Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

Man muss auch sagen, dass Vattenfall darauf reagiert. Beim letzten Störfall wurden der Deutschland-Chef und der Chef der Kraftwerkssparte entlassen. Jetzt, nach wenigen Tagen, ist der Direktor vor Ort entlassen worden. In der Zwischenzeit wurde die Zuständigkeit für die Sicherheit der Reakto

ren an den Vorstandsvorsitzenden des Mutterkonzerns in Schweden, Herrn Josefsson, verlagert. Man muss doch eines feststellen, die Verantwortlichen bei Vattenfall kommen und gehen, während die Unsicherheit und die Störfälle bleiben, und das darf so nicht bleiben.

(Beifall bei der GAL, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Dieses Zusammenspiel eines alten, nicht auf dem neuesten Stand der Technik befindlichen Reaktors, der höchst anfällig ist und in dem es regelmäßig Störfälle gibt, und eines Betreibers, der seine Unzuverlässigkeit und Unfähigkeit bereits unter Beweis gestellt hat, stellt ein nicht zumutbares Sicherheitsrisiko für Hamburg und die Menschen in dieser Stadt dar.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Ich freue mich, dass wir zumindest in diesem Punkt – Sicherheit geht vor – mit unserem Koalitionspartner einer Meinung sind, wenn ich den Aussagen Glauben schenke. Ich würde mir wünschen, dass es in den nächsten Wochen und Monaten nicht nur bei diesem Bekenntnis bleibt, sondern wir auch bei den Gesprächen mit dem Betreiber und bei Maßnahmen, die zu ergreifen sein werden, ein deutliches Stück für die Sicherheit der Menschen in dieser Stadt vorankommen.

Aber man darf nicht verschweigen, dass wir natürlich ein grundsätzliches Problem am Wickel haben. Wir stehen kurz vor der Bundestagswahl und von ihrem Ausgang wird es abhängen, ob es bei einem Ausstieg aus der Atomenergie bleibt oder nicht. In der nächsten Legislaturperiode werden nach dem Atomkonsens sieben Reaktoren vom Netz gehen müssen und jede Bürgerin und jeder Bürger dieser Stadt wird durch seine Stimme auch entscheiden, ob dieser Ausstieg zur Sicherheit Hamburgs – Brunsbüttel und Krümmel gehören dazu – wirklich passieren wird oder ob der Atomausstieg auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.

Wenn man sich dieses Problem anschaut, dann kann man nur eines sagen. Die Position, ich komme zum Schluss, von uns Grünen bei dieser Frage war immer eindeutig: Wir werden alles dafür tun, damit die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, in Hamburg zusammen mit unserem Koalitionspartner. Wenn es auf Bundesebene nicht gelingt, dann werden wir das im Bundestagswahlkampf und im Bundestag auch gegen Sie machen, Herr von Beust.

(Glocke)

Eines ist klar, ich komme zum Schluss, der Atomausstieg darf nicht aufhören und deshalb geht es darum, dass jeder seine Verantwortung wahrnimmt, auch die Bürgerinnen und Bürger bei ihrer Wahlentscheidung im September. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über den Störfall an sich und die daraus zu ziehenden Konsequenzen haben wir schon ausführlich diskutiert. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal anmerken: Ich finde, es ist keine besondere Leistung Sicherheit einzufordern, sondern es gehört für Regierende einfach dazu, dafür zu sorgen, dass die Sicherheit der Bevölkerung in solchen Fällen gewährleistet ist.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen möchte ich noch einen anderen Aspekt beleuchten, der schon mehrfach angesprochen worden ist, nämlich die Frage der Laufzeiten. Die CDU/CSU hat genauso wie die FDP ein Szenario aufgelegt, das davon ausgeht, dass die Laufzeiten der 17 verbliebenen Atomkraftwerke verlängert werden sollen. Herr von Beust selber hat im Jahre 2007 "Der Welt" gegenüber in einem Interview erklärt, man bliebe zwar grundsätzlich bei einem Ausstieg, aber für die moderneren und sichereren Kraftwerke – die Frage ist, welche das denn sind – müsse es bei einer Laufzeitverlängerung bleiben. Er sprach dabei von einer Übergangszeit von mehreren Jahrzehnten.

Aber selbst wenn man nur die vom ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Glos aufgebrachte Forderung der Laufzeitverlängerung von 32 auf 40 Jahre in Ansatz bringt, also diese acht Jahre betrachtet, wird deutlich, worum es eigentlich geht. Es geht nicht um die vermeintliche Sorge, dass wegen des CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwerken aus Klimaschutzgründen die AKWs weiterlaufen müssen, es geht auch nicht um die 40 000 Arbeitsplätze in der Atomwirtschaft, sondern in Wahrheit geht es einzig und allein um ein riesiges Geschäft.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Wil- fried Buss SPD: So ist es!)

Jedes dieser Atomkraftwerke ist betriebswirtschaftlich längst abgeschrieben, jedes dieser AKWs erbringt an jedem Tag, an dem es läuft, einen riesigen Gewinn. Das Öko-Institut hat ausgerechnet, dass allein die Laufzeitverlängerung um acht Jahre den Konzernen einen Zusatzgewinn von 61 Milliarden Euro bescheren würde, andere sprechen sogar von bis zu 200 Milliarden Euro. 61 Milliarden Euro sind der wahre Grund für die Laufzeitverlängerung und sonst nichts.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN- KEN)

Deshalb reicht es nicht aus, sich wie der Bürgermeister zu Fragen der Sicherheit zu äußern, es reicht auch nicht aus, wie Peter Harry Carstensen markig zu verkünden, notfalls würde er Krümmel eigenhändig abschalten – die Frage ist, ob er das überhaupt kann –,

(Heiterkeit bei der LINKEN)

sondern man muss sich jetzt dazu bekennen, ob man Atomkraft weiter will oder nicht. Das ist wie bei der Schwangerschaft, ein bisschen geht nicht, da gibt es nur ein Ja oder ein Nein und diese Frage muss beantwortet werden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deshalb, Herr Kruse, ist es falsch, auf der einen Seite über die Zuverlässigkeit von Vattenfall zu lamentieren – die ist nach diesem Vorfall in der Tat fraglich –, auf der anderen Seite aber weiter den Ausstieg aus dem Ausstieg zu verlangen. Denn, was hat sich denn seit Tschernobyl und Harrisburg geändert? Nichts. Ist die Endlagerfrage geklärt? Nein, sie ist nicht geklärt. Die Atomkraftbetreiber erklären, man könne die Brennstäbe noch weitere Jahrzehnte bei den Kraftwerken lagern. Das ist aber keine Lösung für die Zukunft. Es wurde immer behauptet, dass die in Westeuropa betriebenen AKWs viel sicherer seien als die, die im ehemaligen kommunistischen Machtbereich betrieben werden.

(Dr. Monika Schaal SPD: Man sieht es!)

Die Tatsachen sprechen aber eine andere Sprache. Es ist schon von Forsmark die Rede gewesen, ein Reaktor in Schweden – Schweden steht wohl nicht im Verdacht, was Sicherheitsfragen angeht, besonders lasch mit den Dingen umzugehen – stand kurz vor dem GAU. In Göteborg steht ein Reaktor mit 60 Vorfällen schwerster Art. Dass man aus Frankreich so wenig hört, liegt doch daran, dass die Atomlobby in allen Parteien besonders gut vernetzt ist. Das ist der eigentliche Grund dafür, der Grund ist nicht, dass die Dinger dort störungsfrei laufen.

Wenn sich aber an diesem Bedrohungsszenario nichts geändert hat, außer dass die Atomkraftbetreiber darauf hoffen, dass die Bevölkerung vergessen hat, was 1986 in Tschernobyl und vorher in Harrisburg passiert ist, wenn sich daran nichts geändert hat, dann hat sich auch nichts an dem Ausstieg geändert und deswegen wird man diese Frage auch entscheiden müssen. Ob Sie es hören wollen oder nicht, natürlich ist die Bundestagswahl eine Entscheidung darüber, da hat Herr Kerstan völlig recht. Wenn Schwarz-Gelb nach der Bundestagswahl regiert, wird es eine Laufzeitverlängerung dieser Atomkraftwerke mit ungeahnten Möglichkeiten für die Konzerne geben, weiter daran zu verdienen. Wenn das nicht der Fall ist, dann wird es bei dem Ausstieg bleiben und das ist die richtige Politik.

(Jens Kerstan)

(Beifall bei der SPD, der GAL und bei Nor- bert Hackbusch DIE LINKE)

Deswegen, Herr von Beust, finde ich, sollten Sie hier und heute erklären, ob Sie für das Weiterlaufen der Kernkraftwerke sind oder ob Sie angesichts dieses Vorfalls Ihre Meinung geändert haben. Die Bevölkerung in Hamburg hat ein Anrecht auf eine Antwort.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kruse.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kaum hat Herr Egloff gesprochen, sieht die Welt wieder ganz einfach aus.

(Ingo Egloff SPD: Glauben Sie mir doch ein- fach mal!)

Es gibt die bösen Energiekonzerne und es geht nur um ganz große Gewinne und CO2 steht gar nicht zur Debatte.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Bei ihm kommt der Strom aus der Steckdose!)

Es sieht fast so aus, als ob Herr Egloff versprechen würde, dass die Kernkraftwerke abgeschaltet werden und am nächsten Tag blühende Landschaften der alternativen Energieversorgung über Nacht entstehen, wenn dann die SPD regieren würde und schalten und walten könnte.

(Unruhe im Hause)

Solche Dinge entstehen aber nicht über Nacht und ich habe auch gar kein Problem damit, Herr Egloff, dass Sie sich mit hoher Geschwindigkeit von Energiekonzepten Ihrer Partei verabschieden, das macht nichts. Das Problem ist, dass Sie ein Vakuum erzeugen, solange Sie kein neues setzen und vor allen Dingen, weil Sie den Leuten etwas vortäuschen. Selbst Windenergieanlagen, Kraft-Wärme-Kopplung, Energieeffizienz, all diese Dinge, die als einzelne Projekte natürlich nicht so lange dauern wie der Neubau eines Großkraftwerks, schaffen Sie in der Summe nicht über Nacht. Das heißt, Sie brauchen einen Zeitplan und Sie brauchen die Möglichkeit, diese Umstellung mit der nötigen Energie sukzessive machen zu können. Und ich sage Ihnen: Ein Zeitplan von 15 Jahren ist ehrgeizig. Wir wären das einzige Land der Welt, das den hat. Wenn Sie nicht nach diesem Zeitplan arbeiten, dann haben Sie gar keinen Zeitplan und Sie werden nichts außer ein bisschen Chaos und immensen Profiten der Kernindustrie im Ausland erreichen.

(Ingo Egloff SPD: Und deswegen machen wir das lieber selber?!)

Denn Sie würden dann den Strom von dort oder aus Braunkohlekraftwerken aus Polen importieren müssen.

(Wilfried Buss SPD: Was machen wir denn jetzt?)

Es ist doch einfach so.

Auch die Endlagerungsproblematik entlasten Sie nicht dadurch, dass Sie jetzt abschalten, Sie wissen doch ganz genau, dass 15 Jahre überhaupt nicht der Zeitpunkt dafür sind.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Die Menge, Herr Dressel, vergrößert das Problem nicht wesentlich, das wissen Sie auch.

Warum können wir das nicht ernsthaft diskutieren? Warum können wir nicht sagen: Jawohl, es gibt auch in diesem Hause einen Konsens, wir wollen eine Umstellung auf regenerative Energien. Ich glaube, dass sich darin alle hier vertretenen Parteien einig sind. Schauen Sie auf das, was Hamburg macht, die schwarz-grüne Koalition treibt dieses Projekt voran. Die CDU-Alleinregierung hat wesentliche Dinge und ehrgeizige Ziele für den Klimaschutz gesetzt. Aber wir müssen das Ganze auch so machen, dass wir Ökologie und Ökonomie zusammen betrachten und natürlich auch das Soziale nicht vergessen.

Was wollen Sie denn machen, wenn die Energieversorgung in diesem Land für einen Zeitraum einseitig unbezahlbar und unsicher wird? Ich glaube, dass unser Konzept, in dem wir sagen, dass wir die sicheren Kraftwerke länger laufen lassen – und jetzt kommt es nämlich, Herr Egloff, wir lassen diese Profite nicht bei den Unternehmern. Wir sorgen dafür, dass neu investiert wird

(Ingo Egloff SPD: Bei Ihnen bricht der Sozia- lismus aus, Herr Kruse!)

und dass aus dem Gewinn der weiterbetriebenen Kraftwerke die Umstellung auf eine energieeffiziente Gesellschaft gelingt. Dafür werden wir sorgen.

(Beifall bei der CDU)