Protokoll der Sitzung vom 02.09.2009

Rekordverschuldung: Eine Quittung für die unsolide Finanzpolitik

und von der Fraktion der GAL

Hamburg gegen rechtsextreme Gewalt!

Ich rufe zunächst das erste Thema auf. Wer wünscht das Wort? Herr Hackbusch bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen erst einmal, dass Sie hoffentlich einen schönen Urlaub gehabt haben, dass Sie sich vielleicht interessante Städte angesehen haben, etwa Venedig oder Rom. Die CDU-Fraktion war vor Kurzem in Kopenhagen, wie ich mitbekommen habe. Was hat Ihnen

an diesen Städten gefallen oder was gefällt den Menschen an diesen Städten besonders gut?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Die haben keine LINKEN!)

Auf diese Frage führen alle immer als Erstes an, dass es ihnen gefällt, wenn die Stadt auch noch ein bisschen von ihrer Geschichte zu erzählen hat, wenn man noch historische Bausubstanz hat, wenn man etwas von dem Atem und dem, was geschichtlich in dieser Stadt bisher geschehen ist, mitbekommt. In vielen Städten dieser Welt ist das wunderbar erhalten und in Hamburg ist es katastrophal schlecht. Wir wissen, dass das im Wesentlichen am Zweiten Weltkrieg liegt. Wir wissen aber auch, dass diese Stadt und diese Politik vieles zusätzlich zerstört hat und wir weiterhin Etliches an historischer Bausubstanz in dieser Stadt zerstören. Wir haben gegenwärtig das Beispiel des Gängeviertels, wo wieder die Gefahr besteht, dass ein bedeutender und lebendiger Teil der Geschichte dieser Stadt zerstört wird, und ich finde es wichtig, dass das gestoppt wird.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte den verschiedenen Kommentatoren der Hamburger Zeitungen ausdrücklich meine Unterstützung zusichern, die gesagt haben, dass wir es im Fall des Gängeviertels mit einem Denkmalpflegeskandal zu tun haben. Das betrifft die Senatorin direkt. Es ist ein Armutszeugnis für die Stadt und Herr Gretzschel spricht in seinem Kommentar im "Hamburger Abendblatt" sogar von der

"… Freien und Abrissstadt Hamburg …".

Eine solche Klatsche für einen bürgerlichen Senat habe ich selten erlebt und ich finde, dass sie an dieser Stelle völlig richtig und angemessen ist.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Gelände des Gängeviertels ist seit zehn Tagen von Künstlern besetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie zeigen, was an Lebendigkeit und Schönheit in diesem Bereich da ist, und sie sagen zwei Sachen. Sie wollen erstens das Gelände für die Öffentlichkeit zurückerobern und zweitens deutlich machen, dass die Situation der Kreativen in dieser Stadt schlecht ist, dass sie nicht gut unterstützt werden und dass es eine ideale Situation für die Senatorin und den Senat wäre, an dieser Stelle zu sagen, wir unterstützen die Kreativen in dieser Stadt und dieser Ort ist dafür ideal.

Die Reaktion des Senats auf diese Besetzung ist nicht nur unbefriedigend, sondern ich halte sie für eine Frechheit. Jeden Tag, an dem dieses Gelände nicht wieder ordentlich in Schuss gebracht wird und an allen Stellen und auf allen Stockwerken ge

nutzt werden kann, verfällt es weiter. Je näher der Winter kommt, desto schlimmer wird dieser Prozess vorangehen und dementsprechend muss jeder Tag genutzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Zwischennutzung, wie es gegenwärtig so freundlich genannt wird, ist nicht einmal ansatzweise eine Lösung. Eine Zwischenlösung verschiebt doch nur die Entscheidung auf eine Situation im Winter und meine Befürchtung ist, dass der Senat hier ein Problem aussitzen will. Das will die Hamburger Bevölkerung nicht, das wollen die wichtigsten Medienvertreter nicht und das wollen auch wir als Fraktion DIE LINKE nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senat muss handeln, die Investoren haben versagt, das Gelände zu sanieren. Es ist nicht gemäß den Denkmalschutzvorgaben wiederhergerichtet worden und wir brauchen auch nicht lange darüber zu diskutieren, wann der Fehler gemacht worden ist, ob vor fünf oder vor 15 Jahren und mit welchem Verkauf, sondern die Situation ist gegenwärtig zu verändern und das ist die Aufgabe des Senats. Das Motto dieser Tage ist "in die Gänge kommen". Das ist das Motto für das Gängeviertel und für den Senat, dort in die Gänge zu kommen. Da wir am Beginn dieser Sitzung sind, möchte ich erklären, dass alle in der Bürgerschaft, die sich heute Abend das Gelände anschauen möchten, von mir herzlich eingeladen sind. Es gibt einen Sekt, es gibt Selters,

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Donnerwetter!)

es gibt ein Bier, das gebe ich aus, und ich hoffe, dass möglichst viele dorthin kommen und uns und das Gelände besuchen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Hamann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hackbusch, das ist eine ganz erstaunliche Ansage, die Sie hier machen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Eine Einladung!)

oder auch Einladung, Freisekt soll es geben und DIE LINKE hat jetzt das Gängeviertel entdeckt. Ich war schon erstaunt, als Sie dies hier zur Debatte angemeldet haben. In Zeiten der Weltwirtschaftskrise hätte man vielleicht auch das eine oder andere Thema finden können,

(Michael Neumann SPD: Sportstadt Ham- burg!)

vielleicht auch ein bisschen was zu den allgemeinen Themen in dieser Stadt, Richtung Kritik am Senat. Sie zitieren das "Hamburger Abendblatt", das meint, das sei ein wichtiges Thema, was es ohne Zweifel auch ist. Dem können Sie sich als LINKE dann auch nicht entziehen. Dementsprechend melden Sie es hier zur Debatte an und folgen erst einmal der Argumentation des "Hamburger Abendblatts".

(Dr. Andreas Dressel SPD: Komm' mal in die Gänge da!)

Aber zumindest in einem Punkt sind wir uns einig. Das Gängeviertel ist ein wichtiger Teil dieser Stadt. Wie das Gängeviertel erhalten und entwickelt werden soll, wird in dieser Stadt aber nicht erst seit ein paar Wochen diskutiert, sondern ich erinnere mich an die ersten Diskussionen im Bezirk Hamburg-Mitte, das ist 15 Jahre her.

Die nächste Mär, mit der wir hier aufräumen möchten, ist folgende: Es ist auch nicht richtig, dass in den letzten 15 Jahren das Gängeviertel nun völlig vernachlässigt wurde. Es wurde immer auch in die Substanz des Gängeviertels investiert, beispielsweise in die Wohnungsbauten an der Caffamacherreihe oder wenn Sie sich das Gebäude des heutigen Engelsaals ansehen. Es ist wunderbar erhalten, unten finden Sie Gastronomie, in der Mitte den Engelsaal mit Operette, oben Wohnungen – ein wirklich passendes Konzept. Es ist genau der Investor, der dieses Gebäude wieder hergerichtet hat, der nach wie vor an der Gesellschaft beteiligt ist, die den Zuschlag für die Weiterentwicklung des Gängeviertels hat. Richtig ist, dass die Umsetzung des Projekts sich bis heute leider verzögert hat. Das hat aber natürlich auch mit den vielen Schwierigkeiten zu tun, die dieses Projekt nun einmal zum Inhalt hat. Sowohl der Senat als auch der Bezirk Hamburg-Mitte haben immer versucht, sämtliche Änderungen und Bemühungen konstruktiv zu begleiten. Und ich habe wirklich die Hoffnung, dass sich dieses Projekt jetzt auf der Zielgeraden befindet.

Herr Kollege Hackbusch, es mag sein, dass Sie nun vor dem Hintergrund der Bundestagswahl versuchen, hier zu punkten.

(Michael Neumann SPD: Das können Sie bei der Sportstadt nachher!)

Ich weiß nicht, was im Einzelnen Ihre Ziele sein sollen. Gelingen kann es Ihnen nicht. Auch Ihr Argument, die historische Bausubstanz würde abgerissen, ist so nicht richtig. Ein Teil wird erhalten und nicht alles, was wir hier als historische Bausubstanz diskutieren, ist unbedingt erhaltenswert oder überhaupt noch erhaltbar. Wenn ich mir beispielsweise in der Stadt anschaue, wo neue, moderne Projekte entstanden sind, dann kann ich auch das Gängeviertel nehmen. Sicherlich nicht das Gängeviertel, über das wir jetzt reden, aber es

(Norbert Hackbusch)

gab früher auch ein Gängeviertel dort, wo heute das Chilehaus steht. Damals wurde in eine ganz andere Richtung diskutiert. Damals hieß es, das seien menschenunwürdige Wohnungen. Sie mögen es aus einer gewissen Nostalgie heraus schön finden. Wir können auch gerne nachher dorthin gehen und gemeinsam einen Sekt trinken, aber zum Wohnen eignen sich diese Gebäude doch nun wirklich nicht, weder vor 100 noch vor 150 Jahren noch heute. Da kann man nicht wohnen.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Ich mache auch gerne einen Ausflug auf die Uhlenhorst. Dort gibt es wunderschöne Gründerzeitbauten, die von Ihrer Partei immer als Schlitzbauten bezeichnet werden.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Schlitzbauten?)

Kennen Sie den Begriff nicht? Lassen Sie sich informieren.

Da wird immer behauptet, das sei schon menschenunwürdig, Wohnen auf der Uhlenhorst. Aber in diesen Bauten im Gängeviertel wollen Sie wieder Wohnungen installieren, dort soll es wieder Wohnraum geben, das ist neben der Sache.

Ihr pauschaler Ruf nach Künstlern ist ebenso wenig hilfreich.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die sind doch da!)

Allein nach Künstlern zu rufen, wo ist das Projekt, wo ist das Konzept, was soll man machen? Man ruft, es mögen Künstler kommen, dann kommen sie und es wächst alles grün?

(Zuruf von Wilfried Buss SPD)

Was Sie sich da vorstellen, Herr Kollege Buss, offensichtlich von Ihnen unterstützt, ist scheinbar so eine Art sozialistischer Streichelzoo für Künstler,

(Beifall bei der SPD und der GAL – Heiter- keit bei allen Fraktionen)

ohne irgendeinen Ansatz, wie das finanziert werden soll oder welche Konzepte dort im Einzelnen umgesetzt werden sollen. Das alles erinnert mich im Wesentlichen an das, was Ihre große Schwesterpartei in den 40 Jahren DDR gemacht hat. Das dortige Staatsmotto war immer: Trümmer schaffen ohne Waffen. Das stellen Sie sich offensichtlich auch vor.