Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

Ein Wort noch zu dem Mandat, das der Senat jetzt für die morgige Abstimmung hat oder nicht hat. Ich habe gestern gehört, wie Herr Ahlhaus sagte, dass dieser Senat sich als geschäftsführender Senat verstehe, der die Stadt weiter verwalte, aber natürlich keine grundsätzlichen Beschlüsse fassen oder das Land in einer Weise positionieren werde, wenn man dafür keine Mehrheit hat. Aus diesem Grunde werden wir den Antrag der LINKEN auch unterstützen, da der Senat diese klare Botschaft haben sollte.

(Beifall bei der GAL, der SPD und der LIN- KEN)

Er hat aus diesem Hause kein Mandat, morgen eine Zustimmung abzugeben. Wenn Herr Ahlhaus das gestern ernst und ehrlich gemeint hat, dann erwarte ich, dass er sich morgen im Bundesrat enthält, weil er sagen muss, dass sein Parlament gestern beschlossen habe, dass er dem nicht zustimmen soll. So viel Anstand erwarte ich von diesem Bürgermeister. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, der SPD und der LIN- KEN)

Der Senat wünscht das Wort. Bitte schön, Herr Senator Wersich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe der Debatte ganz gespannt gelauscht, aber der heutige Zustand ist doch so, dass wir ein Urteil haben, welches besagt, dass ein Herzstück der rot-grünen Arbeitsmarktreform verfassungswidrig ist. Das ist das Kernstück, mit dem wir uns heute auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt zu fordern, dass man der Behebung dieser Verfassungswidrigkeit nicht zustimmen soll, heißt nichts anderes, als den alten von Rot-Grün geschaffenen verfassungswidrigen Zustand beizubehalten.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Sie können doch nicht ernsthaft eine Landesregierung auffordern, einen verfassungswidrigen Zustand beibehalten zu wollen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ist auch nicht die Aufforderung!)

Die Nichtzustimmung zu den Konsequenzen aus dem Verfassungsurteil heißt doch, dass die alte, vom Bundesverfassungsgericht als verfassungs

(Claudius Lieven)

widrig angesehene Regelung, fortbesteht. Das kann doch nicht unser politisches Ziel sein.

Zweitens, Herr Lieven, hatten Sie die Pauschalierung der Leistung angesprochen.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

Ja, gerne; der Kollege ist mir sympathisch.

(Michael Neumann SPD: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps!)

Herr Senator, Sie haben vielleicht in den Medien verfolgt, dass es eine Anhörung zu dem vorliegenden Gesetz gab.

Ich kann Ihre Zwischenfrage leider nicht verstehen, weil Herr Neumann das sabotiert.

– Ich versuche es lauter.

Es gab im Bundestag eine Expertenanhörung zu dem Gesetz und viele Experten haben gesagt, auch das neue Gesetz würde den verfassungsrechtlichen Ansprüchen nicht genügen. Insofern kann man schon sagen, ob nun der alte Zustand verlängert wird oder der neue den gleichen Zustand hervorruft, das ist gar nicht gesichert. Ihre Aussage ist dadurch etwas abgeschwächt.

(Michael Neumann SPD: Das ist jetzt hohe Rechtstheorie!)

Herr Müller, wir sind uns doch einig, dass es nur eine Institution gibt, die darüber entscheidet, ob Gesetze verfassungswidrig sind oder nicht, und das ist das Bundesverfassungsgericht. Dass es Expertenmeinungen gibt, die etwas anderes sagen, erleben wir ständig. Nein, es gibt eine gesicherte Rechtsprechung. Die jetzige Regelung ist verfassungswidrig und kein Politiker in Deutschland kann anstelle des Verfassungsgerichts erklären, dass die Neuregelung ebenfalls verfassungswidrig ist. Bis das zuständige Gericht so etwas festgestellt hat, ist es nicht verfassungswidrig.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Senator, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Frau Präsidentin, wenn Sie hinterher nichts über die Ausdehnung der Zeit des Senats in der Aktuellen Stunde sagen, dann lasse ich eine weitere Zwischenfrage gerne zu.

Dann hat Frau Bekeris die Chance einer Zwischenfrage.

Herr Lieven hat eine ganz klare Frage gestellt, wie Sie sich verhalten werden im Bundesrat. Diese Frage würde ich gern von Ihnen beantwortet wissen. Stimmen Sie zu oder werden Sie es ablehnen beziehungsweise sich enthalten, wie die Bürgerschaft Sie dazu auffordern wird?

Noch bestimme ich darüber, was ich hier sage. Aber ich nehme Ihre Frage wirklich zur Kenntnis. Ich bin auch gar nicht ganz sicher, wie morgen die Abstimmungen laufen, denn die Bundesregierung selbst hat angekündigt, den Vermittlungsausschuss anrufen zu wollen.

(Michael Neumann SPD: Welchen Senats- beschluss gibt es denn?)

Ich glaube, Sie haben es gehört, und auch ich sage, dass diese Gesetzesregelung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzt. Sie schafft höhere Regelsätze, das Bedarfspaket

(Michael Neumann SPD: Der eiert doch nur rum!)

für Bildung und Teilhabe für die Kinder, und das unterstütze ich nachdrücklich.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Der Senat hat einen Beschluss ge- fasst! – Dr. Monika Schaal SPD: Jetzt eiert er weiter rum!)

Herr Neumann, ich glaube, es wäre spannend, sich einmal Ihre Reden zu dem Thema von heute und vor ein paar Wochen dann anzuschauen, wenn sich der Vermittlungsausschuss geeinigt hat. Ich bin nicht sicher, ob hier nicht manche sehr hoch auf den Bäumen sitzen, die hinterher die Ergebnisse wieder einholen sollten. Wir wollen zustimmen, Hamburg unterstützt diese Regelung.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Gegen den Parlamentsbeschluss, das ist unglaublich!)

Es ist die Verfassung, die Exekutive ist im Bundesrat vertreten.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Falls es Irritationen gibt: Das Wort am Mikrofon hat zurzeit Senator Wersich.

(Senator Dietrich Wersich)

Meine sehr geehrten Abgeordneten! Ich möchte noch einmal den Versuch machen, auf Herrn Lieven einzugehen, der kritisiert hat, dass durch die Pauschalierung nicht mehr genügend Geld da sei für bestimmte Dinge. Ich erinnere daran, dass es die rot-grüne Bundesregierung war, die die Hartz-IV-Regelsätze deutlich erhöht und dafür die Einzelleistungen reduziert hat. Das heißt, wir haben es heute auch an dieser Stelle nicht mit Untaten der Union zu tun, sondern mit einem Kernstück der rot-grünen Sozialreform.

Hamburg wird dieses Gesetz, wenn es verabschiedet ist, vollziehen. Die Forderung der SPD ist für mich allerdings erstaunlich, nämlich dass wir ein Gesetz, dem wir nach ihrem Willen gar nicht zustimmen sollten, gleichwohl in seinen positiven Seiten in Hamburg jetzt schon vollziehen sollten, obwohl es noch gar nicht existiert. Das finde ich wenig nachvollziehbar. Hamburg wird aber alles tun, damit nach der Verabschiedung des Gesetzes die Menschen davon auch profitieren können.

Ich kann Sie auch dahingehend informieren, dass ich bereits am 14. Dezember entschieden habe – als noch nicht klar war, ob das Gesetz eine Mehrheit bekommt –, dass wir unserem Bereich der SGB-XII-Leistungsbezieher die Leistung zum 1. Januar auszahlen, denn wir mussten uns aus technischen Gründen entscheiden. Deshalb wird Hamburg für den Bereich SGB XII diese Leistung unter dem Rückforderungsvorbehalt auszahlen.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas zu dem Bildungspaket sagen; hierüber haben wir schon einmal eine Debatte geführt. Ich glaube, dass dieses Bildungspaket eine riesige Chance ist, die eigentlichen Ursachen der Armutskreisläufe und der verfestigten Armut zu durchbrechen, indem wir mit diesen gezielten Leistungen für die Kinder ermöglichen, dass sie Bildungsförderung bekommen und dass Kinder an Vereins-, Freizeit- und Bildungsaktivitäten teilnehmen können. Dies ist ein riesiges Plus der Gesetzgebung und insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass der Vermittlungsausschuss auch schnell zu Ergebnissen kommen wird, damit die Menschen in Deutschland von diesem Bildungspaket profitieren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Joithe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich sage erst einmal nur etwas zur Ergänzung. Was Herr Wersich über die bereits angewiesenen Bescheide sagte, ist richtig. Mir liegt ein Bescheid eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vor, auf dem 364 Euro schon ab dem 1. Januar 2011 vorgesehen sind. Hier hat man schon vorgegriffen. Wie weit

man das tun darf und kann, ist eine andere Sache, aber dies kann ich bestätigen. Was ich jedoch keinesfalls bestätigen kann und was ich immer wieder erstaunlich finde, ist, dass ein Senator sagt, dies sei schon richtig berechnet. Stattdessen sagen etliche Experten, darunter auch der Paritätische Wohlfahrtsverband, ganz eindeutig, dass das, was passiert sei, genauso wenig transparent sei wie das, was wir – zugegebenermaßen – von Rot-Grün bekommen haben. Das einfach hier zu wiederholen, zeigt, dass in der Wiederholung nicht wirklich die Wahrheit liegt. Es ist ein ganz entscheidender Punkt, mit wem wir überhaupt umgehen. Wir gehen hier immerhin mit Menschen um und nicht mit Zahlen. Ich finde es mehr als verwerflich, zu sagen, das Bundesverfassungsgericht könne doch wieder entscheiden. Das ist schändlich und Sie sollten sich wirklich überlegen, wie Sie da abstimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)