Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

zent der Einrichtungsträger Interesse hätten, die Horte in den Schulen anzusiedeln, kam heraus, dass nur 21 Prozent der Träger sich angemeldet haben.

(Thomas Böwer SPD: So ist das mit Zahlen bei Senator Wersich!)

Ob das falsch kalkuliert wurde oder die Öffentlichkeit bewusst von Herrn Senator Wersich getäuscht wurde, ist fraglich. Für Kinder aus Hartz-IV-Familien und Geringverdienerfamilien sind die Belastungen kaum zu tragen, und das obwohl im Hartz-IV-Regelsatz kein Geld für Kita-Gebühren vorgesehen ist. Sogar das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelsätze kritisiert und gefordert, dass die Bundesregierung da eine Lösung findet.

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt die Möglichkeit, das alles auf den Kopf zu stellen, diese Kinder von der sozialen Selektion von Kindesbeinen an freizumachen und es ihnen zu ermöglichen, die Kita umsonst zu besuchen. Der Antrag liegt Ihnen vor und ich bitte Sie, zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Müller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich wäre fast geneigt zu sagen, sehr geehrte Presse, aber die ist versammelt nicht da.

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

Klogschieter früh fördern, auf Hochdeutsch würde das hier unparlamentarisch dargestellt. Ich wusste gar nicht, dass Sie Plattdüütsch sprechen, Herr Yildiz.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Man lernt nie aus! Auch Erwachsene können lernen!)

Das ist schön, ich freue mich auch. Es ist eine eigene Sprache, die auch schützenswert ist.

Es ist schon interessant, was die Linksfraktion per Antrag denn noch so alles in dieser Legislaturperiode beschließen möchte, und sie versucht uns natürlich glaubhaft zu versichern, dass dies alles eben nicht dem Wahlkampf der Linkspartei dienlich wäre. Unabhängig hiervon würden derartige Beschlüsse aber der Diskontinuität anheimfallen und einen kommenden Senat auch gar nicht binden.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Wer hat Ih- nen das denn beigebracht?)

Ich werde mich trotzdem einmal inhaltlich auf Ihren Antrag einlassen, aber mit dem Blick auf die Uhr …

(Thomas Böwer SPD: Wir haben noch Zeit genug! Es ist erst halb sieben!)

Ich höre Ihnen gerne zu, aber machen Sie das hier vorne, dann verstehe ich Sie auch besser.

Ich werde mich also einmal auf Ihren Antrag einlassen und dieser hat neun Punkte.

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Acht Punkte!)

Interessanterweise, das ist mir als Erstes aufgefallen, gibt es nicht einen Punkt, der eine qualitative Verbesserung von Kitas darstellen würde, sondern es geht hier schlicht nur um die Quantität und die Einnahmesituation. Insofern handelt es sich auch hier um einen Haushaltsantrag und da habe ich einmal kurz mitgerechnet, was Ihr Petitum eigentlich unter dem Strich so ausmachen würde. Sie hatten die einzelnen Punkte schon vorgelesen, ich mache es kurz: Gebührenerhöhung zurücknehmen wären 10,5 Millionen Euro, Einnahmen aus der Gebührenerhöhung zurückzahlen wären 9,3 Millionen Euro, Gebührenerhöhungen für das Mittagessen zurücknehmen 10,6 Millionen Euro, das Mittagessen künftig kostenfrei ausgeben 2,2 Millionen Euro, Rechtsansprüche Hort wiederherstellen 15 Millionen Euro, von Beziehern des ALG II keine Beiträge nehmen 31 Millionen Euro und Sprachförderung als Kriterium für einen Gutschein 4,5 Millionen Euro,

(Thomas Böwer SPD: Herr Müller, Sie ge- hen von völlig veralteten Zahlen aus! Sie müssen die Zahlen aus der Pressemitteilung nehmen!)

das macht unter dem Strich 83 Millionen Euro und das ohne jeden Deckungsvorschlag. Insofern gehört dieser Antrag in der Tat in die Haushaltsberatungen.

(Harald Krüger CDU: In den Mülleimer!)

Andererseits bin ich mir ziemlich sicher, wenn Sie diesen Antrag jetzt Olaf Scholz vorlegen würden, würde er mit Sicherheit versprechen, dieses alles zu tun. Dann kommen allerdings noch einmal 42 Millionen Euro dazu, die Herr Scholz braucht, um bei den Drei- bis Sechsjährigen die fünfstündige Betreuung kostenlos zu machen. Dann wären wir schon bei 125 Millionen Euro, und wenn man die aufkommensneutral aus dem System bezahlen müsste, würde das wiederum erhebliche Erhöhungen der Elterngebühren bedeuten. Insofern ist dieses alles hier nur eine Scheindebatte.

Ich möchte trotzdem noch etwas zu den Gebühren sagen, weil Sie es selbst auch angesprochen haben. Erst einmal geht es um die Einschätzung, wer den Höchstbeitrag zahlt und wer nicht. In der Tat ist es so, dass es jetzt mehr sind als ursprünglich gedacht. Das ist erst einmal nichts Schlimmes, dass es Eltern gibt, die erheblich mehr Einkommen haben, als wir angenommen haben. Sie haben uns in diesen ganzen Konsolidierungs- und Haushaltsberatungen immer wieder vorgehalten, wir würden hier Sparbeschlüsse oder Konsolidierungsbeiträge

(Mehmet Yildiz)

vorstellen, die reine Luftbuchungen wären. Insofern haben wir in diesem Teil wirklich ganz vorsichtig und konservativ geschätzt, wie viel Prozent es wären, die diesen Höchstbeitrag zu leisten haben. In der Tat sind wir von 3 bis 5 Prozent ausgegangen

(Zuruf von Thomas Böwer SPD)

und es sind jetzt mehr geworden, Herr Böwer, es sind jetzt etwa 18 Prozent. Wir haben uns auch ganz klar dazu geäußert und dann wäre nämlich obsolet, was ich gleich als Zweites sagen werde, dass wir selbstverständlich, wenn die Mai-Steuerschätzung es zulässt, die Gebührenerhöhung wieder zurücknehmen. Sollte dieses nicht passieren, ist es auch ganz selbstverständlich, dass diese Mehreinnahmen von 5 Millionen Euro, die dadurch generiert worden sind, dass eben mehr Eltern Beitrag zahlen, wieder zurückfließen an die Eltern, die dieses bezahlen müssen. Das ist selbstverständlich und völlig unstreitig.

Wir werden Ihren Antrag natürlich ablehnen, weil er keinerlei Deckung hat und rein für die Tribüne gedacht ist, die allerdings nicht mehr da ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Veit, Sie haben das Wort.

(Jörn Frommann CDU: Die hat den Blanko- scheck von Scholz!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Tat bietet diese Debatte eine gute Gelegenheit zu einem Rückblick, was Hamburg mit Senator Wersich und der schwarz-grünen Koalition in Sachen Kinderbetreuung erleben musste.

(Olaf Ohlsen CDU: Das war super!)

Im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung in der Bürgerschaft wurde die Einführung eines allgemeinen Rechtsanspruchs für Zweijährige vollmundig versprochen und dann wieder kalt einkassiert. Das beitragsfreie letzte Jahr kam, aber nicht für die Eltern der sogenannten Kann-Kinder mit einer bundesweit einmalig weltfremden und ungerechten Regelung. Mit einer, das war der O-Ton im Koalitionsvertrag, Anpassung der Gebührenstruktur wollte man zusätzliche Eltern für die Kitas begeistern. Aus dieser Anpassung wurde dann eine Erhöhung, die die schlimmsten Erwartungen noch übertroffen hat. Das Essensgeld haben Sie für alle 70 000 Kita-Kinder erhöht, Sie haben die Elternbeiträge darüber hinaus um bis zu 100 Euro pro Monat und Kind erhöht, Sie haben die Gebühren für behinderte Kinder um bis zu 750 Prozent erhöht und Sie haben die Rechtsansprüche auf Hortbetreuung vom 14. auf das 12. Lebensjahr ge

kürzt. Das alles wurde insbesondere von der GAL schöngeredet und verharmlost bis hin zu Vorwürfen an die Eltern, die sich beschwerten, dass sie doch erst einmal nachdenken und etwas solidarischer sein sollten. Und es geschah, wie wir jetzt wissen, unter Vorspiegelung völlig falscher Zahlen. Nach einem Dreivierteljahr musste Senator Wersich nun endlich eingestehen – übrigens nicht freiwillig, sondern weil wir eine Große Anfrage gestellt haben und ihn das dazu zwang –, dass viel mehr Eltern als behauptet erstens von der Gebührenerhöhung betroffen sind und zweitens auch viel mehr, nämlich den Höchstbeitrag, zahlen. Statt 19 000 Kinder sind 26 000 Kinder von der Gebührenerhöhung betroffen und statt der 3 bis 5 Prozent der Kinder, die den Höchstbeitrag zu zahlen haben, so hieß es sogar von der GAL, sind es 18 Prozent der Familien, die von Ihnen als Höchstbeitragszahler eingestuft werden. Sie haben sich komplett verrechnet, Herr Senator Wersich, und Sie haben keine Ahnung von der Situation von Familien in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Senat und dieser CDU-Senator sind in Sachen Kita und Familienpolitik komplett gescheitert.

(Thomas Böwer SPD: Überfordert!)

Deswegen werden wir Bürgermeister Ahlhaus und seine Senatsresterampe in diesem Hause zu gar nichts mehr auffordern und deshalb dem Antrag der LINKEN auch nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD – Karen Koop CDU und Harald Krüger CDU: Na, das ist eine Be- gründung! – Lachen bei der CDU)

Interessanterweise hat DIE LINKE nicht nur in ihrer Pressemitteilung schon verkündet, sondern auch Herr Yildiz hat es eben noch einmal hier wiederholt, mit unserer Zustimmung sowieso nicht ernsthaft zu rechnen. Wenn Sie sich die Neufassung des Antrags anschauen, ist das in der Tat komplett als Vorführung enttarnt. Das ist nicht das, was wir uns unter verantwortungsvoller Kita-Politik vorstellen.

(Harald Krüger CDU: Das ist Muppet Show!)

Wir Hamburger Sozialdemokraten haben mit unserem Regierungsprogramm am 15. Januar auch für das Feld der frühen Bildung und Kinderbetreuung nicht weniger als einen echten Politikwechsel beschlossen. Wir wollen die Rücknahme der allgemeinen Gebührenerhöhung und der Elternbeiträge um bis zu 100 Euro pro Monat und Kind. Wir wollen die Abschaffung des Essensgeldes.

(Zurufe von der CDU: Wann?)

Wir werden die Gebührenerhöhung für die behinderten Kinder zurücknehmen, wir werden die Kann-Kinder endlich auch beitragsfrei stellen, wir werden die Rechtsansprüche aus dem Kinderbe

(Stephan Müller)

treuungsgesetz wiederherstellen und wir nehmen uns vor, die Halbtagsbetreuung für die Drei- bis Sechsjährigen Schritt für Schritt kostenfrei zu stellen.

(Beifall bei Thomas Böwer SPD – Glocke)

(unterbre- chend) : Frau Veit, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Harlinghausen?

Aber gerne.