Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

(Finn-Ole Ritter)

die bei der fachlichen Arbeit mit den Menschen fehlt.

Der Vorteil eines Sonderausschusses liegt für die Parteien, die in der Vergangenheit politische Verantwortung getragen haben, deshalb auf der Hand: Er ist in seinem Untersuchungsauftrag eingeschränkt und lässt sich leichter steuern. Wir fürchten, es werden vor allem die vom Senat vorgeschlagenen Maßnahmen noch einmal geprüft und dann wahrscheinlich im Wesentlichen durchgewinkt und es werden, wie auch schon gesagt wurde, persönliche Verantwortlichkeiten festgestellt. Nach so vielen Vorfällen ist aber eine generelle Prüfung des Gesamtsystems der Jugendhilfe aus unserer Sicht unaufschiebbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie argumentieren, Frau Blömeke, dass ein Sonderausschuss der Bürgerschaft das beste Instrument sei, um den Fall einerseits aufzuklären und andererseits echte Verbesserungen, zum Beispiel bei der Wirksamkeit von Kontrollen, zu erreichen. Diese Argumentation haben Sie mit Ihrem eigenen Antrag zur Festlegung von Obergrenzen beim ASD widerlegt. Dieser Antrag liegt der Bürgerschaft vor, obwohl der Sonderausschuss noch gar nicht eingesetzt ist. Das ist auch gut so, aber der Vorgang zeigt, dass die gründliche Untersuchung durch eine Enquete-Kommission die Bürgerschaft nicht daran hindern würde, dort Verbesserungen umzusetzen, wo Fehler im System der Jugendhilfe identifiziert worden sind.

Uns stört vor allem, dass es im Wesentlichen um die Überprüfung der Wirksamkeit von Kontrollen gehen soll. Das ist aus unserer Sicht falsch, denn es muss vor allem darum gehen, dass die fachlich richtige Hilfe im entsprechenden Einzelfall gewährt wird und dass die fachliche Kompetenz und Aufmerksamkeit der handelnden Personen gewährleistet ist. Dass das nicht immer der Fall ist, zeigt gerade sehr bedrückend der Fall, den ich schon angesprochen habe, der jungen Anna. Hier haben Kompetenz und Aufmerksamkeit gefehlt.

Im Fall Chantal war gerade deutlich geworden, dass sich die unterschiedlichen Stellen jeweils auf die andere Stelle und ihre schon geleistete Kontrollarbeit verlassen haben. Kontrollmaßnahmen, zumal standardisierte Kontrollen, haben den Nachteil, dass sie dazu verleiten, gerade wenn wenig Zeit vorhanden ist, den fachlichen Blick und Instinkt zu verlieren.

Da die FDP wie auch die GAL sich dem Antrag der übrigen Fraktionen angeschlossen haben und nicht mehr für eine Enquete-Kommission plädieren, wollen wir uns zumindest dafür einsetzen, dass der Untersuchungsauftrag auf die Felder ausgeweitet wird, deren Untersuchung wir für unbedingt notwendig halten, um weitere Gefahren von Kindern und Jugendlichen abzuwenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu haben wir einen Zusatzantrag gestellt, den wir gern ziffernweise abstimmen lassen wollen, wenn Sie nicht bereit sind – und das hat sich angedeutet –, diesen Zusatzantrag als Ganzen mitzutragen. Die von uns gemachten Vorschläge bewegen sich dabei durchaus im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion wie auch mit der Fachdiskussion.

So haben FDP und SPD im Bezirk Hamburg-Mitte vereinbart, dass die Arbeitsbedingungen im Jugendamt, insbesondere beim Allgemeinen Sozialen Dienst, genauer geprüft werden sollen. Möglicherweise soll dies durch eine externe Evaluation geschehen. Die Kürzungen in der offenen Kinderund Jugendarbeit werden abgelehnt. Auch in diesem Punkt werden also von anderen durchaus Zusammenhänge gesehen, die untersucht werden müssen.

Aus unserer Sicht muss es im weiteren Verfahren darum gehen, die bestmöglichen Bedingungen herzustellen, um die Rechte der Jugendlichen und Kinder zu gewährleisten. Dazu gehört vor allem auch die Herstellung von Beziehungen. Das kostet Zeit und die Bedürfnisse der Hilfesuchenden müssen bei der Gewährung der Hilfen berücksichtigt werden. Zur Herstellung von Beziehungen gehört auch Kompetenz, Kompetenz bei den Pflegefamilien, die ihre Ressourcen für die Gesellschaft zur Verfügung stellen, und deren Ressourcen weiter gefördert und ausgebaut werden müssen, und Kompetenz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendhilfe.

Dazu dienen die von uns aufgeführten zusätzlichen vier Punkte, um die der Auftrag des Sonderausschusses nach unserer Auffassung erweitert werden soll. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Wir beginnen mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 20/3754 in der Neufassung. Dieser Antrag wurde nicht mit dem nach Artikel 27 Absatz 1 Satz 1 der Hamburgischen Verfassung erforderlichen Quorum gestellt. Ich lasse deshalb über den Antrag abstimmen.

Wer möchte ihn annehmen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 20/3874. Diesen werden wir auf Antrag der Fraktion DIE LINKE ziffernweise abstimmen.

Wer Ziffer 1 des Antrags aus der Drucksache 20/3874 annehmen möchte, den bitte ich um das

(Christiane Schneider)

Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist diese Ziffer abgelehnt.

Wer möchte der Ziffer 2 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch diese Ziffer abgelehnt.

Wer möchte die Ziffer 3 beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch diese Ziffer abgelehnt.

Und wer schließt sich Ziffer 4 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch diese Ziffer und damit der Antrag in Gänze abgelehnt.

Schließlich zum gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, GAL und FDP aus Drucksache 20/3870.

Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe Punkt 8 auf, Drucksache 20/3008, Große Anfrage der CDU-Fraktion: Personaleinsparungen 2011.

[Große Anfrage der CDU-Fraktion: Personaleinsparungen 2011 – Drs 20/3008 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Heintze, Sie haben es.

(Jan Quast SPD: Kann ja keine lange Rede werden! – Präsidentin Carola Veit über- nimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über eine Große Anfrage, die eines extrem deutlich macht, nämlich wie dieser Senat, insbesondere die Finanzbehörde, in der Vergangenheit mit ihren großen Ankündigungen umgegangen ist und wie dort einem vollmundigen Senatsversprechen eine Bruchlandung folgte, die dann mit möglichst vielen Nebelkerzen vertuscht werden soll. Dieses zeigen die Antworten auf unsere Große Anfrage.

Es mag auch dazu beigetragen haben, dass der Senat sehr bemüht war, seine Interpretation dieser Antworten zeitnah den Medien zur Verfügung zu stellen, knapp, nicht ganz so zeitnah, dass es die Abgeordneten nicht vorher gehabt hätten, aber die Reaktionszeiten wurden arg verkürzt. Dieses Abweichen vom üblichen parlamentarischen Vorgehen zeugt doch sehr von einem extrem schlechten Gewissen. Aber das ist an anderer Stelle zu diskutieren und nicht heute bei dem Thema der Großen Anfrage.

Uns schockiert, dass der Senat sagt, es müssten 250 Stellen eingespart werden, 12,5 Millionen Euro im Jahr sollten eingespart werden und das möglichst auch noch strukturell, damit andere Dinge – "pay as you go" sei es geschuldet – gegenfinanziert sind. Wenn das die Ziellatte war und man sich jetzt überlegt, ob sie denn nur annähernd verfehlt wurde oder ob man vielleicht ein wenig vorbeigesprungen ist und was da eigentlich passiert ist, dann muss man feststellen, dass man scheinbar gar nicht erst losgelaufen ist. Wenn wir nämlich die Antworten auf die dort gestellten Fragen richtig interpretieren, dann haben wir im Jahr 2011 143 dauerhaft eingesparte Stellen. Das wäre "pay as you go", weil das strukturell ist, nur leider haben wir auch 1000 neue Stellen. Und jeder, der rechnen kann – das kann der Senat normalerweise nicht, aber ich denke, alle anderen, die hier sitzen, können es –, stellt fest, dass die 250 Stellen netto, die eingespart werden sollten, nicht erreicht worden sind.

Nun könnte man sagen, der Senat sei besonders kreativ in der Haushaltsführung und hätte noch viele wichtige Dinge in petto. Schauen wir doch einmal, wie es denn mit den 12,5 Millionen Euro ist. Sind denn wider Erwarten mit 800 zusätzlichen Stellen strukturell 12,5 Millionen Euro eingespart worden? Wenn wir uns das für 2011 anschauen, dann sehen wir überraschenderweise, dass nicht 12,5 Millionen Euro eingespart, sondern 65 Millionen Euro mehr ausgegeben wurden. Wir werden es gleich in der Diskussion erleben, dass gesagt wird, das seien doch Vollzeitäquivalente, man müsse dort genau hinschauen und dieses und jenes richten und eine Nebelkerze nach der anderen geworfen wird. Unterm Strich steht, dass Ihr Versprechen, 12,5 Millionen Euro strukturell im Personalhaushalt einzusparen, völlig gebrochen wurde, indem Sie nämlich einfach 65 Millionen Euro mehr ausgegeben haben. Wenn das die Qualität des Einhaltens Ihrer politischen Zusagen ist, dann ist das ein ganz desolater Zustand.

(Beifall bei der CDU und bei Anja Hajduk GAL)

Um sich diesen Zustand schönzurechnen, hat man mal eben 200 vorübergehend nicht besetzte Vollzeitstellen einbezogen, hat dann noch 180 kw-Vermerke dazugerechnet, nur, damit man das irgendwie noch ansatzweise schön aussehen lassen kann.

Das Schlimme dabei ist nicht, dass erneut ein Versprechen gebrochen wurde, daran haben wir uns gewöhnt. Das Schlimme ist, dass es in diesem Senat keine gesteuerten Stelleneinsparungen bezüglich des Aufwachsens des budgetrelevanten Personalbestandes gibt. Wenn es das nicht gibt, dann frage ich mich allen Ernstes, wie Sie Ihre Haushaltsziele und vor allen Dingen Ihre 1-Prozent-Steigerung jemals erreichen wollen. Ich habe ein we

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

nig das Gefühl, dass sich in der Finanzbehörde viel schöne Rhetorik ausgedacht wird und die Fachbehörden dann fleißig damit beschäftigt sind, dies möglichst so hinzutricksen, dass es irgendwie passt. Das hat aber mit Steuerung und systematischen Sparbemühungen überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich die Signale richtig deute, dann steht sogar zu befürchten, dass dieses Prinzip im Haushalt 2013/2014 noch systematisiert wird, indem man es grundsätzlich der Kreativität der Behörden überlässt, wie sie mit ihren Budgets zurechtkommen; darüber sollten Sie noch einmal nachdenken.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Nichtsdestotrotz ist positiv anzumerken, dass die Versorgungslasten erstmalig gesunken sind. Aber was nicht sein kann, denn dafür ist das Thema zu ernst, ist, dass Sie per se mit Rasenmähern arbeiten und globalen Zielvorgaben. Am Ende des Tages reden wir nämlich über Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Wir reden über Menschen in den Behörden, wir reden über Menschen, die dort ihre Arbeit tun, und die haben deutlich Besseres verdient, als ständig durch große Rhetorik als zentrales Einsparziel benannt zu werden, ohne dass man sich jemals damit beschäftigt hätte, welche Aufgaben sie überhaupt wahrnehmen. Das kann nicht der Umgang eines Senats sein, der seine Mitarbeiter und Bediensteten ernst nimmt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sind nämlich per se nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil, sie sind sehr wichtig für diese Stadt. Wenn man genau hinschaut, bedeutet es auch nicht, dass Hamburg überverwaltet ist.

(Jan Quast SPD: Wir warten auf Ihre Vor- schläge!)

Das ist nicht unsere Kritik. Unsere Kritik besteht darin, dass es Schwachstellen gibt. Es gibt Doppelarbeit und es gibt eine ganze Menge Häuptlinge, wenn man sich den Overhead bei den einzelnen Behörden ansieht. Da gibt es einzelne Schwachstellen, bei denen man sich einmal die Mühe machen muss, sie genau zu identifizieren. Es hilft dort nicht, einen behördenübergreifenden Rasenmäher anzuwerfen und sich finanzpolitische Zauberformeln auszudenken, denn das geht schief, das haben wir jetzt wieder gesehen.

Wir wollen, dass Sie Ihre Mitarbeiter ernst nehmen, und ernst nehmen bedeutet für uns Aufgabenkritik, und zwar eine breite Aufgabenkritik. Eine Haushaltsstrukturkommission, wie wir sie vorgeschlagen hatten und wie sie von der SPD abgelehnt wurde, hätte so etwas leisten können. Man hätte sich intensiv mit der Frage beschäftigen können, welche Aufgaben wahrgenommen werden sollen, wie sie wahrgenommen werden, wie viele Menschen sie

wahrnehmen und welchen Einspareffekt man erreichen kann, den wir gemeinsam erzielen wollen. Das wäre ein Vorgehen, das wir ausdrücklich mittragen würden. Nur so, wie Sie es im Moment wieder machen, nämlich einen großen Rasenmäher anzuwerfen, damit aber noch nicht einmal umgehen können, das kann keine weiterführende Politik sein. Das ist nichts, was die CDU mitträgt.

Besser wäre es – und dazu haben Sie jetzt die Chance –, uns die Möglichkeit zu geben, diese Aufgabenkritik zu führen. Lassen Sie uns dieses besprechen und überweisen Sie unsere Große Anfrage an den Haushaltsausschuss. Da sind wir bereit, Sie in einem kreativen, konstruktiven, den Mitarbeitern angemessenen und für die Aufgabenerfüllung in der Stadt nötigen Prozess zu begleiten. Herr Quast, wir fangen gerne an. Stimmen Sie der Überweisung an den Ausschuss zu, dann lassen wir den Ankündigungen Taten folgen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Sie können auch so Vorschläge machen! Die gehen auch durch!)