Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Also noch einmal ganz langsam: Der Senat hat über eine halbe Million Euro in ein Gebäude investiert, das nur ein paar Monate genutzt werden soll und dessen Abriss die Stadt dann auch wieder eine nicht unerhebliche Summe Geld kosten wird.

Ich weiß, dass hier auch verschiedene Investitionssummen kursieren, aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind alle nicht gerade unerheblich.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie machen das alles ganz anders!)

Ich finde es vor diesem Hintergrund ein bisschen fragwürdig, wenn sich ein Sozialsenator hinstellt und sich für ein Winternotprogramm loben lässt, das auf Unwahrheiten basiert. Eigentlich müsste Ihnen, Herr Scheele, zumindest unser Finanzsenator Herr Tschentscher Steine in den Weg legen, wenn er seinen Job denn ernst nimmt. Aber, oh Schreck, seine Behörde, die Finanzbehörde, hat diesen Antrag auf Abriss in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte gestellt, schön durchs Hintertürchen im Bauausschuss als reine Kenntnisnahme,

(Dirk Kienscherf SPD: Das war doch be- kannt, das ist doch Blödsinn!)

vielleicht in der Hoffnung, dass keiner diesen Widerspruch bemerkt. Anscheinend hat diesen Widerspruch nicht einmal die Finanzbehörde selbst bemerkt, denn der Fraktionsvorsitzende der SPD Hamburg-Mitte wird im "Hamburger Abendblatt" so zitiert:

"Die Finanzbehörde müsse sich 'daran gewöhnen, genau hinzugucken'."

Das ist schon relativ harter Tobak. Die Finanzbehörde mahnt dann auch sofort an, sie hätte alle Beteiligten vorher über diese Abrissabsichten informiert. Liebe SPD, was davon stimmt denn jetzt genau? Es kann eigentlich nicht sein, dass Ihre linke Hand nicht weiß, was die rechte tut.

(Beifall bei der CDU)

Der Bürgermeister, der leider noch nicht anwesend ist, hat uns allen gutes Regieren versprochen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das hält er auch!)

Daher fordere ich Sie auf, uns zu erklären, wie es in Ihrem Senat zu solchen Unglaublichkeiten kommen kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin wirklich gespannt auf die Antwort zu der Kleinen Anfrage, die die CDU-Fraktion in Hamburg-Mitte gestellt hat, welche unangenehmen Wahrheiten dann noch zutage treten. Vielleicht haben wir heute aber Glück, dass uns einer der beiden Senatoren aufklärt oder sogar der Bürgermeister selbst. Gestern hat er einmal das Wort ergriffen und es wäre hier mehr als geboten.

(Beifall bei der CDU)

Liebe SPD, lieber Senat, die Stadt zu sanieren,

(Dirk Kienscherf SPD: Machen Sie doch einen Alternativvorschlag!)

wie Sie es wollen – das konnten wir letzte Woche in der Presse lesen –, ist per se eine gute Idee. Aber sanieren Sie dann doch bitte Gebäude, die länger als nur ein paar Monate stehen bleiben. Was hier aufgedeckt wurde, gleicht finanziell einem Konsolidierungskurs auf Raten und einem Versuch, zu vertuschen, dass Ihr Regierungsstil leider doch keinen Platz für nachhaltige Konzepte lässt.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann für Sie und den Bürgermeister nur hoffen, dass er und Sie doch irgendwann das gute Regieren entdecken und endlich Ordnung in diese Flickschusterei bringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Bekeris.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Wolff, Sie nehmen den Mund ganz schön voll.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Richtig!)

Es ist ein gewagter Versuch, die SPD-Fraktion und den Senat mit diesem Thema vorzuführen, zu belehren oder auch nur anzutreiben, denn Sie sollten nicht vergessen, was Sie uns hinterlassen haben:

(Dora Heyenn DIE LINKE: Jetzt geht das wieder los!)

ein Winternotprogramm, das Menschen unter die Erde in einen Bunker verbannt hat.

(Beifall bei der SPD)

Das wollen wir nicht und das wird der Senat auch anders umsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich habe Ihre Pressemitteilung vom Montag sehr ausführlich gelesen. Wenn Sie sich da über die Zahl von 530 000 Euro aufregen, frage ich mich, ob Sie bisher davon ausgegangen sind, dass der Betrieb eines Winternotprogramms umsonst zu haben ist. Laufend kostet es natürlich 180 000 Euro für die 94 Plätze in Kirchengemeinden und bis Ende April wird die Spaldingstraße bei einer Belegung von 160 Personen 350 000 Euro kosten. Das sind wirklich 530 000 Euro; ich sehe, Sie können zumindest rechnen. Hinzu kommen dann noch die Ertüchtigungskosten für die Spaldingstraße von circa 250 000 Euro; diese haben Sie in Ihrer Rechnung sogar vergessen. Weil wir eben nicht verantwortungslos mit Geld umgehen, hat es mich einmal interessiert, wie teuer es gewesen wäre, wenn man den Bunker, den Sie im letzten Jahr genutzt haben, flottgemacht hätte, und eine grobe Schätzung lag bei weit über 250 000 Euro.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aha!)

Das Winternotprogramm des schwarz-grünen Senats im vorigen Jahr hat 813 000 Euro gekostet. Ich spare mir jetzt einen Kommentar dazu, welcher Senat mit dem benötigten Geld sorgfältiger umgeht.

(Beifall bei der SPD)

Aber in einem haben Sie sogar recht: Es wäre besser, wenn wir heute nicht darüber sprechen müssten, dass wir als Erfrierungsschutz im Winternotprogramm ein leer stehendes Gebäude benutzen müssen. Die Behörden arbeiten im Moment daran, eine Lösung für das nächste Jahr zu finden. Allen ist dabei daran gelegen, dass die Nutzung der Spaldingstraße nicht nur für dieses Jahr trägt, denn anders als die CDU überrascht es uns nicht, dass es in Hamburg jedes Jahr einen Winter gibt.

(Beifall bei der SPD)

Hinter all dem steht jedoch auch die Frage, warum die Unterkünfte für Obdachlose in Hamburg teilweise über Monate eine Auslastung von über 120 Prozent haben und warum es so wenig gelingt, Menschen aus den Unterkünften in eine eigene Wohnung zu vermitteln. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie sich diese Fragen nicht gerne stellen, denn dahinter steht eine ganz andere Frage: Wer hat in den letzten zehn Jahren nicht für die nötige Infrastruktur gesorgt, dass wir diese Menschen in Wohnraum bringen? Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, meine liebe CDU.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, wie Ihre Lösungsansätze als Regierungspartei ausgesehen haben. Als Sie im vergangenen Jahr mit Verwunderung feststellten, dass es einen Winter gibt, haben Sie die Obdachlosen in einen stickigen Bunker gesteckt, und Sie sind mit viel zu wenigen Plätzen in das Winternotprogramm gestartet. Senator Scheele gebührt Dank dafür, dass er so deutlich sagt, dass so etwas Menschenunwürdiges mit ihm nicht noch einmal passiert und dass wir mit einer aufgestockten Zahl von 250 Plätzen ins Winternotprogramm starten und uns nicht wundern, dass es auf einmal viel mehr sind, die die Unterbringung dort suchen.

(Christoph Ahlhaus CDU: Sie haben keine Ahnung! – Gegenruf von Dirk Kienscherf SPD: Fragen Sie doch mal Ihren Fraktions- chef!)

Vor diesem Hintergrund und insbesondere weil die CDU sich im Bezirk Hamburg-Mitte gegen eine Notunterkunft in der Spaldingstraße für den kommenden Winter gestellt hat, ist es geradezu eine Frechheit, dass Sie in dieser Art und Weise versuchen, sich am Senator abzuarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

(Katharina Wolff)

Eines sei hier noch angemerkt: Die fachliche Debatte rund um Winternotprogramm und Obdachlosigkeit findet morgen im Sozialausschuss statt. Eine Anmeldung von Ihnen heute lässt offen, ob es Ihnen um die Sache geht oder doch nur um eine Showdebatte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Fegebank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Wolff, wir müssen in dieser Frage wirklich einmal die Kirche im Dorf lassen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Gleich von der SPD eingeklatscht zu werden, das befreit; dann kann ich jetzt weitermachen.

Freud und Leid liegen häufig nah beieinander und genauso liegen auch Lob und Kritik häufig nah beieinander und ich möchte tatsächlich, selbst wenn es überrascht, mit einem Lob anfangen. Die Aufstockung des Winternotprogramms und auch die rechtzeitige Planung sind ein richtiger und guter Schritt für die Obdachlosen in dieser Stadt, und dafür gebührt dem Senat und auch Herrn Senator Scheele Anerkennung, dass recht frühzeitig das Gespräch mit den Trägern und auch mit den entsprechenden Einrichtungen gesucht wurde und wir in diesem Jahr nicht – ich habe das bereits gesagt und ich sage es hier auch noch einmal – Obdachlose in einen Bunker stecken müssen. Das ist menschenunwürdig, das war kein Ruhmesblatt im letzten Jahr und ich finde es richtig, dass wir hier eine andere Lösung gefunden haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich habe mir auch den Taschenrechner genommen, weil ich mir natürlich in Anbetracht der Anmeldung der CDU noch einmal einen Überblick über die Kosten verschaffen wollte, und komme da zu einem ähnlichen Ergebnis wie Frau Bekeris; da haben wir vielleicht beide ganz gut gerechnet, Die 530 000 Euro – so habe ich das begriffen und vielleicht äußert sich dazu auch der Senator – sind nicht nur die Herrichtungskosten, sondern beinhalten die Kosten für den Betrieb, die Beratung und die Anlaufstelle, circa 20 Euro pro Person und Tag für 166 Tage und 166 Leute. Wenn man ein menschliches Programm für diejenigen auflegt, die sonst nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, dann kostet das Geld, und ich bin froh, dass dieses Geld dafür in die Hand genommen wird.