Protokoll der Sitzung vom 26.10.2011

Trotzdem ist es jetzt an uns zu sagen, dass wir stabile Haushalte brauchen. Wir brauchen einen schnellen Schulden- und Neuverschuldungsstopp und wir brauchen diesen auch in Hamburg. Die Konsequenz aus Ihrer Rede wäre, es nicht wie Spanien zu versuchen, das sich bis 2020 in die Verfassung geschrieben hat, keine neuen Schulden mehr aufzunehmen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Deutschland üb- rigens auch!)

sondern zu zeigen, dass wir durchaus stärkere Schultern haben und unsere Haushalte früher konsolidieren.

Ich appelliere noch einmal an Sie, Herr Bürgermeister, die aktuelle Situation zum Anlass zu nehmen und Ihre Position in dieser Frage noch einmal zu überdenken. Nehmen Sie Ihre Verantwortung und die Verantwortung Hamburgs in Europa wahr und ziehen Sie die Schuldenbremse vor. Auch das scheint mir ein wichtiges "Learning", wie man so schön sagt, eine sehr wichtige Botschaft dieses Tages zu sein. Wir dürfen nicht nur über Solidarität reden, sondern wir sollten sie auch im politischen

Handeln abbilden, und hier kann Hamburg seinen Beitrag leisten. Herr Bürgermeister, nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und ziehen Sie den Schuldenstopp vor.

(Beifall bei der CDU)

Danke. – Das Wort hat Frau Hajduk. Wir haben noch vier Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass es heute einen gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen im Bundestag zum Eurogipfel und zu der sogenannten Frage der Hebelung gegeben hat, ist ein gutes Zeichen. Man sieht daran, dass die Opposition sich einer Diskussion nicht verweigert hat, um ein sehr großes Problem, das wir in ganz Europa und global haben, zu lösen.

Ich denke auch, dass wir in den öffentlichen Haushalten krisenhafte Entwicklungen haben, Herr Heintze, aber eine Ihrer Äußerungen teile ich definitiv nicht. Es würde uns Politikern Sand in die Augen streuen, wenn wir sagen, dass die einzige Verursacherin dieser Krise die Politik gewesen sei. Das hilft uns nicht weiter. Die Ursache dieser Krise liegt darin, dass wir Finanzmärkte unreguliert lassen. Insofern kann man vielleicht noch darin die politische Verantwortung sehen, nämlich dass die Politik viel zu lange eine Scheu davor hatte. Hier hat jeder seinen eigenen Anteil zu analysieren. Die Finanzmärkte aber sind die großen Verursacher für die Unsicherheit und für die Notwendigkeit, diese Unsummen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise in Europa Spekulationen in Bezug auf Italien und Spanien erfolgreich einzudämmen. Man kann der Öffentlichkeit nicht zumuten, dass die Politik sich jetzt das Büßerhemd anzieht und sagt, die Banken hätten das nur gemacht, weil es in der Politik nicht richtig gemacht wurde. An dieser Stelle muss man einmal in sich gehen und sich fragen, wo es eigentlich Hemmnisse gab, in diesen Markt einzugreifen. Insbesondere für den Finanzmarkt gilt doch, dass sehr viele Banker heute selbst sagen, sie hätten nicht mehr verstanden, welche Produkte sie auf den Markt geworfen haben, sie hätten gar nicht mehr verstanden, in welchem Ausmaß Investmentbanking angestiegen sei im Verhältnis zur realwirtschaftlichen Basis. Deswegen haben wir in der Politik die Aufgabe, uns diesen Problemen zu stellen, so komplex sie auch sein mögen. Aber wir müssen auch wieder Vertrauen in die Gesellschaft hineintragen, dass man zu einem gemeinsamen und wirksamen politischen Handeln kommt.

(Beifall bei der GAL)

Ich finde es genauso wichtig, den Gesamtzusammenhang zu erkennen, nämlich dass wir eine solide Haushaltspolitik in Hamburg brauchen. Was wir

(Roland Heintze)

aber vor allem brauchen, ist eine handlungsfähige Regierung. In Richtung Berlin möchte ich sagen, dass wir uns von der Kanzlerin und der mitregierenden FDP schon in den vergangenen eineinhalb Jahren eine schnellere Handlungsfähigkeit gewünscht hätten, und dies nicht nur in Bezug auf Griechenland, sondern auch bezüglich der Unterstützung anderer europäischer Länder. Aber dass sie sich jetzt bewegt haben und die FDP dies auch mitmacht, ist gut. Wie lange die FDP sich mitbewegt, entscheidet sie in einem Mitgliederentscheid, das werden wir dann vor Weihnachten erfahren. – Schönen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Vielen Dank. – Das Wort hat Senator Dr. Tschentscher.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die sogenannte Eurokrise und ihre Folgen für die öffentlichen Haushalte gehören wohl zu den schwierigsten politischen Problemen der letzten Jahre. Ausgangspunkt für die gegenwärtige Lage sind jedoch keine Währungsprobleme im engeren Sinne. Vereinfacht gesagt hat die Krise damit begonnen, dass bestimmten Regierungen ihre Staatsschulden so entglitten sind, dass die Anleger das Vertrauen verloren haben, Geld, das sie diesen Staaten leihen, später jemals wieder zurückzubekommen. Man kann es auch komplizierter sagen, von der Tragfähigkeit der Schulden sprechen und die Kategorien der Rating-Agenturen anwenden. Und sicher hat es auch unangemessene Verstärkungsund Mitnahmeeffekte gegeben. Aber im Kern hatten und haben wir ein Überschuldungsproblem, das sich aufgrund von zahlreichen Verflechtungen der Finanzinstitutionen in der gesamten Eurozone ausbreitet.

Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind weitreichend, auch für uns in Deutschland und in Hamburg. Wir sind eben nicht nur angewiesen auf eine günstige Refinanzierung unserer Schulden, wir sind auch besonders abhängig von den weltweiten konjunkturellen Entwicklungen. Es geht um die Sicherheit unserer Arbeitsplätze und unserer Unternehmen.

(Beifall bei der SPD)

In dieser schwierigen Lage gibt es keine einfache Lösung. Man sollte vorsichtig sein, Patentrezepte in die Welt zu setzen. Eine Staatspleite von Griechenland zum Beispiel würde sich mit höchster Wahrscheinlichkeit und in kürzester Zeit in einer Kettenreaktion auf Italien, Spanien, Portugal und andere Staaten ausweiten. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone wäre ein hochriskantes Experiment und es scheint mir sehr unverantwortlich, es einfach darauf ankommen zu lassen.

Mein Eindruck ist, dass ein Teil der Bundesregierung, namentlich Herr Schäuble, auf europäischer Ebene an den richtigen Brandherden tätig ist. Ich finde es auch richtig – Frau Hajduk hat darauf hingewiesen –, dass sich die Oppositionsfraktionen in Berlin, jedenfalls SPD und GAL, an dieser nationalen und europäischen Aufgabe beteiligen. Wir brauchen einen Stabilitätsmechanismus, der für manche unserer europäischen Nachbarstaaten überhaupt erst wieder die Gelegenheit bietet, sich vernünftig um ihre Staatsfinanzen zu kümmern.

Auch für mich wirkt die Größenordnung der Beteiligung Deutschlands beängstigend. Aber alle müssen wissen: Wenn wir Griechenland jetzt helfen, die akute Lage zu überstehen, dann helfen wir auch uns selbst.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und der GAL)

Neben der Stabilisierung in der akuten Situation brauchen wir für die Zukunft wirksame Kontrollund Sanktionsmechanismen, wenn künftig Staaten der Eurozone eine gefährliche Defizitentwicklung betreiben, indem sie zu hohe Ausgaben haben oder zu geringe Steuern verlangen.

Auch brauchen wir eine weitreichende Regulierung der Finanzmärkte, die leider viel zu spät in Angriff genommen wurde. Die Finanztransaktionssteuer ist dazu nur ein Anfang, der allerdings wichtig ist, weil diese Steuer Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten entgegenwirkt, weil sie die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte erheblich verbessert und endlich auch die Branche an den Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise beteiligt, die sie verursacht hat.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL und der LINKEN)

Letztlich sollten wir uns in Deutschland, im Bund und in den Ländern nicht aufs hohe Ross setzen, sondern an unseren eigenen Problemen arbeiten. Auch wir wären bei einem deutlichen Anstieg des Zinsniveaus aufgrund unseres hohen Schuldenstandes sehr schnell handlungsunfähig. Deshalb ist es wichtig, dass wir in Hamburg begonnen haben, den Haushalt grundsätzlich in Ordnung zu bringen, nicht mit symbolischen Sparaktionen und Kurzzeiteffekten, sondern mit einem klugen und realistischen Finanzkonzept, das wir auch langfristig einhalten, das wir aushalten und das wir durchhalten müssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Nachdem sich der Senat zu Wort gemeldet hat, haben jetzt alle Fraktionen die Möglichkeit, darauf zu erwidern. Ich habe eine Wortmeldung von Herrn Bläsing gesehen.

(Anja Hajduk)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Euro ist natürlich eine großartige Sache für Europa. Wir als FDP haben den Euro von Anfang an unterstützt. Es ist ein wirklich integratives, großartiges Projekt, um das es sich zu kämpfen lohnt.

Wir haben allerdings seinerzeit in den Neunzigerjahren, als dies aufs Gleis gebracht wurde, als CDU/CSU-FDP-Bundesregierung auch Stabilitätskriterien festgelegt, um solchen Entwicklungen, wie wir sie jetzt haben, vorzubeugen. Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass es seinerzeit unter Rot-Grün die Tendenz gab, diese Stabilitätskriterien aufzuweichen und die Entscheidung zu treffen, dass Länder wie Griechenland in die Eurozone aufgenommen werden. Es ist verschüttete Milch, darüber jetzt wehzuklagen, wir müssen jetzt handeln, denn die Lage ist nun einmal so, wie sie ist, und die Bundesregierung handelt auch an dieser Stelle.

Herr Finanzsenator, Sie haben ausgeführt, dass die Größe von Deutschlands Beteiligung an dem Rettungsschirm beängstigend ist. Es ist in der Tat beängstigend. Frau Hajduk erhob nun Vorwürfe gegen die FDP.

(Antje Möller GAL: Echt?)

Dies ist jedoch eine Sache, die man nicht einfach im Vorbeigehen beschließen kann. Wir beschließen schließlich über Milliardenbeträge, die vermutlich maßgeblich die Zukunft dieses Landes beeinflussen werden. Diese Handlungsweise ist eine Tugend der FDP, und aus meiner Sicht ist es auch ein Glücksfall, dass die FDP in der Bundesregierung ist.

(Beifall bei der FDP und Heiterkeit bei der SPD, der GAL und der LINKEN)

Lachen Sie nur. Es mag sein, dass bei Ihnen der Bundesvorstand Befehl und Gehorsam beschließt und dann wird das auch ausgeführt.

Die FDP macht sich so eine grundlegende, gravierende Entscheidung eben nicht einfach. Es zeichnet die FDP als Tugend aus, dass wir intensiv mit uns darüber ringen und uns die Entscheidung nicht so einfach machen.

(Beifall bei der FDP)

Es zeichnet die FDP zudem im Gegensatz zu allen anderen Parteien aus, dass sie wirklich basisdemokratisch darüber einen Mitgliederentscheid durchführt.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Das könnten Sie bei sich in Berlin auch einmal machen.

Wir bestreiten einen Sonderparteitag mehr oder weniger nur zu diesem Thema. In allen Kreisver

bänden der FDP wird dieses Thema intensiv besprochen.

Ich kann Ihnen jetzt schon sagen – heute wurde auch entsprechend entschieden –, dass wir aus der Gesinnungsethik heraus ebenso sagen, dass es unser Geld ist und wir das nicht einfach so weggeben können. Aber wir sind nun einmal in der Verantwortung und da überwiegt am Ende doch immer die Verantwortungsethik.

Unsere Fraktion hat frühzeitig – auch das sagte Herr Finanzsenator – auf die Risiken hingewiesen, die auf die Freie und Hansestadt Hamburg in diesem Zusammenhang zukommen. Meine Fraktionsvorsitzende, Katja Suding, hat dazu auch eine Anfrage gestellt. Da wurde deutlich, welche Zinsrisiken in der ganzen Geschichte liegen.

(Thomas Völsch SPD: Sehen Sie, es wird al- les beantwortet! – Gegenruf von Jens Ker- stan GAL: Aber nicht immer!)

Und deshalb ist es wirklich unsere Pflicht, auch in Hamburg Sparanstrengungen zu unternehmen. Ich finde, Herr Finanzsenator, da kann es ruhig auch einmal etwas ambitionierter sein. Was Sie bisher vorgelegt haben, geht grundsätzlich schon in die richtige Richtung, aber echte Ambitionen haben Sie dort bisher noch nicht erkennen lassen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Herr Heintze hat das Wort.

Meine Damen und Herren! Es geht nach der Reihenfolge der Stärke der Fraktionen. Herr Heintze hat jetzt das Wort und dann kommt Herr Dr. Bischoff. So ist es ganz korrekt.

Ich glaube, Herr Dressel oder Herr Völsch hatten verzichtet.