Protokoll der Sitzung vom 24.11.2010

Das Wort bekommt Herr Buss.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch als Nichtinnenpolitiker ist es manchmal wichtig, in der Aktuellen Stunde bei einem Thema dabei zu sein, das in gewisser Weise einen anderen Bereich abdeckt, in diesem Fall das Bleiberecht, das uns bei der Arbeit des Eingabenausschusses zur Härtefallkommission ganz massiv betrifft und berührt.

Aber noch einmal generell, Herr van Vormizeele, zu der Frage, welchen Stellenwert so eine IMK überhaupt hat: Eben habe ich Sie so verstanden,

dass sie gar nicht so hoch anzusiedeln sei und so weiter und so fort und dass es im Wesentlichen gar nicht darum ginge. Frau Möller hat gesagt, inhaltlich sei sie mit dem, was da gelaufen ist, gar nicht so zufrieden, aber dass es einen Beschluss gibt, das fände sie ganz prima. Der Senat hat gerade – was ich subjektiv, Herr Senator, durchaus erst einmal in Ordnung finde – seine Arbeit in der IMK gelobt und gesagt, ihm als jemand, der die Leitung innehatte, sei es gelungen, einen Beschluss herbeizuführen.

Es bleibt für mich aber immer noch die Frage gerade an Ihre Fraktion, welchen Stellenwert das Ganze denn nun hat. In dem Augenblick, in dem Sie glauben behaupten zu können, Sie hätten einen tollen Erfolg zu verzeichnen, ist Ihnen diese IMK ganz wichtig und siedeln Sie sie ganz hoch an. In dem Augenblick aber, in dem Sie – wie der Kollege Dressel dargestellt hat – bestimmte Probleme, zum Beispiel Alkoholverbot oder Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten, nicht entsprechend lösen konnten, sagen Sie, man solle die IMK nicht so wichtig nehmen. Das ist doch wieder einmal typisch.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Die Proble- me sind doch gelöst!)

Ihre Einschätzung macht mich sehr skeptisch. Das Gleiche gilt für die entscheidende Frage zum Bleiberecht. Die Innenminister und die Senatoren der Länder sprechen sich dafür aus, gut integrierten geduldeten Jugendlichen und Heranwachsenden eine gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen. So lautete der erste Satz, den der Senator hat verkünden lassen, einen Satz, den wir unter anderem in unserem Antrag vor ein paar Wochen provoziert haben.

(Heiterkeit bei Kai Voet van Vormizeele CDU)

Genau das haben wir mit unserem Antrag provoziert.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Freut euch doch! Freut euch doch!)

Das machen wir auch, Herr Warnholz, das will ich gerade sagen. Vielen Dank für das Stichwort, Herr Warnholz.

Wir sind sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist, der von uns ergriffenen Initiative zu Paragraf 25 Absatz 5 den entsprechenden Anstoß zu geben, sodass jetzt alle Innenminister der Bundesländer mitgemacht und gesagt haben, das würden sie auch wollen, da es nicht so weitergehen könne wie bisher. Darüber sind wir sehr stolz.

(Beifall bei der SPD)

Aber wie immer steckt der Teufel im Detail.

(Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)

(Senator Heino Vahldieck)

Herr Senator, ich glaube das erst einmal noch lange nicht. Wenn man die Protokollnotizen liest, muss man leider damit rechnen, dass über dieses Thema noch lange verhandelt werden wird. Umso unverständlicher ist es, dass man der Öffentlichkeit erzählt, man wolle diesen Beschluss jetzt ganz schnell über den Bundesminister des Inneren in das bereits laufende Gesetzgebungsverfahren einspeisen. Seit Anfang 2010 liegt hierzu auch ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion vor; das hätte also längst eingespeist werden können. Sie aber wollen jetzt in der allerletzten Sekunde, in der Zielgeraden, diesen Innenministerbeschluss in das Gesetzgebungsverfahren einspeisen.

Obendrein steht in diesem Beschluss, dass Bayern den Jugendlichen keinen – wie heißt es so schön –

(Dr. Andreas Dressel SPD: Keinen Rechts- anspruch!)

Rechtsanspruch einräumen will. Aber genau das wollen wir doch. Wir haben doch gerade gesagt, dass sie einen Rechtsanspruch brauchen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Dies ist die Hamburgische Bürgerschaft, nicht der baye- rische Landtag!)

Ansonsten können Sie sich das alles sparen. Wenn Sie, Herr van Vormizeele, den Jugendlichen, die die Bedingungen des Paragrafen 37 Aufenthaltsgesetz erfüllen, keinen Rechtsanspruch einräumen,

(Viviane Spethmann CDU: Lesen hilft wei- ter!)

dann erreichen Sie nämlich nichts, was die Integrationsdebatte nach vorne bringen kann, nichts in der Richtung, dass es sich für diese Jugendlichen lohnt, weiterhin den Weg der Integration zu gehen, sich schulisch und beruflich zu integrieren und somit sich und ihren Familien eine gesicherte Aufenthaltsperspektive zu eröffnen. Darum geht es doch im Wesentlichen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich noch einmal für uns Sozialdemokraten: Solange darüber nicht konkret im Bundestag abgestimmt wird, bleiben wir bei unserer Gesetzesinitiative. Sie müssen erst einmal Ihren Kollegen in Bremen deutlich machen, dass sie gegen Gesetz und Verstand verstoßen haben, weil sie nämlich in Bremen ebenfalls der von uns beantragten Regelung zugestimmt haben. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Buss, ich schätze Sie wirklich ob Ihres

hohen Engagements für diese betroffene Gruppe und ich weiß, Sie vertreten Ihre Meinung aus echter Überzeugung. Aber gerade wenn man das aus echter Überzeugung möchte, dann kann man nicht den Bremer Weg gehen, denn er ist falsch und führt nicht zur Lösung. Das wissen Sie und das wissen auch Ihre Kollegen in Bremen. Nicht umsonst hat Bremen seinen Antrag nicht durchgesetzt, nicht umsonst haben 16 Innenminister genau dieser Vorlage zugestimmt, und zwar auch Ihre sozialdemokratischen Innenminister.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist kein Wi- derspruch!)

Sie haben genau gewusst, was Sie getan haben, und Sie haben genau gewusst, dass der Bremer Weg nicht der richtige ist.

(Zuruf von Michael Neumann SPD)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das heute einmal deutlich gesagt hätten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Wenn Sie darüber reden, welche Protokollnotiz die Kollegen aus Bayern dort eingebracht haben, dann mag das für uns alle erhellend sein, aber wir sind hier in der Hamburgischen Bürgerschaft und haben deutlich festgelegt, dass diese Protokollnotiz nicht vom hamburgischen Senat formuliert worden ist. Das heißt, dieser Senat, der in dieser Bürgerschaft gewählt worden ist, hat diesen Vorbehalt nicht eingelegt. Wenn ich es richtig erinnere und meine Kenntnisse des Grundgesetzes richtig sind, dann hat Bayern noch kein Vetorecht im Bundesrat, verehrte Kollegen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist mit CSU in der Koalition?)

Auch die CSU nicht, Herr Dr. Dressel, auch sie hat kein Vetorecht im Bundesrat.

Sie haben Ihre Meinung kundgetan. Wir diskutieren in dieser Bürgerschaft darüber, was wir in Hamburg tun können, und genau das haben wir getan.

(Michael Neumann SPD: Das werden wir ja sehen! Da haben sie ganz kurze Hosen an!)

Während Herr Neumann und seine Kollegen darüber herumschwadronieren, was man in Bremen machen könnte, haben wir eine Lösung vorangetrieben, die genau diesen Menschen helfen wird. Darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Müller.

(Wilfried Buss)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich würde ganz gerne für meine Fraktion noch einmal ein paar erklärende Worte zum Thema Vorratsdatenspeicherung sagen. Wir haben jetzt verschiedene Äußerungen dazu gehört und es ist durchaus ein Thema, das die Menschen draußen beschäftigt und das, wie wir wissen, auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt hat. Nicht ohne Grund musste das Bundesverfassungsgericht das Gesetz der Großen Koalition aufheben, und zwar aus einem sehr bedeutsamen Grund, weil nämlich die Richter diesem Gesetz zugestanden haben, dass es weit über das in der Abwägung der Rechtsgüter vertretbare Maß hinausging. Das Gesetz war keineswegs darauf beschränkt, besonders schwere Straftaten zu verfolgen oder den Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter, wie die Juristen sagen würden, zu gewährleisten, sondern es ging weit darüber hinaus. Dieses Gesetz ist von Karlsruhe für nichtig erklärt worden. Es gibt dazu auch ein sehr pathetisches – so würden es vielleicht einige nennen – Zitat aus Karlsruhe, das ich nicht unerwähnt lassen will, weil wir immer unter den verschiedenen Rechtsgütern abwägen müssen. Karlsruhe sagte in der Urteilsbegründung, die Tatsachen, dass die Freiheitsvereinigung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik im europäischen und internationalen Zusammenhang einsetzen sollte.

Wir wissen alle, dass die Vorratsdatenspeicherung auch auf einer EU-Richtlinie basiert und Deutschland damals mit dem Gesetz, das jetzt in Karlsruhe gestoppt wurde, darüber hinausging.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das soll doch gerade überarbeitet werden!)

Deswegen finden wir Grünen, dass wir, bevor wir ein neues Gesetz auflegen, doch erst einmal prüfen sollten, was Karlsruhe wirklich kritisiert hat und was das für ein eventuell neues Gesetz, so es denn kommen sollte, bedeutet. Es gibt da einfach noch viele Wissenslücken. Deswegen hat das Bundesjustizministerium auch eine Studie in Auftrag gegeben, um die sogenannten Schutzlücken, die jetzt in der Öffentlichkeit immer zitiert werden, einfach einmal zu konkretisieren, denn die Schutzlücken, die in der Öffentlichkeit als Beispiele genannt wurden, sind keineswegs diejenigen, die man über ein möglicherweise verfassungskonformes Gesetz gewährleisten könnte. Deswegen bitte ich darum, mehr Sachlichkeit in die Debatte einzubringen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch einmal eine Regierung verantworten will, in Karlsruhe mit einem schlampig gemachten Gesetz zu scheitern.

Vielleicht einmal ganz praktisch: Bei begründetem Verdacht ist es schon jetzt möglich, über die normalen Gesetze der Polizei, der Verfolgungsbehör

den et cetera an die Daten heranzukommen, die bei den Providern wegen der Rechnungslegung sowieso bis zu sechs Wochen gespeichert werden. Also es bedarf hier keiner Vorratsdatenspeicherung, sondern es liegen bereits Daten vor, die im konkreten Fall angefordert werden können.

Meine Damen und Herren! Dieses Thema ist zu wichtig, als dass man es im Umfeld einer Terrorwarnung hochziehen sollte. Deswegen bitte ich um mehr Sachlichkeit und vor allen Dingen um mehr Gründlichkeit. – Danke.