Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Ich bleibe aber dabei, dass wir sehr skeptisch auf Ihre Regierungspolitik gucken werden und Sie haben in den nächsten Monaten die Aufgabe, diese Skepsis auszuräumen. Ich will Ihnen die Skepsis einmal zusammengefasst darstellen.

Wir haben sowohl organisatorisch als auch politisch eine sehr schwierige Situation im Schulbereich, sonst hätte Herr von Beust nicht vor Kurzem mit dieser Formel vom Schulfrieden daherkommen können. Es ist klar, dass das, was Sie jetzt mit der Primarschule anfangen, nicht von vornherein das

Passepartout ist, um den Schulfrieden herzustellen. Es gibt viele Leute, die enttäuscht sind, weil die Reform nicht weit genug geht. Es gibt aber – das kann gar nicht bestritten werden – auch in der CDU massive Probleme, ob diese Reform nicht schon viel zu weit geht. Das müssen Sie politisch in einem großen Diskurs mit den Beteiligten ausräumen; das haben Sie wenigstens hier angekündigt. Ich bin sehr gespannt, ob Sie das hinbekommen. Sie müssen auf jeden Fall die Kollegien mitnehmen. Sie dürfen nicht nur neue Stellen einrichten, sondern müssen Qualifikationsangebote machen, Sie müssen die motivieren, damit sie die Chancen, die ohne Zweifel in der Primarschule stecken, dann auch wirklich wahrnehmen und umsetzen.

(Michael Gwosdz GAL: Das kommt alles noch!)

Ist okay, ich will Ihnen das nur sagen.

Mitten in einer sehr komplizierten Umbruchsituation ist das kein Selbstgänger und wir sind skeptisch, ob Sie das schaffen.

Der letzte Punkt ist – das ist gar keine Frage –, dass Sie eine Menge Geld in die Hand nehmen müssen. Da werden die hundert Stellen, die Sie jetzt haben, nicht ausreichen.

Also noch einmal: Sie regieren und machen das und wir weisen Sie auf die neuralgischen Punkte hin. Lassen Sie bitte diesen Unfug, statt zu regieren immer auf der SPD oder der LINKEN herumzuhauen.

(Beifall bei der LINKEN – Kai Voet van Vor- mizeele CDU: Nö!)

Weitere Wortmeldungen sehe ich zum ersten Thema nicht.

Dann rufe ich das zweite, von der SPD-Fraktion angemeldete Thema auf:

Gute Pflege braucht richtige Weichenstellung: Anerkennung, Nachwuchsförderung und fairen Lohn!

Das Wort wird gewünscht. Der Abgeordnete Kienscherf hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Probleme gibt es in der Tat in Hamburg genug, um die Sie sich kümmern sollten. In der letzten Woche haben Beschäftigte von pflegen & wohnen auf die sich deutlich verschlechternden Rahmenbedingungen für ihre Arbeit und für die Pflege hingewiesen. An diesem Montag hat das Ärzteblatt darüber berichtet, dass sich nach Meinung des deutschen Instituts für Pflegeforschung der anhaltende Arbeitsplatzabbau in der

(Michael Gwosdz)

Pflege dramatisch auf die Pflegequalität auswirken wird. Und jüngst hat das von uns allen geschätzte und seriöse Marienkrankenhaus seinen ambulanten Pflegedienst aufgrund des Fachkräftemangels einstellen müssen. Das alles und weitere Meldungen zeigen ganz deutlich, dass Hamburg das Pflegechaos droht und Sie von der CDU, Herr Wersich und Frau Schnieber-Jastram, tragen dafür die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Diese Entwicklung kommt nicht überraschend, Herr Schira, auch wenn Sie so überrascht tun. Sie kommt nicht überraschend, denn es gab genügend Hilferufe von den verschiedenen Verbänden. Aufgeschreckt wurden wir zuerst im letzten Jahr durch den Bericht des Medizinischen Dienstes, wo deutlich wurde, dass es Probleme in der Qualität der Pflege gibt. Im September letzten Jahres hat sich die Diakonie hilfesuchend an Sie gewandt und darauf hingewiesen, dass die Personalprobleme nun auch zu Problemen in der Pflege insgesamt führen. Auch das Deutsche Rote Kreuz – nicht Sie, Herr Krüger, keine Angst, sondern andere Personen, die sich trauen, durchaus einmal etwas Kritisches zu sagen – hat darauf hingewiesen, dass es so in der Pflege nicht mehr weitergeht.

Im Februar dieses Jahres hat dann noch einmal die Hamburgische Pflegegesellschaft deutlich gemacht, dass es immer weniger Fachkräfte gibt und dies dazu führen wird, dass die Qualität von Pflege nicht mehr gesichert werden kann. Und was haben Sie gemacht, was hat Frau Schnieber-Jastram gemacht, was hat Herr Wersich gemacht? Nichts haben Sie gemacht, Sie haben immer wieder gesagt, wir lassen uns die Pflege in Hamburg nicht schlechtreden. Damit es ganz deutlich wird: Dass die Pflege überhaupt noch so gut funktioniert wie sie funktioniert, ist das Verdienst der Beschäftigten und dafür wollen wir uns herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei Horst Becker und Dr. Eva Gümbel, beide GAL)

Das Einzige, was Sie gemacht haben, ist, dass Sie in der Tat einen Ausschuss eingesetzt haben, der wiederum einen Arbeitskreis gegründet hat, der wiederum Unterarbeitskreise gegründet hat.

(Michael Neumann SPD: Hört, hört!)

Aber herausgekommen ist eine glatte Null, nichts. Bis heute warten alle Beteiligten vergeblich darauf, dass es ein Ergebnis gibt. Sie haben sogar den Landespflegeausschuss noch einmal vertagt, der findet jetzt erst Mitte des Sommers statt. Alle Beteiligten wissen, dass es letztendlich auf jeden Tag ankommt, um die Pflege in dieser Stadt zu retten und deswegen braucht Hamburg ganz klare Weichenstellungen. Hamburg braucht Nachwuchs und das bedeutet, dass Sie endlich im Bereich der Ausbildung umstrukturieren müssen, dass Sie es schaffen müssen, dass nicht auf der einen Seite

Menschen für ihre Ausbildung bezahlen müssen und auf der anderen Seite gerade ambulante Pflegedienste nach wie vor benachteiligt sind. Sie haben die gesetzlichen Vorgaben und Möglichkeiten entsprechend zu regeln, nutzen Sie endlich diese Handlungsspielräume.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens müssen wir beim Thema Pflege endlich die Qualität sichern. Ich habe vorhin den Bericht des Medizinischen Dienstes angesprochen. Sie haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, aber die Arbeitsgruppe hat noch keine Ergebnisse vorgelegt. Sie haben im Koalitionsvertrag vorgeschlagen oder vielleicht ist es auch seitens der GAL eingeräumt worden, die Heimaufsichten zu verstärken, aber auch hier gibt es immer noch keine deutlichen Signale. Stärken Sie jetzt die Heimaufsichten, schaffen Sie jetzt ein Heimrecht, das verbindliche Standards festlegt.

(Beifall bei der SPD)

Dann brauchen wir, ähnlich wie bei der Armutsberichterstattung, eine ehrliche Bestandsaufnahme zum Thema Pflege. Wir brauchen einen Landespflegeplan, den wir aktualisieren und der ehrlich ist und das ist nicht ganz einfach bei der CDU-Fraktion und anscheinend auch nicht bei der GAL-Fraktion, denn wie anders lässt sich erklären, dass die schwarz-grüne Koalition in Altona in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt hat, ultimativ ihre Bezirksverwaltung aufzufordern, eine ehrliche Bestandsanalyse hinsichtlich der Pflegebedarfe vorzunehmen. Warum sollte man das machen, wenn man nicht auf der anderen Seite dem Senat misstraut, und diese Menschen haben recht, wenn sie dem Senat misstrauen.

(Beifall bei der SPD)

Viertens braucht gute Pflege auch gute Löhne; mein Kollege Rose wird noch darauf eingehen. Schaffen Sie es endlich, in diesem Bereich einen Mindestlohn einzuführen. Es kann doch nicht sein, dass Sie die Arbeit, die für die Beschäftigten so schwer ist und die unmittelbare Auswirkungen auf die Pflegequalität hat, nicht entsprechend honorieren und stattdessen dafür sorgen, dass es einen ruinösen Wettbewerb unter den Pflegeanbietern gibt, dass Profit im Vordergrund steht und nicht der Mensch. Das lehnen wir ab, wir wollen eine gute Qualität, eine gute Pflege für alle.

(Beifall bei der SPD)

Dann haben wir letztes Mal über das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz gesprochen.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie hinsichtlich des Wortes "letztes" auf den letzten Satz hinweisen?

(Dirk Kienscherf)

– Ja. – Hamburgs Pflege braucht Taten. Sie sind an der Regierung, versuchen Sie endlich einmal, Taten zu schaffen. Die Menschen in unserer Stadt und die Pflegebedürftigen warten darauf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete von Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Debattenanmeldung geht es Ihnen um Anerkennung, Nachwuchsförderung und fairen Lohn in der Pflege. Dafür sind wir alle, insofern sind Sie da nicht besonders innovativ. Sie schreiben, gute Pflege brauche die richtigen Weichenstellungen, aber gerade beim Thema Weichenstellungen hat im Grunde genommen die SPD in früheren Zeiten versagt. Sie haben gerade nicht die Weichen für die Zukunft gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben Entscheidungen verschleppt und auf die lange Bank geschoben und tun heute so, als wären Sie besonders innovativ. Die SPD hat sich in der Vergangenheit eher, um beim Beispiel zu bleiben, als Bummelzug erwiesen.

Allgemein ist festzustellen, dass wir in Hamburg eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur haben und Hamburg sehr gut aufgestellt ist. Der Fachkräfteanteil steigt seit Jahren stetig an, von 39 Prozent im Jahr 1995 über 51 Prozent im Jahr 2000 auf mittlerweile fast 60 Prozent.

Auch im Bereich der Ausbildung wird eine ganze Menge getan. In der Pflege steigen die Ausbildungszahlen an. Im Jahr 2006 hatten wir 167 Auszubildende, seit 1. August 2007 sind es 233, das ist eine Steigerung von 40 Prozent in diesem Bereich. Deswegen ist Ihre Aussage, es tue sich nichts oder es werde zu wenig ausgebildet, völlig falsch.

(Dirk Kienscherf SPD: Da müssen Sie mal mit den Pflegern sprechen!)

Neu ist auch, dass es seit 2007 den Beruf der Gesundheitspflegeassistenz gibt. Wir sind auf die steigenden Zahlen der nächsten Jahre aufgrund dieser Maßnahmen vorbereitet.

Zum Thema Anerkennung der Pflege möchte ich Ihnen eines versichern: Die Anerkennung der Pflegeberufe ist insgesamt in der Bevölkerung sehr hoch und das unterstützen wir ausdrücklich. Die Behörde für Soziales und Gesundheit hat in der Vergangenheit sehr viel im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit gemacht, um dieses klarzustellen. Ich möchte zum Beispiel nur an die Imagekampagne im Jahr 2003/2004 erinnern, aber wir haben auch eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen im Bereich der Pflege weiter hochgehalten.

Hamburg ist sehr gut aufgestellt, wir haben die Heimaufsicht wieder hochgefahren, Sie haben sie zu Ihrer Regierungszeit heruntergefahren. Es gibt wieder unangemeldete Kontrollen, sodass sich auch in dem Bereich einiges geändert hat.

Ich will zum Schluss noch auf den Mindestlohn oder den fairen Lohn eingehen, das ist im Grunde genommen ein bisschen Bundesthema. Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz sieht vor, dass Pflegeeinrichtungen ortsübliche Arbeitsvergütungen zahlen; das ist dort ausdrücklich so vorgesehen. Ansonsten ist es unplaziert, immer wieder als Allheilmittel für alle Bereiche nach dem Mindestlohn zu rufen. Auch da haben wir im Rahmen einer gemeinsamen Koalition mit Ihnen eine Vereinbarung getroffen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann halten Sie sich auch mal daran!)

wie es mit dem Mindestlohn gehen soll. Daher war das in diesem Zusammenhang eher eine Worthülse und hilft wenig für die Weiterentwicklung.

(Beifall bei der CDU)