Hamburg hat gehandelt, das haben wir deutlich aufgezeigt. Jetzt handeln Sie einmal und zeigen endlich realistische, ordentliche Positionen. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass weder Ihr Selbstlob noch Ihre wirklich unerträgliche Polemik dieser Debatte angemessen sind, um das einmal klar zu sagen.
Fakt ist, dass dieses EGMR-Urteil und seine Konsequenzen in den letzten Monaten bei vielen Menschen Kopfschütteln ausgelöst hat. Nur muss man festhalten, dass seit letztem Dezember in Hamburg und anderen Bundesländern bekannt war, dass da etwas auf uns zukommen kann.
Da hat nämlich der EGMR entschieden. Im Mai wurde das rechtskräftig, aber Sie hätten sich seit Dezember darauf vorbereiten können und das haben Sie nicht getan.
Hinzu kommt, dass Hamburg seit Januar den Vorsitz in der Justizministerkonferenz und der Innenministerkonferenz innehat. Da hätte es eigentlich zu Ihren vornehmsten Aufgaben gehört, das Chaos, das wir in den letzten Wochen zwischen den Bundesländern erlebt haben, zu verhindern und eine ordnende Hand zu haben, aber da war nichts von Ihnen zu sehen.
Dass bei Freilassungen in anderen Bundesländern einige die Anonymität der Großstadt suchen wollen, ist auch nichts, was völlig fernliegend ist. Auf diese Situation hätte man sich vorbereiten müssen und das haben Sie auch nicht getan.
Kommen wir zur systematischen Entlassungsvorbereitung. Das sollte eigentlich die Musterdisziplin von Herrn Dr. Steffen sein, weil er sich gern als Musterschüler im Bereich Resozialisierung generiert. Die Kollegen im Eingabenausschuss könnten von vielen Fällen berichten, die dort behandelt worden sind. Schauen wir uns doch einmal den Fall desjenigen an, der voraussichtlich im Dezember entlassen wird. Anwaltlich beraten wird er von dem GAL-Deputierten Ernst Medecke – jeder weiß, wer das ist –, der sich in "Der Welt" dazu geäußert hat, und zwar über die mangelnde Entlassungsvorbereitung Ihrer Behörde und das fällt auf Sie zurück.
Und wie sieht es mit Unterkünften aus, welche Möglichkeiten gab es, Herrn W. unterzubringen? Dass Sie in dieser Situation auf Ihren CDU-Skandalvermieter Kuhlmann zurückgreifen mussten, ist doch absurd.
Wir könnten das fortsetzen. Da ist die Frage, wer die Kosten trägt für die Gutachten, die Polizeiüberwachung und, und, und. Von Vorbereitung ist nichts zu sehen. Wir wollten frühzeitig im Rechtsausschuss mit Ihnen darüber reden. Sie wollten das nicht, weil Sie keine gemeinsame schwarzgrüne Positionierung haben. Es läuft wie immer: Schwarz blinkt rechts, die GAL blinkt links, passieren tut nichts und am Ende sind die Sozis dann wieder schuld. So wird die Rechnung hier nicht aufgehen, das ist armselig.
Wir haben heute, im Gegensatz zu Ihnen, konkrete Vorschläge vorgelegt, über die wir miteinander reden können. Wir sagen nicht, dass die Fußfessel das Allheilmittel ist, aber es ist ein Baustein, es auch für die Polizei erträglicher zu machen. Wir sagen aber in der Tat, im Einklang mit der Bundesregierung und dem Bundesjustizministerium, dass man bei denjenigen mit teilweise schwersten psychischen Störungen prüfen muss, ob die Voraussetzungen des PsychKG vorliegen. Lesen Sie einmal den Auftrag der Bundesregierung an die Bundesländer, da steht das drin und genau das fordern wir von Ihnen und nichts anderes.
Worüber Sie nichts gesagt haben, Frau Spethmann, ist, dass Sie auf dem besten Wege sind, das EGMR-Urteil zu übergehen. Sie wollen etwas schaffen, was womöglich mit der Rechtsprechung des EGMR gar nicht vereinbar ist und das kann es nicht sein, dass als Konsequenz dieses Richterspruchs etwas geschaffen wird, was nachher wieder in Straßburg landet und dort kassiert wird. Das ist eine Scheinsicherheit und wahrer Populismus. Das sollten Sie nicht tun.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann nicht drum herumreden, Herr Dr. Dressel. Ihre Fraktion beantragt, Menschen, die aus der Sicherungsverwahrung kommen, als psychisch krank zu erklären und wegzusperren.
Darüber muss man entsetzt sein. So schwierig die Suche nach einer Lösung in Berlin und den Bundesländern auch ist, vor dem Hintergrund der Geschichte in diesem Land sollten wir solche Vorgänge nicht noch einmal in Erwägung ziehen.
(Uwe Grund SPD: Jetzt mal ganz vorsichtig! – Ingo Egloff SPD: Solche Parallelen sind auch nicht zulässig!)
Es ist gesagt worden, dass wir aufgrund eines europäischen Urteils eine neue Lösung finden müssen. Das ist die Aufgabe der schwarz-gelben Bundesregierung. Für uns Grüne gilt – um noch
einmal den Unterschied zur Sozialdemokratie deutlich werden zu lassen, woran wir uns in dieser Debatte orientieren – in dieser Frage das Grundgesetz.
(Ingo Egloff SPD: Das ist ja wohl eine Frech- heit! – Karin Timmermann SPD: Das ist eine Rüge wert!)
Wir wollen, dass die Einzelnen von Straftaten unbehelligt bleiben. Es muss aber klar sein, dass das der schwerwiegendste Engriff in das Grundrecht auf Freiheit ist und nur als allerletztes Mittel verhängt werden darf. Für uns Grüne ist klar, dass das nur für Tätergruppen mit Gewalt- und Sexualdelikten in Frage kommt und nicht, wie bisher, auch für Vermögensdelikte. Wir wollen, dass die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Grundrechte klar und streng gewahrt wird.
Deswegen sind wir dafür, dass die Frage, über die die Sachverständigen entscheiden, wie gefährlich jemand ist, gesetzlich geregelt wird und nicht auf dem Verordnungswege vor Ort und teilweise von den Staatsanwaltschaften per Handverfahren. So ein schwerwiegender Eingriff muss eine gute Grundlage haben, für beide Seiten. In einem Rechtsstaat, wie wir alle ihn wollen, müssen wir uns diesen Vorgang vornehmen.
Die Entlassungsvorbereitung ist von der SPD schon angesprochen worden. Wir sehen Hamburg gut vorbereitet. Wenn der Anwalt eines Betroffenen Kritik äußert, weil er meint, es gäbe etwas zu beanstanden, dann ist das seine berufliche Pflicht. Dass Sie aber diese Kritik eins zu eins übernehmen, ohne zu wissen, was wirklich los ist,
Die Fußfessel ist schon öfter in der öffentlichen Diskussion aufgetaucht und insbesondere von der Sozialdemokratie als allein seligmachende Lösung präsentiert worden.
Das ist sie nicht. Das einzige, was eine Fußfessel kann, ist festzustellen, wo jemand gerade ist. Sie kann keine Straftaten verhindern. Deswegen stehen wir diesem Instrument äußerst kritisch gegenüber. Es suggeriert nämlich nur eine Scheinsicherheit der Bevölkerung. Wir sind aber nicht daran interessiert, eine Scheinsicherheit aufzubauen, sondern wirklich für Sicherheit zu sorgen, und zwar für beide Seiten.