Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

Ich betone noch einmal, dass wir es unerträglich finden, dass irgendwo auf dieser Welt noch Todesstrafen durchgeführt werden, natürlich besonders in China.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Nach all den dargestellten Dingen will ich noch eines betonen, weil es mir sehr wichtig ist, auch durch die Erfahrungen während der Chinareise und dem, was ich im Umfeld gelesen und erlebt habe. Neben wesentlichen Fragen der Meinungs

(Andreas Waldowsky)

und Pressefreiheit und der Todesstrafe geht es vor allen Dingen um die Frage der mangelnden Gewerkschaftsrechte, die nicht existieren.

(Vizepräsident Wolfgang Joithe-von Krosigk übernimmt den Vorsitz.)

Es zeigt sich im Zusammenhang mit den Wanderarbeitern und mit vielen arbeitenden Menschen als eine existentielle Frage, dass man in der Lage sein sollte, auch gewerkschaftliche Rechte fordern zu können, und das ist gerade in China sehr stark nicht vorhanden.

Ich will diese grundsätzlichen Fragen nicht vertiefen, aber einen zweiten Aspekt mit anführen, der mir im Zusammenhang mit den China-Diskussionen am meisten Sorgen macht. Wenn man diese internationalen Diskussionen verfolgt, ist es leider nicht so, dass die Chinesen mit der Haltung, die sie gegenwärtig auch im internationalen Rahmen dazu haben, in den letzten Jahren unbedingt sehr stark isoliert gewesen sind. Eher habe ich das Gefühl, dass sie bei vielen Menschen gewisse Sympathien bekommen haben, und zwar bei denjenigen, die demokratische Grundprinzipien ablehnen, die sagen, was soll denn dieses Gesabbel in den Parlamenten, dieser Streit zwischen den Parteien, das bringt doch alles nichts, das können wir doch effektiver organisieren. Mit dieser Mentalität von nicht-demokratischem Denken sind sie in vielen Ländern und politischen Strömungen – auch in Europa – erfolgreicher als mir lieb ist. Das ist viel näher bei uns, als uns das häufig in unseren Diskussionen klar wird, und dementsprechend existiert eine sehr große undemokratische Gefahr.

Nun zu den Anträgen. Wenn man ganz unvoreingenommen ist wie ich als völlig unabhängiger Mensch

(Heiterkeit bei der LINKEN – Zuruf von der GAL: Völlig unabhängig!)

völlig unabhängiger Mensch –, dann kann man feststellen, dass beide Anträge erstens gar nicht so widersprüchlich und unterschiedlich sind und zweitens eigentlich gut miteinander verabschiedet werden könnten. Auch die Debatte um die Frage, wie wir das einschätzen und was zu machen ist, weist gar keine Unterschiede auf. Meine Einschätzung dazu ist, dass die regierende Koalition im Wesentlichen nicht in der Lage ist, mit Anträgen, die eigentlich gut sind, vernünftig umgehen zu können. Das müssen Sie einmal lernen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das normale parlamentarische Verfahren ist, beide Anträge an den zuständigen Ausschuss zu überweisen und dort darüber zu debattieren, wie man sich gegenseitig noch verbessern und das Beste herausbekommen kann.

(Jörn Frommann CDU: Wir kennen das ja noch anders aus Ihren Zeiten!)

Wenn man dann einer Meinung ist, kann man das hier vortragen und dann ist es parlamentarisch vernünftig und demokratisch gut, dass man in der Lage ist, so damit umzugehen. Dementsprechend weiß ich auch gar nicht, was gegen ein solches Verfahren spricht, und klage das einfach einmal ein. Wir haben es schon häufig gehabt, dass wir um Dinge streiten, die eigentlich in einem Ausschuss gut gelöst werden könnten.

Wir hatten gerade gestern im Europaausschuss eine sehr gute und interessante Debatte im Zusammenhang mit der Frage nach den neuesten Entwicklungen in Nicaragua und wie die verschiedenen Spezialisten in Hamburg und weitere Sachverständige diese einschätzen. Wir sind auch im Parlament in der Lage, solche Fragen gemeinsam zu diskutieren. Da sollte durchaus ein bisschen Nachhilfeunterricht erfolgen, und zwar hoffentlich mit Erfolg.

Deshalb plädieren wir dafür, diesen Antrag der SPD an den Europaausschuss zu überweisen und dort gemeinsam darüber zu sprechen, was die besten Möglichkeiten sind, um die Frage der Menschenrechte in China voranzutreiben; das zu unserem konkreten Verhalten.

Ich will diese Debatte nicht ohne einen letzten Hinweis beenden, der mir diesbezüglich sehr wichtig ist.

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Hackbusch, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nur eine ganz kurze Frage. Für uns wäre es wichtig zu wissen, ob Sie Ihre Privatmeinung als Abgeordneter darstellen oder die Meinung der Linkspartei.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Für uns wäre das auch wichtig! – Heiterkeit bei der LINKEN)

Norbert Hackbusch (fortfahrend) : – Selbstverständlich habe ich die Meinung der Linkspartei vertreten und ich fühlte mich bisher auch von der Linkspartei immer kräftig unterstützt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe bisher nie einen Unterschied feststellen können und bin jetzt völlig irritiert von dieser Zwischenfrage. Vielleicht ist irgendetwas an mir vorbeigegangen. Aber seien Sie sicher, ich bin nicht so ein Exot innerhalb dieser Fraktion, sondern werde eigentlich unterstützt.

(Wolfgang Rose SPD: Er wollte es einfach mal wissen!)

(Norbert Hackbusch)

Gut, das haben wir ihm jetzt gesagt.

Ein letzter Aspekt, der mir besonders wichtig ist. Wenn wir so kräftig und einvernehmlich, was ich durchaus unterstütze, mit der Kraft der Menschenrechte argumentieren und gemeinsam gegenüber China oder Nicaragua oder was es an anderen Fällen und Beispielen gibt auftreten,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Italien zum Beispiel!)

dann müssen wir im Zusammenhang mit den Fragen der Menschenrechte selbst auch völlig sicher und mit uns im Reinen sein. Die Situation der Menschenrechtsverletzungen, die zwischen dem afrikanischen Kontinent und Europa stattfinden

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

und das, was dort praktisch tagtäglich geschieht, ist unter Menschenrechtsaspekten unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ein Menschenrecht, dass Menschen dorthin gehen können, wo sie hingehen wollen. Und es ist nicht nur das Recht, dass wir dorthin Waren exportieren und irgend etwas verkaufen, sondern es ist auch ein Menschenrecht, dass jeder Mensch überall hingehen darf, ohne durch Mauern daran gehindert zu werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Neumann SPD)

Das ist eine gewisse Zeit lang vielleicht völlig unmöglich zu organisieren, aber es ist ein Menschenrecht. Diese Situation zwischen Afrika und Europa ist unerträglich und die vielen Toten sind auch eine Anklage an die Menschenrechtsverletzung, die wir in diesem Land mit organisieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Andrea Rug- barth SPD)

Wir haben Wanderarbeiter und ihre Situation in China kennengelernt und darüber diskutiert. Wir wissen alle, dass es Wanderarbeiter auch in Europa gibt; sie sind ohne Rechte. Gerade hat es in Italien wieder Auseinandersetzungen gegeben. Die Wanderarbeiter müssen mit Rechten versehen werden, auch das ist eine wichtige Aufgabe. Menschenrecht ist unteilbar und wir müssen mit uns im Reinen sein, um gegenüber den anderen mit erhobenem Zeigefinger agieren zu können, und das verlange ich von uns. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Böwer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil eine Äußerung von Herrn Wal

dowsky so nicht stehenbleiben kann. Zur Frage wie man mit Anträgen der Opposition umgeht, hat Kollege Hackbusch etwas gesagt, was das Formelle angeht.

(Wolfgang Beuß CDU: Herr Böwer, das ken- nen Sie doch aus eigener Erfahrung!)

Sie haben aber etwas gesagt, was in der Begründung, weswegen Sie den SPD-Antrag ablehnen, so nicht stehenbleiben kann, nämlich, dass er heiße Luft enthalten würde. Deswegen muss man noch einmal genau in die Anträge hineinschauen und sie mit der Ist-Situation vergleichen. GAL und CDU leiten ihren Antrag mit der Feststellung ein:

"Die Regierung der Volksrepublik China hat sich in den letzten Jahren, insbesondere auch im Zusammenhang mit den Olympischen Sommerspielen in Peking 2008, um eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in ihrem Land bemüht."

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das glaube ich nicht!)

Soweit die Feststellung in diesem Antrag. Nach übereinstimmender Analyse von Human Rights Watch, Amnesty International und Reporter ohne Grenzen hat es genau im Umfeld der Olympischen Spiele das Gegenteil gegeben.

(Günter Frank SPD: Ja, richtig!)

Was an dieser Stelle ist Fehlanalyse, was ist heiße Luft?