Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bericht, die erste Bilanz der Schulinspektion, die nun vorliegt, vertieft noch einmal die Beantwortung der Großen Anfrage, es sind die ersten Erkenntnisse. Gestatten Sie mir einen kleinen Rückblick in die Historie, weil gefragt wurde, wer zuerst mit der Schulinspektion angefangen hat. Ich glaube, alle, die Schulentwicklung wollen, alle, die die selbstverantwortete Schule wollen – wir haben beizeiten von der autonomen Schule gesprochen –, werden auch für eine Inspektion der Schule sein.
Ich erinnere mich an 1996 – da war ich noch nicht im Parlament –, als mein Vorgänger Kurt Edler Theo Likket aus den Niederlanden eingeladen hatte, in den Niederlanden hatte man nämlich schon eine Schulinspektion. Für uns war das damals ein bisschen revolutionär. Wie macht man das und lässt man sich als Schule überhaupt prüfen? Damals wollten wir zwar alle die autonome Schule, aber, dass das auch damit verbunden ist, dass man eine externe Evaluation zulässt, man sich überprüfen lässt, viele Elemente dazugehören, die dann zwischen 1997 und 2001 entwickelt wurden,
Insofern bin ich sehr froh, dass nach zehn Jahren dann 2006/2007 tatsächlich die Schulinspektion begonnen hatte, vor drei Jahren diese Schulinspektion als Abteilung im Institut für Bildungsmonitoring gegründet wurde. Dass die Inspekteure an dem Institut angesiedelt sind und nicht in der Schulbehörde, hat einen guten Grund. Es geht um die Trennung der Aufgaben der Schulaufsicht, die die Schulen berät und beaufsichtigt, und andererseits darum, dass die Schulinspektion von außen auf die Schulen blicken soll. Das ist auch gut so.
Mittlerweile sind 150 Schulen besucht worden und haben einen Inspektionsbericht bekommen. Ich bin absolut nicht Ihrer Auffassung, Frau Heyenn. Es ist wichtig, differenzierte Stärken- und Schwächenprofile zu kennen. Man kann sich nur weiterentwickeln, wenn man die Stärken und Schwächen auch tatsächlich kennt. Natürlich gab es Kinderkrankheiten, das ist immer so, wenn etwas startet. Es ist zum Beispiel einmal die irrwitzige Situation entstanden, dass die Schulinspektion in eine Schule gegangen ist, wo eine Projektwoche war. Das sind Dinge, die anfangs passieren können.
Frau Heyenn, die Schulinspektion arbeitet nach Standards, die in den Methoden überregional anerkannt sind, die Unterrichtsbeobachtungen und Befragungen sind sehr fundiert. Am Anfang waren viele unsicher, ob das überhaupt sinnvoll ist. Es gab die freiwilligen Schulen, aber inzwischen wird es als sinnvoll erkannt. Wir haben von Herrn Gwosdz schon gehört, dass es positive Ergebnisse wie das Klassenklima, das Klassenmanagement oder den respektvollen Umgangston gibt.
Wir haben aber auch große Schwächen in der individuellen Förderung feststellen müssen, was zurzeit sicherlich als großes Zauberwort herumgeistert, weil das unterschiedlich interpretiert wird. Aber es ist ein wichtiger Bereich, genauso wie das Problemlösen, das selbstgesteuerte Lernen und die Binnendifferenzierung, wie das früher hieß, vielerorts überhaupt noch nicht oder wenig ausgeprägt sind.
Es geht nicht darum, nur zwischen den Schulformen zu vergleichen, sondern diese Qualitätsunterschiede innerhalb einer Schule zu erkennen. Das heißt doch, dass nach dem Feedback, das dann kommt, die Schule alles tun muss, um dem Abhilfe zu schaffen. Natürlich hängt das von der einzelnen Lehrkraft ab, aber das können wir uns nicht mehr erlauben, sondern es geht darum, in den Schulen die Teams zu entwickeln, nicht mehr nur einzelne Kollegen zur Fortbildung zu schicken und auch klare Kriterien der Leitungsbewertung in lernförderlicher Art zu entwickeln. Das macht alles Sinn, wenn diese Stärken-Schwächen-Analysen da sind.
Wir wissen doch auch, dass wir zum Beispiel in dem Bereich Qualitätsmanagement, der schon angesprochen wurde, einfach unterentwickelt sind. Wir sehen, dass die beruflichen Schulen Schritt für Schritt QM-zertifiziert werden, das ist wirklich eine gute Entwicklung, da können wir uns für die allgemeinbildenden Schulen wirklich eine Scheibe abschneiden. Interessant ist auch, dass gute Schule abhängt von starker Schulleitung. Da kann man auch sagen, dass das ein Allgemeinplatz ist. Aber das sieht man gezielt an Kriterien. Ob die Lehrkräfte ordentlich eingesetzt werden, ob die Gelder ordentlich verwendet werden, gezielte Finanz- und Sachmitteleinsätze, die Unterrichtsorganisation, Vertretungsunterricht, das sind alles Kriterien, die für starke Schulleitung sprechen, wenn das ordentlich funktioniert.
Man kann letztendlich, weil viele Aspekte schon genannt wurden, drei davon noch einmal zusammenfassend hervorheben. Es geht darum, dass Schulen auch voneinander lernen, über den Tellerrand schauen, auch einmal kosten, was die anderen auf dem Teller vorbereitet haben. Was für die Einzelschule gilt, gilt auch für die Lehrkraft: die Teamarbeit, weg vom Einzelkämpfertum. Das muss systematisch gemacht werden und kann nicht einfach dem Zufall überlassen werden, Qualitätsmanagement wie Unterrichtsqualität systematisch zu entwickeln. Wir haben eine Gesamtstrategie nötig, wir haben Schulprogramme, wir haben Bildungsstandards, wir haben Rahmenpläne, wir haben das Ziel individualisiertes Lernen. Aber das steht alles oft unverbunden nebeneinander und deshalb brauchen wir diese systematische Fortbildung und Entwicklung, die wir jetzt auch systematisch angehen.
Ich will zum Schluss noch zwei Punkte benennen. Wir werden kein Ranking machen, wir werden in den vier Jahren, dem Abstand zwischen zwei Schulinspektionen, auch immer einen Zwischencheck entwickeln und wir werden die Eltern mit einbeziehen, natürlich nicht in der Schule, in der ihre Kinder sind, aber wir entwickeln jetzt ein Verfahren. Wir werden im Schulausschuss sicherlich berichten können, dass künftig auch Eltern in die Inspektionsarbeit mit einbezogen werden. – Vielen Dank.
Wer einer Überweisung der Drucksache 19/3179 an den Schulausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig angenommen.
Wir kommen zum Punkt 16 a der Tagesordnung, dem Senatsantrag: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes.
Diese Drucksache wurde am 15. Juni 2009 im Vorwege an den Schulausschuss überwiesen. Wer wünscht das Wort? – Frau Ernst, bitte.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Schulgesetzentwurf soll die Einführung einer sechsjährigen Primarschule und eines anschließenden ZweiSäulen-Modells umgesetzt werden. Die SPD-Fraktion sieht in dem Versuch, Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen zu lassen, grundsätzlich eine Chance zum Abbau sozialer Ungerechtigkeit. Wir sehen jedoch genauso deutlich, dass die konkrete Einführung der Primarschule in Hamburg mit beträchtlichen Risiken behaftet ist. Ein großer Kritikpunkt betrifft die Ausgestaltung der künftigen schulischen Angebote in den Klassen 5 und 6.
Die weiterführenden Schulen haben im vergangenen Jahr ein differenziertes Profil entwickelt und spezielle Angebote, die dort in diesen Klassen vorgehalten werden. Will man erreichen, dass Schülerinnen und Schüler eines Stadtteils gemeinsam lernen, müssen alle Kinder in der Primarschule die gleichen Angebote haben. Das geht dann nur unter Verlust dieser vielfältigen Angebote. Profiliert man hingegen die Primarschulen mit besonderen Angeboten und erlaubt dann auch noch den Eltern, Schulen nach diesem Profil zu wählen, statt die Primarschule im Anmeldeverbund verbindlich zu machen, werden sich die Schülerströme nach den Wünschen der Eltern sortieren. Dann hat man kein gemeinsames Lernen.
Unsere Befürchtungen, dass das eintreten könnte, wurden heute bestätigt. Einige Primarschulen sollen bestimmte Profile wie Latein oder Französisch anbieten und diese Schulen werden dann von den Eltern frei angewählt werden können. Andere Grundschulen werden eng mit Gymnasien kooperieren. Jeder hier weiß doch, was die Folgen sein werden. Viele Eltern werden die Primarschule ihres Stadtteils meiden. Längeres gemeinsames Lernen aller Kinder eines Stadtteils wird es so nicht geben. Es folgt faktisch eine Zunahme der sozialen Spaltung. Diese fatale Regelung des Koalitionsvertrages wird nun leider auf Druck der CDU bittere Realität in Hamburg.
Der Gesetzentwurf und die öffentlichen Diskussionen zeigen auch, dass wenig Energie in die zweite Säule des Schulsystems, die Stadtteilschule, ge
richtet worden ist. Es drohen zahlreiche Schulen zu entstehen, die an ihrem Standort nur die Jahrgangsstufen 7 bis 10 umfassen. Man braucht wirklich keine prophetischen Gaben um vorauszusehen, dass das die Restschulen des künftigen Schulsystems in Hamburg werden. Die Schwächsten im Bildungssystem, die keine laute Lobby haben wie andere, bekommen das unattraktivste Bildungsangebot. Ich finde, das ist ein Skandal.
Völlig unverständlich finden wir auch, dass Sie eine einfache Lösung dieses Problems verhindern, die sogenannte Langform, die es an Gesamtschulen und an Haupt- und Realschulen in Hamburg bisher gibt. Primarschule und Stadtteilschule gemeinsam arbeiten zu lassen, würde sicherstellen, dass liebenswerte Schulstandorte entstehen. Sie verhindern das aktiv und sind damit verantwortlich für diese Restschulen, die künftig in Hamburg entstehen werden.
Die Zerschlagung der Langform hat weitere Folgen, das haben wir auch schon diskutiert. Gerade besonders erfolgreiche Schulen wie die Max-Brauer-Gesamtschule, die Reformschule in Winterhude oder auch die Albert-Schweitzer-Schule werden zerstört, weil sie gezwungen werden, sich zwischen Stadtteilschule und Primarschule zu entscheiden. Ich finde es unmöglich, dass die besten Schulen Hamburgs, die über Hamburg hinaus bekannt und berühmt sind, derartig kaputt gemacht werden und kann den Sinn dieser Aktion wirklich auch immer noch nicht nachvollziehen.
Mit dieser Schulreform wird auch das Elternwahlrecht abgeschafft. Eltern in Hamburg verlieren künftig jeglichen Einfluss darauf, welche Schulform ihre Kinder besuchen können. Da reden wir seit vielen Jahren darüber, wie wichtig es ist, Eltern in Bildungsprozesse einzubeziehen, aber ausgerechnet die wichtige Frage der Form der künftigen weiterführenden Schule ihres Kindes soll die Eltern nichts mehr angehen. Aus unserer Sicht hat das mit demokratischer Schulkultur überhaupt nichts zu tun.
Statt Eltern einzubinden wird eine Elternschaft, die sich für den Bildungsweg ihrer Kinder einsetzt, neuerdings von den Regierungsparteien auch beschimpft. Es ist richtig, dass Eltern sich wehren und dass sie sich das nicht gefallen lassen.
Nun wird behauptet, das Elternwahlrecht begünstige soziale Ungleichheit. Das ist nicht so eindeutig, das haben auch die Beratungen der Anhörungen gezeigt. Es gibt auch Eltern, die wollen, dass ihre Kinder einen höheren Bildungsabschluss errei
chen, als sie selbst haben, und ihnen das ermöglichen wollen. Und das sind so viele, das haben die Anfragen des Kollegen Rabe gezeigt, dass der Wegfall dieser Eltern die Gymnasien in den sozialen Brennpunkten mittelfristig gefährdet. Es ist aus unserer Sicht kein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, wenn eine Schulentwicklung auf den Weg gebracht wird, die dazu führen wird, dass es Gymnasien in den wohlhabenderen Stadtteilen gibt und sie in den schwächeren Stadtteilen vor dem Aus stehen. Ich finde es zynisch, dass diese Entwicklung in Kauf genommen wird.
Zur ganzen Wahrheit bei der Beurteilung dieses Übergangs gehört auch, dass die staatliche Grundschulempfehlung auf jeden Fall sozial ungerecht ist. Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern bekommen bei gleicher Leistung deutlich seltener eine Empfehlung für den Besuch eines Gymnasiums. Nach Ihrer Logik müsste diese Empfehlung abgeschafft werden, wenn sie denn sozial ungerecht ist. Das machen Sie aber nicht, sondern Sie nehmen den Eltern die Möglichkeit, diese Entscheidung zu korrigieren und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Das ist falsch.
Das Schlimme ist, dass diese Empfehlungen nicht nur sozial ungerecht sind, sondern häufig auch schlichtweg falsch, auch das hat die Anhörung noch einmal gezeigt. 40 Prozent der Kinder, die keine Gymnasialempfehlung hatten, schaffen den Weg zum Abitur. 40 Prozent – wie kann es sich der Staat bei einer so hohen Fehlerquote eigentlich anmaßen, hier Schicksal zu spielen? Ich finde das unerhört.
Mit diesem Schulgesetzentwurf ist nicht zuletzt auch ein Prozess politischer Verantwortungslosigkeit der CDU verbunden. Wer in Hamburg unterwegs ist, begegnet vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich zutiefst verraten und getäuscht fühlen von einer CDU, die sich mit großem Getöse vor der letzten Bürgerschaftswahl als Retterin der Hamburger Gymnasien und des Elternwahlrechts aufgespielt hatte.
(Wolfgang Beuß CDU: Sie wollten die doch abschaffen! – Klaus-Peter Hesse CDU: Was hätten Sie denn gemacht?)
Sie haben die Kehrtwende ihres Bürgermeisters nicht nachvollzogen. Und in Wahrheit haben viele Abgeordnete und Mitglieder der CDU diese inhaltliche Kehrtwende des Bürgermeisters auch nicht mitgemacht. In der Hamburger CDU gibt es schlicht keine wirklich verankerte Mehrheit für Ihre Schulreform, trotzdem werden Sie als Regierungspartei am 14. Juli gegen Ihre Überzeugung diese
Schulfrieden hat der Bürgermeister in einem Interview versprochen. Was hier passiert, wird keinen Schulfrieden bringen. Schauen wir nach Bremen, dann sehen wir, wie man es richtig macht. Die rotgrüne Koalition in Bremen hat es geschafft, sich gemeinsam mit der CDU und der FDP, die dort in der Opposition sind, auf ein Zwei-Säulen-Modell zu verständigen. Dort wird diese Schulstruktur einmütig auf den Weg gebracht und man hat sich verabredet, bis zum Jahr 2019 Fragen der Schulstruktur aus dem politischen Parteiengezänk herauszuhalten und stattdessen alle Energien in guten Unterricht zu stecken. Das ist der richtige Weg, das ist ein Weg, der Schulfrieden bringen würde. Was Sie hier auf den Weg bringen, wird nicht dazu führen.