Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wehe, wenn das wirklich mal einer ernst nimmt, wenn er wirklich mal sagt, ich habe meine Überzeugungen, ich bin in einer Partei, ich kämpfe dafür, dann hört man erst einmal, jetzt geht's gerade nicht, jetzt passt es alles nicht, das ist alles ganz ungeschickt, diese Diskussion ist sowieso gar nicht gut. Und die wohlmeinenden Vertreter der Medien sagen uns, das ist alles eine Streiterei, das würde

in der Öffentlichkeit schlecht ankommen und der politische Gegner greift an der Stelle gnadenlos an.

Was also tun Parteien in so einer Lage, wenn immer wieder der Diskurs auf diese Art und Weise diffamiert wird? Hamburgs Parteien zeigen die Wege, die sich da öffnen und die CDU geht diesen Weg voran. Die CDU hat auf ihrem kleinen Parteitag diese innerparteiliche Diskussion komplett und nachhaltig ausgerottet,

(Beifall bei Jan Balcke SPD)

dass sogar das "Hamburger Abendblatt" entsetzt gefragt hat, ob das eigentlich noch eine funktionierende Partei sei, ob es da eigentlich noch Menschen gebe, die eine eigene Überzeugung hätten.

(Beifall bei der SPD)

In unserer Partei gibt es Menschen mit solchen Überzeugungen, die hat es schon immer gegeben

(Frank Schira CDU: Das ist ja auch nichts Schlimmes!)

und die haben manchmal viel Leid auf sich genommen und in der Partei – vielleicht nicht immer in der öffentlichen Darstellung – ein wunderbar windschnittiges Bild abgegeben. Wenn Sie – der Hinweis ist berechtigt, Herr Beuß – hier militärische Formen einfordern und sagen, der Oberleutnant muss in der Partei sagen, wo es längs geht, dann ist das Unsinn. In Wahrheit geht es doch gerade um die Diskussion.

(Beifall bei der SPD)

Das macht die SPD verletzlich, das bietet Angriffsfläche, wohl wahr, und das kann man alles als Chaos denunzieren. Aber in Wahrheit ist das die Demokratie, die wir und die auch Sie da unten in schönen Schildern im Vorraum des Rathauses immer so schön in Ihren Sonntagsreden anpreisen. Bevor Sie gleich daran weiter arbeiten, diesen Parteidiskurs als Streiterei und Chaos zu denunzieren, will ich einen letzten Hinweis geben. Was Sie der SPD vorwerfen,

(Glocke)

dass sie eine ordentliche Diskussion führt, ist das, was auch andere Kräfte uns hier im Parlament immer häufiger vorwerfen: Die streiten sich nur, die bekommen nichts auf die Reihe, da muss mal einer dazwischen und die Richtung vorgeben.

(Glocke)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Solchen Argumenten sollten wir hier nicht Vorschub leisten und selber denunzieren. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Rabe, ich bitte darum, die Geschäftsordnung einzu

(Ties Rabe)

halten. Wenn die Glocke ertönt, dann möge der Redner bitte seine Rede unterbrechen.

Jetzt bekommt das Wort der Abgeordnete Gwosdz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Herrn Rabe für seine Rede. Ich bin in der politischen Erwachsenenbildung tätig

(Michael Neumann SPD: Das merkt man!)

und mehr solcher Appelle in den Seminaren und Lehrstunden sind wichtig.

Wichtig ist aber auch das, Herr Rabe, was Sie gerade gesagt haben. Wir leben in einer Demokratie, wir leben in der Diskussion, man muss Diskurs lernen, man muss auch einmal Widersprüche aushalten. Sie haben schon recht, das muss man in einer Partei machen. Dann müssen Sie diesen Anspruch aber auch für sich selbst beherzigen und uns dieses auch zugestehen. Wir haben miteinander verhandelt, wir haben diskutiert, CDU und GAL haben um einen Kompromiss in der Schulpolitik gerungen und wir haben einen gefunden. Auch das ist natürlich eine ganz wichtige Erkenntnis, die müssen Sie den Schülerinnen und Schülern auch alltäglich vermitteln, dass es in einer Demokratie dazugehört, Kompromisse einzugehen und diese Kompromisse dann auch einzuhalten und umzusetzen. Das ist dann auch die Verlässlichkeit der Politik.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das haben wir in den vergangenen 44 Tagen, in denen wir gemeinsam regieren, bereits Schritt für Schritt gemacht.

(Michael Neumann SPD: Sie zählen schon die Stunden! – Frank Schira CDU: Tage!)

Ich möchte einfach nur darauf hinweisen, dass die berühmte 100-Tage-Bilanz noch lange hin ist.

Trotzdem haben wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, Folgendes umgesetzt. Wir haben mit Ihrer Zustimmung die isolierten Hauptschulklassen abgeschafft, wir haben die Grundschulen mit zusätzlichen Lehrerstellen ausgestattet, um in den dritten und vierten Klassen Teilungsstunden zu ermöglichen beziehungsweise die Klassen kleiner werden zu lassen. Wir haben für Ganztagsschulen zusätzliches Personal bereitgestellt. Es werden vier neue Ganztagsschulen eingerichtet. Das ist im Koalitionsvertrag vereinbart, das kann jeder nachlesen und die Bürgerinnen und Bürger haben auch einen Anspruch darauf, dass wir das verlässlich Schritt für Schritt umsetzen.

(Beifall bei der GAL)

Wir haben es geschafft, das konsequent umzusetzen in einer Situation, in der die Behörde für Schule und Bildung durchaus noch andere tagesaktuelle Probleme hatte und hätte sagen können,

wir haben jetzt Dringenderes zu tun, wir verschieben das nach hinten. Wir haben nebenbei glaubwürdige und rasche Konsequenzen aus dem Fall Morsal gezogen.

(Michael Neumann SPD: Das ist aber ganz dünnes Eis!)

Ein ganz anderer Fall noch. Auch bei dem Fall der Mathe-Vergleichsarbeiten hat die Senatorin eine alle Kritik verstummen lassende Lösung durchgesetzt.

(Michael Neumann SPD: Das war nicht so schlimm wie in Nordrhein-Westfalen! Das stimmt!)

Das alles ist eine wesentliche Bilanz in den vergangenen 44 Tagen, die sich sehen lassen kann.

Wenn ich mir jetzt angucke, was Sie in den vergangenen 44 Tagen gemacht haben, dann ist das nichts, was eine hilfreiche Orientierung im Diskurs, im Dialog, in der Diskussion um die Schulpolitik gibt. Wir haben gemeinsam die Hauptschulklassen abgeschafft, das ist schön, dafür danke ich auch. Das bleibt hoffentlich auch für die Startphase in diesem Haus längerfristiger in Erinnerung als zum Beispiel die heute schon legendären 77 wortgleichen Schriftlichen Kleinen Anfragen zum privaten Nachhilfeunterricht, deren Unmöglichkeit der Beantwortung von vornherein klar war. Mir ist bis heute nicht klar, Herr Böwer und Herr Rabe, was Sie mit diesen Anfragen bezweckt haben.

(Carola Veit SPD: Sie müssen die Fragen doch gar nicht beantworten! Was regen Sie sich auf?)

Als Umweltpolitiker, der ich nebenbei auch noch bin, frage ich mich lediglich, wie viel Kubikmeter Papier diese Aktion eigentlich verbraucht hat.

(Beifall bei der GAL, der CDU und der LIN- KEN)

Sie haben vorhin unter anderem das Stichwort Bezirksgrundschule gebracht. Auch da frage ich mich, wo Ihre Äußerungen hingehen. Zum einen forderte die Arbeitsgemeinschaft Bildung in der SPD uns als Regierung auf, die Bezirksgrundschule wieder einzuführen.

(Michael Neumann SPD: Das hatten wir schon!)

Wenn wir dann darauf hinweisen, dass künftig das Wohnortprinzip wieder verbindlicher als bisher wird, dann sagt der schulpolitische Sprecher, das ist die Abschaffung des Elternwahlrechts, das ist Elternwahlrecht light. Da weiß man auch nicht, was Sie wollen. Entweder soll das Wohnortprinzip gelten oder nicht, ja oder nein; all das gibt keine sinnvolle Orientierung. Es ist natürlich schon geschickt, wenn die einen so sagen und die anderen so, denn dann können Sie irgendwann in ferner Zukunft sagen, wunderbar, die Regierung hat unsere

(Präsident Berndt Röder)

Anregungen aufgegriffen und umgesetzt. Die andere Meinung lässt man einfach unter den Tisch fallen, das ist schön einfach, das macht sich bequem in der Opposition. Aber keine Sorge, wir werden uns auch in Zukunft noch daran erinnern, wie Sie sich in der Anfangszeit in Widersprüche verheddert haben.

Aber ich hoffe, wir werden in Zukunft konstruktive Vorschläge von Ihnen bekommen, bei denen wir nicht überlegen müssen, welcher Vorschlag von Ihrer Seite denn überhaupt gilt. Das werden wir gemeinsam in der Schulpolitik umsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Bischoff.

eHeHerr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass mit den letzten beiden Diskussionsbeiträgen eine bestimmte Sachlichkeit wiederhergestellt worden ist. Es kann doch im Ernst – das dürfte auch die CDU akzeptieren können – nicht bestritten werden, dass wir in der Schullandschaft dieser Stadt wirklich große Probleme haben und dass auf jeden Fall eine Veränderung erfolgen muss. Wir haben drastische Probleme mit Schulabbrechern, die Hauptschule sozusagen als Sackgasse. Auch die Verkürzung der Ausbildungszeit an den Gymnasien – das hat in den letzten Debatten auch eine Rolle gespielt – stellt sowohl für Schüler und Eltern als auch für Lehrer eine große Herausforderung dar.

Sie haben jetzt zugesagt – das stellen wir gar nicht in Abrede –, dieses durch die Primarschule zu ändern und Sie haben, jedenfalls laut Zeitungsberichten, die ersten Maßnahmen auf den Weg gebracht. Das ist von der SPD, soweit ich das sehe, und auch von uns begrüßt worden. Sie wollen zum Herbst mehr Lehrer einstellen, wollen die Klassenfrequenzen senken und das als Einstieg in das große Projekt der Primarschule verstanden wissen; das ist völlig in Ordnung. Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass jemand von der SPD gesagt hat, mehr davon. Das ist richtig, in dieser Weise muss das gehen, das ist völlig unstrittig.

Ich bleibe aber dabei, dass wir sehr skeptisch auf Ihre Regierungspolitik gucken werden und Sie haben in den nächsten Monaten die Aufgabe, diese Skepsis auszuräumen. Ich will Ihnen die Skepsis einmal zusammengefasst darstellen.