Protokoll der Sitzung vom 24.02.2010

Ein sehr wichtiges Argument in der Debatte ist, dass der doppelte Abiturjahrgang zu einem Verdrängungswettbewerb nach unten führe. Um dem und um dem demografischen Wandel zu begegnen, um Hamburg generell besser vorzubereiten, unternimmt man aber eine Vielzahl von Anstrengungen, die auch dem doppelten Abiturjahrgang zugute kommen, aber eben nicht nur seinetwegen unternommen werden, wie zum Beispiel die Reform des Übergangssystems. Insofern kann man nicht trennscharf sagen, welcher Cent exakt im Haushalt ausgegeben wird im Hinblick auf einen doppelten Abiturjahrgang oder generell, um den Schülerinnen und Schülern ihre Chancen bei der Suche nach einem Studien- oder Ausbildungsplatz zu verbessern.

Wir arbeiten grundlegend und nachhaltig an einer Neuausrichtung des Übergangssystems zwischen Schule und Beruf und verringern die Warteschleifen. Wir schaffen Ausbildungsperspektiven, kein Abschluss ohne Anschluss. Wir reagieren auf den Verdrängungswettbewerb nach unten, der generell existiert und nicht erst eine Erscheinung des Doppeljahrgangs ist.

Schülerinnen und Schüler, die noch keinen Ausbildungsplatz haben…

(Glocke)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Heyenn?

Erlaube ich.

Sie haben eben darauf hingewiesen, dass der Senat die Chancen für die Auszubildenden erhöhen will. Ich habe hier ganz frisch von der Bundesagentur für Arbeit die aktuelle Bilanz. Hier steht, dass von 2008 bis 2009 in Hamburg 1366 weniger Ausbildungsverträge geschlossen würden. Sie haben darauf hingewiesen, ich habe auch darauf hingewiesen, ebenso Herr Rabe, dass die Kammern sich bemühen, 1120…

(Glocke)

Frau Heyenn, Sie wollten eine Frage stellen.

Nach der neuen Geschäftsordnung darf ich so etwas sagen.

Dann ist es aber eine Bemerkung.

Sind Sie wirklich der Meinung, wenn unter dem Strich weniger Ausbil

dungsplätze dabei herauskommen als 2008, dass das eine Verbesserung der Chancen beim doppelten Abiturjahrgang ist?

Wenn die Kammern, wie schon mehrfach referiert, 1300 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, dann verbessert sich die Situation natürlich für die Jugendlichen, die dieses Jahr auf den Markt kommen, wenn es über 1000 zusätzliche Ausbildungsplätze gibt. Es verbessern sich natürlich die Chancen, wenn 800 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden und es verbessern sich natürlich die Chancen für die Jugendlichen, die jetzt im Herbst auf den Markt kommen, wenn 250 Ausbildungsplätze zusätzlich beim Senat und in den Behörden geschaffen werden. Das ist völlig selbstverständlich.

Zusätzlich mit dem Sofortprogramm des Senats werden außerdem weitere 500 außerbetriebliche Ausbildungsplätze bei Bildungsträgern gefördert, um gerade den besonders von Verdrängung bedrohten schwächeren Jugendlichen mehr Chancen zu geben. Es wurden auch bereits die weiteren 100 schulischen Ausbildungsplätze erwähnt, die in der Altenpflege geschaffen wurden. Nicht zuletzt auch eine Maßnahme, die für zusätzliche Plätze gerade bei den schwächeren Jugendlichen sorgt, ist der stete Ausbau der Produktionsschulen, in denen wir 500 weitere Plätze schaffen werden.

Insofern sind wir dabei, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um allen Jugendlichen, unabhängig von ihren Schulabschlüssen, eine berufliche Zukunft zu ermöglichen und dem Verdrängungswettbewerb, den Sie zu Recht anmahnen, entgegenzuwirken, denn schließlich braucht Hamburg alle Talente und auch die des doppelten Abiturjahrgangs. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Meine Damen und Herren! Bevor ich Herrn Dr. Bischoff das Wort erteile, eine Bitte. Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen oder eine Bemerkung, dann machen Sie das bitte beim Aufruf deutlich.

Ich darf um Entschuldigung bitten, Frau Heyenn, es war nicht deutlich geworden, dass Sie eine Bemerkung machen wollten und keine Frage stellen. Kommen wir uns da nicht in die Quere, aber eines von beiden geht nur, oder man macht eines nach dem anderen. Dies nur, um künftigen Missverständnissen vorzubeugen, wir wollen hier keine Unlustgefühle aufkommen lassen. – Das Wort hat Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Gwosdz und Herr Freistedt, Sie haben sehr gründlich ausgeholt und uns noch einmal die ganze Geschichte der

(Michael Gwosdz)

Verkürzung der Ausbildung an den Gymnasien vorgestellt. Das war aber nicht unser Problem. Auch wenn Sie das jetzt vielleicht so unterstellt haben, es war wirklich in diesem Zusammenhang nicht unser Problem, alles schlechtreden zu wollen. Dieser Antrag ist nicht so umfangreich, wie kommen Sie immer auf Ihre Schlussfolgerungen?

(Marino Freistedt CDU: Dann loben Sie doch mehr!)

Warum muss ich loben?

In diesem Antrag, Herr Freistedt, geht es schlicht und einfach darum, wie man es im Einzelnen beurteilt; das werden Sie und Herr Gwosdz doch nicht abstreiten können. Schon seit einigen Jahren, ohne das Problem des doppelten Abiturjahrgangs, gelingt einem beträchtlichen Teil der Jugendlichen der Übergang in Ausbildung, Beruf und Studium nur mit deutlicher Unterstützung durch öffentliche Förderung.

(Michael Gwosdz GAL: Und deshalb refor- mieren wir das System!)

Ich finde es gut, dass Sie das noch einmal gesagt haben. Sie haben gesagt, Sie arbeiteten nachhaltig und grundlegend daran.

Wir haben von Beginn an immer wieder gesagt, dass wir das auch unterstützen. Sie werden nirgendwo finden, dass wir sagen, Sie sollten die Reform der schulischen Ausbildungsvorbereitung bleiben lassen. Wir wollen natürlich gern mitreden und sehen, auf welche Art Sie das gestalten. Wir wollten von Beginn an gern von Ihnen sehen, dass Sie das Problem des doppelten Abiturjahrgangs in diese grundlegende Arbeit mit einbeziehen. Wir haben einen Konsens, dass einiges im Argen ist in diesem Übergangsfeld, das wird durch den doppelten Abiturjahrgang unbestreitbar noch etwas schwieriger werden. Jetzt sagen Sie, Sie arbeiteten nachhaltig an der Verbesserung. Den Antrag sollte man im Schulausschuss und im Wissenschaftsausschuss noch einmal beraten, um sich verständigen zu können. Es geht darum, dass wir bereit sind, dies mit Ihnen mitzutragen und nicht nur, wie Herr Rabe zu Recht sagte, alles immer durch Kleine oder Große Anfragen abfragen zu wollen. Wir möchten gern von Ihnen zwei Punkte wissen, Herr Gwosdz oder Herr Freistedt.

Der erste Punkt: Kann man noch irgendetwas machen, um die Probleme zu kompensieren, die mit dem doppelten Abiturjahrgang auf die Stadt und die verschiedenen Bereiche zukommen. Das ist ein ganz normaler, vernünftiger Aspekt, den man über eine Ausschussberatung vorbereiten kann.

Der zweite Punkt: Hier bin ich sehr misstrauisch, denn um diese grundlegende Erweiterung und Reform des Übergangs von Ausbildung zum Beruf zu schaffen, müssten wir doch verlässliche Zahlen bekommen. Das heißt, wir können nicht immer nur

durch erneute Kleine Anfragen versuchen, neue Zahlen zu bekommen. Zu Recht hat meines Erachtens der Rechnungshof festgestellt, um den Übergang von Schülerinnen und Schülern aus dem schulischen System bewerten zu können, würden Daten benötigt, die valide, vollständig und vergleichbar sind. Die Behörde für Schule und Berufsbildung ist leider momentan nicht in der Lage, diesen Anforderungen Rechnung zu tragen. Es ist ein einfaches ökonomisches Einmaleins. Wenn ich nicht genau frage, wo die Leute nachher hingehen, wo sie verbleiben – bei einem Drittel weiß die Behörde das einfach nicht –, dann kann man die Mittel, die in diesem Bereich eingesetzt werden, eben nicht effizient einsetzen.

Um diese beiden Punkte geht es, ob man jetzt noch zusätzlich kurzfristig etwas machen kann und ob man endlich zu verlässlichen Daten kommen kann, um das mit kritischer Sichtweise ein Stück voranzubringen. Deshalb bitten wir Sie, diesen Antrag an den Schulausschuss und den Wissenschaftsausschuss zu überweisen. Dann können wir sehen, ob wir dann ein Stück weiterkommen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr Dr. Bischoff, habe ich das richtig verstanden, dass Sie den Antrag federführend an den Schulausschuss und mitberatend an den Wissenschaftsausschuss überweisen möchten? Dann werden wir das nachher zur Abstimmung stellen. Dieser Antrag ist gestellt – dies zur Kenntnis aller Fraktionen.

Das Wort hat Herr Lemke.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In dieser zweiten Runde muss es noch einmal darum gehen, einige Punkte zurechtzurücken, die gesagt wurden. Ich fange bei Frau Heyenn an; ich fand es ein bisschen gespenstisch, wie Sie das dargestellt haben. Sie folgen da einem populistischen Opportunismus,

(Dr. Monika Schaal SPD: Na, na, na!)

den ich nicht verstehen kann. Herr Dr. Bischoff hat es eingeschränkt, aber Sie haben es so dargestellt, dass jetzt ein Szenario aufgebaut würde, dass eine Riesenwelle von Abiturienten auf den Ausbildungsmarkt zurolle, die nicht bewältigt werden könne. Hier haben Sie einfach von den Lebenswegen der jungen Menschen völlig unrealistische Vorstellungen. Das ist eindimensionales Denken.

Es wurde schon von Marino Freistedt angesprochen, wie unterschiedlich doch die Autobiografien nach Beendigung der Schulzeit sind.

(Glocke)

(Dr. Joachim Bischoff)

Herr Lemke, entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung.

Meine Damen und Herren! Es ist deutlich zu laut hier. Ich habe bereits einige Male darum gebeten, Diskussionen nach draußen zu verlagern. Auch bei der Senatsbank darf ich um Ruhe bitten. Ich wollte gern dafür sorgen, dass wir ein bisschen mehr Ruhe im Hause haben. Das gilt auch nach wie vor für die Diskussionsgruppen im hinteren Teil des Saales. – Vielen Dank, Herr Lemke, Sie haben das Wort.

– Vielen Dank.

Nicht scharren und nicht murren, Herr Buss, ich erzähle Ihnen jetzt etwas über diese Lebenswege. Es ist vollkommen richtig, dass ein Teil der Jugendlichen eine Ausbildung in Hamburg beginnt und der Anteil der Abiturienten, die eine Ausbildung beginnen, seit Jahren ansteigt. Das sind alles Zahlen, die seit langem bekannt sind. Aber es gibt auch eine Menge junger Menschen, die eine Ausbildung außerhalb Hamburgs anfangen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist ja auch in Ordnung!)

Es gibt die unterschiedlichsten Motive, die zu dieser Entscheidung führen, weil es zum Beispiel Ausbildungsgänge gibt, die in Hamburg gar nicht angeboten werden und man auch erstklassige Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb Hamburgs findet.

Einige Jugendliche bewerben sich um ein Studium in Hamburg, andere bewerben sich um ein Studium in anderen Städten. Herr Rabe, wenn ich das ansprechen darf, Sie hatten die Universität Kiel erwähnt, hier sei eines Ihrer Kinder. Ich wette einfach mal, es ist nicht deshalb die Universität Kiel gewählt worden, weil es in Hamburg keinen Studienplatz gab, sondern sie ist deshalb gewählt worden,

(Ties Rabe SPD: Weil die Eltern beide Geld verdienen!)

weil es dort für ein bestimmtes Fach sehr gute Bedingungen gab. Ich vermute, es wird irgendwo im naturwissenschaftlichen Bereich gewesen sein.

Es gibt doch nicht nur Greifswald und Kiel, es gibt zum Beispiel auch eine sehr gute Universität in Lüneburg, mit dem Nahverkehrszug von Hamburg aus zu erreichen.