Protokoll der Sitzung vom 02.09.2009

ohne irgendeinen Ansatz, wie das finanziert werden soll oder welche Konzepte dort im Einzelnen umgesetzt werden sollen. Das alles erinnert mich im Wesentlichen an das, was Ihre große Schwesterpartei in den 40 Jahren DDR gemacht hat. Das dortige Staatsmotto war immer: Trümmer schaffen ohne Waffen. Das stellen Sie sich offensichtlich auch vor.

Wir werden diesen Bereich nicht entwickeln können ohne ein rundum gutes Konzept, wie es jetzt auch vorliegt. Ein Konzept, das vernünftiges, modernes Wohnen, Gewerbe und selbstverständlich auch Künstler beinhaltet, war von Anfang an vorgesehen. Nie war irgendetwas anderes geplant. Insofern mag sich Ihr Beitrag an irgendwelche Wähler richten, die Sie sich erhoffen, vielleicht erhoffen Sie sich auch eine erneute Überschrift im

"Hamburger Abendblatt". Für eine ernsthafte Politik reicht das aber bei Weitem nicht, das ist zu dünn. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Oldenburg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Hamann, das Thema Denkmalschutz scheint Ihnen nicht sehr am Herzen zu liegen.

(Wilfried Buss SPD: Nee!)

Das finde ich wirklich sehr schade, denn hier geht es doch darum, ein Stück Alt-Hamburg zu erhalten, von dem wir wirklich nicht mehr viel haben. Im Jahr 1883 wurde damit begonnen, die Fachwerkhäuser auf dem Großen Grasbrook abzureißen, um Platz für die neue Speicherstadt zu schaffen. Viele Betroffene wichen auf die Alt- oder Neustadt aus, später gingen eben auch diese Viertel verloren. Historische Bausubstanz gibt es in Hamburg eben nur wenig. Es gilt leider immer noch das inzwischen geflügelte Wort des früheren Direktors der Kunsthalle, Alfred Lichtwark, von der "Freien und Abrissstadt Hamburg",

(Beifall bei Dr. Eva Gümbel GAL)

die so unbedarft mit ihrem baulichen Erbe umgegangen ist. Das darf jetzt nicht fortgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Historische Häuser und Bauwerke schaffen für Menschen Identität mit ihrer Umgebung, mit ihrer Stadt, die sie zu einem guten Leben in einer Metropole brauchen. Schon aus diesem einen Grund darf das Gängeviertel nicht dem Abriss zum Opfer fallen. Es ist ein Armutszeugnis für die Stadtentwicklungspolitik des Senats, dass erst Künstler mit der Besetzung der Häuser auf den katastrophalen Umgang mit dem historischen Gängeviertel aufmerksam machen müssen. Aber die Künstler weisen mit ihrer Aktion nicht nur auf das Dutzend Häuser aus verschiedenen Epochen hin, sie weisen auch auf einen Mangel der Kulturpolitik hin,

(Wilfried Buss SPD: Richtig!)

gerade für junge unbekannte Künstler. Künstler brauchen bezahlbare Ateliers für ihre Kunst. Daran mangelt es aber gewaltig in der Hansestadt.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch und Christiane Schneider, beide DIE LINKE)

Der Senat stellt die Stadt gerne als bedeutende Kulturmetropole und Zentrum der Kreativwirtschaft dar. Realität ist aber, dass viele Künstler wegen hoher Atelierkosten ihre Kunst gar nicht ausüben

(Jörg Hamann)

können und ihnen nichts anderes übrig bleibt, als aus Hamburg abzuwandern. Berlin freut sich über dieses kreative Potenzial. Das muss sich jetzt dringend ändern. Da reicht es auch nicht, eine Kreativagentur zu gründen, sondern hier ist konkrete Hilfe bei Mietkosten gefordert. Viele Künstler und Kreative in dieser Stadt fühlen sich vom Senat leider vernachlässigt.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Natürlich freuen wir uns, dass die Künstler die Erdgeschosse von zwölf Häusern vorerst nutzen dürfen, aber damit ist es nicht getan. Die Frage ist doch, wie lange dürfen sie denn bleiben. Das Problem ist der Vertrag mit dem niederländischen Investor Hanzevast. Seit die Immobiliengruppe das Viertel im Jahre 2006 gekauft hat, ist nichts geschehen. Es sieht so aus, dass der Investor nach dem Vertrag, den der Senat ausgehandelt hat, das Recht hat, große Teile des Ensembles abzureißen. Wenn es stimmt, dass der Investor kein Geld hat, den Vertrag zu erfüllen, und der Senat das Recht hat, den Vertrag zu kündigen, dann muss das jetzt schnellstens geschehen.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus und Norbert Hackbusch, beide DIE LINKE)

Alle Gebäude müssen dringend saniert werden, um die Bausubstanz zu erhalten. Viele Häuser sind in einem derart schlechten Zustand, dass sie den kommenden Winter kaum überstehen werden. Wenn der Senat wirklich eine Lösung zugunsten des Gängeviertels und der Künstler will, dann muss er schnell erklären, wie es denn weitergehen soll. Es darf auf keinen Fall nur eine kurzfristige Genehmigung zur Nutzung der Räume aus wahltaktischen Gründen geben und dann rollen später doch die Abrissbagger. Das darf auf keinen Fall passieren.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD fordert deshalb den Erhalt des Gängeviertels. Hier kann der Senat ein Zeichen setzen, indem dringend benötigte Flächen für Künstler an exponierter Stelle in der Innenstadt geschaffen werden. Mit einem denkmalgeschützten Gängeviertel würde das letzte Zeugnis einer Vergangenheit erhalten, die früher das gesamte Hamburger Stadtbild prägte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Gümbel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Frau Oldenburg, lieber Herr Hackbusch! Frau Oldenburg, zunächst einmal ein Kompliment an Sie, Sie haben die Unterlagen wirklich gründlich gelesen und im Gegensatz zu

Herrn Hackbusch ist Ihnen aufgefallen, dass es Herr Lichtwark und nicht das "Hamburger Abendblatt" war, der zuerst von der Abrissstadt Hamburg gesprochen hat.

(Beifall bei Robert Heinemann CDU und Un- mutsäußerungen bei der SPD)

Ich finde es wichtig, die Sachen genau zu betrachten, wenn man sich vordergründig so gemeinmacht.

Der Künstler Daniel Richter ist Schirmherr der Aktion im Gängeviertel. Er ist einer der wichtigsten Repräsentanten der Hamburger Kunstszene, seine Bilder erzielen sechsstellige Summen und seine Werke finden sich in den Museen der Welt. Die Biografie von Daniel Richter veranschaulicht die Bedeutung der Subkultur für die Kunst- und Kulturszene. Im Gängeviertel finden wir derzeit den subkulturellen Kontext, aus dem die kreative Stadt wächst: Unbequem, kreativ, kritisch und innovativ, wichtig und anregend für die Stadt und die Kulturszene. Die 200 Künstlerinnen und Künstler der Initiative "Komm in die Gänge" haben mit der Bespielung der leerstehenden Altbauten an der Caffamacherreihe und dem Valentinskamp die Initiative ergriffen und viele von uns Parlamentariern, nicht nur Sie, lieber Herr Hackbusch, waren dort und haben sich das angeschaut.

Ich möchte hier ausdrücklich das besonnene Auftreten der Initiative und ihrer Sprecherinnen und Sprecher loben. Mit ihrer Aktion weisen sie auf zwei Missstände hin, zum einen auf den Leerstand der letzten zwölf Häuser des Gängeviertels, was zu Ödnis und Verwahrlosung mitten in der Innenstadt führt und das Stein gewordene kulturelle Erbe mit Füßen tritt. Zum anderen weisen sie auf das Fehlen von Atelierräumen für Künstlerinnen und Künstler hin. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass in beiden Punkten kein Dissens herrscht. Wir teilen die Einschätzung, dass es für bildende Künstler einen großen Bedarf an günstigen Räumlichkeiten für kreatives Schaffen gibt. Mit dem Aufbau des Kreativwirtschaftsclusters hat der Senat dies auf den Weg gebracht. Die Ungeduld auf Seiten der Künstlerinnen und Künstler ist gleichwohl zu verstehen. Die Bereitstellung von innerstädtischen Räumen zur kreativen Entfaltung gerade subkultureller Bewegung war und ist ein wichtiges Anliegen, nicht nur von uns Grünen, sondern des gesamten Senats. Es findet seinen Niederschlag

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ach so!)

im neuen Leitbild "Wachsen mit Weitsicht".

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da muss man aber weit gucken, um das zu entdecken!)

An dieser Stelle gilt auch ein ausdrückliches Lob dem Senat für sein ebenfalls besonnenes Handeln. Zu keiner Zeit wurde mit Räumung gedroht. So sehen Hamburger Verhältnisse heute aus.

(Dr. Christel Oldenburg)

(Beifall bei der GAL)

Hier agiert ein Senat auf Augenhöhe mit seinen Bürgern. Um das derzeitige, nach juristischer Maßgabe illegale Besetzen der zwölf Häuser im Gängeviertel in einen Zustand der Rechtmäßigkeit zu überführen, muss ein Zwischennutzungsvertrag zwischen der Initiative und der Stadt geschlossen werden. Da geht es vor allen Dingen um Sicherheits- und Haftungsfragen.

Ich appelliere an dieser Stelle sehr eindringlich an die Initiative, die ausgestreckte Hand der Stadt zu ergreifen. Ich betone dabei, so wie der Vertrag mit dem Investor Hanzevast geschlossen ist – wir wissen alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das in der letzten Legislaturperiode geschehen ist –, ist natürlich im Augenblick – Frau Oldenburg, das wissen wir auch – an diesem Vertrag nicht zu rütteln. Wir wissen, dass diese Frist zu laufen beginnt, wenn die Baugenehmigung von Seiten des Senats erteilt ist, das ist im Augenblick noch nicht der Fall. Wenn die Baugenehmigung erteilt wird – Sie wissen wahrscheinlich auch alle, dass das im Augenblick noch hängt, weil einige Dinge nicht ganz so gelaufen sind, wie sie hätten laufen sollen –, dann fängt diese Frist an zu laufen, es sind sechs Wochen plus zwei. Im Augenblick gilt dieser Vertrag also noch und deshalb kann es sich nur um eine Zwischennutzung handeln. Was passiert, wenn der Investor seinerseits seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, wird dann Gegenstand weiterer Debatten in diesem Hause sein. Heute haben wir eine vertraglich eindeutige Situation, an die wir gebunden sind. Sollte sich an der vertraglichen Situation etwas ändern, bin ich guter Hoffnung, dass eine für die Stadt und die Künstler vernünftige dauerhafte Lösung im Gängeviertel gefunden wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Was aus ehemaligen Outcasts werden kann, zeigt sich am eingangs erwähnten Schirmherr der Gängeviertel-Initiative. In den Achtzigerjahren Hausbesetzer, hat er einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Aus dem subkulturellen Kontext der Hafenstraße wurde der Maler Daniel Richter

(Glocke)

ich glaube, es ist ihm selbst etwas unheimlich – zum Superstar der kreativen Kunstszene, ein Star, mit dem sich Hamburg heute gerne schmückt. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Senatorin von Welck.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um das Gängeviertel

mit seinen alten Speichern und Kontorhäusern ist, wir haben es schon gehört, in den letzten Jahren viel gerungen worden. Lange fand sich keine Lösung. Die Diskussionen um die Sanierung dieses Althamburger Quartiers reichen weit zurück, bis endlich 2003 ein erstes Konzept vorlag. Das jahrelange Tauziehen mündete dann im September 2008 in einen Vertrag zwischen einem Investor und der Stadt, wonach auf dem Areal von 4500 Quadratmetern Alt- und Neubauten für Wohnen, Gewerbe, Gastronomie und Läden entstehen sollen, so wie das Herr Hamann beschrieben hat. Der Vertrag sieht einen klaren Zeitrahmen für Pläne, Verträge und Genehmigungen vor und enthält strenge Vorgaben unseres Denkmalschutzamts.

Frau Gümbel, vielen Dank, dass Sie es noch einmal richtig gestellt haben, dieses Vorurteil Freie und Abrissstadt Hamburg von Alfred Lichtwark ist wirklich ein gepflegtes Vorurteil. Ich lade Sie alle ein, sich einmal anzuschauen, was an guter Denkmalpflege in den letzten Jahren in Hamburg passiert ist.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Gleichwohl finden wir seit dem vorletzten Wochenende eine neue Situation vor. Eine sehr besonnene Künstlerinitiative, dafür bin auch ich sehr dankbar, hatte das Gängeviertel besetzt und hat alternative Vorstellungen zur Revitalisierung dieses Quartiers. Meine Behörde hat als Reaktion auf die Künstlerinitiative in Absprache mit den anderen Behörden Gespräche aufgenommen mit dem Ziel, das Anliegen der Künstler zu diskutieren und eine einvernehmliche, konstruktive und auch in die Zukunft weisende Lösung zu finden.