Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

(Beifall bei der SPD)

Ein Aspekt, der das Desinteresse des Senats schlaglichtartig beleuchtet, ist die ebenfalls dargelegte Ressourcenausstattung. Der Bedarf, der mit der Drucksache geltend gemacht wird, ist nämlich schlicht gleich null. Die eine Stelle, die das Ersuchen beinhaltet hat, nämlich die Vernetzung in freier Trägerschaft, die auch wichtig gewesen wäre und die im Übrigen auf freiwilliger Basis geleistet wird, hätte ruhig finanziert werden können. Das wäre einmal etwas gewesen, eine einzelne Stelle dafür, dass man auf ein Problem zugeht, was uns an anderer Stelle sehr viel mehr kostet, denn die Kosten von Bildungsversagen, die Kosten von Gewalttaten in dieser Stadt sind sehr viel höher, als der Senat das eingestehen oder einräumen mag. Das Handeln jedenfalls bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GAL)

Frau Artus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Von Beginn an hat sich die LINKE dafür eingesetzt, dass mittels Gender Budgeting eine geschlechtergerechte Haushaltspolitik durchgeführt wird. Diesen Vorschlag hat der Senat trotz seiner grünen Einfärbung zweieinhalb Jahre weitgehend ignoriert. Stattdessen kam im Frühjahr 2009 ein wortschwerer Antrag zur Stärkung der geschlechtsspezifischen Arbeit mit Jungen auf die Tagesordnung, SPDund Links-Fraktion zogen mit eigenen Anträgen nach. Wir LINKE wollten Schlimmstes verhindern, denn der Antrag von CDU und GAL klang doch sehr danach: Wir haben lange genug etwas für die Mädchen getan, jetzt sind endlich einmal die Jungen dran.

Es wurden nun Leitlinien ausgearbeitet, die seit November letzten Jahres vorliegen. Geschlechterbewusste Jungenarbeit und Jungenpädagogik findet auf dieser Grundlage ein – muss ich zugeben und auch loben – gutes, wenn auch noch nicht ausreichendes Fundament. Doch geht es nun darum, dass diese formulierten Voraussetzungen

auch umgesetzt werden und das wird nur gelingen, wenn in der frühkindlichen Bildung und in der Schule auch investiert wird,

(Beifall bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

und zwar geschlechterdifferenziert. Würde es bereits Gender Budgeting für die Freie und Hansestadt Hamburg geben, wäre dies kein Problem. Leider gilt es aber noch weiter, dicke Bretter zu bohren, Klischees und Vorurteile bei dem Thema aufzulösen. So gelten Jungen immer noch als Bildungsverlierer – das ist mir viel zu pauschal – und Lehrerinnen an Grundschulen sowie Erzieherinnen an Kitas sollen angeblich nicht als Vorbild taugen. Dass Letzteres nicht stimmt, beweisen neueste Studien und ich bitte Sie, dies auch endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen.

Ebenso wird das Thema Homosexualität im Fußball immer noch nicht so offensiv angerührt, wie es wirklich nötig wäre. Es ist eines der stärksten Tabus unter Männern. Das wirksam und gezielt anzugehen, hätte vermutlich mehr gebracht als alle Drucksachen und Leitlinien zu diesem Thema zusammengenommen. Wenig bis gar nicht geredet wird auch darüber, warum es immer noch eine starke geschlechtsspezifische Ausprägung bei der Berufswahl gibt. Wer Berufe für beide Geschlechter attraktiv machen will, muss sich dafür einsetzen, dass sich die schlechte Bezahlung in typischen Frauenberufen verändert. Und wer an die Bezahlung herangehen will, der hätte sich dringend einmal mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden zusammensetzen sollen, damit vielleicht die Tarifpolitik neue Impulse erhält. Aber zumindest die Gesprächsbeziehung zwischen den Gewerkschaften und dem Senat liegen seit Jahren auf Eis.

Wichtig finden wir auch die Rolle der Väter. Und was ist hier passiert? Fakt ist, dass viele Frauen ihre Kinder immer noch allein erziehen und selbst wenn sie in einer Partnerschaft leben, dann ist der Vater oft nicht präsent, weil er entweder Überstunden schiebt oder sich vor der Erziehungsverantwortung drückt.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Meine Damen und Herren! Frau Artus hat das Wort. Bitte seien Sie ein bisschen leise.

– Danke schön, Frau Präsidentin.

Männliche Vorbilder suchen sich Jungen dann woanders oder sie fantasieren sich ihren ständig abwesenden Vater zum Superhelden zurecht mit der Folge, dass sie größte Identitätsprobleme bekommen. Welche starke Prägung Eltern als Vorbilder haben, ist aber wohl unter uns unumstritten. Pädagogen in Kita und Schule können dies nur be

grenzt kompensieren. Daher ist es ein richtiger Schritt, Väter mehr in die Elternarbeit in Kita und Schule einzubeziehen; aber dabei darf nicht vergessen werden, dass Elternarbeit zeitaufwendig ist. Dies muss also auch berücksichtigt und eingeplant werden, sonst nutzen der gute Wille und die schönen Worte wenig.

Aufmerksam machen möchte ich noch auf Folgendes: Es gibt eine sehr dominante Strömung von Männerrechtlern und Familienfundamentalisten, die allem Feminismus den Garaus machen will und die in Teilen sogar die Abschaffung – kleine Seitenbemerkung – der Frauenhäuser fordert. Sie werden auch von rechtsradikalen Kreisen gestützt und gefördert. Oder anders herum: Rechtsradikale versuchen huckepack, mit dem Thema Jungenbenachteiligung in den öffentlichen Raum zu gelangen. Sie finden dort einen Nährboden und hier gilt es, sehr aufmerksam zu sein.

Unser Fazit: Es gibt Engagierte mit sehr viel Fachkompetenz für die Jungenarbeit in der Stadt, denen es für die geleistete Arbeit sehr zu danken gilt. Das Thema gehört auch weiterhin auf die aktuelle Tagesordnung. Es muss nachhaltig mit Klischees und Vorurteilen in diesem Thema aufgeräumt werden. Mädchenarbeit darf nicht gekürzt werden, nur weil die Jungenarbeit aufgewertet und gestärkt wird. Hamburg benötigt ein Gender Budgeting, damit die Gelder geschlechtergerecht verteilt werden und die Gewerkschaften müssen endlich ständige Gesprächspartnerinnen des Senats werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 19/8314 Kenntnis genommen hat.

Ich rufe dann den Punkt 64 auf, Drucksache 19/ 8347 (Neufassung), Antrag der LINKEN: Klogschieter früh fördern! Gebührenerhöhungen zurücknehmen – erster Schritt zu gebührenfreier Bildung für alle – jetzt!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Klogschieter früh fördern! Gebührenerhöhungen zurücknehmen – erster Schritt zu gebührenfreier Bildung für alle – jetzt! – Drs 19/8347 (Neufassung) –]

Herr Yildiz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute sagte Frau Koeppen in der Aktuellen Stunde zur Schlaglochdebatte, dass das zu unseren Basisaufgaben gehöre und dafür auch Geld bereitgestellt werden solle; sie hat vollkommen recht.

(Kersten Artus)

Die Bildung, auch die frühkindliche Bildung, gehört zu unseren Basisaufgaben und diese Basisaufgaben haben eine hohe Priorität für uns. Aber was macht der Senat seit zwei Jahren? Der Senat hat beschlossen, im Bereich der frühkindlichen Bildung Kürzungen vorzunehmen, den Rechtsanspruch zu verschieben, weil die Gelder fehlen, die Gebühren für die Eltern zu erhöhen und dies sogar bis zu 100 Euro. Das Recht der Eltern eines behinderten Kindes auf Zahlung des Minimalbetrags in Höhe von 31 Euro wurde abgeschafft; sie müssen bis zu 750 Prozent mehr zahlen. Essensgeldpauschalen wurden aufgehoben und so weiter. Zum Glück gibt es auch in dieser Stadt Menschen und Initiativen, die das nicht hinnehmen, und es gibt uns, die LINKE.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Landeselternausschuss hat dagegen eine Volkspetition gestartet und gleichzeitig mit einer Demonstration auf der Straße dafür mobilisiert, dass dies nicht hingenommen wird. Das Ergebnis ist Folgendes: Die SPD und wir haben immer gefordert, die Kita-Gebührenerhöhung aufzuheben. Jetzt haben wir Wahlkampf und jetzt fordern es alle Parteien. Daher noch einmal unser Antrag: Sie sind herzlich willkommen und wir haben jetzt die Wahl.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie Sie wissen, fordern wir LINKE Gebührenbefreiung oder Kita umsonst für alle ab dem ersten Lebensjahr. Der Antrag ist ein Minimalschritt, um langfristig eine Gebührenfreiheit auch im Bereich der Bildung zu schaffen. Deswegen haben Sie alle jetzt die Möglichkeit, im Bereich der frühkindlichen Bildung von Kindesbeinen an Gebührenfreiheit zu gestalten. PISA und IGLU haben gezeigt, dass Bildung mit der frühkindlichen Bildung als Fundament beginnt. Daher bitten wir darum, heute gemeinsam darüber zu sprechen und auch zu beschließen, wie wir das abschaffen. Ich möchte nun auf die Forderungen eingehen, die wir Ihnen im Antrag vorschlagen.

Erstens: Ein Rechtsanspruch für fünf Stunden für zweijährige Kinder…

(Glocke)

(unterbre- chend) : Entschuldigung, Herr Yildiz.

Bitte seien Sie doch etwas leiser, sonst kann man den Ausführungen des Abgeordneten Yildiz ganz schlecht folgen.

(Zurufe von der SPD und der CDU – Glocke)

Natürlich gilt das für alle Abgeordneten und selbstverständlich auch für die Damen und Herren dort hinten.

Herr Yildiz, Sie haben das Wort.

– Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

Ich wiederhole noch einmal die Forderungen: Ein Rechtsanspruch von fünf Stunden für zweijährige Kinder und Sprachförderung mit sozial bedingtem Bedarf als zusätzliches Kriterium für ein Kita-Gutschein-System.

(Viviane Spethmann CDU: Wer soll das be- zahlen?)

Das ist die Forderung in dem vereinbarten Koalitionsvertrag gewesen.

Zweitens: Die Rücknahme der Gebührenerhöhung und die Rücknahme der Essensgelderhöhung sowie die Wiederherstellung der bis 2010 gültigen Rechtsansprüche in den Horten ist die gemeinsame Forderung der Fraktion DIE LINKE und der SPD gewesen.

Nun noch einmal zu dem, was nur wir fordern: Die komplette Abschaffung der Essensgeldpauschalen, die Befreiung von den Kita-Gebühren für Hartz-IV-Empfänger und Geringverdiener und die Rückzahlung der Gebühren an die Eltern. Zum Glück haben wir für den letzten Punkt einen Unterstützer, die GAL.

Ich möchte an dieser Stelle Herrn Kerstan zitieren, er ist, glaube ich, nicht hier – ich zitiere –:

"Diese Mehreinnahmen müssen den Hamburger Eltern so schnell wie möglich zurückgegeben werden. Wir haben verstanden, dass die Kita-Gebührenerhöhung für viele Familien eine zu große Belastung darstellt. Im Wahlprogramm hat die GAL beschlossen …"

Zitatende.

Das heißt, dass wir auch hier, wenn wir es wollen, eine Mehrheit haben, das, was mehr eingenommen worden ist, zurückzuzahlen. Sie sind herzlich willkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die einzige Schlussfolgerung wäre, wenn wir die CDU-Fraktion einmal außen vorlassen, dass die Forderungen von uns LINKEN, den Grünen und der SPD eine Mehrheit haben. Das wird aber wie zu erwarten nicht der Fall sein, weil insbesondere die SPD und die GAL sich schwertun, den Versprechen auch Taten folgen zu lassen, nach dem Motto "Wenn wir alles vor der Wahl beschließen und umsetzen wollen, wer soll uns dann wählen?".

Der Senat hatte uns mitgeteilt, dass eine Gebührenerhöhung bis 100 Euro nur 3 bis 5 Prozent der Eltern beträfe. In der Antwort des Senats auf die Anfrage der SPD kam nun heraus, was auch durch die Presse ging, dass fast 18 Prozent der Familien betroffen sind. Auch beim Thema Hortbetreuung, bei dem der Senat uns immer vorhält, dass 80 Pro

zent der Einrichtungsträger Interesse hätten, die Horte in den Schulen anzusiedeln, kam heraus, dass nur 21 Prozent der Träger sich angemeldet haben.