Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

(Beifall bei der FDP)

Den Kollegen von der LINKEN fällt mit ihrem Antrag nichts anderes ein als eine Erhöhung der Mieten und Pachten im Hamburger Hafen. Meine Damen und Herren von der LINKEN, die Betriebsräte und die Beschäftigten der betroffenen Unternehmen werden Ihnen das danken, wir von der FDPFraktion werden jedenfalls diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP – Jens Kerstan GAL: Manchmal kann man sich seine Bündnis- partner nicht aussuchen!)

Frau Sudmann, dass Sie sich aufregen, deutet darauf hin, dass ich alles richtig mache.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiteres wichtiges Thema ist der Bereich Wirtschaftsförderung, insbesondere das Projekt einer "Hamburgischen Investitionsund Förderbank", Herr Tjarks hat es angesprochen. Ihr Vorhaben, die Wohnungsbaukreditanstalt in eine Investitionsbank umzubauen, zieht sich wie ein roter Faden vom Wahlprogramm der SPD bis hin zum Arbeitsprogramm des Senats. Die Haushaltsrelevanz liegt auf der Hand. Es ist daher absolut unverständlich, warum nicht bereits zu diesen Haushaltsberatungen die Eckpunkte für eine "Hamburgische Investitions- und Förderbank" auf dem Tisch liegen; Zeit war genug. Herr Senator Horch, auch hier gilt, nur Worte und bislang keine Taten.

(Beifall bei der FDP)

Ich will auch gern inhaltlich zur Frage einer Investitionsbank Stellung nehmen. Zunächst sollten wir den bestehenden Instrumentenkasten der Wirtschaftsförderung auf Wirksamkeit und Praxistauglichkeit untersuchen, dann den ordnungspolitischen Rahmen definieren – und das heißt für uns

Wettbewerbsneutralität, Vorrang des Hausbankprinzips und weitgehende politisch-institutionelle Unabhängigkeit – und erst am Schluss die institutionellen Fragen klären.

(Beifall bei der FDP)

Eine Konzentration der Wirtschaftsförderung, also der Menschen, der Programme und der finanziellen Mittel in einer Einrichtung – einem solchen Konzept stünden wir aufgeschlossen gegenüber. Das kann am Ende des Tages die Wohnungsbaukreditanstalt sein, muss aber nicht. Eine "Hamburgische Investitions- und Förderbank" mit dem darüber hinausgehenden Auftrag, selbst in großem Maßstab am Kapitalmarkt aufzutreten oder durch Renditen aus Kapitalmarktgeschäften Einnahmen für den Haushalt zu erwirtschaften, lehnen wir jedoch ab. Hamburg braucht keine HSH Nordbank 2.0.

(Beifall bei der FDP und bei Hjalmar Stem- mann CDU)

Herr Horch, in diesem Zusammenhang muss auch das Thema Sietas angesprochen werden. Wir meinen, dass die Insolvenz der traditionsreichen Sietas-Werft ein schwerer Schlag für den Werft-Standort Hamburg ist. Der Senat muss jetzt eine Sanierung der Werft aus der Insolvenz unterstützen, um die Arbeitsplätze bei Sietas zu sichern und auch bei den mittelständischen Zulieferbetrieben. Sie persönlich haben sich nach meinem Eindruck in den vergangenen Wochen und Monaten sehr intensiv um eine Rettung der Werft bemüht. Dafür gilt Ihnen Anerkennung und Dank, auch wenn das Ergebnis negativ gewesen ist. Aber die SietasWerft wirft auch die Frage nach der Wirksamkeit öffentlicher Finanzierungshilfen auf. Wenn Hamburg mit möglicherweise bis zu 35 Millionen Euro in Anspruch genommen wird, dann fehlen diese Mittel an anderer Stelle und zur Konsolidierung des Haushalts. Rund 80 bis 90 Millionen Euro Förderungsausfälle bei der HSH Nordbank betreffen die Stadt in gleicher Weise. Wir meinen, dass das Beispiel Sietas erneut zeigt, wie notwendig ein zurückhaltender Umgang mit öffentlichen Finanzierungshilfen ist.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Worte statt Taten, Ankündigungen statt Ergebnisse – das lässt sich im Bereich Wirtschaft, Verkehr und Innovation weiter verlängern. Wir sollten uns fragen, wie es im Einzelnen mit der Umsetzung weiterer Punkte aus dem Arbeitsprogramm des Senats in diesem Bereich aussieht. Bündnis für Mittelstand – bislang Fehlanzeige, Fortschreibung des Masterplan Industrie – Fehlanzeige, Senkung von Bürokratiekosten – Fehlanzeige, Verkehrsentwicklungsplan – Fehlanzeige und schließlich Luftverkehrskonzept – Fehlanzeige. Und zum Thema Tourismus und Standortmarketing fällt Ihnen nichts Besseres ein,

als die Bettensteuer wieder aus der Mottenkiste zu holen. Das schadet nicht nur dem Hamburger Tourismus und der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe,

(Dirk Kienscherf SPD: Zu der Branche ha- ben Sie ja ein ganz besonderes Verhältnis als FDP!)

das ist auch rechtlich zweifelhaft und wirtschaftlich unergiebig.

(Beifall bei der FDP)

Reglementieren und abkassieren – das galt bislang eigentlich als Spezialität der GAL. Von einem SPD-Senat, der unter dem Motto "ordentlich regieren" angetreten ist, hätten wir das nicht erwartet und wir sind gespannt, wann Sie auch die CityMaut wieder aus der Mottenkiste holen.

(Beifall bei der FDP)

Noch einige Worte zu den vorliegenden Anträgen. Die Stärkung des Clusters Erneuerbare Energien halten wir für einen richtigen Schritt, aber, Herr Balcke, dann bitte mit Substanz und nicht mit Showeffekten. Wir werden daher die Ziffern 1 und 2 des SPD-Antrags unterstützen, jedoch die Ziffer 3 ablehnen. Werte Kollegen von der SPD, es spricht schon für eine gewisse Ideen- und Konzeptionslosigkeit der Mehrheitsfraktion, wenn das Einzige, was Ihnen zur Stärkung des Clusters Erneuerbare Energien an Konkretem einfällt, eine Preisverleihung ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da steht ein bisschen mehr drin, in diesem Antrag!)

Ihre Begründung ist verräterisch und aufschlussreich, das sei nämlich eine wichtige Aufgabe des Standortmarketings. Das nützt vielleicht dem Bürgermeister als Laudator bei der Selbstvermarktung, dem Cluster selbst nützt es nichts.

(Beifall bei der FDP)

Dem nicht minder wichtigen Luftfahrt-Cluster schadet es sogar, denn hier wollen Sie sich finanziell bedienen.

(Jan Balcke SPD: Das stimmt doch nicht!)

Lesen Sie Ihren Antrag, Herr Balcke, dann sehen Sie es.

Einer Überweisung des Antrags der CDU zu den Planungskosten beim CCH an den Haushaltsausschuss werden wir zustimmen, die übrigen Anträge werden wir ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Wichtigste – da pflichten Sie mir wohl alle bei –ist, dass Hamburg

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

einigermaßen gut durch die Krise der vergangenen Jahre gekommen ist, dass nicht so viele Menschen arbeitslos geworden sind, wie wir und sicher auch andere in diesem Hause erwartet haben, und dass die sozialen Verhältnisse nicht so schlimm geworden sind, wie wir als LINKE es durchaus befürchtet hatten. Ich will aber daran erinnern, dass dies durch ein kräftiges Konjunkturprogramm möglich war, beispielsweise durch die Abwrackprämie, was Milliarden Euro in den Markt geschoben hat, oder durch das Kurzarbeiterprogramm, das auch unendlich teuer war, aber durchaus erfolgreich. Aufgrund der Diskussion, die wir gestern hatten, ist es mir besonders wichtig, darauf hinzuweisen. Ich habe die große Befürchtung, dass wir nicht mehr in der Lage sein werden, wirtschaftspolitisch stark zu agieren, wenn die finanziellen Möglichkeiten der Stadt durch die Schuldenbremse so stark eingegrenzt werden, dass wir solche stabilisierenden Aktivitäten unterlassen müssen. Es war gerade der öffentliche Bereich, der uns vor schlimmen Auswirkungen der Krise gerettet hat.

(Jan Quast SPD: Deswegen machen wir das ja vernünftig und nicht so wie die CDU!)

Wir werden sehen, wie das weitergeht. Es geht nicht darum, ein Einvernehmen in diesem Hause herzustellen. Das Zweite, was mir wichtig ist – im Gegensatz zu liberalen Theorien, die uns etwas anderes vorschreiben – ist die Frage nach staatlichen Interventionen. In Hamburg ist es üblich gewesen, durchaus mit wirtschaftspolitischen Aktivitäten einzugreifen, auch bei einem CDU-Senat. Herr Uldall hat diese Politik kräftig unterstützt, als Beiersdorf-Aktien übernommen worden sind, als man Anteile an Hapag Lloyd gekauft hat, als man Bürgschaften übernommen hat für verschiedene Unternehmen. Ich bin mir sicher, dass ähnliche Aktivitäten auch für die krisenhafte Situation, die leider vor uns steht, absolut notwendig sind, um wirtschaftspolitisch gegenzusteuern. Ich hoffe, dass Herr Horch und der SPD-Senat diesen Weg eher ausweiten als einschränken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich werde heute nicht zum Thema Elbvertiefung reden, denn wir haben schon so häufig darüber debattiert, dass ich es fast nicht mehr hören kann, vor allem, weil es letztlich nicht von diesem Hause entschieden wird.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist aber eine gute Erkenntnis, Hacki!)

Ich möchte meinen Beitrag, anders als die bisherigen Reden, allgemeiner halten. Wir haben es mit einem völlig neuen und starken Phänomen zu tun. Viele private Unternehmen – nicht nur in dieser Republik, sondern weltweit – konzentrieren doch einige ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten darauf, öffentliche Haushalte auszunehmen. Ich nenne das Beispiel Elbphilharmonie. Ich möchte Ihnen aber

auch ein abgeschlossenes Projekt als Beispiel nennen, das uns in einem Hamburger Stadtteil große Probleme bereitet. Durch die Ausweitung der Phoenix-Hallen in Harburg, was regionalpolitisch und wirtschaftspolitisch eine absolute Katastrophe war und jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß, dass die Stadt in gewisser Weise von einem Unternehmen erpresst worden ist, so sieht die Lüneburger Straße jetzt richtig schlecht aus.

(Thomas Völsch SPD: Das ist doch Unfug, Norbert! Hör' doch auf!)

Jeder, der sich damit auseinandergesetzt hat, weiß, dass es genau so war und dass die Probleme in Harburg durch Erpressung entstanden sind. Ich will ein anderes Beispiel nennen zu einem Thema, auf das Herr Balcke schon eingegangen ist. Normalerweise ist es üblich, dass Unternehmen ausbilden. Auch Airbus hat mit eigenen Trainern selbst ausgebildet, aber mittlerweile wird vieles in der Ausbildung von der Stadt bezahlt. Das hat ein paar positive Aspekte, etwa dass Cluster ein paar mehr Aktivitäten zulassen, aber es bedeutet, dass es eine Entlastung der privaten Unternehmen gibt, indem der öffentliche Bereich ihre Aufgaben übernimmt.

(Jan Balcke SPD: Unsinn!)

Genau so ist es. Wir können alle diese Beispiele meinetwegen einzeln diskutieren. Wir müssen uns jedenfalls darauf einstellen, dass dieser Trend bei privaten Unternehmen, den öffentlichen Bereich auszunehmen, zunimmt. Soviel zu allgemeinen Thesen, die uns wahrscheinlich in den nächsten Monaten und Jahren beschäftigen werden.

Ich möchte noch konkret auf die Auseinandersetzungen hier in der Bürgerschaft eingehen. Besonders gefreut hat mich natürlich Herr Balcke. Er tritt hier so kräftig ein für eine Politik, die sich doch, wenn man es genau betrachtet, in allen Bereichen – und da haben die Oppositionspolitiker völlig recht – kaum von der Politik des Vorgängersenats unterscheidet. Es gibt in Bezug auf Hafen- und Wirtschaftspolitik kaum etwas, was dieser Senat anders macht. Nachdem er das Konzept "Hafen finanziert Hafen" korrigiert hat, ist keine weitere Veränderung festzustellen. Warum dann diese starken Töne,

(Olaf Ohlsen CDU: Weil er das begriffen hat!)

die doch völlig übertrieben sind. Wir stellen keine großen Veränderungen fest.

(Beifall bei der LINKEN)

Desto stärker scheinen die Worte zu sein, die man hier benutzen muss, um diese kleinen Veränderungen verkleistern zu können. Ich will deutlich sagen, dass wir beim Hamburger Hafen in einer schwierigen Situation sind. Wir haben das bei den Beratungen im Haushaltsausschuss und im Wirtschafts

ausschuss bemerkt. Für die Bürgerschaft ist die Situation im Hamburger Hafen völlig intransparent. Wir haben in der Planung 25 Millionen TEU, die der Hafen im Jahr 2020/25 erreicht haben soll. Jeder weiß, dass diese Planung nicht stimmt, trotzdem fährt die Wirtschaftsbehörde tüchtig in diese Richtung weiter. Ich denke, in zwei bis drei Jahren werden Sie diese Zahlen korrigieren. Aber warum nicht jetzt? Wir haben keine Transparenz in Bezug auf Ausgaben, die im Hamburger Hafen getätigt werden. Wir bekommen Geschäftsberichte vorgelegt, die nicht klar erkennen lassen, was dort geschieht. Manche Aktivitäten, bei denen es wichtig wäre, sie öffentlich kontrollieren zu können, sind ausgelagert worden. Uns werden Steuereinnahmen in einer Art und Weise präsentiert, die mich an PR-Maßnahmen denken lässt. Die Steuereinnahmen werden Pi mal Daumen berechnet. Man sagt, im Hafen gibt es 100 000 Beschäftigte und dann berechnet man, was die ungefähr an Steuern bezahlen. Das ist keine solide Grundlage, um den Hamburger Hafen beurteilen zu können.