Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Jetzt ist hier gesagt worden, die Personalausstattung der "Arbeitsstelle Vielfalt" sei zu gering, um dieses wichtige Themenfeld zu bearbeiten. Das müssen Oppositionsfraktionen natürlich einerseits immer sagen, aber ich finde es richtiger, nicht erst einmal einen Riesenpool von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu schaffen und dann zu schauen, welche Aufgaben wir uns vornehmen, sondern ich finde es vernünftiger, mit einem in der Tat vielleicht

auch bescheideneren Personalumfang anzufangen. Wenn wir dann merken, dass dies nicht ausreicht und das auch begründen können, müssen wir natürlich in die Nachforderung weiterer Personalressourcen gehen. Das wäre mein Verständnis im Umgang mit Haushaltsmitteln in einer Zeit, wo wir uns fragen müssen, wie wir die Konsolidierung des Hamburger Haushalts angesichts der vor uns stehenden Herausforderungen insgesamt meistern wollen.

Ich bin auch nicht überzeugt davon – das war auch ein Kritikpunkt –, dass uns Bremen hier zum Beispiel strukturell voraus ist. Bremen hat einfach ein ganz anderes Modell geschaffen. Bremen hat ein Modell geschaffen, bei dem die Frauenlobby staatlich institutionalisiert ist. Wir verfolgen – das war auch immer die Linie des Senatsamts für die Gleichstellung –, dass der Senat selbst dafür Sorge zu tragen hat, dass Gleichstellungspolitik durchgesetzt wird und in den Strukturen des Handelns des Senats Gleichstellungspolitik verankert wird. Deswegen ist auch der Vergleich nicht ganz richtig und ich bin überzeugt davon, dass eine staatlich finanzierte Lobby und die strikte Orientierung an der Gleichstellung das Handeln des Senats nicht ersetzen kann.

(Beifall bei der GAL)

Ich komme konkret zu einigen Vorhaben, die wir uns vorgenommen haben. Das eine ist auch schon mehrfach benannt worden, die Frage, wie wir es schaffen, dass in Gremien öffentlicher Unternehmen und in Gremien der öffentlichen Verwaltung mehr Frauen vertreten sind. Das ist natürlich nichts, was man erreicht, indem man in dem Moment der formalen Entscheidung fragt, ob es nicht auch noch eine Frau gegeben hätte. Das ist natürlich etwas, das durch ein vernünftiges Instrumentarium der Frauenförderung vorbereitet werden muss, eine Aufgabe, die wir uns für die "Arbeitsstelle Vielfalt" vorgenommen haben.

Ein zweites Stichwort, das auch angesprochen wurde, ist das Gender Budgeting. Das ist ein sehr wichtiges Instrument, wenn es um Geld und die ernsthaften politischen Fragen geht. Wir in der Justizbehörde sind Pilotbehörde beim neuen Haushaltswesen, das insgesamt bezweckt, den Haushalt nach Zielen zu steuern, und wir werden im Rahmen unseres Pilotprojektes das Gender Budgeting implementieren. Es ist bislang nicht in der Drucksache, wir haben uns das aber vorgenommen und die daraus zu erzielenden Erkenntnisse werden auch für die anderen Behörden wichtig sein.

Das Pay Gap, also die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern, ist ein ganz zentrales Thema der Gleichstellungspolitik. Hier werden wir zum einen eine Analyse für die Freie und Hansestadt Hamburg selbst machen und mit dem Personalamt eng kooperieren.

(Senator Dr. Till Steffen)

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Artus?

Ja.

Bevor ich es vergesse und Sie sich wieder setzen: Wird die Behörde noch umbenannt werden?

Die Frage setzt eine Senatsentscheidung voraus und der kann ich natürlich nicht vorgreifen.

(Michael Neumann SPD: Aber ohne Justiz- behörde läuft nichts!)

Wir müssen uns auch für die öffentliche Verwaltung über Frauenförderungsinstrumente unterhalten. Aber zentrale Herausforderung der Gleichstellungspolitik ist auch die Frage, wie wir Gleichstellung bei der Bezahlung in der Privatwirtschaft hinbekommen. Da zeigen uns die skandinavischen Staaten sehr gute Vorbilder, sehr klare Instrumente. Das müssen wir für Deutschland auswerten und wir müssen sehr genau überlegen, welche Möglichkeiten bestehen, wie wir hier Geschlechtergerechtigkeit und wirtschaftlichen Erfolg miteinander verknüpfen können.

Ich bin überzeugt davon, dass Hamburg von aktiver Gleichstellungspolitik profitiert. Es profitieren Frauen und Männer, es profitiert der Einzelne und die Einzelne, aber es profitiert auch die Gesellschaft, weil wir wichtige Potenziale in unserer Gesellschaft nicht ungenutzt lassen wollen. Und deswegen gehen wir dieses Thema engagiert an und es freut mich sehr, dass Sie uns dabei unterstützen wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Bevor ich Frau Heyenn das Wort gebe, möchte ich noch einmal aus gegebenem Anlass daran erinnern, dass das mit zehn Minuten natürlich die doppelte Redezeit war, die ein Abgeordneter hier zur Verfügung hat.

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 60 Jahre Landesfrauenrat heißt auch 60 Jahre Frauenpolitik. Sie haben davon 30 auf dem Buckel, ich auch so ungefähr, das ist aber das Einzige, was wir gemeinsam haben. Dies heißt im Grunde 120 Jahre Frauenbewegung, wenn wir auf August Bebel zurückgehen.

Frau Koop, Sie haben für sich die Bilanz gezogen, wir seien auf einem guten Weg. Ich sehe das ein

bisschen pessimistischer. Ich finde es sehr bedenklich, dass wir immer noch veröffentlichte Zahlen haben, die belegen, dass Frauen in gleichen Berufen ungefähr 20 Prozent weniger Gehalt bekommen. Viele von den Frauen, die hier sitzen, wissen auch, dass Frauen, um bestimmte Positionen zu bekommen, meistens doppelt so gut sein müssen wie Männer. Und immer bei Frauen wird gesagt, wie sieht die denn aus oder was hat denn die Bundeskanzlerin für eine Frisur. Das haben wir bei Männern noch nie gehört, das ist immer noch sehr gängig.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Diese Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist schon jahrzehntealt und wir kommen hier nur im Schneckentempo voran; das geht mir zu langsam. Wenn in der Universität die Studiengänge beginnen, gibt es über 50 Prozent Frauen. Gut 40 Prozent Frauen sind Doktorandinnen und dann wird es eng. Dann sind nur noch 4 Prozent Professorinnen. Wir haben in der Universität immer noch die gläserne Decke und das ist ein Zustand, der so nicht hinzunehmen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in den Veranstaltungen vom Landesfrauenrat am Wochenende gehört, dass wir überwiegend ältere Frauen sind – ich bin zufällig genauso alt wie der Landesfrauenrat – und festgestellt, dass viele junge Frauen nicht anwesend sind. Die jungen Frauen, die heute ins Berufsleben starten und Karriere machen wollen, finden die Vorstellung, dass sie gefördert werden müssen, um in bestimmte Positionen zu kommen, absolut diskriminierend. Wir von der LINKEN sind der Meinung – das haben wir teilweise selbst sehr schmerzhaft durchmachen müssen –, dass wir diesen Zustand nur über eine Quotierung in Politik und Gesellschaft ändern können.

(Beifall bei Kersten Artus und Mehmet Yildiz, beide DIE LINKE)

Sie haben davon gesprochen, dass es eine leise Revolution gäbe, aber Ihre Revolution ist mir zu leise, ich höre sie kaum. Wenn ich zum Beispiel vor zehn Jahren im Fernsehen die Tagesschau mit Berichten von Kommissionen und Kongressen gesehen habe und dies mit heute vergleiche, dann fällt mir auf, wie sehr der Anteil von Frauen zurückgegangen ist.

(Olaf Ohlsen CDU: Ist ja unglaublich!)

Das ist für mich sehr deutlich und da nützt auch dieses Gruppenbild mit Dame mit Frau Merkel und den anderen Präsidenten Europas gar nichts. Es sind einfach zu wenige Frauen in diesen Positionen, das ist sogar zurückgegangen, hier haben wir keinen Fortschritt gemacht.

Wir fordern gleiches Recht auf Besetzung von Positionen, darauf wollen junge Frauen auch einen

(Senator Dr. Till Steffen)

Anspruch haben. Sie haben davon gesprochen, Frau Koop, wir könnten nachrücken. Wir wollen als Frauen nicht nachrücken, wir wollen ein ganz normales Recht darauf haben, dass wir Positionen genauso besetzen und in Berufe gehen können wie Männer. Wir wollen nicht gnädigerweise, weil jetzt Platz ist, auch Platz nehmen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Herbstmahlzeit hat die Vorsitzende, Frau Randzio-Plath, ironisch davon gesprochen, wenn die Gleichstellung von Frauen durchgesetzt werde, würde sich der Landesfrauenrat auflösen. Wir fürchten alle, dass das noch sehr lange dauern wird und dass wir hier es wahrscheinlich gar nicht mehr erleben werden. Frau Artus hat davon gesprochen, dass wir dem Landesfrauenrat ein Geburtstagsgeschenk machen. Wir haben aber auch Wünsche an den Landesfrauenrat, weil wir davon ausgehen, dass er noch viel Arbeit vor sich hat. Wir würden uns wünschen, dass der Landesfrauenrat unsere Forderung, den 8. März zum Feiertag in Hamburg zu machen, übernehmen würde.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Dobusch.

Meine Damen und Herren! Wir haben nicht immer das Vergnügen, über solche reizenden Themen debattieren zu können. Daher nehme ich jetzt tatsächlich die Gelegenheit wahr, noch einen Satz nachzuschieben, zumal sich die Reihen hier rechts wieder gefüllt haben.

Meine Herren, jetzt ganz ausdrücklich: Vielleicht erinnern Sie sich an das Wort – Sie haben es bei der letzten Debatte noch einmal gehört – homosoziale Reproduktion. Hier ging es darum, dass Sie immer die Flucht ergreifen, wenn wir über Themen sprechen, die Ihnen irgendwie merkwürdig vorkommen. Dies ist im Zuge dieser Debatte auch wieder der Fall gewesen und vielleicht überlegen Sie einmal, dass es für Sie auch eine gute Geschichte wäre, wie der Senator angemerkt hat, sich mit Gleichstellung auseinanderzusetzen. Herr Wersich nimmt immer wieder Bezug auf die sieben Jahre, die Sie kürzer leben. Gleichstellung hat durchaus auch für Sie etwas zu bieten. Bitte beschäftigen Sie sich damit.

(Heiterkeit bei der LINKEN und der GAL – Antje Möller GAL: Das ist aber ein bisschen unfair!)

Ansonsten bin ich sehr erfreut über den Verlauf der Debatte. Einer der Punkte, auf den wir uns am Ende der Frauen-Ostseekonferenz alle fraktionsübergreifend einigen konnten, war, dass wir jetzt wieder ganz dringend eine zweite, dritte oder vierte Frauenbewegung brauchen. Und ich glaube, wir

erleben hier gerade wieder die Auferstehung so einer Bewegung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit ist die Aktuelle Stunde für heute beendet. Morgen werden wir mit dem Punkt 34 der Tagesordnung beginnen.

Wir kommen zu Punkt 29 der Tagesordnung, Drucksache 19/4150, dem Bericht des Schulausschusses: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes.

[Bericht des Schulausschusses über die Drucksache 19/3195: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes (Senatsantrag) – Drs 19/3195 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksache 19/4252 ein Antrag der SPD-Fraktion sowie als Drucksachen 19/4255 und 19/4256 zwei Anträge der GAL-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Unsere Ziele – Bessere Bildung durch bessere Schulreformen – Drs 19/4252 –]

[Antrag der Fraktion der GAL: Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes – Drs 19/4255 –]

[Antrag der Fraktion der GAL: Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes – Drs 19/4256 –]

Wird das Wort gewünscht? – Herr Freistedt, bitte.