Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

Wir glauben, dass es gerade in diesen Zeiten wichtig ist, wenn in den nächsten Wochen, Ende November, die Sparklausur des Senats stattfinden

(Jens Kerstan)

wird. Irgendwann wird wohl einmal ein Ergebnis herauskommen, wenn es schon beim ersten Versuch nicht geklappt hat. Aber beim zweiten Versuch wird es Sparbeschlüsse geben, das ist dann auch ein Zeichen von grundsätzlicher Gerechtigkeit, dass man nicht nur die Frage von Steuergerechtigkeit aufwirft, sondern auch die Frage, was auf der Einnahmeseite getan werden kann. Dazu werden wir nachher sicherlich auch noch vom Kollegen Tschentscher Vorstellungen und Vorschläge von unserer Seite hören.

Wir glauben schon, dass es mit mehr Betriebsprüfern insgesamt ein Mehr an Einnahmen geben kann. Das kann man sicherlich nicht 1 : 1 berechnen nach dem Motto, ein Betriebsprüfer mehr gibt soundso viele Euro auf der Habenseite. Es wäre in der Tat schön, wenn man es so berechnen könnte, aber es kann ein Mehr an Einnahmen geben. Insofern ist es eine gute Entscheidung für die Steuergerechtigkeit, aber auch für die allgemeine Wahrnehmung von Gerechtigkeit, wenn es darum geht, wie in dieser Stadt Lasten verteilt werden in Zeiten knapper Kassen.

Ich will trotzdem ein paar Zahlen nennen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Anwärter erst einmal ausgebildet werden, bis sie dann tatsächlich für die Betriebsprüfungen zur Verfügung stehen. Der Kollege Tschentscher hat vor Kurzem in einer Anfrage nachgehakt, dass wir bisher einen Sinkflug hatten bei der Zahl der Betriebsprüfer, also 618 vollzeitäquivalente im Jahr 2009; das war ein entsprechender Rückgang auch aus den Vorjahren. Wenn man sich dann die Zahlen der Betriebsprüfungen von 2007, 2008 und auch 2009 ansieht, so geht es rapide nach unten. Wenn man hochrechnet, welche Zahlen bis zum Juli 2009 auf die Anfrage von Dr. Tschentscher vom Senat vorgelegt wurden, dann werden wir wahrscheinlich weniger als 6000 Betriebsprüfungen im Jahr 2009 haben.

Das kann es nicht sein, das ist an der Stelle nicht das, was man von einem Senat und von der Finanzverwaltung erwartet. Wenn man die Großbetriebe betrachtet – der Kollege von der CDU sagte eben, man nehme dort vor allem etwas ein –, dann ist genau in dem Bereich ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen von 1300 im Jahr 2007 auf 1200 im Jahr 2008. Und wenn sich die Zahlen so fortschreiben, wird es auch in 2009 einen deutlichen Rückgang bei den Betriebsprüfungen der Großbetriebe geben, genau da, wo man auch als Steuerverwaltung Einnahmen erzielt.

Das ist ein falsches Signal und deshalb ist es gut, dass man jetzt mehr Leute einstellt, die diese Arbeit verrichten können, aber dies muss sich auch in der Vollzugspraxis auswirken und das heißt, hier muss genauer und intensiver geprüft werden. Wir hoffen, dass die Mehreinstellungen auch dazu führen, dass diese Zahlen nach oben gehen und dass

hier etwas getan wird sowohl für den Stadtsäckel als auch für die Steuergerechtigkeit. In diesem Sinne wird uns das Thema sicher weiter beschäftigen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der GAL vom März liegt dieser Debatte zugrunde und zielt darauf ab zu prüfen, ob eine Aufstockung des Personals in der Steuerverwaltung zu mehr Steuergerechtigkeit führen kann.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Ich will diesen heroischen Schritt von 24 erweiterten Ausbildungsplätzen nicht kleinreden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, wie dies im Slang heißt.

Zu Ihrem Antrag: Herr Jäger – ich kenne ihn von der Pferderennbahn und so weiter – ist unübertroffen in seiner Argumentation. Wenn er jetzt feststellt, dass mit diesen jeweils 24 Stellen dem Bürgerschaftlichen Ersuchen Genüge getan sei, dann leben wir in ganz unterschiedlichen Welten. Die GAL hat zu Recht in einer breiten Begründung gesagt, so können wir nicht weitermachen. Herr Kreuzmann, der Hinweis, dass oft in der Debatte etwas schöngerechnet werde, ist in Ordnung, aber für das, was uns vorliegt, ist noch ein anderes Argument wichtig. Die jetzige Praxis des Steuervollzugs – ich erwähne Schwarz-Gelb erst gar nicht – ist auch in Hamburg ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Es mangelt an Steuerprüfern und an technischer Ausstattung in den Finanzämtern. Zusammenfassend hat der Präsident des Bundesrechnungshofs formuliert, die Steuererklärungen würden nur noch im Schnellverfahren bearbeitet, fast wie bei der HSH Nordbank und dem Schnell-Ankaufverfahren. Den Bearbeitern bleibe nichts anderes übrig, als die Angaben überwiegend zu übernehmen und abzuhaken. Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass der gesetzmäßige und gleichmäßige Vollzug der Steuergesetze nicht mehr gewährleistet sei; um diesen Punkt geht es. Dass dies einkommensmäßig in dieser Situation nicht zu unterschätzen ist, finde ich auch. Aber wir haben Zustände, in denen keine Rechtsgleichmäßigkeit mehr gewährleistet ist, das heißt, ein Teil der Steuersubjekte entzieht sich systematisch der Verpflichtung. Wir wissen das und das ist der zentrale Punkt. Das kann man mit 48 zusätzlichen Stellen in zwei Jahren – vielleicht geht das ja noch weiter – nicht gewährleisten. Ich bin ausgesprochen

(Dr. Andreas Dressel)

skeptisch, ob und in welchen Zeiträumen wir hier weiterkommen.

Das heißt, es geht um den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz. Abgesehen von den Details und den Schlussfolgerungen ist das für unseren Etat sowie für das Gemeinwesen eine ganz schwere Schädigung, die wir seit Jahrzehnten einfach hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage der Schaffung einer zentralen Steuerverwaltung wird immer wieder aufgeworfen. Es gibt auch Berechnungen, dass dies 11 Milliarden Euro mehr im Jahr einbringen würde. Das ist für mich aber nicht der entscheidende Punkt, sondern entscheidend ist, dass wir uns keinen Gefallen tun, wenn wir die Verletzung der Verfassung in dieser Weise weiterhin tolerieren.

Wenn man sich das im Einzelnen ansieht, dann sieht man, dass Hamburg nicht besonders gut dabei abschneidet, sondern eher noch am Schluss der Skala steht. Das heißt, hier wird noch einmal besonders krass der Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Die Zahlen sind dann auch sehr beeindruckend. Gerade in der Krise wäre die Erhöhung der Einnahmen in diesem Bereich wichtig. Wir konnten vorhin die Debatte nicht führen, aber wenn der große Finanzpolitiker Kruse mit 10 Prozent Personalkürzungen, also mit der Zahl von 7500 Stellen, alle Leute in Hamburg aufscheucht, dann wissen wir, was eigentlich die Alternative ist. Die Alternative ist, dass sich bestimmte Bürgerinnen und Bürger systematisch ihrer Pflicht entziehen, ihren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben zu leisten. Das kann meines Erachtens nicht hingenommen werden.

Besonders krass ist dies vor allen Dingen bei Einkommensmillionären. Eigentlich sollten ihre Angaben regelmäßig in Außenprüfungen unter die Lupe genommen werden. Tatsächlich liegt die Quote nur bei rund 15 Prozent und bei geschickter Wahl des Bundeslandes auch in der Nähe von Null. Dabei sind die Prüfungen natürlich lukrativ. Der Bundesrechnungshof sagt, ein gutes Beispiel für einen nicht ordnungsgemäßen oder nicht mehr gesetzmäßigen Vollzug der Steuergesetze sei die Überprüfung oder mangelnde Prüfung, sprich Außenprüfung, der sogenannten Einkommensmillionäre. Die sollen laut Anweisung des Finanzministers zu 100 Prozent überprüft werden und die Länder, die diese Prüfungen vollziehen, kommen dem nicht nach, auch Hamburg nicht. Das ist unter allen Gesichtspunkten ein Skandal. Ich bin wirklich Pragmatiker, aber sehen Sie es mir nach, dass ich über diese 48 Ausbildungsstellen wirklich nicht in Jubel ausbrechen kann. Da muss noch einiges passieren, wenn wir dieses Problem beseitigen wollen.

(Beifall bei allen Fraktionen – Vizepräsiden- tin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 19/4275 Kenntnis genommen hat.

Ich weiß, dass Sie sicher sehr gespannt sind auf das Wahlergebnis der Wahl eines ehrenamtlichen Mitglieds der Kreditkommisssion.

Es sind insgesamt 111 Stimmzettel abgegeben worden. Davon waren einer ungültig, vier Enthaltungen, neun Nein-Stimmen. Uwe Grund ist mit 97 Stimmen gewählt worden.

Herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir kommen zu Punkt 50 der Tagesordnung, Drucksache 19/4399, dem Antrag der Fraktion DIE LINKE: Zusätzliche Belastungen der Kommunen verhindern – weitere Absenkung des Bundeszuschusses für Kosten der Unterkunft und Heizung stoppen.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Zusätzliche Belastungen der Kommunen verhindern - weitere Absenkung des Bundeszuschusses für Kosten der Unterkunft und Heizung stoppen – Drs 19/4399 –]

Diese Drucksache 19/4399 möchte die Fraktion DIE LINKE federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Frau Baum, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Bei der steigenden Arbeitslosigkeit steigen auch die Kosten für Unterkunft und Heizung für Langzeitarbeitslose voraussichtlich im nächsten Jahr bundesweit um circa 2 Milliarden Euro von bisher 14 auf 16 Milliarden Euro. Das sind die Prognosen des Bundes. Mit dem Gesetzentwurf versucht die Bundesregierung, die steigenden Kosten 1 : 1 auf die ohnehin stark belasteten Kommunen abzuwälzen. Voraussichtlich am 27. November 2009 soll im Bundesrat abschließend darüber beraten werden.

Der Bund beteiligt sich an den Kosten zur Unterkunft für Langzeitarbeitslose, weil den Kommunen damit eine Entlastung ihrer Haushalte von circa 2,5 Milliarden Euro verschafft werden sollte, das wurde in den Verhandlungen zum Zweiten Buch des SGB so zugesagt. Wenn dieses Sechste Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches so wie im vorgelegten Entwurf beschlossen werden würde, müssten die Kommunen circa 2 Milliarden Euro mehr zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung für Langzeitarbeitslose beitragen. Woher soll das Geld kommen in Zeiten

(Dr. Joachim Bischoff)

der Wirtschaftskrise, bei steigender Arbeitslosigkeit und damit ohnehin steigenden Ausgaben für die Kommunen? Es wird wahrscheinlich auch noch dazu kommen, dass Hamburg Steuereinnahmen fehlen, vermutlich dramatisch sinkende Steuereinnahmen, die gleichzeitig auf den Haushalt drücken.

Ein weiterer Punkt ist die Grundlage der Berechnung des Bundesanteils an den Kosten für Leistungen zu Unterkunft und Heizung. Hier wird seit 2008 eine Formel angewendet, die sich nicht an den tatsächlichen Ausgaben der Kommunen orientiert, sondern an einer statistischen Planzahl, die die Zahl der Bedarfsgemeinschaften vor eineinhalb Jahren zugrunde legt. Der Deutsche Städtetag hat in seiner Erklärung zum Gesetzentwurf vom 7. Oktober gefordert, dass die Kommunen in Zeiten der Wirtschaftskrise auf keinen Fall mit 2 Milliarden Euro mehr belastet werden dürften, im Gegenteil, der Anteil des Bundes an den Kosten müsse sogar noch erhöht werden. Die Errechnung des Bundesanteils müsse in jedem Fall aus den realen Ausgaben erfolgen. Die kommunalen Spitzenverbände haben den Beschluss der Bundesregierung vom 7. Oktober 2009, mit dem die Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose und ihre Familien ab dem Jahr 2010 auf durchschnittlich 23,6 Prozent gesenkt werden sollen, massiv kritisiert – ich zitiere – :

"Es ist ein sehr unfreundlicher Akt, wenn die Bundesregierung nach wochenlangem Protest der Kommunen meint, ihnen mitten in der Wirtschaftskrise trotz wachsender Arbeitslosigkeit zusätzliche Lasten aufbürden zu können."

So der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Dr. Stefan Articus.

Wenn man eine ernsthafte Haushaltspolitik betreibt, die zum Ziel hat, die Mehrbelastung des Hamburger Finanzhaushalts durch die Folgen der Wirtschaftskrise einzudämmen, ist es sinnvoll und notwendig, dass sich Hamburg im Bundesrat dafür einsetzt, dass der Bund die erwarteten Mehrkosten für Unterkunft und Heizung von Langzeitarbeitslosen von 2 Milliarden Euro nicht einfach an die Kommunen weiterreicht. Laut dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales soll im Jahr 2010 ohnehin eine Evaluation der bisherigen Rechtslage und der Berechnungsformel des Bundesanteils stattfinden. Es wäre also sinnvoll, eine gesetzliche Entscheidung erst nach den Ergebnissen der Evaluation zu treffen und damit nicht einseitig zulasten der Kommunen. Ich hoffe, dass Hamburg sich im Bundesrat entsprechend dafür einsetzt, denn man kann nicht einerseits mehr Geld und mehr Beteiligung vom Bund fordern und andererseits dies einfach so hinnehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Abgeordnete von Frankenberg hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Kern der Sache haben Sie mit Ihrem Anliegen recht, da kann ich Ihnen durchaus zustimmen. Sie fordern den Senat auf, sich dazu zu positionieren. Hierzu will ich Ihnen kurz etwas zur Kenntnis geben, und zwar darf ich Folgendes zitieren:

"Ein im Gesetzentwurf vorgesehenes Absinken der Bundesbeteiligung auf bundesdurchschnittlich 23,6 Prozent widerspricht der gesetzlichen Zusage einer bundesweiten Entlastungswirkung von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2010. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Auswirkungen der Finanzund Wirtschaftskrise im Bereich der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht einseitig auf die ohnehin stark belasteten kommunalen Haushalte verlagert werden dürfen.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Änderung der Anpassungsformel für die Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung … vorzunehmen."

Das ist in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik, Bundesratsdrucksache 748/1/09 vom 26. Oktober 2009, so dargelegt und das ist auch die Position der Freien und Hansestadt Hamburg. Insofern ist der Senat da schon sehr viel weiter als Sie und Sie sind mit Ihrem Antrag im Grunde genommen ein bisschen zu spät gekommen.

(Beifall bei der CDU und bei Antje Möller GAL)

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass es hier nicht um ein Politikum geht und nicht um eine politische Auseinandersetzung zwischen den Parteien, sondern hier geht es im Grunde genommen um die Aufgabenund Lastenverteilung zwischen den Kommunen und Bundesländern auf der einen und dem Bund auf der anderen Seite.