Das Schöne ist, egal um welches Thema es geht, man kann sich immer darauf verlassen, dass Sie, lieber Herr Rose, die gesamte Klaviatur des Arbeiterkampfs spielen.
Das ist bei diesem Thema und bei diesem Antrag vielleicht ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen. Es wird Sie wundern, lieber Herr Kluth, dass ich ganz dankbar für Ihren Antrag bin. Ich bin deshalb dankbar, weil er mir und meiner Fraktion die Gelegenheit gibt, noch einmal über das Ladenöffnungsgesetz von 2006 intensiv zu beraten und zu überlegen, ob wir das wohl richtig gemacht haben und ob es möglicherweise einen Novellierungsbedarf gibt. Das umso mehr im Lichte der von Ihnen, Herr Rose, erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2009, aber auch im Lichte der inzwischen in der aktuellen Diskussion zu findenden Bestrebungen, die Liberalisierung des Ladenschutzes wieder einzuschränken. Auch das erleben wir im Moment in verschiedenen Bundesländern.
Wenn ich ehrlich sein soll, dann hatte ich für den Vorschlag der FDP zunächst, ohne näheres Hinsehen, durchaus Sympathien, aber diese erste Einschätzung hielt einer näheren Überprüfung leider nicht stand. Es stimmt, für Hamburg als weltoffene internatonale Metropole und Tourismushochburg ist natürlich der Vergleich mit anderen Metropolen an der Tagesordnung, und in vielen anderen Städten kann man selbstverständlich auch an Sonntagen einkaufen. Es stimmt auch, dass für viele kleine Unternehmen der Sonntag durchaus eine wichtige Nische und wirtschaftliche Chance darstellen kann.
icherlich könnten wir die Attraktivität unserer Zentren – der Innenstadt, aber zum Beispiel auch der HafenCity – deutlich dadurch steigern, dass wir sonntags häufiger die Geschäfte öffnen. Aber man muss auch an die Verbraucher denken. Ich weiß selbst, wie das ist, ich stelle immer am Sonntag
Das ist für manchen, Frau Möller, der berufstätig ist, gleichzeitig Politik macht und eine Familie hat, unter der Woche manchmal etwas schwerer zu handhaben.
Deshalb muss man natürlich auch befürchten, dass so mancher, anstatt in den Einzelhandelsgeschäften, wie wir das wünschen, einzukaufen, lieber seine Bestellung im Internet tätigt. Schließlich kann man sich auch noch fragen, warum es in Ordnung ist, dass in vielen kulturellen Bereichen am Sonntag gearbeitet wird, hingegen die Geschäfte nicht geöffnet haben sollen.
Meine Damen und Herren! Aber all das ist letztlich in einem Abwägungsprozess nicht überzeugend. Die Sonn- und Feiertagsgarantie ist grundsätzlich geschützt, hat nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sogar grundrechtlich geschützten Charakter, und dies nicht nur wegen der Ausübung der Religionsfreiheit, sondern darüber hinaus wegen der ganz besonderen Bedeutung der Rekreationsmöglichkeit für jeden Arbeitnehmer und für jeden Menschen in unserer Gesellschaft. Diese Rekreationsmöglichkeit ist nicht zuletzt auch deshalb so bedeutend, weil wir ein soziales Zusammenleben nur dann organisieren können, wenn wir Räume dafür haben, und dieser Raum ist eben auch und vor allem der Sonntag.
Es geht also darum, dem Grundrecht auf Persönlichkeitsentfaltung, dem Schutz von Ehe und Familie, aber auch dem Grundrecht auf die Erhaltung der Gesundheit Wirkung und Bedeutung zu geben. Das reine wirtschaftliche Umsatzinteresse hingegen von manchem Einzelhändler und auch das Bedürfnis von so manchen – ich habe es eben beschrieben –, auch am Sonntag einkaufen zu können, reicht hingegen nicht aus, um den Sonntagsund Feiertagsschutz weiter zu lockern, zumal, und da bin ich bei Ihnen, Herr Rose, ich auch die Gefahr sehe, dass, wenn wir diese Schleuse wieder öffnen, es nur der Anfang einer Debatte sein wird.
Ich bin vielmehr der Auffassung, dass mit der vollständigen Liberalisierung an Werktagen und den nur vier verkaufsoffenen Sonntagen, die ausdrücklich eine Ausnahme darstellen, Hamburg – im Übrigen auf der Linie fast aller anderen Bundesländer – richtig liegt. Insofern ist die Bewertung des Ladenschlussgesetzes, das zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist, eine positive Bewertung.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein weiteres Argument liefern. 70 Prozent der Menschen, die im Einzelhandel beschäftigt sind, sind Frauen, und Frauen sind naturgemäß Mütter, jedenfalls immer noch zu einem gewissen Prozentsatz.
Eine weitere Liberalisierung der Sonntagsöffnungszeiten würde also wiederum zulasten von Frauen gehen, die dann eben nicht in der Lage wären, die Sonntage mit ihren Familien zu verbringen. Ihren alten Spruch "Vati gehört sonntags nach Hause" würde ich ummünzen wollen und sagen, wir Mütter gehören am Sonntag tatsächlich nach Hause, weil es sonst kaum möglich ist, eine Familie bei Berufstätigkeit vernünftig zu organisieren. Dazu allerdings stehe ich.
Aus unserer Sicht ist der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe übrigens eine klassische Aufgabe der sozialen Marktwirtschaft, Herr Kluth. Hier geht es nämlich um die ordnende Funktion des Staates, und hier darf das kommerzielle Interesse nicht im Vordergrund stehen. Man kann die Frage der Ladenöffnungszeiten nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Kommerzes beurteilen, hier geht es tatsächlich um mehr. Es geht um eine menschliche Gesellschaft, in der der Kommerz nicht alles beherrscht. Schließlich meine ich, dass wir mit großem Selbstbewusstsein auch unseren Gästen aus dem In- und Ausland vermitteln können, dass die Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe eine soziale Errungenschaft ist, auf die wir in Deutschland und in Hamburg stolz sind und die Teil des sozialen Friedens ist. Sozialen Frieden, meine Damen und Herren, gibt es aber nicht zum Nulltarif. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In dieser Debatte hat der Kollege Rose in seinem Wort zum Sonntag eigentlich schon alles zum Sonntag gesagt. Herr Rose, ich hoffe, es hat Sie nicht den ganzen Sonntag gekostet, diese Rede auszuarbeiten. Man muss das vielleicht nicht in dem Duktus vortragen, aber inhaltlich teile ich Ihre Ausführungen weitgehend und möchte nur noch ein paar kurze Gedanken anfügen.
Meinethalben kann jeder in unserem Land – Zitat – "Shopping ohne Hetze", ein "buntes Programm" und "besondere Einkaufserlebnisse" an sechs Tagen die Woche und vier verkaufsoffenen Sonntagen erleben. Ich glaube, darüber hinaus brauchen wir keine verkaufsoffenen Sonntage, und die Debatte, ob das vier, sechs, acht oder noch ein paar
Die Kaufkraft in Hamburg wird durch verkaufsoffene Sonntage nicht besonders gesteigert. Belastet werden aber nicht nur die Familien, sondern auch die Betreiber der kleinen Familienbetriebe, die selber hinter der Ladentheke stehen und zusätzlich am Sonntag ihre Läden aufmachen müssen.
Sie wollen, dass die Geschäfte geöffnet werden. Dann sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die Sie damit belasten.
Vor allen Dingen würden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belastet. Das sind insbesondere Frauen, wie Frau Prien und Herr Rose richtigerweise ausgeführt haben, die am Sonntag vielleicht auch ganz gern zu Hause bleiben wollen.
Wir lehnen Ihren Antrag ab und wollen auch nicht im Ausschuss über ihn reden. Wir können nur jedem empfehlen, es am Sonntag mit Sport oder Kultur zu versuchen. Und alle, die es gar nicht aushalten können, können im Internet shoppen, bis der Dispo kracht – auch bei Otto, was wiederum für Hamburg gut wäre. Jedem sei das Seine gegönnt, alles ist möglich, und dafür brauchen wir nicht mehr verkaufsoffene Sonntage. – Danke schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die Fraktion DIE LINKE ist strikt gegen jede weitere Aufweichung der Ladenschlusszeiten
Die erste ist eher formal: Paragraf 8 des Ladenöffnungsgesetzes heißt überschrieben "Ausnahmen aus besonderem Grund". Die FDP-Fraktion hat versäumt, in ihrem Antrag darzulegen, welches der besondere Grund sein soll, sie will einfach nur zwei Sonntage dazu nehmen.
Das zweite Motiv: Die Öffnung von Geschäften an Sonntagen nutzt dem Mittelstand nicht, sondern nur den großen Verkaufsketten. Das habe ich bereits neulich festgestellt, als wir über den Masterplan Mittelstand debattierten.
Ein dritter Grund sind natürlich die Familien und ihr Recht auf Privatheit und Ruhe. Ich bin der Auffassung, dass es eine Freizeit auch ohne Kaufanreize
und Kommerz geben sollte, ganz abgesehen davon, dass es sich viele Familien überhaupt nicht leisten können, von ihrem Einkommen auch noch am Sonntag einkaufen zu gehen.
Deswegen muss die Sonntagsöffnung von Ladengeschäften so reduziert wie möglich gehalten werden. Meiner Meinung nach sollten die Sonntage wieder zum Höhepunkt der Woche werden, der sie einmal waren: Tage der Ruhe.
Das Leben gestaltet sich doch sowieso immer entgrenzter, und das ist kein Vorteil für das Leben. Aus meiner Sicht wird mit der Absicht, die Ladenschlusszeiten weiter aufzuweichen, auch der Freiheitsbegriff pervertiert. Als ich Mitte der Achtzigerjahre vor der Aufgabe stand, die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden betrieblich umzusetzen, gab es viele Versuche der Arbeitgeberseite, versetzte Arbeitszeiten einzuführen, damit die Besetzung der Büros so wie mit der 40-Stunden-Woche stattfindet. Die Beschäftigten haben sich aber dagegen gewehrt, weil sie ihren regelhaften Feierabend genießen wollten. Ihr Sport begann zu einer bestimmten Uhrzeit, die Familie hat zu einer bestimmten Uhrzeit zu Abend gegessen, aber auch der Einkauf musste bis zu einer bestimmten Uhrzeit erledigt sein, weil die Geschäfte sonst geschlossen hatten. Mit der Aufweichung der Ladenschlusszeiten wurden diese festen, wirklich wichtigen und verbindenden Freizeit- und Familienregeln zerstört, und das hat sich dann direkt auch auf die Arbeitszeiten in anderen Betrieben und Branchen ausgewirkt, das war regelrecht spürbar.
Dies hat sich dann auch immer weiter fortgesetzt. Die Statistik beweist es: Allein innerhalb der letzten vier Jahre hat sich die Anzahl der Menschen, zu deren Berufsalltag Sonn- und Feiertage gehören, von 24 auf 28 Prozent erhöht. Besonders betroffen davon sind Frauen, das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon erwähnt, denn ihr Anteil ist sogar überproportional gestiegen: 11,3 Prozent aller erwerbstätigen Frauen arbeiten mittlerweile regelmäßig am Sonntag, das sind über 2 Millionen Frauen bundesweit. 2004 waren es 1,34 Millionen beziehungsweise 8,3 Prozent. Am Vorabend des Internationalen Frauentags so einen Antrag einzubringen, ist geradezu eine Schande.
Im Einzelhandel findet seit Jahren eine Erosion der Tarifverträge statt, ein Wildwuchs an Beschäftigungsverhältnissen. Der Wettbewerb, der sich unter dem Druck flexibler Ladenöffnungszeiten erheblich verschärft hat, schafft ein Heer an sogenannten "Working Poor", an Menschen, die trotz Arbeit arm sind.
Die FDP schreibt in ihrem Antrag, verkaufsoffene Sonntage seien besondere Einkaufserlebnisse, die Attraktivität der Bezirke und Stadtteile würde gesteigert werden, eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse und Erfordernisse vor Ort würde ermöglicht. Ich frage mich, was Sie damit meinen. Was macht Stadtteile und Bezirke eigentlich attraktiv? Was sind Bedürfnisse vor Ort? Ohne ein einziges inhaltliches Argument bringen Sie hier einen rein ideologisch motivierten Antrag ein,
aber Kampagnen gegen den Ladenschluss führt Ihre Partei ja in jedem Bundesland. Zu offensichtlich ist Ihr durchsichtiger Versuch, die Bedürfnisse der Gesellschaft weiter als reine Warenbeziehungen zu definieren und das Freizeitverhalten durch Angebot und Nachfrage beziehungsweise Kaufen und Geldausgeben zu prägen.