Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

60 Jahre Landesfrauenrat – Wann wird Hamburg wieder Gleichstellungshauptstadt?

und von der CDU-Fraktion

Bessere Hilfeangebote – weniger Obdachlose

Bevor wir jetzt das erste Thema aufrufen, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie die Wiedersehensfreude etwas geräuschärmer abwickeln könnten.

Die Fraktionen haben vereinbart, das zweite und vierte Thema gemeinsam zu debattieren. Ich rufe das von der SPD angemeldete Thema auf. Wird das Wort gewünscht? – Die Abgeordnete Dr. Schaal hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor genau einem Monat haben der Bürgermeister und die Umweltsenatorin HAMBURG ENERGIE gestartet und das sogenannte HAMBURG-ENERGIE–Manifest unterzeichnet. Damit haben Sie einen Neuanfang bei der Energieversorgung durch den Ausbau erneuerbarer Energien als Beitrag zum Klimaschutz versprochen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Damit das klappt, soll die Stadt ihre Energieversorgung wieder in die eigenen Hände nehmen. Bedingung ist aber, dass alle mitmachen. Das ist gut und

richtig, aber aus aktuellem Anlass ist zu fragen, wie ernst es der Senat mit dem Neuanfang bei der Energieversorgung nimmt. Ein Neuanfang bei der Energieversorgung ist zwingend mit dem Atomausstieg verbunden, doch in Berlin will die CDU jetzt zusammen mit der FDP die Renaissance der Atomenergie durchboxen. In Hamburg will die CDU gleichzeitig mit der GAL die Energiewende zelebrieren. Glaubwürdigkeit sieht anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kruse, Sie gehen jetzt nach Berlin. Herzlichen Glückwunsch zu der neuen Aufgabe.

(Olaf Ohlsen CDU: Das kommt doch nicht von Herzen!)

Was verlangen Sie denn noch alles?

Wenn Sie es ernst meinen mit der Energiewende und unserem neuen Energieversorger, Herr Kruse, dann kämpfen Sie in Berlin für den Atomausstieg. Sie haben sich hier oft genug als atomkritischer Vertreter gegeben. Falls Sie keinen Erfolg haben, das wissen Sie ganz genau, geht der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht weiter und das wäre auch das Ende von HAMBURG ENERGIE. Also, Herr Kruse, von Herzen sehr viel Erfolg in Berlin.

Viele Städte und Gemeinden nehmen ihre Energieversorgung wieder in die eigenen Hände und kaufen die Energienetze zurück. In Hamburg laufen die Konzessionen zwar erst 2014 aus und Entscheidungen müssen 2012 getroffen werden, aber die sind jetzt vorzubereiten. Darum muss der Senat sich langsam einmal zur Rekommunalisierung der Netze bekennen. Das würde auch HAMBURG ENERGIE neuen Schwung geben, denn dann würde die Energiepolitik wirklich wieder in Hamburg und nicht in Stockholm gemacht und vor allen Dingen würden die Erträge aus Strom- und Netzgeschäften in Hamburg bleiben und nicht nach Stockholm fließen.

(Beifall bei der SPD)

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Grundversorger die Netze verkaufen. Das hat der Senat bislang immer bezweifelt. Darum könnte der Senat jetzt schon einmal Nägel mit Köpfen machen und sagen, was er will. Ökostromhändler gibt es in Hamburg viele. Ein stadteigener Energieversorger wäre ein echtes Alleinstellungsmerkmal für die Hansestadt.

Mit dem Slogan "Ich schließ mich an" wirbt HAMBURG ENERGIE um Kunden. Der Senat hat aber offensichtlich diesem Lockruf bisher widerstanden. Wenn Hamburg Vorbild sein soll, muss sich der Senat auch selbst zum Stromwechsel bekennen und darf sich nicht weiter hinter einer künftigen europaweiten Ausschreibung verstecken. Der Europäische Gerichtshof lässt solche Inhouse-Geschäfte auch zu. Ab Januar wird die Stadt Gas

über HAMBURG ENERGIE beziehen, ohne vorher ausgeschrieben zu haben. Warum soll das nicht auch bei Strom gehen? Man muss nur wollen.

(Beifall bei der SPD)

Der neue stadteigene Stromhändler ist dabei, auf einem hart umkämpften Markt seine Kunden zu finden, doch der Platzhirsch Vattenfall reagiert heftig – es ist ja Herbst. Mit der Wahl des Slogans "Energie für Hamburg", dem Einsatz des Hamburg-Wappens und einem unseriösen Vergleich des eigenen Stromtarifs mit dem Tarif "Horizont" von HAMBURG ENERGIE irritiert Vattenfall viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Vattenfall ist ein schwedisches Unternehmen, das mit der alten HEW nicht mehr vergleichbar ist. HAMBURG ENERGIE bietet mit seinem Tarif "Horizont" 100 Prozent Windstrom aus der Region. Das Ökoangebot vom Grundversorger bietet zu 80 Prozent Strom aus norwegischer Wasserkraft, ist damit zwar billiger, aber nicht gut und günstig und auf jeden Fall nicht vergleichbar. Irreführende Werbung ist eine Marktverzerrung und nicht statthaft. Eine deutliche Klarstellung, Frau Senatorin, notfalls auch eine Klage zugunsten von HAMBURG ENERGIE wären hier am Platz.

(Glocke)

Große Werbeauftritte sind in der Regel teuer.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, ist Ihnen die Bedeutung der Glocke geläufig? Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Farid Müller GAL: Auch Redezeit ist teuer!)

Ich bin zu Hause zu HAMBURG ENERGIE gewechselt, vielleicht tun Sie es auch. – Danke.

(Beifall bei der SPD und bei Martina Greger- sen, Christiane Blömeke und Dr. Eva Güm- bel, alle GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kruse.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, dass dies meine letzte Chance ist, in diesem Haus überhaupt einmal einen Ordnungsruf zu erhalten.

(Heiterkeit bei der CDU und der GAL – Glocke)

Herr Abgeordneter, versuchen Sie es gar nicht erst.

Ich glaube, ich werde zumindest diese Chance dann auch wieder vermarmeln.

Liebe Frau Dr. Schaal, es hätte mich überrascht, wenn wir am Schluss eine Debatte gefunden hätten, bei der wir beide einer Meinung sind und gemeinsam etwas Positives anstreben. Ich habe mich auch oft darüber geärgert, dass Sie immer alles so negativ sehen. Inzwischen sage ich mir, Sie sind halt der Geist, der stets verneint, und Sie sind damit auch die Kraft, die uns dazu antreibt, Gutes zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Insofern passt das auch ganz gut.

Nun zu HAMBURG ENERGIE. Sie haben recht, Vattenfall ist natürlich nicht mehr die alte HEW, aber auch HAMBURG ENERGIE sind nicht die alten Stadtwerke, so wie wir sie früher hatten und dahin wollen wir auch gar nicht zurück. Sie sind, wenn man so will, Stadtwerke 2.0. Das heißt, man muss diese Aufgabe neu durchdenken und neu erfinden. In diesem Zusammenhang ist es nicht richtig zu sagen, die alte HEW habe die Netze besessen, wir müssen sie unbedingt wiederhaben, sondern das müssen wir prüfen. Die Koalition hat sich zu diesem Thema damals einen Prüfauftrag ins Buch geschrieben und gesagt, wir wollen prüfen, ob wir neue Stadtwerke gründen. Dazu haben Sie uns damals gesagt, Sie wollen das nur prüfen, das machen Sie nie. Wir haben es vor einem Monat gemacht.

Wir haben hier eine gute Positionierung gefunden und wenn Sie sagen, dass der Wettbewerber Vattenfall sehr aggressiv reagiere, dann haben wir noch etwas richtig gemacht, denn wenn einer, der hier der Platzhirsch ist, ein bisschen nervös wird und aggressiv reagiert, dann ist der Marktauftritt gelungen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Die Frage, ob wir Netze zurückerwerben, muss diskutiert werden. Sie haben zwar recht, die Gewinne dieser Netze wären dann bei uns, aber die Kosten der Netze wären auch erst einmal bei uns. Ich darf Sie aus einer anderen Situation heraus daran erinnern, dass haushaltspolitische Dinge, die wir heute tun, sehr gut und sehr klug durchdacht werden müssen, weil sie sonst nämlich Ihr Kollege Herr Dr. Tschentscher in sehr analytischer Form auseinandernehmen würde. Das wollen wir nicht, so sehr wir ihn auch schätzen.

Von daher muss das gut überlegt werden. Wir haben eine sehr wichtige Entscheidung getroffen. Wir haben ganz klar gesagt, dass HAMBURG ENERGIE nicht der 51. Stromanbieter sein soll, sondern dass wir die Gewinne in erneuerbare Energien reinvestieren. Da liegt auch die Hauptproblematik in der Versorgung mit erneuerbaren Energien.

(Dr. Monika Schaal)

Sehr viele handeln damit, aber zu wenige Stromlieferanten investieren auch in die Produktion und in neue Anlagen. Genau das ist der Schwerpunkt, den wir bilden.

Ich danke Ihnen auch für die Arbeitsaufträge für Berlin. Sollte noch jemand einen haben, nehme ich ihn gerne entgegen, auch gerne von meiner eigenen Fraktion oder von der GAL.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Von uns nicht?)

Haben Sie Arbeitsaufträge?

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ich komme gleich einmal zu Ihnen!)

Das ist in Ordnung.

In Hamburg haben wir eine Aufstellung gefunden, die sehr gut in den Kanon passt, was die Energiewende für Deutschland bedeutet. Mit dieser Aufstellung setzen wir einen Akzent im Wettbewerb und wir sind uns natürlich im Klaren darüber, dass wir die Vormachtstellung der alten HEW nicht zurückerobern werden. Das kann auch nicht im Interesse der Menschen in dieser Stadt liegen, sondern in deren Interesse liegt, dass wir das Thema erneuerbare Energien stärker nach vorne bringen. Da haben wir natürlich gesehen, dass es bei der Verteilung auf die großen Energieversorger sicherlich ganz gut wäre, wenn ein dynamisches neues Unternehmen mit am Markt ist, das eine starke Unterstützung von dieser Stadt erfährt und zeigt, wie man es auch machen kann. Ich hoffe sehr stark auf Nachahmereffekte, weil es für die Sache natürlich unwahrscheinlich gut wäre, wenn die Großen auf den gleichen Kurs gingen.

Daher bin ich der Überzeugung, dass alle Prognosen der Entwicklung des Sektors erneuerbare Energien von der Realität überholt werden und sich die erneuerbaren Energien bundesweit wesentlich schneller durchsetzen werden, als selbst Befürworter das jetzt annehmen. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine Politik betreiben, die sicherstellt, dass wir keine falsche Weichenstellung in Richtung fossile Energien vornehmen. Aus diesem Grund begrüße ich auch Projekte wie zum Beispiel DESERTEC, auch wenn es ein Großprojekt ist.

Das ist ein Thema, das ich mit nach Berlin nehmen werde und ich möchte Ihnen auch noch sagen, dass ich sehr dankbar dafür bin, acht Jahre in diesem Haus gewesen zu sein. – Danke schön.