidung!)

Da gibt es keine Doppeluntersuchungen, da gibt es keine Zeitgleichheit. Und es gibt überhaupt keinen Grund, diese Untersuchung nach dem Kinderbetreuungsgesetz zu streichen.

Wir sind entsetzt darüber, dass Sie das wirklich vorhaben, denn die Wahrheit ist auch, dass Sie es bisher noch nicht einmal richtig umgesetzt haben. Die Wahrheit ist, dass Sie nur ein Viertel aller Kinder im Kindergarten überhaupt untersuchen lassen und jetzt streichen Sie das auch noch ganz. Eine Evaluation hat es nicht gegeben, Herr Böwer hat es eben schon angemerkt.

Im Übrigen ist es eine Scheindebatte, die Sie hier führen um die Frage des verbindlichen Einladewesens oder der verbindlichen Untersuchungen. Wir wollen, darüber waren wir uns vor drei Jahren auch einig, dass Eltern, die mit ihren Kindern nicht zum Arzt gehen, zunächst eine freundliche Aufforderung bekommen, dass dann nachgefragt wird und am Ende natürlich das Jugendamt darüber informiert wird.

Herr Senator, es ist nicht so, dass alle Kinder, die nicht zu den U-Untersuchungen gehen, ohnehin dem Jugendamt bekannt wären. Wir reden gerade über diese Dunkelziffer, die dem Jugendamt nicht bekannt ist.

(Beifall bei der SPD – Robert Heinemann CDU: Lara war dem Jugendamt bekannt!)

Hier wurde vorhin davon gesprochen, dass früher im Jugendhilfebereich munter gestrichen worden wäre. Wir haben eine Explosion bei den Fällen, bei den Hilfen zur Erziehung. Wir haben 3000 Fälle mehr, allein 1000 mehr im letzten Jahr, und Sie streichen. Wir sind bei 200 Millionen Euro gesetzlicher Leistungen und Hilfen zur Erziehung pro Jahr und Sie streichen davon 23 Millionen Euro jährlich; das haben Sie in diesem Haushalt beschlossen.

(Thomas Böwer)

2009 und 2010 wollen Sie mit 23 Millionen Euro weniger auskommen. Sie wollen gerne künftig 1000 Fälle weniger pro Jahr – das haben Sie den Bezirksamtsleitern auch schon so mitgegeben, das mussten die alle zwangsunterschreiben, das wissen wir – und sind nicht in der Lage, uns zu sagen, wie das gehen soll. Sie sind auch nicht in der Lage, uns zu sagen, wie all die neuen Fälle, die möglicherweise noch auf uns zukommen, wirklich betreut werden sollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Stephan Müller.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss einfach einmal das letzte Wort ergreifen.

Zum Thema Fallzahlen, weil Sie es jetzt gerade erwähnt haben, Frau Veit, kann man sicherlich ganz deutlich sagen, dass auch durch die entsprechende Aufstockung der Stellen nach dem Fall Jessica natürlich mehr Fälle entdeckt und bearbeitet werden. Es gibt auch eine wesentlich höhere Aufmerksamkeit und Sensibilisierung in der Bevölkerung und an vielen staatlichen Stellen und so etwas kommt dann hierdurch zustande.

Das bedeutet also nicht gleich, es gäbe jetzt mehr Fälle und die Situation in der Stadt hätte sich verschlechtert; das stimmt in dem Fall nicht.

Herr Böwer, ich habe es schon einmal erwähnt: Es geht nicht darum, in der Ausschusssitzung irgendeine Debatte oder Thematisierung dieser Frage zu verhindern, sondern es geht darum, mehr Informationen zu haben, gezielter heranzugehen und am 21. April werden wir, der Senat und wir alle, uns dem stellen.

Dieses Parlament ist die Legislative und die Ausschüsse in diesem Parlament werden ausschließlich per Tagesordnung von den Fraktionen beschlossen. Wenn Sie hier sagen, der Senator hätte die Ansage gemacht, das von der Tagesordnung zu nehmen, finde ich das eine bösartige Unterstellung Ihrerseits.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das zeigt wieder, dass Sie es lediglich darauf absehen, hier eine Selbstinszenierung mit einer dramaturgischen Wendung beizufügen, damit Sie sich dann auch wirklich im Ausschuss selbst gerecht werden.

Lassen Sie mich noch einmal zum Fall Lara und den U-Untersuchungen etwas sagen. Ich hatte es schon eingangs gesagt, der Fall Lara liegt in diesem Fall doch etwas anders.

Die Frage ist einfach in letzter Konsequenz: Was kann man tun, was können wir an Qualität verbes

sern, wenn eine Hilfe schon direkt vor Ort ist? Diese Frage stelle ich hier noch einmal: Was muss denn alles passieren, wenn ein Kind akut erkrankt mit allen Anzeichen, die dazu gehören – Dehydrierung, starke Abnahme –, damit irgendwer dieses Kind dann zum Arzt bringt? Das ist die entscheidende Frage und diese Frage geht nicht nur an das Elternhaus, sondern auch in Richtung Betreuung, das muss ich leider sagen, denn das wird mit Sicherheit aufgefallen sein.

Insofern gibt es noch viele Punkte und Aspekte, die wir dort beleuchten müssen. Das sind eben auch der Hilfeplan und der Hilfeverlauf. Ich möchte hier keine Schuldzuweisungen in Richtung Bezirksamt Hamburg-Mitte machen, aber – das hat auch der Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, Herr Schreiber, schon gesagt – man muss diese ganze Thematik selbstkritisch aufarbeiten.

Wenn man wirklich Fehler erkennen möchte zum Wohle der Kinder dieser Stadt, dann nützt es überhaupt nichts, wenn Sie, Frau Veit, permanent auf Ihrer Internetseite oder in Presseerklärungen immer wieder sagen, Senator Wersich sei schuld. Dann entlarven Sie sich selbst. Sie versuchen nur, den Eindruck zu erwecken, dass Sie hier einen Schuldigen gefunden haben. Vielleicht versuchen Sie künftig einfach einmal, den Eindruck zu erwecken, dass Sie sich sachlich mit dieser Thematik auseinandersetzen möchten.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Blömeke.

Ich möchte nur noch zwei Sätze sagen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu den Zahlen, die hier gerade im Umlauf waren im Zusammenhang mit den Streichungen. Wie Sie alle wissen, wird auch immer wieder in die Hilfen zur Erziehung durch Nachtragshaushalte investiert. Zuletzt waren es über 20 Millionen Euro. Das ist natürlich richtig und angemessen, weil die Hilfen zur Erziehung angestiegen sind durch verschiedene Faktoren, die wir schon oft besprochen haben: Mehr Meldungen, längere Hilfeleistungen, viel mehr Fälle, wodurch auch immer ausgelöst. Das heißt, Hilfen zur Erziehung sind wichtig und werden es natürlich auch bleiben.

Das ist auch eine gesetzliche Leistung, das muss man noch einmal deutlich sagen. Den Menschen, die Hilfe zur Erziehung beantragen, steht das per Gesetz zu. Das heißt, hier kann man gar nicht kürzen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und Sie tun das trotzdem, Frau Blömeke!)

(Carola Veit)

sondern das sind Ihre Behauptungen, die entbehren jeder gesetzlichen Grundlage.

Einen Punkt möchte ich noch gerne zu Frau Artus sagen, dazu bin ich vorhin nicht gekommen. Frau Artus sagte, sie hätte sich im Ausschuss gestern gewünscht, über die Arbeitssituation der Mitarbeiter in der Jugendarbeit und ihre Bezahlung zu reden. Frau Artus, das können wir alles gerne tun, aber wenn die Anmeldung zur Tagesordnung heißt "Der Fall Lara", dann geht es primär erst einmal nur darum, aufzudecken oder nachzufragen, woran dieses Kind gestorben ist. Wo war der Missstand, wo lag das Problem, was können wir in diesem Netzwerk Kindeswohl verbessern?

Natürlich können wir in Selbstbefassung, wenn das von allen Fraktionen gewünscht ist, immer wieder auch über die Arbeitssituation beim ASD reden. Sie können auch einen Antrag einbringen, der dann hier Gegenstand einer Debatte ist, um die Bezahlung der ASD-Mitarbeiter zu verbessern, wenn Sie das möchten.

Dass die eine Garantenpflicht haben, haben nicht wir verschuldet, das bringt der Beruf leider so mit sich. Es ist ein schwerer Beruf, der hoffentlich sehr gut angesehen wird und an Anerkennung gewinnt in Hamburg. Da möchte ich wirklich eine Lanze für die Mitarbeiter brechen, es ist einer der schwersten Berufe, in dem man mit Kindern in der Familie immer am Ball bleiben muss und in der Tat mit einem Bein im Gefängnis steht, wenn man etwas übersieht.