Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

Frau Sudmann, Sie haben das Wort.

Das ist eine sehr interessante Definition von Verkehrsunfällen, Herr Schinnenburg, ich bin beeindruckt. Sie haben sogar einiges gesagt, was ich gesagt haben könnte, nämlich, dass Herr Neumann heute fehlt.

(Dirk Kienscherf SPD: Er ist krank!)

Jeder Ansatz, der dazu beitragen kann, Unfälle zu verhindern, ist gut. Aber vielleicht sollte die SPD erst einmal selbst einen Sehtest machen, um die Unfallstatistik besser lesen zu können. Das Schwarze sind die Buchstaben und die Zahlen, wenn man sich die genau anschaut,

(Karin Timmermann SPD: Gut, dass wir Sie haben!)

dann stellen Sie fest, dass von 66 000 Unfällen 834 unter Alkoholeinfluss passiert sind, das heißt, 1,26 Prozent aller Unfälle. Bei den Verunglückten liegt die Zahl derjenigen, die bedingt durch Fahren unter Alkoholeinfluss verunglückt sind, bei 3,67 Prozent. Eindeutig zu viel, aber die Hauptunfallursachen sind andere, Herr Dr. Steffen hat es angesprochen. 31 Prozent der Verkehrsunfälle geschehen durch zu schnelles Fahren oder durch zu dichtes Auffahren. An den Punkt gehen Sie nicht heran, denn das können Sie nicht populistisch aufbereiten. Sie haben Angst, dass Sie einen auf die Mütze bekommen, wenn Sie sagen, fahrt langsamer. Das, liebe SPD, ist einfach feige.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Arno Münster SPD)

(Dr. Till Steffen)

Viele haben gefordert, den Antrag an den Verkehrsausschuss zu überweisen. Wenn Sie meinen, Ihr Antrag sei so gut begründet, warum stellen Sie sich dann nicht der Diskussion mit den Fachleuten aus der Behörde im Ausschuss? Der erste Punkt, der Ihnen offenbar wichtig ist, und auch der zweite wird von fast allen Fraktionen, außer von der SPD, nicht mitgetragen. Warum diskutieren Sie das nicht mit uns, warum kneifen Sie? Wahrscheinlich, weil die Zahlen so schlecht sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist wirklich ein Armutszeugnis. Ich bitte Sie zu überlegen, ob Sie den Antrag nicht doch überweisen, denn einiges daran ist meiner Ansicht nach richtig. Überweisen Sie ihn, ansonsten bekommen Sie auch von uns zu Punkt 1 und 2 keine Zustimmung.

(Beifall bei der Linken)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/4018 an den Verkehrsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Die CDUFraktion hat eine ziffernweise Abstimmung beantragt.

Wer möchte den Ziffern 1 und 2 des Antrags aus der Drucksache 20/4018 zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind diese Ziffern angenommen.

Wer stimmt den Ziffern 3 bis 5 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind diese Ziffern einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 41 auf, Drucksache 20/3923, Antrag der CDU-Fraktion: Hamburg als Metropole der Chancen, Morgenstadt: Hamburg soll mitmachen beim Fraunhofer Innovationsnetzwerk zur Erforschung von Stadtsystemen von morgen.

[Antrag der CDU-Fraktion: Hamburg als Metropole der Chancen, Morgenstadt: Hamburg soll mitmachen beim Fraunhofer Innovationsnetzwerk zur Erforschung von Stadtsystemen von morgen – Drs 20/3923 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Prien, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will versuchen, zu vorgerückter Stunde am zweiten Debattentag dennoch Ihre Begeisterung für ein Projekt zu wecken, das den Titel "Morgenstadt" trägt. Das hat weder etwas mit Morgenröte noch mit irgendwelchen Militäroperationen zu tun. Es geht hier um ein Projekt, das zusammen mit dem Verbund der Fraunhofer-Institute im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung entwickelt worden ist. Dieses Projekt soll ein internationales Innovationsnetzwerk begründen, das auf die langfristige Kooperation zwischen Industrie, Forschung und Akteuren in den sogenannten Vorreiterstädten angelegt ist, um Konzepte für die CO2-freie Stadt von morgen zu entwickeln. Es geht darum, von Städten, die eine Vorreiterrolle übernehmen können, Best-Practice zu lernen, um nachhaltige Stadtsysteme aufzubauen und die Herausforderungen einer nachhaltigen Stadtpolitik anzugehen. Das Fraunhofer Verbundprojekt "Morgenstadt: City Insights" ist bereits am ersten Mai dieses Jahres offiziell gestartet worden. Die erste Phase wird mit einer exklusiven Detailund Fallstudie Mitte 2013 abgeschlossen werden. Dafür wird das Fraunhofer-Institut ab Oktober dieses Jahres sechs ausgewählte Modellstädte weltweit bereisen und dort Best-Practice-Beispiele in den sechs Sektoren Mobilität/Energie, Kommunikation, Ressourcen, Planung, Bauen und Regierungshandeln analysieren. Dabei sieht der Zeitplan wie folgt aus. Im Mai soll mit einer viermonatigen Arbeitsphase begonnen werden und im Anschluss mit den Projektpartnern – also mit Städten weltweit, aber besonders mit denen in Deutschland – ein Netzwerk gegründet werden. Ende September soll ein Workshop stattfinden, in dem ein City-Index als Grundlage für die weitere Arbeit vorgestellt wird und die sechs Forschungsstädte ausgesucht werden.

Meine Damen und Herren! Es sollte Hamburgs Ehrgeiz sein, zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerks zu gehören und möglichst eine dieser sechs Vorreiterstädte zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg ist unter den Vorgängersenaten angetreten, um Innovationshauptstadt 2020 zu werden. Trotz vielfacher Ankündigungen des jetzigen Senats ist auf diesem Gebiet jedoch seit dem Regierungswechsel nicht viel geschehen.

(Beifall bei der CDU)

Im Gegenteil, die quälende Debatte um das Schicksal der Innovationsstiftung und die Zukunft der Hamburger Förderlandschaft schaden dem Innovationsklima in unserer Stadt. Nach wie vor verweigert der Senat die Vorlage einer Fachkräftestra

(Heike Sudmann)

tegie und schwächt die Universitäten in unverantwortlicher Weise.

(Beifall bei der CDU)

Im Wettbewerb um das Schaufenster Elektromobilität – wir haben das vor einigen Wochen debattiert – hat der Senat keinen überzeugenden Beitrag vorlegen können, die Einrichtung von Technologieparks kommt nicht voran. Hamburg ist eine Metropole der Chancen, wenn der politische Wille und die Kraft zur Umsetzung gegeben sind. Die Energiewende und die zunehmende Ressourcenknappheit bieten ein riesengroßes wirtschaftliches Potenzial. Man darf im Bereich der Innovation den Anschluss aber nicht verlieren. Forschung und Entwicklung an den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und deren Vernetzung mit der Hamburger Wirtschaft sind dabei die entscheidenden Schlüsselfaktoren zum Erfolg. Die Teilnahme Hamburgs am Projekt "Morgenstadt" im Verbund der Fraunhofer-Institute bietet große Chancen, außeruniversitäre Forschung und Entwicklung nachhaltig voranzubringen und neue Kooperationen einzugehen.

(Beifall bei der CDU)

Das nationale Systemforschungsprogramm Morgenstadt, in dem Forschung, Industrie, Städte und Politik gemeinsam wirken sollen, bietet sich für Hamburg geradezu an, um einen neuen Anlauf zu nehmen und sich als internationale und innovative Stadt zu positionieren. Hier geht es darum, neue Wertschöpfungspotenziale für die Wirtschaft zu schaffen und attraktive Arbeitsplätze zu kreieren. Morgenstadt ist auch ein wichtiger Baustein in einem zukunftsorientierten Fachkräftekonzept. Ein solches Projekt hat es in dieser Form bisher nicht gegeben, und wir müssen aus unserer Sicht gemeinsam dafür stehen, vorn mit dabei zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Der Beitritt zum Netzwerk Morgenstadt müsste allerdings schnellstmöglich erfolgen, um überhaupt noch Einfluss auf die Gestaltung des Forschungsdesigns nehmen zu können. Es wäre geboten, in den nächsten Wochen – im Juni findet die Netzwerkgründung statt – wirklich mit dabei zu sein. Die Angelegenheit auf die lange Bank zu verschieben, wird uns nicht weiterbringen. Hamburg sollte seine guten Chancen wahren, als eine der sechs Weltstädte in diese Auswahl zu gelangen, zumindest aber von dem Netzwerk zu profitieren. Die Chancen für Hamburg sind gut. Die Klimapolitik der Vorgängersenate ist Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung, die Auszeichnung als europäische Umwelthauptstadt wurde uns verliehen. Wir sind damit – oder waren zumindest – im Klimaschutz gut aufgestellt. Clusterstrukturen, Innovationsallianz und Innovationsstiftung, aber auch der Hafen und die HafenCity bieten eine gute Basis, sich international zu positionieren. Ich fordere Sie,

meine Damen und Herren vom Senat und die Fraktionen dieses Hauses, daher auf, für dieses Projekt einzustehen und nach dem Scheitern der Bewerbung für das Schaufenster Elektromobilität nun die Chance zu ergreifen und in Sachen Innovation wieder die Zügel in die Hand zu nehmen. Lassen Sie uns gemeinsam überzeugend für dieses Projekt votieren und ein deutliches, selbstbewusstes Zeichen setzen. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Schmidt, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Forschung, Planung und Entwicklung der Stadt von morgen ist ein spannendes Feld, keine Frage, und Hamburg als schönste Stadt der Welt war, ist und wird immer weit vorn sein, wenn es um die Entwicklung modellhafter Pilotprojekte geht.

(Beifall bei der SPD)

Wie kann eine immer internationalere Stadtgesellschaft ihre Kraft entfalten? Welche städtebaulichen Möglichkeiten stecken in den Grenz- und Übergangsorten der Metropolen? Wie kann man Wachstum und Nachhaltigkeit verbinden? Sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, ist richtig und sinnvoll. Jetzt aber, liebe CDU, verrate ich Ihnen ein Geheimnis. Das findet bereits statt. Das ist nämlich der Auftrag eines der größten Projekte, das zurzeit in dieser Stadt läuft. Warum – das ist meine Frage an Sie – klammern Sie in Ihrem Antrag das Thema IBA Hamburg komplett aus? Das ist uns vollkommen schleierhaft.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Richtig!)

Warum wollen Sie 75 000 Euro für ein Forschungsprojekt ausgeben, bei dem ähnliche Fragestellungen wie bei der IBA beleuchtet werden sollen? Das ist uns ebenfalls vollkommen schleierhaft. Sie wollen ein Projekt anstoßen, das sehr akademisch daherkommt, während in Wilhelmsburg bereits konkrete Projekte der IBA im selben Zeitraum – wir reden hier von einem Zeitraum bis Ende 2013 – erlebbar sind. Aber wir sind natürlich lernfähig und lassen uns gern von Argumenten überzeugen. Deshalb haben wir angekündigt, dass wir das Thema an den Ausschuss überweisen werden. Im Wirtschaftsausschuss können Sie uns dann sicher erklären, welchen Added-Value zur IBA Hamburg dieses Projekt ergeben soll. Wir hoffen, dass sie darlegen können, dass es sich nicht nur um eine Beschäftigungstherapie für Mitarbeiter der Verwaltung handelt und dass die 75 000 Euro vielleicht doch sinnvoll angelegt werden. Deswegen wollen

(Karin Prien)

wir den Antrag im Ausschuss beraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Tjarks, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Innovationsfähigkeit Hamburgs sowie eine effektive und effiziente Innovationsförderung sind Grundvoraussetzung für unsere wirtschaftliche Entwicklung. Der Hamburger Senat hat das Thema Innovation prominent belegt, indem er eine Behörde für Innovation geschaffen hat und indem er das Ziel formuliert hat, Hamburg zu einer Innovationshauptstadt in Europa zu machen. Nun ist es bei diesem Senat mit den Hauptstädten so eine Sache. Zum einen hieß es, wir wollen die Welthauptstadt der Windenergie werden, wir waren die europäische Umwelthauptstadt, was eine offizielle Auszeichnung für konkrete ehrgeizige umweltpolitische Ziele bedeutete. Das war ein Beispiel dafür, wie man vorn mitspielen kann. Wenn man die Innovationshauptstadt so ernst nimmt wie die Umwelthauptstadt, dann klappt das nicht.

(Beifall bei der GAL)

Deswegen sollten wir uns den Antrag der CDU ein wenig näher ansehen, denn wenn man den Senat fragt, was sich eigentlich hinter seinem Begriff von Innovation verbirgt, dann ist das die Steigerung des Bekanntheitsgrades der Freien und Hansestadt Hamburg, die Spitzenposition bei Einkommen und eine hohe Beschäftigung. Das ist zwar nicht verkehrt, aber auch nicht besonders viel. Vor allen Dingen ist es nicht innovativ, es ist sogar verdammt altbacken. Es hat nichts zu tun mit einem Wachstumsbegriff, der innovativ wäre, es fehlt jede Innovation hin zu mehr Lebensqualität, jede Innovation, die beispielsweise die Kreativwirtschaft leisten kann oder gar in der Kunst gefordert wird, jeder Innovationsbegriff jenseits von Technologie. Wenn der Erste Bürgermeister einen Meinungsbeitrag zum Buch "Triumph der Stadt" schreibt und sagt, wir sollten jetzt in die Höhe wachsen, dann reicht das als Innovation für die Zukunft der Stadt nicht aus.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Andy Grote SPD: Aber schaden kann das Lesen auch nicht!)