Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Warum ist der CDU-Antrag möglicherweise gut gemeint, aber mit Sicherheit im Ergebnis kontraproduktiv? Einzelbetrachtung ist richtig, aber wir wissen doch, wie es im Verhältnis zwischen den Ländern geht. Da gibt es die großen Länder, die mittelgroßen und die kleinen. Üblicherweise können sich die großen Länder zulasten der kleinen Länder unter anderem bei den Verkehrsmitteln manchmal relativ schnell einigen.

(Beifall bei Dr. Till Steffen GAL)

Deshalb ist es sinnvoll, bei einer Länderquote zu bleiben, damit Hamburg wenigstens die Zwei-Komma-und-Prozent behält. Hinter dieser Regelung steht auch eine gewisse juristische Logik, denn das Entflechtungsgesetz ersetzt die Zahlungen, die Hamburg bisher als Land aufgewendet hat. Darum ist es logisch, mit Länderquoten zu arbeiten; deshalb die Ablehnung des CDU-Antrags.

Erlauben Sie mir noch einige Anmerkungen. Zunächst zur Verhandlung des Bundes mit den Ländern – jetzt kommt die letzte halbe Gelegenheit zum Klatschen für die SPD. In Ihrem Antrag steht so schön – Frau Koeppen hat es noch ein bisschen ausgeführt –:

"Die Verhandlungen […] sind noch nicht abgeschlossen."

Das, meine Damen und Herren, ist eine freundliche Umschreibung für das Problem, das die Bundesländer – auch Hamburg – haben. Wenn Sie Artikel 143c des Grundgesetzes genau lesen, dann wird es schwierig, eine Steigerung der Bundesmittel oder auch nur eine vollständige Fortführung der Kompensationsleistungen ab 2014 zu erreichen, denn nach den einschlägigen Kommentierungen wird Artikel 143c Grundgesetz so verstanden, dass die Mittel tendenziell abgesenkt werden sollen.

Meine Damen und Herren! Der Senat hat die Unterstützung der FDP-Fraktion, genau das zu verhindern. Aber ich weise darauf hin, dass da ein Problem steckt. – Das war die halbe Stelle zum Klatschen. Kommt nichts; na gut.

(Heiterkeit im Plenum)

Jetzt kommen die Stellen, wo Sie wohl nicht mehr klatschen werden; vielleicht klatschen jetzt andere. Die Frage ist nämlich: Was soll dieser Antrag? Auf einen Aspekt hat Herr Dr. Steffen schon zu Recht hingewiesen. Spätestens seit seinen Ausführungen mache ich mir auch ein bisschen Sorgen. Offenbar muss die Regierungsfraktion dem Senat nachhelfen, denn an und für sich sollte es nicht notwendig sein, dass das Parlament den Senat auffordert, etwas Gutes für Hamburg zu tun, das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann bräuchten wir ja gar keine Anträge mehr zu stellen! Das ist ja langweilig!)

Wenn eine solche Forderung trotzdem gestellt wird, ist es entweder Lückenfüllerei oder, wie Herr Steffen richtig ausführte, ein Hinweis darauf, dass da Sorgen bestehen. Liebe SPD-Fraktion, wenn Sie den Senat dazu bringen, die Zweckbindung beizubehalten, haben Sie die Unterstützung der FDP-Fraktion. Ich hoffe, die Sorgen sind unberechtigt.

Jetzt aber noch einmal die Frage: Was soll der Antrag? Wir haben in Hamburg seit März einen Stillstand in der Verkehrspolitik. Wir haben keine Busbeschleunigung, kein Verkehrskonzept für den Hamburger Süden, kein Radverkehrskonzept und schon gar kein generelles Verkehrskonzept. Hamburg steht im Stau und die SPD beschäftigt sich mit Gesetzesplänen für das Jahr 2014. Das genau brauchen die Menschen nicht. – Jetzt klatschen Sie nicht, das weiß ich.

(Beifall bei der FDP)

(Dr. Till Steffen)

Stellen Sie sich doch nur einmal vor, die Bürger stehen im Stau und hören im Radio, dass Frau Koeppen dafür sorgen werde, ab 2014 die Zweckbindung beizubehalten.

Meine Damen und Herren! Mit den Widrigkeiten der Hamburger Verkehrspolitik wollen Sie sich schon lange nicht mehr beschäftigen, aber mit Gesetzesprojekten ab dem Jahr 2014. Kümmern Sie sich um das, was die Hamburger bewegt, und nicht um irgendwelche Probleme, die Sie intern vielleicht haben. Das ist genau der falsche Ansatz.

Meine Damen und Herren! Fangen Sie mit der Verkehrspolitik in Hamburg an. Bringen Sie nicht ein Gutachten, das ein Jahr alt ist, in den Verkehrsausschuss und haben immer noch kein Konzept. Ein solcher Antrag hilft Hamburg nicht weiter, es sei denn, die Sorgen von Herrn Steffen bestehen, dann hat es einen Sinn, dann haben Sie unsere Unterstützung. Ansonsten ist dieser Antrag ein klassischer Ausdruck einer Politik, einer Partei und eines Senats, die sich mit den aktuellen Problemen der Bürger nicht mehr beschäftigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Abgeordnete Sudmann hat das Wort.

Meine Vorredner haben echtes Talent. Alle sagen, das sei ein banaler Antrag, aber sie reden wahnsinnig lange dazu. Ich mache es kurz.

Sie sind sehr stark gestartet, der Begründungstext ist phänomenal, aber danach enden Sie sehr schwach mit zwei schwachen Antragspunkten. Trotzdem werden wir ihm zustimmen.

Die CDU, lieber Herr Hesse, schaut nur aus Hamburger Sicht und sagt, dass Hamburg alles für sich haben wolle. Sie haben vor Kurzem gemeinsam mit fast allen anderen kritisiert, dass der Süden von Herrn Ramsauer bevorzugt werde. Bei Ihnen fängt der Süden schon bei der Stadtgrenze an, das tragen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Zunächst zum CDU-Antrag aus Drucksache 20/2100.

Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Nun zum Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache 20/1968.

Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag angenommen.

Die SPD-Fraktion möchte die Drucksache 20/1968 nun nachträglich an den Verkehrsausschuss überweisen.

Wer stimmt dem Überweisungsbegehren zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisung angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf, Drucksache 20/1969, Antrag der SPD-Fraktion: Fortentwicklung der Stiftung Historische Museen Hamburg.

[Antrag der SPD-Fraktion: Fortentwicklung der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) – Drs 20/1969 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/2099 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der CDU-Fraktion: Zukunft der Stiftung Historische Museen Hamburg sichern – Drs 20/2099 –]

Beide Drucksachen möchten die Fraktionen der CDU und der FDP an den Kulturausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Dobusch, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt Menschen wie Peter Sloterdijk, für die Museen gleichbedeutend sind mit – ich zitiere –:

"[…] Müdigkeit, Schwindelgefühl, […] Atemnot […] und panischem Drang zum Ausgang."

Es gibt Gott sei Dank auch noch die anderen, die sich für den Erhalt ihres Museums einsetzen, mit dem sie sich identifizieren, die staunend durch Museen streifen wie durch Wunderkammern oder aktiv mitgestalten wie zum Beispiel jetzt schon im Hafenmuseum in Hamburg. Für die einen sind Museen, besonders die historischen, verstaubte Auslaufmodelle, denen höchstens mit spektakulären Sonderausstellungen noch temporär Leben eingehaucht werden kann oder die nur noch als skurrile Eventlocation taugen.

Die anderen aber setzen darauf, dass Museen gerade in unserer schnelllebigen, von Globalisierung und Vereinzelung geprägten Zeit gebraucht werden, und zwar mehr denn je gebraucht werden. Ich hoffe sehr, dass wir alle, die wir hier sitzen, zu den Letzteren gehören.

(Dr. Wieland Schinnenburg)

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum Stichwort Digitalisierung. Noch ist nicht abgemacht, dass die reale, greifbare Welt der Ausstellungsobjekte in den Museen im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung an Faszination verlieren wird. Vielleicht stehen wir auch, ganz im Gegenteil, am Anfang einer Renaissance des Authentischen, vielleicht siegt das Original noch tatsächlich über das Virtuelle. Die Museen als Orte des Aufstands gegen die sekundäre Welt, so wurde es neulich auf einer Tagung postuliert. Das ist eigentlich eine ganz charmante Idee.

Für die Museen birgt die neue, digitalisierte Welt also durchaus Chancen, die aber auch ergriffen werden müssen. Einiges spricht dafür, dass Museen heute, in Social-Media-Zeiten, in denen Vernetzung und Interaktionen sowie das Sammeln, Ordnen und Strukturieren individuell und doch vernetzt und kooperativ organisiert werden kann, gut beraten wären, sich den großen autoritären Erzählungen von oben herab zu verweigern und stattdessen auf lokales Wissen und Partizipation zu setzen. Spannend wird es doch gerade dann, wenn Museen und Besucherinnen und Besucher, sowohl die alteingesessenen als auch zugewanderte und durchreisende, Jung und Alt, Frauen und Männer gemeinsam daran arbeiten, Bedeutung herzustellen und jeweils ihren Erfahrungsschatz und ihre Sicht der Dinge einbringen.

(Beifall bei der SPD)

In Zeiten, in denen die Informationstechnologie bis in die privatesten Bereiche hineinragt und mit Angeboten wie Timeline oder Slogans wie "Homepage Ihres Lebens" suggeriert, Menschen bei ihrer Verortung in der Welt helfen zu können, sollten die Museen selbstbewusst das Gegenangebot machen, nämlich real an der Gegenwart der Stadt mit ihrer Vergangenheit und Zukunft andocken zu können.

Noch ist das Zukunftsmusik, noch sehen viele die Hauptaufgabe der Museen im Ausstellen, während Forschen, Sammeln und Bewahren bereits fast aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden sind. In der Folge beschäftigen wir uns auch hier immer nur mit den Besucherzahlen als Indexindikator für Qualität.

Wir wollen mit unserem Antrag heute dieser, nicht nur in Hamburg geführten Diskussion, Rechnung tragen und erste Impulse für eine Umorientierung geben. Um dem Stiftungsgedanken und der Fachlichkeit wieder mehr zu ihrem Recht zu verhelfen, wollen wir die Änderung des Stiftungsgesetzes von 2010 bezüglich der Zusammensetzung des Stiftungsrats revidieren, da sich das starke Übergewicht von Behördenvertreterinnen- und -vertretern aus unserer Sicht nicht bewährt hat. Es wurde zuletzt ganz vergessen, dass bestimmte Dinge nur im Stiftungsrat entschieden werden können.

Um die Museen besser als bisher in die Lage zu versetzen, ihre Dauerausstellungen zu pflegen, um langfristig planen, aber auch kurzfristig auf aktuelle Bedarfe vor Ort reagieren zu können, soll aus unserer Sicht die Hälfte des Sonderausstellungsfonds, also 1 Million Euro, zukünftig direkt an die Museen gehen.

(Beifall bei der SPD)

Um einerseits die Weiterentwicklung übergreifender Aufgabenfelder wie das Inventarisierungsprojekt voranzutreiben, aber andererseits bessere Voraussetzungen für eine stärkere Öffnung der Häuser gegenüber den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, wollen wir die Stiftung zukünftig auf drei eigenständige Kernhäuser – Hamburgmuseum, Altonaer Museum und Museum der Arbeit – konzentrieren und auf der Managementebene stärken.

Parallel ersuchen wir den Senat, zusammen mit dem Bezirk Bergedorf ein Konzept zur Herauslösung des Museums für Bergedorf und die Vierlande aus der Stiftung zu erarbeiten und zu prüfen, wie das Helms-Museum wieder in den Zustand vor der Gründung der Stiftung zurückgeführt werden kann.