Protocol of the Session on November 26, 2014

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Sie gehen ein bisschen nach dem Motto "Billig ist gut" vor. Die Frage ist aber, für wen billig gut ist. Für die Fahrgäste wirkt es im ersten Moment sehr praktisch, wenn sie wenig zu bezahlen haben,

aber – das hat Herr Fock auch schon gesagt – zahlen müssen das die Fahrer und Fahrerinnen. Die haben Arbeitsbedingungen, wie sie nicht nur bei "Frontal21" dargestellt worden sind, die einfach schlecht sind. Sie können einmal bei der Gewerkschaft, der Herr Schinnenburg nun nicht sehr nahe steht, nachfragen; ver.di wird Ihnen beschreiben, wie die Arbeitsbedingungen sind. Wenn Sie, Herr Schinnenburg, sagen, Fernbusse seien klasse, da gebe es keine Streiks, dann ist das sehr gewerkschaftsfeindlich. Das ist kein Argument, das wir auch nur ansatzweise akzeptieren können.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Sie haben nichts dazu gesagt, worauf Herr Fock oder auch Herr Steffen hingewiesen haben. Fernbusse können eine Alternative zum Individualverkehr darstellen. Sie schreiben in Ihrem Antrag, sie seien eine Ergänzung zum Auto. Das ist ein völlig anderer Ansatz. Wenn überhaupt, dann ist es gut, mehr Verkehr vom Auto auf die Bahn oder in diesem Fall auf den Bus zu lenken. Ich glaube, dass man doch noch einmal sehr genau überlegen muss, was passiert, wenn die Fernbusse Bedingungen haben, mit denen die Bahn nicht konkurrieren kann. Die Fernbusbetreiber und -betreiberinnen suchen sich nur die besten Linien heraus, solche, bei denen ein hoher Umsatz sicher ist. Blicken Sie einmal auf die Entwicklung in Amerika in den vergangenen hundert Jahren zurück. Amerika hatte ein gutes Eisenbahnwesen, dann hat die Automobilindustrie verstärkt dafür gesorgt, dass die Greyhound Überlandbuslinien eingeführt wurden, und die Eisenbahnnetze sind sehr den Bach runtergegangen. Das wollen wir in Hamburg nicht, deswegen lehnen wir den Antrag der FDP ab und schließen uns ausnahmsweise einmal der SPD an. Ich stimme mit Herrn Fock in fast allen Punkten überein, das passiert auch nicht oft.

(Beifall bei der LINKEN und bei Ole Thorben Buschhüter SPD)

Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion hat nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte noch zu zwei Punkten etwas sagen. Zunächst einmal, das habe ich vorhin nicht erwähnt, gibt es im SPD-Antrag schon einige Punkte, denen wir zustimmen werden, nämlich die Punkte 1, 2 und 5, nur die Punkte 3 und 4 werden wir ablehnen. Das nur, damit kein falscher Eindruck entsteht.

Aber ich möchte auch noch etwas zu der fairen oder unfairen Wettbewerbssituation, auf die Frau Sudmann und der eine oder andere eingingen, sagen. Hier kann man fast beliebig vor sich hin argumentieren. Ich bringe immer die Gegenbetrach

(Dr. Till Steffen)

tung. Die Bahn wird seit Jahrzehnten mit Milliarden und Abermilliarden aus dem Steuersäckel finanziert, und zweitens gibt es eine Gewährträgerhaftung, während alle privaten Betreiber von Fernbussen mit eigenem Risikokapital voll für ihr Unternehmen einstehen. Bei diesen Vergleichen kann man also so herum oder anders herum immer etwas finden. Sie sollten aber nicht nur die Argumente herauspicken, die Ihnen gefallen. Die entscheidende Erkenntnis ist: Private Fernbusbetreiber gehen ein Risiko ein, sind in erheblichem Maße benachteiligt gegenüber dem Staat, haben auch den einen oder anderen Vorteil, das gebe ich zu, doch hat es keinen Sinn, die Vorteile des einen Betreibers wegzunehmen, die des anderen aber zu belassen. Das ist auf jeden Fall ein unfairer Wettbewerb.

Im Ergebnis wäre es sinnvoll, all diese Punkte im Verkehrsausschuss zu besprechen, deshalb unser Antrag auf Überweisung beider Anträge. Dann kann man das ein bisschen fundierter diskutieren als in einer kurzen Bürgerschaftsdebatte. Wenn Sie das nicht wollen, dann bleibt es dabei. Wir werden unserem Antrag und den sinnvollen Punkten der SPD, wie zum Beispiel zur Kontrolle der Lenkzeiten oder zur Zuverlässigkeitsprüfung – das ist natürlich alles richtig – zustimmen. Aber falschen Eingriffen in einen Wettbewerb und der Verhinderung von zusätzlichem Wettbewerb können wir natürlich nicht zustimmen. Daher lehnen wir die Punkte 3 und 4 ab, den Punkten 1, 2 und 5 stimmen wir zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Abgeordnete Dr. Kluth hat mir mitgeteilt, dass er an diesen Abstimmungen nicht teilnehmen werde.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 20/13624 und 20/13749 an den Verkehrsausschuss zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt.

Dann lasse ich über die Anträge in der Sache abstimmen. Wir beginnen mit dem SPD-Antrag aus Drucksache 20/13749. Die Fraktionen der CDU, GRÜNEN und FDP haben hierzu eine ziffernweise Abstimmung beantragt

Wer möchte sich den Ziffern 1 und 2 des SPD-Antrags anschließen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dies angenommen.

Wer stimmt nun den Ziffern 3 und 4 zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist auch dies mehrheitlich angenommen worden.

Wer möchte dann noch die Ziffer 5 annehmen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist auch die Ziffer 5 angenommen.

Wir kommen nun zum FDP-Antrag aus Drucksache 20/13624.

Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der FDP-Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf, Drucksache 20/13235, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Soziale Infrastruktur und Beratungsangebote im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sichern und ausbauen.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Soziale Infrastruktur und Beratungsangebote im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sichern und ausbauen – Drs 20/13235 –]

Die Fraktionen der CDU und LINKEN möchten diese Drucksache an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Yildiz, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wundere mich, dass Senator Scheele heute nicht anwesend ist. Ich glaube, er hatte gestern eine anstrengende Familienausschusssitzung.

(Dirk Kienscherf SPD: Der ist bei der Minis- terkonferenz! Das wissen Sie auch!)

Okay, das wurde uns nicht gesagt.

(Dirk Kienscherf SPD: Doch, das wussten Sie auch!)

Wenn er dort ist, dann ist es okay.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir von der LINKEN haben mehrfach deutlich gemacht, dass es in dieser Stadt eine Unterversorgung der sozialen Infrastruktur gibt. Deshalb legen wir nun noch einmal ein Sofortprogramm vor, das die schlimmsten Auswüchse der gescheiterten SPD-Politik beseitigen soll. DIE LINKE möchte eine gute Ausstattung der Stadtteile, um den Menschen unabhängig vom Geldbeutel eine ordentliche Lebensumgebung bieten zu können. In den vergangenen Jahren wurden die Stadtteile kaputtgespart, sodass viele Einrichtungen entweder ganz geschlossen werden müssen oder am Rande der Existenz stehen, und das auf Kosten der Kinder, Jugendlichen und Familien. Ich möchte nur einige Beispiele aus den Bezirken nennen, um die Kürzungspolitik des Senats allein in diesem Jahr deutlich zu machen.

Im Bezirk Eimsbüttel sind mindestens fünf Einrichtungen betroffen, die mit weniger Geld auskommen

(Dr. Wieland Schinnenburg)

müssen. Im Bezirk Hamburg-Nord sind es neun Anlaufstellen, die Sie an den Rand der Existenz bringen. In Wandsbek stehen sieben Einrichtungen vor dem Aus, die meisten davon sind Anlaufpunkte für Kinder- und Jugendliche. In Harburg sind mindestens fünf Einrichtungen betroffen, und das Kinderspielhaus musste sogar schließen. Dabei kürzen Sie nicht nur unmittelbar, zum Beispiel 3,5 Millionen Euro bei der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienförderung, sondern lassen die Einrichtungen auch substanziell ausbluten. Tarifsteigerungen oder die normalen Inflationsraten wurden erst gar nicht übernommen. Das bedeutet, bei mehr Arbeit gibt es immer weniger Geld.

Ich will in aller Deutlichkeit klar machen, was Ihre Politik für die Menschen bedeutet. Bei der Straßensozialarbeit – ich möchte einen Kollegen von der Straßensozialarbeit, der heute unter uns ist, begrüßen – haben Sie in den vergangenen Jahren acht Stellen gekürzt und das, obwohl Sie wissen, dass Probleme wie etwa die Jugendobdachlosigkeit zugenommen haben. Es kann nicht sein, dass Sie Lippenbekenntnisse von sich geben, wenn es um Salafisten oder IS-Anhänger in meinem Wahlkreis oder woanders geht, die Jugendliche werben. Dort sagen die Initiativen – ich habe mich vor etwa anderthalb Monaten mit Initiativen getroffen –, dass dringend Straßensozialarbeiter und –arbeiterinnen benötigt werden, die sich um die Jugendlichen kümmern. Die Realität sieht so aus: Es gibt keine Straßensozialarbeiter und –arbeiterinnen in Mümmelmannsberg, kein ausreichendes Personal im Haus der Jugend oder im Mädchentreff, und selbst der ASD wurde dort dichtgemacht und nach Billstedt verlegt.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Pfui!)

Es gibt nicht einmal ein Stadtteilzentrum, wo sich Anwohnerinnen und Anwohner treffen können. Statt hier in die Infrastruktur zu investieren, war dieser Senat damit beschäftigt, unter dem Deckmantel der Konsolidierung die soziale Infrastruktur abzubauen. Was Ihre verfehlte Politik erreicht hat – die Kosten sind im Vergleich zu Ihren Prestigeprojekten wie Elbphilharmonie und Co. eigentlich Peanuts –, spüren die Menschen vor Ort. Dabei haben die meisten dieser Einrichtungen nicht einmal zwei Vollzeitstellen. Ist die Mitarbeiterin des Mädchentreffs in Mümmelmannsberg für mehrere Wochen krank, stehen die Mädels vor der Tür, weil dort nur eine Kollegin beschäftigt ist. Ist das Ihr Verständnis von sozialer Infrastruktur?

Gleiches gilt auch für die Beratungseinrichtungen. Bundesweit hat sich die Nachfrage nach Erziehungsberatungsstellen vervierfacht. Auch hier soll die erhöhte Nachfrage mit gleichen Geldern bewältigt werden. Wie stellen Sie sich das vor? Sollen die Einrichtungen junge Mütter rausschmeißen, die Beratung brauchen? Oder sollen betroffene Eltern Wochen und Monate vertröstet werden, bis die

Probleme zugenommen haben? Sie haben bei den Erziehungsberatungsstellen Kürzungen vorgenommen, die sich später bemerkbar machen werden. Diese Stellen machen präventive Arbeit, die unmittelbar bei den Menschen ankommt. Dazu haben wir auch eine sehr gute Anhörung im Familienausschuss gehabt.

Der Umstand von Yagmurs Tod hat uns allen gezeigt, unter welchen Bedingungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste arbeiten müssen. 70 bis 80 Fälle pro Mitarbeiter, hohe Fluktuation und ein hoher Krankenstand sind nur einige Eindrücke. Mit unseren Forderungen wollen wir unter anderem den ASD so ausstatten, dass er seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen kann, unseren Kindern und Jugendlichen wirksam zu helfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ihre Politik im Bereich Kinder/Jugend/Familie ist gescheitert. DIE LINKE macht einen Vorschlag, der die schlimmsten Fehler der letzten Jahre etwas abmildern soll. Denken Sie darüber nach und zögern Sie nicht wieder so lange,

(Beifall bei der LINKEN)

bis Ihnen die betroffenen Eltern, Jugendlichen und Mitarbeiter die Tür einrennen. Und wenn Ihnen die soziale Infrastruktur der Stadt nichts bedeutet, dann sehen Sie unsere bezahlbaren Vorschläge als eine gute Investition in die Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir, DIE LINKE, sagen: Lieber in Menschen investieren als in Prestigeprojekte wie die Elbphilharmonie oder Olympia. Das sind echte Investitionen in die Zukunft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dr. Leonhard von der SPD-Fraktion hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielen von Ihnen wird aufgefallen sein, dass zahlreiche Punkte dieses Antrags der Fraktion DIE LINKE bereits Gegenstand von anderen Anträgen in dieser Legislaturperiode waren, Gegenstand von ausführlichen Ausschussberatungen. Zum Teil sind hierzu von diesem Hause schon Beschlüsse gefasst worden. Das ist der Grund, warum wir der Auffassung sind, dass wir den Antrag nicht an den zuständigen Ausschuss überweisen müssen. Intensive Beratungen zum Thema Stärkung ASD, zum Thema Erziehungsberatungsstellen und zur Stärkung der Infrastruktur in den Stadtteilen, zum Beispiel durch SHA-Mittel, finden dort statt, haben dort stattgefunden oder es sind Schlüsse daraus gezogen worden.

(Mehmet Yildiz)

(Christiane Schneider DIE LINKE: Aber die sollen nicht nur beraten, sondern handeln!)