Herr Gedaschko, ich glaube, es ist ein großer Fehler, wenn Sie den Versuch unternehmen, in der Frage der Verantwortung für die Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit die Bundesregierung und den Hamburger Senat auseinanderzudividieren und dabei die Bundesagentur für Arbeit mit zu instrumentalisieren. Inwieweit wirksame Maßnahmen in ausreichendem Ausmaß in dieser Stadt tatsächlich angewendet und umgesetzt werden können, ist keine Frage, bei der Sie sagen können, das sei Hamburg nicht zugelagert, das könne hier nicht entschieden werden.
Herr Steil hat in der Vergangenheit mehrfach gelobt – und das Gleiche war bei Ihnen der Fall –, wie gut die Zusammenarbeit mit Hamburg in Bezug auf die gemeinsamen Programme, die Umsetzung dessen, was an Ressourcen vom Bund in Hamburg anlandet, funktioniere. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, das Problem, weshalb in Hamburg die Mittel nicht abfließen und die Unternehmen diese Mittel nicht in Anspruch nehmen würden, läge darin, dass Hamburg nicht die Verantwortung für die Maßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik habe, also möglicherweise keine Optionsgemeinde sei, dann ist das ein völlig falsches Argument. Es ist der Versuch, sozusagen als Reaktion auf die Diskussion, die Politik von Bundesminister Scholz anzugreifen. Der ist völlig fehl am Platze. Da sind Sie selbst in der Verantwortung und diese Verantwortung sollten Sie auch wahrnehmen.
Es gibt noch weitere Verantwortliche in dieser Stadt, die auch in der Veranstaltung, von der Frau Hochheim gesprochen hat, anwesend waren und mitdiskutiert haben über diese Thematik, das sind die Kammern. Die Kammern in dieser Stadt sind insbesondere verantwortlich für die Klein- und Mittelbetriebe, weil die großen Unternehmen sich in diesen Fragen wirklich weitgehend selber helfen können. Aber wir haben bisher bei den Kammern mit ihrer Pflichtmitgliedschaft eine Situation, dass große Politik gemacht wird in dieser Stadt, dass Schulpolitik gemacht wird und alle möglichen an
deren Fragen in den Mittelpunkt gestellt werden, aber wenn es um konkrete Hilfe vor Ort für die Klein- und Mittelbetriebe geht, wenn es darum geht, dass sie möglicherweise mit der Bürokratie Probleme haben und man sie dort unterstützen könnte, dann passiert nichts. Insofern wäre es richtiger, wenn Sie Ihre Kritik nicht an Bundesminister Scholz, sondern an die Hamburger Kammern richten würden, damit diese endlich einmal ihre Pflichtaufgabe für ihre Pflichtmitglieder wahrnehmen und dafür sorgen, dass die Betriebe auch wirksam die vorhandenen Programme in Anspruch nehmen können. Das wäre besser, als Herrn Scholz zu attackieren.
Zu guter Letzt möchte ich Sie gerne noch einmal auffordern, auf die CDU-Bundestagsfraktion Einfluss zu nehmen bezüglich der Frage, wie sich die zukünftige Konzentration in der Arbeitsmarktpolitik regional darstellen kann. Denn die Situation ist die, dass es ein einstimmiges Votum zwischen den Ministerpräsidenten der Länder, auch der CDU-Länder, und der SPD-Bundestagsfraktion bezüglich der zukünftigen Konstruktion der ARGEN gegeben hat. Doch dann ist es aus völlig abwegigen, mit Arbeitsmarktpolitik überhaupt nicht verknüpften Gesichtspunkten, sondern im Hinblick auf eine ideologische Position bezüglich der Bundestagswahl dazu gekommen, dass die Bundestagsfraktion ausgeschert ist. Und das können die Arbeitslosen in diesem Land überhaupt nicht vertragen, dass gegen ihre konkreten Interessen in puncto Integration in den ersten Arbeitsmarkt eine Ideologie durchgesetzt wird. Und deswegen ist es dringend notwendig, dass dieses Thema im Rahmen der Bundestagswahl und auch, wenn es vielleicht kontrovers mit dem Bund ist, in Hamburg mit den Zuständigen thematisiert und dafür gesorgt wird, dass in Zukunft Arbeitsmarktpolitik aus einer Hand gemacht werden kann und nicht, wie sich das jetzt darstellt, gesplittet werden muss. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gebe gerne zu, ich habe mich jetzt sehr spontan zu diesem Thema "qualifizieren statt entlassen" gemeldet. Es würde uns allen besser anstehen, uns nicht darüber zu unterhalten, wie die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber gegeneinander funktionieren, sondern darüber, dass man in den Firmen begriffen hat, dass sie miteinander funktionieren müssen und dass sie sich in diesem Miteinander auch der Krise zu stellen haben.
Ich bin weiß Gott kein Berufspolitiker. Ich bin in meinem Hauptleben Unternehmer und möchte das einmal aus der Praxis etwas anders darstellen als so, wie es hier diskutiert wird. Jeder, der einen Betrieb hat, nutzt die Krise nicht aus, um Entlassungen vorzunehmen, sondern er nutzt sie dafür aus, sich gemeinsam mit seinen Mitarbeitern hinzusetzen und zu fragen, wie lange denn in etwa diese Krise andauern wird. Keiner kann das beantworten. Der Unternehmer wird zuallererst versuchen, aufgelaufene Überstunden abzubauen und seine Mitarbeiter dafür um Verständnis bitten, dass diese ihm nicht ausgezahlt werden können, sondern in der flauen Zeit abgebummelt werden können oder müssen. Des Weiteren wird er sich mit seinen Arbeitnehmern über die Auftragslage unterhalten und ihnen klarmachen, dass gegebenenfalls Kurzarbeit angeordnet werden muss, falls die Auftragslage sich nicht bessert. Außerdem wird er sich sehr dezidiert mit seinen einzelnen Abteilungen darüber abzustimmen haben, ob er Kurzarbeit für den gesamten Betrieb oder womöglich nur für einzelne Abteilungen anordnet.
Und erst dann, wenn die Wirtschaft noch immer nicht angezogen hat, muss er auch über Entlassungen nachdenken und – gestatten Sie mir, das zu sagen – gegebenenfalls auch tatsächlich Arbeitnehmer entlassen. Das geschieht nicht, um seinen Profit zu maximieren, wie das hier immer dargestellt wird, sondern um durch solche Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass möglichst viele Arbeitnehmer auch weiterhin für dieses Unternehmen tätig sein können. Wer das nicht tut, handelt insgesamt in diesem Ablauf unverantwortlich.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Herr Capeletti, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rose zu?
Lassen Sie mich aber freundlicherweise noch eines sagen: Wir haben in Hamburg nach wie vor über 800 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer und ein starkes Anschwellen der Kurzarbeit. Frau Dr. Hochheim sprach von 25 000, die Statistiken gehen zurzeit von 30 000 Kurzarbeitern aus. Das heißt also, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gehen diesen Weg bereits gemeinsam. Eigentlich ist es doch auch vernünftig, so vorzugehen, und deshalb sollten wir in dieser Frage auch zusammenstehen.
Im Wirtschaftsausschuss – Frau Badde, wir haben es dort auch mit den Beteiligten Rolf Steil und Herrn Bösenberg durchdiskutiert – ist tatsächlich, wie hier schon ausgeführt, Elementares nicht nachgeblieben, von dem man hätte sagen müssen, da stehen wir nun aber fürchterlich weit auseinander. Wir sollten der Hamburger Wirtschaft heute signalisieren, dass das, was die Bürgerschaft auf den Weg gebracht hat, in eine vernünftige Richtung geht und uns deshalb hier nicht in Einzelheiten zerfleischen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestern nach der Bürgerschaftssitzung bin ich nach Hause gegangen, um mich ein bisschen auszuruhen und auf meine heutige Rede vorzubereiten. Ich habe in einer türkischen Tageszeitung geblättert und verwundert gelesen, was für hohe Dividenden die Unternehmen trotz der Wirtschaftskrise an ihre Aktionäre weiterhin ausschütten. Hier nur zwei Beispiele: ThyssenKrupp zahlt seinen Aktionären 68,8 Millionen Euro, die Daimler AG 578 Millionen. Um Sie nicht mit weiteren Beispielen zu langweilen, nenne ich die Gesamtsumme: Insgesamt sind 22 Milliarden Euro an die Aktionäre gezahlt worden.
Als ich heute das "Hamburger Abendblatt" aufgeschlagen habe, habe ich gesehen, wie die Kollegen von Continental für ihren Arbeitsplatz kämpfen. Es ist richtig und wichtig, dass man in der Zeit der Wirtschaftskrise für Qualifizierung Gelder ausgibt. Sie wissen, dass für diese Wirtschaftskrise auch bekannte Ökonomen voraussagen, dass wir in zehn bis zwanzig Jahren die Wunden dieser Krise noch nicht überwunden haben werden, und
deswegen ist es wichtig, dass man in die Qualifizierung investiert. Aber es reicht nicht aus, Geld für die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer auszugeben, wenn am Ende keine Arbeitsplätze vorhanden sind.
Ich habe mich mit der Geschichte vom 1. Mai auseinandergesetzt und geguckt, was die Kollegen 1929/1930 in der Zeit der Wirtschaftskrise gefordert haben. Das waren fast die gleichen Forderungen wie heute: Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhung, Forderungen für Brot und Arbeit. Damit will ich sagen, dass die Forderungen von 1929/1930 heute noch genauso aktuell sind. Und deswegen sage ich: Der 1. Mai 2009 ist, genau wie auch der 1. Mai 1929 und 1930, nicht nur ein Familientag, sondern ein Tag der Solidarisierung und des Kampfes. Und deshalb sollten wir nicht nur zusehen, dass die Unternehmen finanzielle Mittel bekommen. Wir sollten uns als Abgeordnete auch mit den Kolleginnen und Kollegen, denen gekündigt wird, solidarisieren. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Tucholsky war gut an dieser Stelle, vielen Dank, weil er nämlich Folgendes deutlich macht.
Herr Tucholsky macht ja viele Dinge deutlich und die zweite Runde hat auch gezeigt, dass man das Thema Arbeitslosigkeit sicherlich aus vielen Perspektiven angucken muss. Man kann es, wie Herr Capeletti es getan hat, aus der direkten Perspektive des Unternehmers, der viele Vorstellungen davon hat, wie sein Betrieb und seine Belegschaft über die Krise zu retten sind, diskutieren. Man könnte es vielleicht auch mit dem einen oder anderen großen Konzern, global agierend, vielleicht nicht immer lokal handelnd, diskutieren und dann einmal sehen, was dabei herauskommt. Ich wünsche mir eigentlich auch, dass die Bandbreite des Themas Arbeitslosigkeit zum 1. Mai mit in die Parolen einfließt. Ich finde es aber nicht so gut – und da komme ich auf Sie zurück, Herr Abgeordnetenkollege Rose –, dass Sie ans Pult gehen und sich zu einem fünf Minuten langen Schlagabtausch mit dem Senator versteigen, ohne einen einzigen Blick ins Parlament zu werfen, ohne einen einzigen Redebeitrag auch nur eines Wortes zu würdigen.
Ich finde es immer besser, wenn wir alle miteinander reden, und direkt mit dem Senator streiten Sie sich doch gerne an anderer Stelle.
Sie wollten einfach nicht mit dem Parlament streiten. Sie wollten sich vor den Kollegen Olaf Scholz werfen. Ich finde auch, dass sich auf Bundesebene zum Thema Kampf gegen die Arbeitslosigkeit gut aufgestellt wurde. Was aber eindeutig nicht funktioniert, und das hat der Senator hier deutlich gesagt, das hatte ich vorhin auch schon gesagt, ist das gemeinsame Überwinden der Bürokratie, die hinter der Umsetzung der Maßnahmen steht. Die Gespräche und die Zusammenarbeit mit Herrn Steil und mit Herrn Bösenberg sind konstruktiv und gut, genauso wie mit der Wirtschaftsbehörde; darin sind wir uns alle einig. Nur stellt sich die Frage– Herr Gedaschko hat die Zahlen genannt –, woran es liegt, dass nur 1 Million Euro abgerufen wurde, obwohl 150 Millionen Euro zur Verfügung standen. Sie haben so getan, als sei deutlich gesagt worden, es liege an Herrn Scholz; das hat er gar nicht gesagt. Es liegt daran, dass es hier nicht ankommt, und das hat ganz viel damit zu tun, dass die zuständigen Institutionen nicht ineinandergreifen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir als Hamburger Parlament nicht mit der gemeinsamen Stärke, über die wir durchaus verfügen könnten, bei diesem Thema agieren. Sonst könnten wir die ARGE, aber auch die BA und die Handelnden und auch die CDU-und SPD-Bundestagsfraktionen auffordern, endlich zu einer Lösung für die Neuregelung der ARGE und zu einem gemeinsamen Paket gegen die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit zu kommen. – Vielen Dank.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 41, Drucksache 19/2762, Antrag der GAL- und der CDUFraktion: Geschlechtsspezifische Arbeit mit Jungen stärken.
[Antrag der Fraktionen der GAL und CDU: Geschlechtsspezifische Arbeit mit Jungen stärken – Drs 19/2762 –]
Hierzu liegen Ihnen als Drucksache 19/2868 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE und als Drucksache 19/2879 in einer Neufassung ein Antrag der SPD-Fraktion vor.