festgeschriebenen bildungspolitischen Reformprozess zu initiieren. Das halte ich für einen guten Weg und etwas, worauf wir aufbauen könnten. Wir sollten uns das Bremer Konzept einmal gemeinsam anschauen und die Kraft haben, diesen Weg auch in Hamburg zu beschreiten.
Es ist mir unverständlich, wie Sie sagen können, dann solle die Lösung halt über einen Volksentscheid herbeigeführt werden, denn bei diesem wichtigen Thema geht es doch darum, dauerhafte, bestandsfähige Lösungen zu finden.
Ich weiß nicht, worauf ein Volksentscheid hinausliefe. Mir graut übrigens davor, dass er erfolgreich sein könnte, das sage ich ganz deutlich, aber er kann auch scheitern. Und wenn er scheitert, dann haben wir einen noch tieferen Graben in unserer Stadt und noch mehr Verbitterung bei diesem zentralen Thema und werden bei jedem Wahlkampf wieder – zum Teil aus billigem Opportunismus heraus – das zentrale Thema der Bildungspolitik auf die Hörner nehmen. Das halten wir Hamburger Sozialdemokraten für grundfalsch.
Deshalb wäre es gut, wenn wir jetzt die Barrikaden einmal verlassen würden. Kirmesreden können Sie auf Ihren Parteitagen halten, das funktioniert immer, ich kann so etwas auch, aber jetzt sollten wir gemeinsam ernsthafte Gespräche in der Sache führen. Olaf Scholz, unser Landesvorsitzender, und auch ich
und andere haben dem Bürgermeister Gespräche angeboten, der um die Brisanz dieses Themas weiß, denn er hat bemerkenswerterweise gesagt, er sei jetzt auch inhaltlich von dieser Reform überzeugt. Ich spare mir jetzt die billige Polemik zu fragen, wovon sonst als dem Inhalt er denn vorher überzeugt gewesen wäre. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit der Bürgermeister persönlich durch diese fast 200 000 Unterschriften Schaden nimmt. Deshalb möchte ich für meine Fraktion und für meine Partei erklären, dass wir zu Gesprächen bereit sind und unsere Vorschläge auf dem Tisch liegen.
(Wolfgang Beuß CDU: Ist das auch mit Herrn Petersen abgesprochen? – Gegenruf von Viviane Spethmann CDU: Der sitzt da völlig frustriert!)
Man sollte nicht auf absolute Lösungen setzen, sondern dazu bereit sein, sich gegenseitig ernst zu nehmen und sich bei den inhaltlichen Fragen zu bewegen. Wir sind dazu bereit. Wir wollen nicht die reine Lehre durchsetzen, sondern einen Kompromiss,
einen Bildungskonsens für Hamburg erarbeiten, der auf Dauer trägt und den Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Kindern die Sicherheit gibt, dass nicht alle vier Jahre ein Wahlkampf über dieses Thema geführt wird. Unsere Hand ist ausgestreckt und es liegt nur an Ihnen, ob wir es schaffen, in dieser wichtigen Frage, die auch etwas mit der politischen Kultur unserer Stadt zu tun hat, einen Schritt voranzukommen, oder ob Sie auf Ihrem Niveau, auf den Barrikaden bleiben wollen. Es würde Sinn machen, auch sprachlich abzurüsten.
Uns ist Schulfrieden versprochen worden, aber ich fürchte, wenn es zur Abstimmung kommt, wird es statt eines Schulfriedens noch tiefere Gräben geben, und deshalb liegt das Angebot der Sozialdemokraten auf dem Tisch. Lassen Sie uns vernünftig darüber reden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wir haben festgestellt, dass das Volksbegehren "Wir wollen lernen" erfolgreich war und auch wir waren davon ausgegangen, dass genau dieses Ergebnis dabei herauskommt. Es überrascht uns nicht, dass das Ergebnis positiv ist, jedes andere Ergebnis wäre eine Sensation gewesen, das konnte man schon merken. Aber wir von der LINKEN sind sehr überrascht über die hohe Unterschriftenzahl, das müssen wir zugeben. Ich würde gerne im Gegensatz zu den anderen Rednern ein paar Dinge beleuchten, die etwas mit Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden zu tun haben.
Normalerweise prägen während solcher Plebiszite nicht nur Plakate, sondern auch eifrig agierende Unterschriftensammler das Stadtbild. Das konnten wir diesmal nicht feststellen, mein Umfeld nicht, ich nicht, vielleicht wohne ich im falschen Stadtteil, aber auch in der Innenstadt habe ich nur ein einziges Mal Sammler gesehen. Ich wurde vor einigen Tagen gefragt, ob dieses Volksbegehren gar keine Unterschriften auf der Straße sammelt, und das war für mich ganz symptomatisch. Gesammelt wurde nämlich in den Konsumtempeln dieser Stadt
und für uns wirft der Ablauf dieses Volksbegehrens eine Menge Fragen auf. Darüber können Sie sich gerne amüsieren,
Für uns ist die erste Frage und das erste Problem, dass die Familie Otto in ihren Einkaufszentren die Unterschriftensammlung für die Aktion "Wir wollen
lernen" ausdrücklich erlaubte, während bei vergleichbaren Verfahren die Sammler aus dem AEZ, aus dem EEZ, aus dem Phoenix-Center, aus dem Einkaufszentrum Hamburger Straße und auch aus einigen Edeka-Läden in hohem Bogen rausgeflogen sind und selbst auf den Vorplätzen durften sie ihre demokratischen Rechte nicht wahrnehmen. Darüber müssen wir in Hamburg einmal nachdenken und man muss es auch benennen, dass die Inhaber von Einzelhandelsgeschäften und Einkaufszentren entscheiden, wer die Kunden mit Information versorgen darf und wer nicht.
Es kann doch nicht angehen, dass Einkommensmillionäre in Hamburg darüber entscheiden, welche politische Initiative mit den Besuchern von Konsumtempeln in Kontakt treten darf und welche nicht. Das Problem ist, dass der öffentliche Raum – das haben wir diesmal ganz deutlich von der anderen Seite aus gesehen – immer weiter zurückgedrängt wird. Indem die Möglichkeiten der Bevölkerung, ihre Anliegen, die vielleicht den Einkommensmillionären nicht gefallen, an die Öffentlichkeit zu bringen, immer mehr eingeschränkt werden, werden auch ihre Rechte beschnitten. Das ist für mich ein sehr ernst zu nehmendes Warnsignal, über das man reden muss. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung Entdemokratisierung und genau das Gegenteil von dem, was man mit der Ausweitung der plebiszitären Maßnahmen erreichen wollte, nämlich mehr direkte Demokratie. Das kann nicht einfach so hingenommen werden und wirft auch die Frage nach der Vergleichbarkeit von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf.
Auch die Medien haben sich die inhaltlichen Anliegen der Initiative "Wir wollen lernen" mehr zu eigen gemacht, als es den journalistischen Grundsätzen entspricht. Auch wenn ich weiß, dass nach meiner Rede in den Gängen darüber gesprochen wird, möchte ich dieses Thema ganz deutlich ansprechen und Ihnen an einem Beispiel aufzeigen, dass es sich in diesem Fall um ein echtes Novum handelt.
Wir hatten eine kulturelle Veranstaltung mit Vertretern aller Parteien im Rathaus und mit über 200 Besuchern. Auch ein Vertreter eines Pressehauses war gekommen, der allerdings keinen Notizblock bei sich hatte und nicht über die Veranstaltung Bericht erstattete, während über die Initiative "Wir wollen lernen" jeden Tag in dieser Zeitung etwas zu lesen war. So etwas hatte es bei keinem anderen Plebiszit in dieser Hansestadt je gegeben.
"Wie viel Geld die Initiative um den Rechtsanwalt Walter Scheuerl zur Verfügung hatte, will er nicht verraten."
Diese Aussage spricht für sich. Es ist offenkundig Geld in einem Ausmaß geflossen, das unsere Vorstellungskraft sprengt. Walter Scheuerl mag zwar der Anwalt der Schönen und der Reichen sein …
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Heyenn, Sie kennen die Bedeutung des roten Lichtes.
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Heyenn, Ihre Redezeit ist bei Weitem überschritten.
(Das Rednermikrofon wird abgeschaltet – Beifall bei der LINKEN – Stephan Müller CDU: Das war eine Sternstunde!)
183 000 Menschen in Hamburg haben unterschrieben, dass sie über die Zukunft des Hamburger Schulsystems abstimmen wollen. Das bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt im nächsten Jahr an die Wahlurnen gerufen werden, um sich zwischen dem alten und dem neuen Schulsystem zu entscheiden. Der Hamburger Senat meint es ernst mit der direkten Demokratie und die Stadt hat die Wahl. Das heißt, jede und jeder ist aufgerufen, sich ein Urteil zu bilden, sich zu informieren und dann zu entscheiden. Die Befürworter des alten Schulsystems und die Befürworter des neuen Schulsystems sind aufgerufen, sicher
An dieser Stelle gestatten Sie mir einen Einschub. Herr Neumann, Sie haben eben Bremen zitiert. Es ist immer schwierig, Bundesländer mit einer anderen Geschichte zu vergleichen. In Bremen gehen 80 Prozent auf eine Gemeinschaftsschule, 20 Prozent auf ein Gymnasium. Die Gymnasien sind ein sehr kleiner Bereich in Bremen. Es ist schwierig, dies auf Hamburg zu übertragen, weil in Hamburg die Hälfte eines Jahrgangs nach der vierten Klasse auf ein Gymnasium wechselt. Die Gymnasien sollen bestehen bleiben und werden sich weiter entwickeln.
Wir sind also alle aufgerufen, diesen Volksentscheid als eine Chance zu begreifen und es geht dann nicht mehr darum, wogegen man ist, sondern wofür man ist. Es geht auch darum, uns als Stadtgesellschaft zu begreifen, darüber zu diskutieren, wie alle Kinder und Jugendlichen in unseren Schulen am besten auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Erwachsenenleben und beruflichen Leben gefördert und begleitet werden können. Es gehört zu einer Demokratie dazu, dass es keine Reform gibt, die auf 100 Prozent Zustimmung trifft. Es gibt Gegner und Befürworter des längeren gemeinsamen Lernens und, soweit ich weiß, ist der Parteitagsbeschluss der SPD eindeutig für längeres gemeinsames Lernen.