Und noch etwas zum Thema PR: Sie sagen, unsere PR müsse besser werden. Ihre PR bestand darin, einen Vorschlag zu machen, der nicht praktikabel ist.
Das halte ich für unredlich. Damit schafft man es vielleicht auf Seite 1 des "Hamburger Abendblatts", aber man führt dieses Problem keiner Lösung zu, sondern streut den Menschen letztlich nur Sand in die Augen.
Genauso gut hätten Sie vorschlagen können, wir schließen jetzt alle ganz fest die Augen nach dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn".
Aber die Menschen, über die wir sprechen – und man muss immer betonen, es sind Menschen, um die es hier geht –, werden dadurch nicht über Nacht verschwinden. Das glauben Sie doch selber nicht, Frau Spethmann.
Zum Thema Redlichkeit kann ich Ihnen übrigens einen Buchtitel empfehlen, den ich gestern auch dem "Hamburger Abendblatt" entnommen habe. Ich kenne das Buch noch nicht.
Der Titel lautet vielversprechend – vielleicht hilft er Ihnen weiter, Frau Kollegin Spethmann –: "Mutproben – Ein Plädoyer für Ehrlichkeit und Konsequenz". Der Autor dürfte Ihnen bekannt sein, es ist der ehemalige Bürgermeister Ole von Beust. Vielleicht wird Ihnen dieses Buch in Zukunft bei der Art von PR, die Sie betreiben, weiterhelfen.
Es sollte jedenfalls nicht dazu führen, dass wir uns zum Thema Sicherungsverwahrung parteipolitisch gegeneinander profilieren. Aber wenn Sie schon, was ich für durchaus positiv halte, konstruktive Kritik – wenn sie es denn ist – ins Spiel bringen,
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Tabbert, ich glaube, wir sind zusammengekommen, um auf die Gegenwart zu blicken. Es bringt den Bürgerinnen und Bürgern nichts, wenn wir uns gegenseitig beschuldigen, wer früher etwas gemacht hat und wer nicht.
Wir haben jetzt ein Problem in dieser Stadt und wir müssen es alle gemeinsam lösen. Mein Eindruck ist, dass die Opposition eher konstruktiv dabei ist, denn ich habe in der Wandsbeker Bezirksversammlung keine Fraktion gehört, die das nicht grundsätzlich unterstützen würde. Meine Fraktion hat von Anfang an gesagt, das Konzept geht in die richtige Richtung und wird von uns mitgetragen.
Jetzt haben wir die kuriose Situation – deshalb haben wir das Thema auf der Tagesordnung und deshalb hatten wir eben auch eine Ausschusssitzung dazu –, dass die Anwohnerinnen und Anwohner Angst vor diesen ehemals Sicherungsverwahrten haben. Und die Sicherungsverwahrten haben nun deswegen Angst, nach Jenfeld zu gehen, weil sie glauben, dort nicht mehr unbehelligt leben zu können. Die Senatoren hatten im Vorwege Angst vor dem Echo in der Öffentlichkeit und haben eine massive Polizeibewachung angeordnet, was den Eindruck erweckt, das seien hochgefährliche Menschen, die jederzeit wie eine Bombe hochgehen und rückfällig werden können. Das Fazit ist, dass die ehemals Sicherungsverwahrten nicht nach Jenfeld wollen, weil sie Angst haben. Die Anwohnerinnen und Anwohner haben auch weiterhin Angst, weil die Informationspolitik bisher nicht ausreichend war.
Das muss man erst einmal so feststellen und vielleicht muss man jetzt nicht einer Basta-Politik das Wort reden, wie der Erste Bürgermeister das am Wochenende getan hat, sondern zusehen, wie man dem auf dem Papier guten Konzept in der Wirklichkeit zum Erfolg verhelfen kann. Dazu habe ich bisher noch nicht viel gehört, auch heute im Ausschuss nicht. Und wenn wir alle wollen, dass diese Menschen in die Freiheit begleitet werden sollen und dass sie in Zukunft wieder ein normaleres Leben führen können, dann dürfen wir nicht stur bleiben, sondern müssen flexibel reagieren. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, wie die SPD vermeintlich mit dem Rücken zur Wand agiert, son
dern damit, auf die Befürchtungen vor Ort einzugehen und ein Mindestmaß an Akzeptanz erreichen zu wollen, denn erst dann werden die ehemals Sicherungsverwahrten kommen und dieses inhaltlich gute Konzept annehmen.
Was heißt das nun? Sie haben eine Agentur beauftragt, die Ihnen dazu etwas geschrieben hat. Offenbar wurde aber dieser Abend mit den drei Senatorinnen und Senatoren als nicht ausreichend empfunden, was die Informationen über die Menschen betrifft. Wie verlief denn nun die Abwägung über die Alternativorte? Dazu haben wir heute auch im Ausschuss nur wenig gehört. Was hat dazu geführt, dass es gerade Jenfeld geworden ist? Das muss man den Leuten verdeutlichen. Die andere Frage ist, wie gefährlich diese Menschen wirklich sind, wenn es bei dem einen zwei Gutachten gibt, die besagen, dass er an sich nicht mehr gefährlich sei, und der andere zurzeit gar nicht bewacht wird, aber jetzt, wo sie nach Jenfeld kommen, massive Polizeipräsenz angeordnet wird. Das verwirrt die Menschen und das verstehen viele nicht. Es ist jetzt Aufgabe des Senats, in die Kommunikation einzutreten, und zwar nicht nur mit den Trägern und Institutionen, sondern vor allem mit den Anwohnerinnen und Anwohnern. Das vermisse ich und habe es heute nicht gehört. Und wenn Sie das nicht tun, dann prophezeie ich Ihnen, dass es mit diesem Konzept in Jenfeld nichts wird und auch sonst nirgendwo. Sie müssen bei den Menschen den Eindruck erwecken, dass Sie sie mit ihren Befürchtungen ernst nehmen und dort hingehen. Ich hoffe, Sie werden die Kehrtwendung noch finden und Ihr Konzept flexibel anpassen. Wir haben ein kommunikatives Problem. Das ist zu lösen, aber die Zeit verstreicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Senatorin Schiedek, über sieben Monate ist es her – meine Kollegin Frau Spethmann erwähnte es bereits –, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung ergangen ist, über ein halbes Jahr also, in dem von Anfang an klar war, dass die rechtsstaatlich konsequente Ausurteilung dieser Problematik schwer öffentlich zu vermitteln und noch schwerer konkret umzusetzen ist. Über sieben Monate war auch Ihnen offenbar bewusst, welche Herausforderung auf Sie zukommt, Frau Senatorin Schiedek. Die Überschrift Ihrer Pressemitteilung vom 4. Mai dieses Jahres hieß – ich zitiere –:
Ohne Frage, die Sicherheit der Bevölkerung muss bestmöglich gewährleistet sein, da stimmen wir zu. Allerdings hätte der Erste Bürgermeister an Ihrer Seite stehen sollen, statt noch an diesem Wochenende im "Hamburger Abendblatt" zu verkünden, dass er die Gerichtsentscheidung zur Freisetzung dieser Gefangenen für falsch hält.
So schafft man keine Akzeptanz für die Unterbringung ehemals Sicherheitsverwahrter, Herr Bürgermeister. Statt sich über einen wirklich geeigneten Ort Gedanken zu machen, sind Sie auf andere Ideen verfallen. Anfang Oktober, fünf Monate nach dem Urteil, wurde eine Berliner PR-Agentur, an deren Spitze ein ehemaliger SPD-Fraktions- und Parteisprecher sitzt, für knapp 4000 Euro beauftragt, den Senat bei der Kommunikation des Themas zu unterstützen,
und das, obwohl die drei beteiligten Behörden über mehrere Pressesprecher verfügen. Hier, Herr Tabbert, können Sie sich nicht herauswinden, bei drei Pressesprechern muss der Senat in der Lage sein, dies allein zu tun.
Dann wurde befristet eine Unterkunft in Jenfeld gefunden, nachdem die Suche durch den Senat bei sonstigen Trägern nicht von Erfolg gekrönt war. Dass die Jenfelder Unterkunft nur wenige hundert Meter Luftlinie von Schulen beziehungsweise Kitas in der Nähe von Wohngebieten entfernt liegt, fiel offenbar nicht auf. Dann fanden Gespräche mit den ehemaligen Sicherungsverwahrten beziehungsweise ihren Rechtsanwälten statt, wobei Umfang, Intensität und Erfolg von den Beteiligten offenbar sehr unterschiedlich wahrgenommen wurden. In einer konzertierten Aktion am 1. Dezember, zu Beginn der Adventszeit, der Zeit der Harmonie – ein Schelm, wer Böses dabei denkt –, wurden die Bezirksvertreter, die Fachleute und danach die Medien informiert, nicht zu vergessen die ehemaligen beziehungsweise bald zu entlassenden Sicherungsverwahrten. Diese haben ebenfalls erst zum 1. Dezember konkret von dem Haus in Jenfeld erfahren; das ergab eine Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage von uns. Zuletzt fand zu Nikolaus, wir hörten es bereits, eine Info-Veranstaltung für die Bürger vor Ort statt, zu der nicht einmal richtig eingeladen worden war. Dies gab Frau Senatorin Schiedek in der eben stattgefundenen Sondersitzung zu.
Meine Damen und Herren! Ist Ihnen diese Abfolge wirklich von Ihren Berliner PR-Genossen empfohlen worden? Haben Sie für den offenkundig falschen Rat, die Anwohner nach der Presse zu informieren, auch noch Steuergeld gezahlt? So viele Anfängerfehler lassen uns ratlos zurück.
(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Welches PR-Konzept hat die FDP denn momentan?)
Genützt hat der ganze PR-Aufwand jedenfalls nichts. Das Vorgehen des Senats ist gescheitert, denn die ehemaligen Sicherungsverwahrten weigern sich nach dieser schwerfälligen Informationspolitik, die vorgeschlagene Unterkunft zu beziehen. Einer von Ihnen, Hans-Peter W., hat zwar laut Pressemeldung erklärt, eventuell doch einziehen zu wollen, ein Mietvertrag ist aber noch nicht unterschrieben, es ist also alles ungewiss.
Die Anwohner schlagen Alarm, fühlen sich zu Recht zu spät informiert und haben verständlicherweise Ängste. Polizeigewerkschaften äußern erhebliche Zweifel am Sicherheitskonzept. Schon im Mai kündigten Sie, Frau Senatorin, an – ich zitiere Ihre Pressemitteilung –:
"Jeder gegebenenfalls zu entlassende Sicherungsverwahrte wird in einer geeigneten und gut strukturierten Einrichtung untergebracht. Wir werden in jedem Einzelfall entscheiden, ob und gegebenenfalls welche ergänzenden polizeilichen Maßnahmen erforderlich sind."
Meine Damen und Herren! Genau das ist nicht geschehen. Die Senatoren Schiedek, Neumann und Scheele haben Ihre gemeinsamen Auftritte gerade nicht dazu genutzt, um darzustellen, welche Maßnahmen zur Resozialisierung den Betroffenen angeboten werden.
Wenn Sie konstruktive Vorschläge für eine norddeutsche Kooperation machen und eine Unterbringung an weniger besiedelten…