Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Das Wort bekommt Senator Dr. Freytag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Ergebnis für die Steuern vom 1. Januar bis 30. April dieses Jahres haben wir auch in einer Kleinen Anfrage soeben mitgeteilt. Hamburg hat in den ersten vier Monaten 2,193 Milliarden Euro an Steuern eingenommen, das sind etwa 4,9 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Bezieht man in das Ergebnis den Finanzausgleich mit ein, dann ist das Minus größer. Es ist unverkennbar, dass wir deutliche Steuermindereinnahmen haben. Insbesondere rückläufig sind die für Hamburg besonders relevanten Lohn- und Umsatzsteuern. Nennenswerte Mindereinnahmen gibt es auch bei den nicht veranlagten Steuern vom Ertrag. Wie angekündigt, werden wir einen Nachtragshaushalt vorlegen, wenn wir genau wissen, wie groß der Finanzierungsbedarf für den Hamburger Haushalt ist. Das wissen wir nach Abschluss der Berechnungen für Hamburg in Bezug auf die Mai-Steuerschätzung, die in den

nächsten Tagen vorgenommen wird. Wir werden dann einen Nachtragshaushalt vorlegen, der folgende Elemente hat:

Erstens: Er wird die Zahlungen beinhalten, die auf Hamburg aufgrund des Bundeskonjunkturprogramms zukommen. Im Bund sind Steuererleichterungen für alle Bürger in Deutschland beschlossen worden. Der Eingangssteuersatz wurde um einen Prozentpunkt gesenkt, der Grundfreibetrag sowie die übrigen Tarifeckwerte angehoben. Das ist gut für die Entlastung der Menschen in unserem Land, hat aber Nachteile für die Einnahmen des Staates. Wir schätzen, dass wir allein durch diese bundespolitische Maßnahme bis zu 100 Millionen Euro Mindereinnahmen jährlich haben.

Zweitens wird Hamburg noch 75 Millionen Euro im Nachtragshaushalt abbilden müssen, die aus dem Konjunkturprogramm des Bundes für Investitionen anfallen, bei denen der Bund uns 225 Millionen Euro gibt unter der Bedingung, dass wir 75 Millionen Euro selber zahlen. Wir werden dann die noch genau zu beziffernde Summe mit in den Nachtragshaushalt aufnehmen, die wir aufgrund der Steuermindereinnahmen brauchen.

Hamburg ist von der Krise erreicht worden, das muss man ganz klar sagen, aber wir haben den Vorteil, dass wir mit einem soliden finanziellen Fundament in das Krisenjahr 2009 hineingegangen sind. Wir haben 2007 und 2008 einen ausgeglichenen Haushalt aus eigener Kraft hinbekommen und keine neuen Schulden gemacht wie die meisten Länder und der Bund.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist doch ein Lacher! Wer glaubt das denn noch! – Micha- el Neumann SPD: Reden Sie mal zu uns! Sie müssen uns überzeugen!)

Das heißt, wir hatten im Jahr 2008 sogar im Betriebshaushalt einen Rekordüberschuss von 1,3 Milliarden Euro. Dieses Geld ist auch ausgegeben worden, aber es ist an der richtigen Stelle ausgegeben worden. Ich finde es gut, wenn die Kinder in unserer Stadt die beste Kinder-Tagesbetreuung haben, die es jemals in unserer Stadt gab. 288 Millionen Euro mehr sind richtig.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Und jeder, der kritisiert, dass die Umsetzung unserer sozialen Maßnahmen Geld kostet, muss seine eigene Glaubwürdigkeit hinterfragen. Einerseits wird von Ihnen allen beklatscht, dass mehr Lehrer eingestellt werden, um die Klassenfrequenzen zu senken, und die Kita-Gebühren gesenkt werden; andererseits kritisieren Sie, dass der Haushalt dafür Geld ausgibt. Im Unterschied zu vielen anderen Senaten haben wir jedoch dieses Geld aufgrund der guten Situation 2007 und 2008 aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln erwirtschaftet.

(Jens Kerstan)

Aufgrund der schweren Wirtschaftskrise werden wir nun wieder in eine Situation kommen, in der wir einen Nachtragshaushalt mit einer Neuverschuldung vorlegen werden. Dennoch bleibt es dabei, dass wir die Maßnahmen, die wir in der Koalition beschlossen haben und die den Menschen unmittelbar zugute kommen, weiterhin zum Maßstab unserer Politik machen. Es geht darum, auch in dieser schwierigen See den Haushalt in einem Gleichklang zu halten. Mir ist deshalb ganz wichtig, dass gleichzeitig mit der Neuverschuldung, zu der wir ausnahmsweise gezwungen sind, ein Rückzahlungsmechanismus vereinbart wird. Wenn es der Stadt aufgrund erhöhter Steuereinnahmen wieder besser geht, müssen diese zur Tilgung der zusätzlichen Verschuldung verwendet werden. Somit sind wir auf dem Weg, einen ganz modernen Nachtragshaushalt vorzulegen, der vermeidet, dass die nachfolgenden Generationen mit weiteren Schulden belastet werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kruse, es geht wirklich nicht um einfache Rezepte und schon gar nicht um eine, wie Sie es nennen, parteipolitische Stimmungsmache, weil wir angeblich kein Fundament haben. Sie haben eben gehört, dass in dieser Stadt wie anderswo in der Republik sehr wohl ein Fundament da ist und dass wir mit einer schweren Wirtschaftskrise konfrontiert sind, die eine Schrumpfung mit sich bringt, wie wir sie noch nie gesehen haben, und in der Folge Steuerausfälle, die uns nicht nur dieses Jahr, sondern die nächsten Jahre begleiten werden. Insofern ist es wichtig, Klarheit zu schaffen und ich kann nur ausdrücklich begrüßen, was Herr Freytag gemacht hat. Klarheit heißt, dass wir in diesem Jahr einen Nachtragshaushalt und für die nächsten Jahre eine modifizierte Finanzplanung brauchen. Wir würden niemals in Frage stellen, Herr Kerstan, dass europaweit oder in Nordamerika auf diese schwere Krise vernünftiger reagiert worden ist als in der Weltwirtschaftskrise 1929 und folgende. Wenn überhaupt, haben wir eine Differenz an dem Punkt, ob in Hamburg der Spielraum, um den es hier geht, komplett ausgeschöpft wird. Ich möchte noch einmal unterstreichen, was Frau Heyenn gesagt hat. Wir haben den Eindruck, dass die Hamburger Konjunkturoffensive zu flach ist, dass nicht genügend getan wurde und auch keine Perspektive für die nächsten Jahre aufgezeigt wird. Wir erwarten mehr, weil wir davon ausgehen, dass die Probleme am Jahresende nicht beseitigt sind.

Ein anderer Kritikpunkt, jedenfalls an Herrn Freytag oder der Regierungskoalition, ist, dass Sie in den letzten Jahren die Rücklagen akquiriert haben,

um einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Wir haben mehrfach gesagt, dass dies mit Blick auf die weitere Entwicklung höchst problematisch ist, und kritisierten deswegen auch den Doppelhaushalt.

Ich kann mir in der augenblicklichen Situation überhaupt nicht vorstellen, wie Sie das im nächsten Jahr alles machen wollen. Ich fände es nur gut, Herr Freytag, wenn Sie bitte sagen würden, wann Sie diesen Nachtragshaushalt einbringen und wann wir die Diskussion über eine modifizierte Finanzplanung haben werden. Für uns ist das jedenfalls wichtig, uns geht es nicht um Rhetorik oder Stimmungsmache, wie Sie uns das unterstellen.

Ein letzter Punkt: Wenn wir jetzt mehr in die Verschuldung gehen – und das ist doch von unserer Seite erst recht akzeptiert, dass man das machen muss –, dann müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, wie wir das in der nächsten Zeit ändern. Daher muss auch die Einkommenssituation, das heißt die Frage der Steuergerechtigkeit in dieser Stadt, noch einmal zum Thema gemacht werden. Nur im Rahmen dieses Gesamtkonzepts kann es gehen, eine wirkliche Offensive im Bereich der Konjunktur, ein vernünftiger Nachtragshaushalt mit Perspektiven für die nächsten drei, vier Jahre und auch eine Verständigung darüber, wie wir die Einnahmesituation in dieser Stadt verbessern können. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Badde.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kerstan, es ist eine ziemliche Unverschämtheit, wenn Sie hier eine legitim vertretene Fraktion auffordern, es zu unterlassen, Debattenanträge zu stellen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn Sie dies einmal in Richtung Ihrer Koalitionskollegen gemacht hätten, was die Debatte zum Evangelischen Kirchentag betrifft, den wir abschließend im Haushaltsausschuss behandeln, dann hätte ich nichts gesagt, aber zu dieser Frage der Haushaltslage, die unsere Stadt bewegt, ist das ziemlich unverschämt.

Es ist nicht so, dass wir die Ernsthaftigkeit dieser Debatte und der Haushaltslage nicht teilen, sondern bei uns ist die Sorge vorrangig, dass der Senat von vornherein nicht ernsthaft mit der Situation umgegangen ist. Noch im Herbst letzten Jahres betonte Herr Dr. Freytag, dass der Haushalt ausgeglichen sei und Hamburg erstmals aus eigener Kraft ohne Schulden auskäme, wo schon absehbar war, dass dies nicht zu halten wäre, unabhängig von der neuen Steuerschätzung. Unser Bürgermeister kündigte an, wir würden für zwei Jahre ohne

(Senator Dr. Michael Freytag)

neue Schulden auskommen. Das ist in hohem Maße fahrlässig gewesen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Statt damals zu korrigieren, hat man so weitergemacht und ist in ein Desaster gerannt. Sicherlich ist dem Senat nicht die Schuld an der Finanz- und Wirtschaftskrise zuzuschreiben, aber er trägt zum Beispiel eine Teilschuld hinsichtlich des Managements bei der HSH Nordbank.

Schädlich für die Zukunft ist insbesondere das vernachlässigte Krisenmanagement. Statt jetzt den Ausgabenzug einmal abzubremsen, wird verantwortungslos weiter Geld ausgegeben. Für das Lieblingskind Schulreform ist kein Geschenk zu teuer und Kritik an der Bildungspolitik wird von den Beteiligten im Keim erstickt. Als wäre dafür nicht schon genug veranschlagt worden, gibt es jetzt neue Versprechungen einer Ganztagsbetreuung, die zum Nulltarif erfolgen soll. Mir ist völlig schleierhaft, sehr verehrte Senatsmitglieder, wie dies möglich sein soll. Wird die Betreuung ehrenamtlich erbracht oder wie kommt der Nulltarif dort zustande?

Ein anderes Beispiel ist die scheinbare Erfolgsgeschichte Asklepios-Verkauf, zu der wir hoffentlich auch noch kommen. Der Senat wollte sich gegen den Volkswillen des LBK entledigen und kalkulierte Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. Zahlungen hat es in dreistelliger Millionenhöhe gegeben, aber von der Stadt an Asklepios. Das ist ein wirkliches Jahrhundertgeschäft, zulasten des Patienten, aber besonders zulasten des Steuerzahlers.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

So wird es eine weitere Liste geben, das erfahren wir dann hoffentlich beim Nachtragshaushalt, der unvorhergesehenen Ausgaben. Aber wie geht der Senat damit um? Er betreibt sein übliches Strickmuster der Schaufensterpolitik, das da heißt, die Leuchttürme bleiben bestehen, auch wenn das Land drum herum unter Wasser steht. Er wird nicht umhinkönnen, hier Einsparungen zu erzielen, und das wird Kürzungen bedeuten, Kürzungen im sozialen Bereich – beim Personal wird das oft wahllos erfolgen – und insbesondere bei der Unterhaltung von Infrastrukturmaßnahmen. Aber das gefährdet gerade unsere vorgezogenen Investitionen im Rahmen des Konjunkturprogramms, wenn es einerseits ein großartig aufgelegtes Radwegeprogramm gibt, das immerhin sechs Radwege dieses Jahr vorsieht, andererseits die Einsparungen an Unterhaltungsmitteln diese Investition konterkarieren und man an anderer Stelle wieder Radwege dem Verfall preisgibt. Das bezeichne ich als Gegenteil einer sozialen Haushaltspolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte doch einmal gerne den Wortlaut der Anmeldung der LINKEN hier zugrunde legen: Steuerschätzung – Die Krise darf nicht zu weniger Bildung, weniger sozialer Infrastruktur und mehr sozialer Unsicherheit führen. Dabei ist bekannt, dass dieser Senat mitten in der Krise Hunderte von Millionen Euro mehr für Kitas, für Bildung, Wissenschaft und Soziales ausgibt und angekündigt hat, dass bei einem Wegbrechen der Steuereinnahmen nicht gespart wird, sondern dies durch eine vorübergehende erhöhte Schuldenaufnahme ausgeglichen werden soll.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Und dann?)

Sie melden hier ein Thema an, von dem Sie wissen, dass das, wovor Sie warnen, nicht stattfinden wird. Das ist für mich Meinungsmache und ich würde mir wünschen, dass Sie so etwas nicht anmelden. Ich kann Ihnen das nicht verbieten.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das hat etwas mit politischer Kultur zu tun. Ich kann Ihnen nicht vorschreiben, wie Sie sich wahrnehmen, aber ich würde davor warnen, solche Debatten zu führen. Das ist alles, was ich zu diesem Thema sagen möchte, und ich weiß nicht, ob Sie im Sinne Ihrer Fraktion gesprochen haben, Frau Badde, indem Sie dies kritisiert haben.

So wie Herr Bischoff gesprochen hat, kann man diese Debatte führen. Wie reagiert man denn jetzt auf die Krise? Ich möchte gern noch einmal begründen, warum wir so entschieden haben, obwohl wir schon bei der Aufstellung des Doppelhaushalts wussten, dass die Steuermehreinnahmen einbrechen würden. Wir wussten nicht in welcher Höhe, das wissen wir heute auch nicht, darum ist es so unsinnig, heute darüber zu reden. In einer Woche werden wir es wissen und in der nächsten Bürgerschaftssitzung werden wir wissen, worüber wir zu sprechen haben, aber Sie wollen ja gerne vorher reden, ohne Genaueres zu wissen. Da habe ich schon den Eindruck, dass Ihre Intention ist, unbelastet von Fakten Stimmung zu machen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Erstens: Der Nachtragshaushalt wird auf der Ausgabenseite bei den einzelnen Titeln keine Einsparungen vornehmen, sondern er wird auf der Einnahmenseite die Neuverschuldung teilweise erhöhen. Und das wars. Insofern hat sich die Debatte, die Sie hier angemeldet haben, erübrigt und das wussten Sie vorher.

Zweitens: Diesen Doppelhaushalt haben wir auch so aufgestellt, weil wir wussten, dass die Steuermehreinnahmen wegbrechen werden und wir auf der Ausgabenseite das, was wir uns vorgenommen

(Elke Badde)

haben, anders finanzieren müssen. Nichtsdestotrotz werden wir das, was wir vereinbart haben und was wir im Doppelhaushalt für beide Jahre festgehalten haben, unverändert durchführen und das ist eine gute Botschaft, weil das im Gegensatz zu den Befürchtungen der LINKEN ein Mehr für Bildung, Kitas, Soziales und Wissenschaft bedeutet. Das ist eine gute Botschaft für diese Stadt, das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich unterstreichen.

Selbst wenn wir eine Verschuldung in Kauf nehmen müssen, wird dies in einem Rahmen geschehen, der verglichen mit anderen Bundesländern durchaus moderat sein wird. Im Bund wird darüber gesprochen, dass eine Neuverschuldung im Raum steht, die die Dimension aller vorangegangenen Neuverschuldungen in den Schatten stellen wird.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Werden wir si- cher auch noch erleben!)

Ich kenne die Steuerschätzung nicht, aber meine Prognose wäre, dass wir hinsichtlich der Neuverschuldung in Hamburg bei einer Größenordnung landen, die der normalen – in Anführungsstrichen – Neuverschuldung der vorangegangenen Jahrzehnte entspricht. Das ist nicht schön, aber es ist auch keine Katastrophe und es zeigt, dass dieser Senat bei der Vorlage seines Doppelhaushalts eine gute, solide Finanzpolitik betrieben hat, denn auch in der größten Krise seit Jahrzehnten wird die Neuverschuldung nicht so explodieren wie in anderen Bundesländern. Das ist nichts Schlechtes, sondern das ist etwas Gutes für Hamburg.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Insofern freue ich mich darauf, diese Debatte noch einmal zu führen, wenn wir endlich die Zahlen haben. Vielleicht können wir heute andere Themen ausführlicher behandeln, zu denen es mehr Fakten gibt und die man mit mehr Substanz diskutieren kann.– Vielen Dank.