Ich rufe zunächst das erste Thema auf. Wird dazu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Frau Heyenn hat das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach dem Volksentscheid zur Primarschule haben die Obleute aus dem Schulausschuss in sechs langen Sitzungen zusammengesessen. An ihren Beratungen haben die Elternkammer, die Schülerkammer, die Lehrerkammer und die Initiative "Wir wollen lernen!" teilgenommen. Es ging unter anderem um die Ausgestaltung des Übergangs von der vierten in die fünfte Klasse. Das wurde intensiv diskutiert und es wurde Ei
nigkeit darüber erzielt, dass die Zeugniskonferenz am Ende des Halbjahres der vierten Klasse eine Einschätzung zur weiteren Schullaufbahn vornimmt. Ich wiederhole: Einschätzung, keine Bewertung – darauf legte die Elternkammer großen Wert – und es ging auch um die Schullaufbahn. In einem Beratungsgespräch und auf einem von der Schulbehörde ausgearbeiteten Ankreuzbogen sollten die Lehrkräfte ihre Einschätzung prognostizieren.
Es ist eine große Herausforderung, über neunoder zehnjährige Kinder auszusagen, ob sie das Potenzial und die Arbeitshaltung für einen Hauptschulabschluss, einen Realschulabschluss oder das Abitur haben. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass 40 Prozent der Empfehlungen Fehlprognosen waren. Deshalb waren sich in diesem Ausschuss auch alle einig, dass es die Gymnasialempfehlung der letzten Jahre nicht mehr geben sollte. Dazu kam als weiteres wichtiges Argument, dass in beiden Säulen des Schulsystems – an der Stadtteilschule und am Gymnasium – das Abitur erreicht werden kann. Über die Schulform sollten einzig und allein die Sorgeberechtigten, also die Eltern, entscheiden. So schreibt es der Volksentscheid vor und so lese ich auch Paragraf 42 Absatz 4 des Hamburgischen Schulgesetzes.
Jetzt hat die Schulbehörde einen Einschätzbogen an die Grundschulen gegeben, der das genaue Gegenteil von dem vorsieht, was wir nach intensiven Beratungen im September 2010 einstimmig beschlossen haben.
"Die Schülerin/der Schüler wird voraussichtlich dem Lerntempo und den Anforderungen des achtjährigen Gymnasiums gewachsen sein."
"Der Schülerin/dem Schüler wird empfohlen, die Stadtteilschule zu besuchen; diese bietet neben dem ersten auch den mittleren Schulabschluss sowie in einem neunjährigen Bildungsgang das Abitur."
und nicht nur wir, sondern auch die GEW, die Elternkammer und andere Parteien. Wir kritisieren es deshalb, weil es den Elternwillen unterhöhlt und damit dem Volksentscheid widerspricht. So sieht es auch die Elternkammer, in der auch Eltern der Initiative "Wir wollen lernen!" vertreten sind, die ebenfalls übereinstimmend zu dem Schluss gekommen sind, dass dies den Elternwillen unterhöhlt.
Nun sollen die Lehrkräfte nicht nur voraussagen, ob ein neun oder zehn Jahre altes Kind das Zeug zum Abitur hat oder nicht, nun sollen sie auch noch empfehlen, ob dieses Kind sein Abitur in acht oder neun Jahren machen sollte. Das ist geradezu aberwitzig.
Wir sind außerdem gegen diesen Ankreuzbogen, weil mit ihm ein Abitur erster und zweiter Klasse hergestellt wird. Das schadet der Stadtteilschule nachhaltig.
Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern – in den Schulen laufen jetzt die Zeugniskonferenzen, die Vorbereitungen für die Elterngespräche und die Anmelderunden –, dass zu befürchten ist, dass die überwiegende Zahl der Eltern von Viertklässlern ihre Kinder auf einem Gymnasium anmelden werden. Die Einschätzbögen sollen bei der Anmeldung an den weiterführenden Schulen vorgelegt werden. Das findet die Elternkammer und das finden auch wir höchst problematisch. Was passiert denn, wenn es an einem Gymnasium viel zu viele Anmeldungen gibt? Werden dann, wie bei der Max-Brauer-Schule und anderen Schulen, die dafür eine ausdrückliche Genehmigung haben, nur die Schüler angenommen, die explizit eine Gymnasialempfehlung haben, und alle anderen werden abgewiesen? Das wäre fürchterlich. Und was passiert außerdem, wenn die Gymnasien generell zu viele Anmeldungen bekommen? Nach dem Volksentscheid muss dem Elternwillen Rechnung getragen werden. Wir hätten dann einerseits zu wenig Schüler an den Stadtteilschulen und wüssten andererseits nicht, wie wir mit den zu hohen Anmeldezahlen an den Gymnasien umgehen sollten. Da muss einiges passieren. Die Elternkammer fordert die Eltern folgerichtig auf, den Einschätzbogen nicht vorzulegen, wenn sie ihre Kinder an einer weiterführenden Schule anmelden.
Wir fordern den Senator auf, diesen Bogen zurückzuziehen. 2009 wurde den Eltern aufgrund der Lern- und Leistungsentwicklung ihrer Kinder beim Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule eine von zwei Varianten empfohlen. Variante eins war die Beobachtungsstufe einer Haupt-, Real- oder Gesamtschule und Variante zwei die Beobachtungsstufe einer Gesamtschule oder eines Gymnasiums, weil an beiden Schulformen das Abitur gemacht werden konnte. Es wäre logisch, nun beides anzukreuzen.
geht um in Deutschland. In Abwandlung dieses berühmten Spruchs haben wir in den letzten Tagen erfahren müssen, dass Mitglieder der Partei DIE LINKE den Kommunismus wieder salonfähig machen wollen.
er würde die Stadtteilschule vernachlässigen. Das ist pure Ideologie und ich möchte Ihnen auch sagen, warum das nicht stimmt.
Wir haben in einer Legislaturperiode, in der Sie der Bürgerschaft noch nicht angehörten, in vielen Sitzungen der Enquete-Kommission zwei Schulsysteme entwickelt, wovon eines ein neues ist, nämlich die Stadtteilschule, und wir haben das Gymnasium. Natürlich greifen Eltern, Lehrer und Schüler gern auf das zurück, was ihnen vertraut ist, und das ist das Gymnasium. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Empfehlung eindeutig zum Ausdruck bringt, dass die Hochschulreife auf beiden Schulformen erworben werden kann: auf dem Gymnasium, wie bisher bekannt, aber auch auf der Stadtteilschule. Das ist ganz wichtig. Dadurch erfahren die Eltern: Mein Kind kann in Klasse 5 der Stadtteilschule eingeschult werden und bis Klasse 13 dort bleiben; das ist die richtige Schulform für mein Kind. Es gibt überhaupt keinen Grund, hier irgendwelche Angstgespenster zu sehen.
Ich möchte noch einmal auf einen ganz wichtigen Unterschied hinweisen. Sie haben von Ihrer Angst gesprochen, dass zu viele Kinder auf den Gymnasien angemeldet werden könnten, und darum den Hinweis auf die mögliche Schullaufbahn infrage gestellt. Wir haben es mit einem Hinweis aufgrund moderner pädagogischer Erkenntnisse zu tun, und dabei geht es zunächst einmal um den Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule. Dafür ist diese Angabe da und nicht dafür, vorauszusagen, wie der Abschluss aussehen wird. Es ist wichtig, dass wir den Eltern mitteilen, dass sie keine Angst zu haben brauchen, dass ihr Kind irgendeinen Abschluss nicht erwerben kann, wenn es zur Stadtteilschule geht. Die Stadtteilschulen werden so ausgestattet, dass sie mit kleineren Klassen und engagierten, qualifizierten Lehrern die entsprechenden Möglichkeiten ihrer Schüler stärker berücksichtigt, um sie in einem neunjährigen Zweig zum Abitur zu führen. Das Gymnasium soll tatsächlich einen schnelleren Weg zum Abitur ermöglichen. Das ist uns als CDU auch wichtig, dass wir das deutlich mitteilen.
Ich bedauere es, wenn Sie in Ihrer Rede zum Ausdruck bringen, dass die Eltern vor diesem System Angst haben müssten.
Das ist nicht das, was wir brauchen. Wir als Politiker sollten den Glauben der Eltern an das Schulsystem stärken, anstatt sie zu verunsichern, und das haben Sie mit Ihrer Rede getan.
Die Stadtteilschule ist eine Schule, für die wir einstehen. Sie ist eine neue Schulform und es wird an ihr anfangs sicher mehr experimentiert werden als am Gymnasium. Wir wollen das Gymnasium leistungsfähiger machen, indem wir abiturorientierte Schüler in ein System führen, das ihren Begabungen gerecht wird und das an der Stadtteilschule in neun Jahren zum Abitur führt und am Gymnasium in acht Jahren. Das ist ein gutes System. Wir können stolz darauf sein, dass Hamburg diesen mutigen Weg beschreitet, der erfolgversprechend ist, und zwar nicht für die CDU, sondern für die Schülerinnen und Schüler in unserer Stadt. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angemeldet ist das Thema Stadtteilschule, aber diskutiert wird hier zugleich über die Frage, ob die Empfehlung von Lehrerinnen und Lehrern nach der vierten Klasse für eine bestimmte Schulform richtig oder falsch ist. Ich finde beide Themen richtig, wichtig und spannend, aber den Zusammenhang, der von allen Seiten konstruiert wird, verstehe ich nicht.
Es wird so getan, als ob die Empfehlungen nach der vierten Klasse dazu führen würden, dass mehr Schüler, als es sonst der Fall wäre, sich am Gymnasium anmelden würden. Warum glaubt man, dass das so ist? Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann sehen wir, dass zurzeit 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Gymnasialempfehlung bekommen und 55 Prozent nicht. 90 Prozent der Eltern halten sich an diese Empfehlung und diejenigen, die sich über sie hinwegsetzen, lassen ihre Kinder eher das Gymnasium besuchen. Warum glaubt man, dass diese Eltern, gäbe es keine Empfehlung, ihre Kinder alle auf die Stadtteilschule schicken würden? Genauso gut könnte man annehmen, sie ließen ihre Kinder alle das Gymnasium besuchen. Ihre Prognose ist eigentlich nicht schlüssig. Man könnte im Gegenteil den Eindruck gewinnen, dass die Empfehlungen durchaus stabilisierend auf die Anmeldezahlen der Stadtteilschulen – früher der Gesamtschulen – wirken könnten. Das mag sein, wir wissen es nicht. Aber
zu glauben, man helfe der Stadtteilschule, wenn man die Empfehlungen abschafft, ist, gelinde gesagt, Tetje mit de Utsichten.
Ich empfehle, dass wir uns auf das eigentliche Thema konzentrieren, nämlich die Stadtteilschule. Die wird nach meiner Auffassung durch ganz andere Probleme belastet. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind darüber besorgt, denn die Stadtteilschule ist nach unserer Meinung das wichtigste Reformvorhaben der Schulpolitik. Sie kann endlich allen Kindern – begabten und engagierten, schwächeren, langsamen und schnellen – die Chance bringen, zu besseren Abschlüssen bis hin zum Abitur zu kommen. Das kann und muss eine hervorragende Schule werden, die die Probleme Hamburgs in den Griff bekommt.
Diese Stadtteilschule, die es schon seit einem halben Jahr gibt, ohne dass es einer richtig gemerkt hätte, könnte heute schon viel weiter und viel besser sein und müsste sich nicht um Anmeldungen sorgen oder Gegenstand solcher Debatten wie der heutigen sein, wenn es Schwarz-Grün gelungen wäre, die vergangenen dreieinhalb Jahre zu nutzen, um sie wirklich gut zu machen. Das haben Sie versäumt. Da helfen auch Ihre großartigen Reden nichts, Herr Freistedt. Es ist Ihr Verschulden, dass die Stadtteilschule heute kämpfen muss, und das ist nicht in Ordnung.
Es gibt eine ganze Reihe von Hausaufgaben, die die Behörde hätte erledigen müssen und es nicht getan hat. Erst nach dem Start der Stadtteilschule wurden Kommissionen eingesetzt, die Konzepte erarbeiten sollten, wie die Stadtteilschule aussehen soll. Nach dem Start; das muss man sich einmal vorstellen. Und gestern erst ist eine Senatsdrucksache verabschiedet worden, die ein zentrales Anliegen der Stadtteilschule, nämlich die Berufsorientierung, regelt. Die Stadtteilschule gibt es aber schon seit einem halben Jahr. Gestern war es im Senat, verwirklicht wird es vermutlich erst im nächsten Schuljahr. Das ist viel zu spät.
Die zentralen Fragen der Stadtteilschule sind leider weiterhin ungeklärt. Ich nenne einige wenige. In welchem Zustand sind Gebäude und Räume? Hat die Stadtteilschule die richtigen Lehrer? Gib es eine klare Perspektive für ein Abitur an dieser Schule? Gibt es moderne Unterrichtskonzepte und bessere Lehrpläne? Wie kann eigentlich das Wort "Stadtteil" bei Stadtteilschule mit Leben gefüllt werden? Wie integriert man Kinder mit Lernbehinderungen, die jetzt, dank unseres Schulgesetzes, auch an der Stadtteilschule beschult werden? Wie verbessert man die Elternarbeit? Und vor allem: Wie schafft man eine vernünftige Berufsorientierung und eine Perspektive für die Ganztagsschule?
Ich erzähle Ihnen nichts Neues. Wir wissen seit dreieinhalb Jahren, dass diese Fragen auf dem Tisch liegen. Seit dreieinhalb Jahren ist die Stadtteilschule beschlossene Sache. Es war dreieinhalb Jahre Zeit, etwas umzusetzen,