Es scheint mir fast, als wolle insbesondere DIE LINKE mit ihren Anträgen zum Haushalt der BASFI noch einmal deutlich machen, dass sie auch nach der Bürgerschaftswahl keine Verantwortung übernehmen will. Wir schon. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg schmückt sich gern mit Superlativen, und ich glaube, die letzten zwei Tage haben gezeigt, dass der Senat das auch sehr gern tut. Bei allen Einzelplänen, die wir bisher beraten haben, stand der Begriff des Erfolgs, des "Weiter so", dass Hamburg weiter vorn im Mittelpunkt sein solle. Es gibt aber auch einen negativen Superlativ, und der ist es wert, in dieser Debatte über das Thema soziale Gerechtigkeit ein Stück weit in den Mittelpunkt gerückt zu werden, und das ist die Armutsgefährdungsquote in dieser Stadt, die bei 18,7 Prozent liegt. Ich finde, in einer reichen Stadt ist das zu viel Armut, und darüber müssen wir reden, denn das geht so die nächsten Jahre nicht weiter.
Ich habe mir das Regierungsprogramm angeschaut, das letztes Wochenende von der SPD verabschiedet wurde.
Herr Scheele hat es eben auch gesagt, es gibt einen zentralen Satz, viel mehr findet man nämlich gar nicht,
(Dr. Andreas Dressel SPD: Da steht mehr drin! – Ksenija Bekeris SPD: Da haben Sie aber nicht viel gelesen, Frau Fegebank!)
zum Bereich Soziales, und das ist der Satz, niemand gehe verloren. Ich frage mich, wie dieser Satz, niemand gehe verloren, denn bei einer Armutsgefährdungsquote von 18,7 Prozent, die Menschen im Alter betrifft, die Kinder betrifft, die kinderreiche Familien betrifft, Menschen mit Behinderung, Menschen in prekärer Beschäftigung, Menschen, die Angst vor Wohnungslosigkeit haben oder wohnungslos sind, mit Inhalt gefüllt wird. Es stehen viele Menschen nicht auf der Sonnenseite des Lebens und schwimmen unter dem Wahrnehmungsradar. Hier muss man mehr tun, als einfach
nur diese Forderung noch einmal gebetsmühlenartig wiederzugeben wie eben auch von Ihnen, Frau Bekeris. Man muss stattdessen eine Idee haben, eine Vision entwickeln, wie man jenseits der Erfolge, die Sie unbestritten haben, für den Zusammenhalt, für mehr Gerechtigkeit und gegen Armut in dieser Stadt etwas tun kann.
Wir können es uns als reiche Stadt nicht leisten, auch nur eine einzige Person zurückzulassen. Wir sind eine Ankunftsstadt, und viele Menschen verbinden Hoffnungen auf Glück, auf Aufstieg und Wohlstand mit dieser Stadt. 18,7 Prozent, das ist die Anzahl der armutsgefährdeten Menschen in dieser Stadt, bleibt jede Form von Glück, von Wohlstand und von Aufstiegsperspektive verwehrt. Das ist doch eine Politik, die das Soziale, das Sie in Ihrem Namen tragen, eigentlich nicht verdient.
Es ist natürlich ein Stück weit Aufgabe für uns alle, Hamburg zu einer Stadt für alle zu machen. Deshalb lädt doch gerade dieser Einzelplan dazu ein zu überlegen, an welcher Stelle der einen oder anderen Stellschraube gedreht werden kann. Es geht hier nicht so sehr nur um Anträge, sondern vielmehr auch um eine Haltung, um den Anspruch, ein oder zwei Schritte nach vorn zu machen, Hamburg als Einwanderungsstadt nach vorn zu stellen, Hamburg als Stadt der Möglichkeiten nach vorn zu stellen und gemeinsam denjenigen, denen bisher das Glück versagt blieb, auch eine Perspektive zu geben.
Aus den letzten knapp vier Jahren im Sozialausschuss kann ich sagen, dass wir das an verschiedenen Stellen immer wieder auch erfolgreich gemacht haben. Einige Punkte sind angesprochen worden. Wir standen eng zusammen, als es um die Nachbewilligung im Bereich Flüchtlingsunterbringung ging. Wir haben im Bereich des Berufsförderungswerks sehr eng zusammengearbeitet, und immer dann, wenn Not am Mann oder an der Frau war, haben wir gezeigt, dass wir auch als Parlament zusammenstehen. Aber das kann nicht der Anspruch sein, mit dem man in die nächsten 5, 10 oder 20 Jahre schaut, gerade wenn man sieht, dass die Stadt hier an vielen Stellen immer weiter auseinanderfällt, dass es abgehängte Stadtteile gibt, dass die Mobilität und die Durchlässigkeit nicht da sind, dass es Abstiegsängste gibt, und nicht nur bei denen, die vielleicht in verfestigten Armutsstrukturen leben, sondern auch bei denjenigen, die in kinderreichen Familien groß werden, denen die Bildungschancen nicht zuteilwerden. Es ist doch eine gesellschaftspolitische Aufgabe, hier Wege zu finden.
Das vermisse ich sowohl in den Anträgen als auch im Wahlprogramm, das durchaus ein Stück weit die Perspektive für die nächsten Jahre bietet, und hier brauchen wir einfach größere Anstrengungen.
Ich möchte den Punkt aufgreifen, den Frau Dr. Föcking eben schon angesprochen hat. Da haben wir tatsächlich eine konkrete Stellschraube, wenn es um den Haushalt geht, und das ist die Tarifsteigerungsübernahme bei den Zuwendungsempfängerinnen und -empfängern, bei den vielen Trägerinnen und Trägern in den unterschiedlichsten Bereichen. Sie wurden schon genannt: die Behindertenhilfe, die Seniorenarbeit, die Offene Kinder- und Jugendarbeit. Es breitet sich durch die ganze Stadt aus in den Bürgerhäusern. Wir haben überall das Problem, dass die steigenden Kosten nicht abgebildet werden, und wenn die Zuwendungen dann nicht erhöht werden trotz Mietkostensteigerungen, trotz Inflation und trotz Personalkostensteigerungen, dann ist das eine faktische Kürzung, Frau Bekeris. Das ist kein Kahlschlag, aber es ist für einige der schleichende Tod, und das ist ein Riesenproblem, wenn wir über die Armutsquote und so weiter nachdenken.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Friede- rike Föcking CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Und jetzt kommt die Lösung!)
Wir haben in unseren Anträgen versucht, den Strauß noch einmal aufzumachen. Wir haben gesagt, dass wir die Tarifsteigerung übernehmen müssen für die Träger, um eine starke städtische Infrastruktur zu haben. Wir müssen im Bereich der Obdachlosigkeit etwas tun, der sicherlich ein Stück ins Hintertreffen geraten ist ob der anderen Herausforderungen, die wir hatten, um der Obdachlosigkeit und der Hilfsmaßnahmen Herr zu werden. Wir haben gesagt, wir wollen etwas tun für ältere Menschen, die oft in Einsamkeit und Isolation ihr Leben fristen, mit einem Antrag zur aufsuchenden Altenarbeit. Wir wollen die Einrichtung eines Krisendienstes für psychisch Kranke und wir wollen natürlich die gesundheitliche Versorgung im irregulären Aufenthalt, also mit dem anonymen Krankenschein. Wir haben gesagt, wir müssen stark werden im Bereich der Diversity-Politik. Frau Bekeris hat es eben angesprochen, und ich denke, da sind wir wirklich nah beieinander. Wir müssen als Einwanderungsstadt ein klares Zeichen setzen gegen rechts. Wir brauchen keine Bewegungen wie die "Pegida". Wir brauchen so etwas wie MuHageRe, "Mutige Hamburger gegen rechts".
Das ist auf jeden Fall etwas, wo wir zusammenstehen gegen Ausgrenzung, gegen Diskriminierung, gegen Verunglimpfung und dumpfe Parolen. Auch hier geht es mehr um eine Haltung, die gesamtgesellschaftlich getragen werden muss, als nur um Anträge.
Dennoch bin ich der Meinung, dass in einigen Bereichen einfach zu wenig passiert; die Priorität liegt im Bereich der Zuwendungsempfänger und der Kostensteigerungen. Ansonsten hoffe ich, dass es uns gelingt, in der Frage Einwanderungsstadt, Umgang mit Flüchtlingen und Willkommenskultur gute Akzente zu setzen für ein gerechtes und soziales Hamburg, in dem tatsächlich niemand verloren geht, in dem Armut bekämpft wird und es nicht nur die wirtschaftlichen Leuchttürme gibt, sondern auch zahlreiche soziale Leuchttürme. Dafür streiten wir und dafür werden wir uns demnächst auch weiter einsetzen. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Fegebank, ich fand es ein bisschen übertrieben, wie Sie jetzt Hamburg schlechtgeredet haben.
Die Arbeitslosenquote ist nicht besorgniserregend. – Hören Sie gut zu, LINKE. – Die Wirtschaft floriert, und davon haben alle Haushalte etwas.
Der Sozialhaushalt bildet, wie Frau Dr. Föcking sagte, den größten Anteil am Haushaltskuchen ab, und zwar 2,7 Milliarden Euro. Davon sind 74 Prozent gesetzliche Leistungen, also Durchgangsposten. Den Spielraum aber, den der Senat im Rahmen der eigenen Zuständigkeit hat, nutzt er aus unserer Sicht nicht überzeugend aus. Es wurden vom SPD-Senat in den letzten Jahren einige Maßnahmenpakete, Aktionspläne und Konzepte auf den Weg gebracht. Teilweise waren diese Pläne durchzogen von konkreten Zielen, Fristen und sogar Kennzahlen. Doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Senat sich eigentlich scheut, die eingeschlagene Richtung wirklich konsequent zu gestalten.
So bleibt es beispielsweise beim Landesaktionsplan Menschen mit Behinderung überwiegend bei angekündigten Vorhaben und pauschalen Zielen. Beim Integrationskonzept blieb der Senat sogar weit, weit hinter seinen eigenen Erwartungen zurück, was sogar jüngst der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zu entnehmen war. Statt dass die Debatte, die wir im Plenum hatten, wie von der SPD erhofft, Anlass geben konnte, sich selbst zu feiern, konnte man bei den vielen weißen Feldern hinsichtlich der abgefragten Zwischenergebnisse in der Integrationspolitik nur Trübsal blasen.
Und denkt man an das ganz große Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit, blickt man bei Ihnen, liebe SPD, vollkommen ins Leere. Wir hatten vor Kurzem im Plenum die Debatte über den diesbezüglichen Offenbarungseid des Senats. Es ist in den letzten vier Jahren in der Wohnungslosenhilfe nichts passiert. Frau Bekeris, da kann man schön hoffen, aber durch Hoffen allein ändert sich nichts.
Das habe ich sehr wohl gehört. Die Devise muss aber Machen sein. Sie können es später sicher noch einmal nachlesen.
Meine Damen und Herren! Es ist aber nicht alles schlecht, was der Senat im Sozialen auf den Weg gebracht hat. Der Senat handelt aber zu zögerlich, und das gerade in den sehr wichtigen Bereichen, zum Beispiel im Bereich der Flüchtlingspolitik. Das haben wir immer wieder gebetsmühlenartig vorgebracht. Es stimmt, die Bürgerschaft hat einen Nachtragshaushalt von 148 Millionen Euro im September beschlossen.
Aber ich selbst habe den Senat im Haushaltsausschuss darauf hingewiesen und gefragt, ob das Geld ausreicht, wenn man es im September beschließt für das Jahr 2014. Es reicht wohl nicht aus, das ist dem dritten Quartalsbericht zu entnehmen. Der Senat prüft jetzt schon, ob noch weitere Mittel in diesem Jahr in die Flüchtlingspolitik fließen, dabei lagen die Zahlen des BAMF schon im Herbst vor.
Unser Antrag mit dem Titel "Hamburg als Stadt gesellschaftlicher Teilhabe und Begegnung" will bestimmte wichtige Entwicklungen in Hamburg beschleunigen. Ein Beispiel sind sehbehindertengerechte Lichtsignalanlagen, sprich Ampeln. Der Senat verfolgt bei den sehbehinderten Menschen nicht gerade das Ziel der größtmöglichen Mobilität.