Drittens – Carola Veit hat es schon angesprochen –: Mit gleichem Personal sollen zusätzlich zu den 18 000 Kindern noch weitere 10 000 Kinder betreut werden, was einen Qualitätsverlust der Betreuung und eine Überanspannung von Erzieherinnen und Erziehern zur Folge haben wird. Statt bisher 17 Kinder werden in Zukunft bis zu 23 Kinder von einer Erzieherin betreut werden. Man muss auch erwähnen, dass wir im Jahr 1996 einen Erzieher-Kind-Schlüssel von 1:10 hatten, jetzt wäre es bis zu 1:23. Das nenne ich einen Skandal.
Viertens: Gebührenfreiheit wird nicht durchgehend gewährleistet sein. Vor allem Teilzeitbeschäftigte und Schichtarbeiter werden davon betroffen sein.
Im Zusammenhang mit der Ausweitung des GABIModells auf circa 60 Schulen bleiben Fragen offen, was zum Beispiel passiert, wenn sich statt 40 Prozent wie in Berlin 60 Prozent der Kinder anmelden und das Geld fehlt. Was geschieht mit den leer stehenden Räumen in den Einrichtungen, die bis jetzt die Horte betrieben haben? Wie will der Senat sicherstellen, dass in den Schulen geeignete Räume zur Verfügung gestellt werden? Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass Kinder am Vormittag betreut werden, Mittagessen bekommen und danach am Nachmittag betreut werden in ein und demselben Raum, wo gar kein Konzept vorhanden ist. Was passiert mit den Erzieherinnen, die bis jetzt in Horten tätig waren? Das ist eine der zentralsten Fragen. Welche Auswirkungen wird die Umstellung auf die Arbeitszeit der Erzieherinnen haben? Werden sie sich fortan an zwei Stellen bewegen müssen oder werden sie in der Zeit von 13 bis 16 Uhr auf Honorarbasis beschäftigt? Was passiert mit den Kindern, die dringend eine Hortbetreuung brauchen, da der Senat mit seinem Beschluss den Rechtsanspruch von 14 Jahren auf 12 Jahre gesenkt hat? Was passiert mit den Kindern, die von ihren Eltern in Schulen in Arbeitsplatznähe geschickt werden und die dann keinen Hortplatz haben? Es gibt nämlich sehr viele Eltern, die ihre Kinder in Arbeitsnähe unterbringen, damit sie sie nach der Arbeit mitnehmen können. Dann bleiben diese Kinder auf der Straße.
Daher fordern wir den Senat auf, die Modellphase an den Pilotschulen wissenschaftlich auszuwerten, Eltern sowie Interessenverbände an entscheiden
den Prozessen zu beteiligen und einen klaren Prozess für Kitas und ganztägige Bildung und Betreuung in den Schulen zu entwerfen und zu diskutieren. Zentraler Punkt ist, dass die Bedürfnisse und Rechte der Kinder im Mittelpunkt stehen müssen und nicht die finanziellen und wirtschaftlichen Interessen des Senats. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Veit, die SPD-Fraktion ist immer gut darin, wenn auf komplexe Probleme in der Stadt schlichte Antworten zu geben sind.
Aber in der heutigen Debatte kommen Sie um ein Problem nicht herum. Ihnen fehlt einfach die schlichte Antwort auf eine schlichte Frage. Wenn das, worüber wir heute diskutieren, so finster und schrecklich ist, warum wollen die Hamburger Eltern es dann unbedingt? Auf diese Frage haben Sie keine Antwort.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, lieber Herr Kienscherf, dass der Senat ursprünglich entschieden hatte, das Projekt "ganztägige Bildung und Betreuung" an fünf Pilotstandorten, wie eben gehört, zu erproben und dann phasenweise in die Fläche zu tragen, erst fünf, dann 14 und so weiter; das war der Plan. Und was ist passiert? Wir haben erstens festgestellt, dass das Angebot an den fünf Pilotstandorten hervorragend angenommen und nachgefragt wird. Wir haben zweitens festgestellt, dass überall in der Stadt die Eltern Druck machen, dass die ganztägige Bildung und Betreuung eingerichtet wird.
Ich nenne Ihnen nur einmal das Beispiel eines Standortes, der ursprünglich zu den Pilotschulen gehörte, bei dem aber aufgrund qualitativer und örtlich fehlender Voraussetzungen daraus nichts geworden ist. Und was ist passiert? Waren die Eltern erleichtert? Im Gegenteil, wir haben bitterböse Protestbriefe bekommen und ich kann Ihnen auch sagen, warum die Eltern dieses Angebot wollen. Es gibt ihnen die Möglichkeit, mit der Anmeldung an einer Schule gleichzeitig auch die Betreuung für ihre Kinder zu bekommen, und zwar eine Betreuung für alle Kinder, auch für diejenigen, deren Eltern nicht berufstätig sind und die bisher bei der Suche nach einer Nachmittagsbetreuung kaum oder gar keine Chance haben. Die Eltern wollen
dieses Angebot, weil sie damit endlich einen Ansprechpartner für Bildung und Betreuung haben, nämlich ihre Schule. Sie erwarten mit dem Angebot, dass die Kinder einerseits gut betreut und andererseits gefördert werden, und zwar mindestens von 8 bis 16 Uhr, montags bis freitags und in den Ferien. Sie erinnern sich alle daran, wie schwierig es im Augenblick ist, für die Ferien und nach 16 Uhr einen Schein zu bekommen. Dieses Angebot ist für viele Hamburger Eltern hochattraktiv und es ist vor allen Dingen für diejenigen hochattraktiv, um die es eigentlich geht, nämlich die Kinder. Die Zahlen sprechen für sich. Wir haben eben gehört, dass sich wider unsere Erwartungen über 80 Schulen dafür interessiert haben, dieses Angebot einzuführen. Jetzt ist die Abstimmung mit den Füßen im vollen Gange und an einem solchen Punkt muss sich die Politik entscheiden: Wollen wir den Eltern dabei möglichst viele Steine in den Weg legen, das ist die Antwort der SPD, oder wollen wir den Eltern dabei den Weg ebnen und gleichzeitig aber qualitative Leitplanken einziehen, das ist die Antwort unserer Koalition.
(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Dass Sie wissen, was die Eltern wollen, haben wir beim Volksentscheid ge- sehen!)
Meine Damen und Herren! Es ist doch völlig klar, dass Qualität, Sorgfalt und Zeit nicht auf der Strecke bleiben. Wer den Weg jetzt nicht mitgehen will, der muss es auch nicht, denn bis zum Schuljahr 2013/2014 bleibt die Parallelität des Hortsystems und des Systems ganztägiger Bildung und Betreuung gewährleistet. Die Eltern haben die Wahl. Die Taktik, meine sehr verehrten Kollegen der SPD, hier Panik zu machen, durch die Stadt zu ziehen und den Leuten zu erzählen, die Horte würden dichtgemacht, ist wirklich der vordergründige Versuch, mit den Ängsten von Eltern ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Sie erzählen hier vorsätzlich die Unwahrheit.
Die Freiwilligkeit gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, ob ein Standort eingerichtet wird oder nicht. Es müssen Schulkonferenzbeschlüsse vorliegen, es muss der artikulierte Elternwunsch vorliegen, nämlich mit Elternratsbeschlüssen und Befragungen der Eltern, es muss ein geordnetes und transparentes Verfahren nachgewiesen werden zur Entscheidungsfindung unter Einbindung des Sozialraums und das Mittagessen muss räumlich und organisatorisch gewährleistet sein. Dann und nur dann geben wir den Weg frei.
Unser Ziel ist es nicht, möglichst viele Standorte möglichst schnell zu genehmigen. Es gilt hier nicht, je schneller und je mehr, desto besser, es gibt keinen Qualitätsrabatt. Aber dort, wo die Eltern es wollen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nämlich die Lehrerinnen und Lehrer und die Erzie
herinnen und Erzieher und die Kooperationspartner des Stadtteils, wo sich alle darauf vorbereiten, da werden die Sozialbehörde und die Bildungsbehörde diese nach Kräften unterstützen.
Noch ein Weiteres, Herr Yildiz. Keiner soll mehr bezahlen als bisher. Wir haben in der Pilotphase festgestellt, dass Eltern, die alle Leistungen wahrnehmen – sieben bis 16 Uhr und danach sowie Ferienbetreuung –, das ist eine kleine Gruppe, mehr zahlen müssten als bisher. Das wird für die weitere Umsetzung ausgeschlossen.
Grundsätzlich ist die Idee, die hinter dieser ganztägigen Bildung und Betreuung steht, sehr einfach. Sie haben Schulgebäude, die nachmittags leer stehen und die auch nach dem Unterricht genutzt werden können, und zwar für vieles. Sie werden einerseits für die pädagogische Förderung, Sprachförderung und Hausaufgabenhilfe, all die Dinge, die gewünscht werden, genutzt. Sie haben Sporthallen und Bewegungsflächen, Gemeinschaftsflächen und Pausenhallen, Fachräume für Kunst, Technik und Musik, Bibliotheken und vieles mehr in den Schulen. Natürlich wird es durch die Hortfunktion noch zusätzlichen Bedarf geben und je nach Standort müssen auch Voraussetzungen für die Kindergastronomie und für Ruheräume geschaffen werden. Diese Voraussetzungen werden wir herstellen, da stehen übrigens immer noch die 35 Millionen Euro zur Verfügung und wir bringen die Mittel zusammen, die wir heute in Bildung und Betreuung in parallele Systeme stecken.
Meine Damen und Herren! Es gibt Ganztagsschulen in Hamburg, und zwar in wachsendem Maße. Wir haben Horte, wir haben pädagogische Mittagstische, wir haben zahlreiche andere Einrichtungen im Stadtteil, in denen Kinder gefördert und betreut werden, aber das Kind gibt es nur einmal. Es kann nur zur gleichen Zeit an einer Stelle sein und insofern macht es Sinn, zugunsten der Qualität die Mittel an einem Ort zusammenzubringen. Die Angebote sollen zum Kind kommen und nicht das Kind zu den Angeboten.
Nicht zuletzt ist diese Debatte, die Sie führen, indem Sie Ganztagsschulen und Horte in Konkurrenz setzen, absolut irreführend. Klar ist doch, dass das Ganztagsangebot ausgebaut werden soll. Das ist nun wirklich gesellschaftspolitischer und gesellschaftlicher Konsens. Gerade hat am Wochenende die EKD das noch einmal gefordert und eben habe ich mit dem Kollegen Uwe Grund und dem Bürgermeister für den "Aktionsplan zur Bildungs- und Ausbildungsförderung junger Menschen mit Migrationshintergrund" zusammengesessen. Auch da wurden wieder von allen Beteilig
ten Ganztagsangebote gefordert. Deshalb bauen wir Ganztagsschulen aus und ergänzen das noch zusätzlich durch das Programm ganztägige Bildung und Betreuung.
Ganztagsangebote sind das sozialpolitische Gebot unserer Zeit, weil sie gerade den Kindern einen geschützten Raum bieten, die ihn am meisten brauchen. Sie sind das familienpolitische Gebot unserer Zeit, weil sie Antwort auf die Berufstätigkeit beider Elternteile sind, und sie sind das pädagogische Gebot unserer Zeit, weil sie eben nicht nur Betreuung gewährleisten, sondern weil die Ganztagsschule die konsequenteste Form der Schulentwicklung ist, weg von der Schule als reine Lehr- und Lernanstalt, hin zum vielzitierten Lebensort Schule.
Wenn wir die Ganztagsschulen ausbauen – ich sagte es schon, das Kind kann nur an einer Stelle zur gleichen Zeit sein –, dann werden zwangsläufig die Horte in ihrer bisherigen Form abnehmen. Man hat nur zwei Möglichkeiten, nämlich ganz plump zu sagen, dass die Horte dichtgemacht werden sollen,
oder den Erfahrungsschatz der Hortpädagogik und die Kompetenz ihrer Mitarbeiter, die wir unbedingt sichern müssen, auf gleicher Augenhöhe in die Schule hineinzuholen. Das ist die vernünftige Variante, die Kooperation von Schule und Hort auf gleicher Augenhöhe.
So sichern wir die Fachkompetenz der Jugendhilfe und ergänzen sie mit den Angeboten aus den Kultureinrichtungen des Stadtteils, den Sportvereinen und anderen Einrichtungen. Schauen Sie sich in den Pilotprojekten an, wie die fachlich geschulten Mitarbeiter auch anderer Einrichtungen die Nachmittage bereichern und wie dort Bildung stattfindet. Für das ganztägige Bildungssystem sind die erforderlichen Erzieherstellen eingeplant und dazu kommen die ausgebildeten Mitarbeiter der schulischen Kooperationspartner.
Die Umsetzung des neuen Systems ist so gedacht, dass Schulen und Jugendhilfeträger einen pädagogischen Verbund bilden, und das ist neu. Wir wollen weg von der Dominanz und dem Zwang der Schule auf der einen und der Freiwilligkeit der Jugendhilfe auf der anderen Seite. Wir handeln jetzt auf gleicher Augenhöhe mit den Jugendhilfeverbänden die Rahmenbedingungen aus und werden dies im Frühjahr mit einem Landesrahmenvertrag abschließen. Alle Beteiligten werden mit einbezogen, das sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich, und nicht nur die Schulen und die Vertreter der Bezirksverwaltungen, sondern auch die bezirkliche Jugendhilfe, die Gewerkschaften, die Elternkammer und der Landeselternausschuss, Vertreter der Betriebs- und Personalräte, die Elternvertreter der Hortinitiative und die Elterninitiative "Paul und Paula" sind mit dabei, genauso wie
die Hamburger Sportjugend und die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg. Alle sind eingeladen, dieses Projekt zu begleiten.
Lassen Sie mich abschließend sagen, dass das ganztägige Bildungssystem in Hamburg von den Eltern gewollt ist. Darum geht es und darum handeln wir. An dieser Stelle müssen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Hamburger SPD, sich fragen lassen, gegen wen Sie hier eigentlich Opposition betreiben. Sie machen keine Opposition gegen den Senat, sondern gegen den Elternwillen in dieser Stadt.
(Ingo Egloff SPD: Sie haben es gerade nö- tig, von Elternwillen zu reden! Wer wollte den denn abschaffen? Sie doch!)
Sie machen Opposition zum Nachteil derer, für die die ganztägige Betreuung und Bildung am wichtigsten ist, nämlich die Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen, die bisher keine Nachmittagsbetreuung bekommen haben,