Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

(Christiane Schneider DIE LINKE: Grüne!)

weil sie gesagt hat, dass sie eine Sache nennen könne, wie wir in der Lage seien, diese finanziellen Probleme zu lösen, indem man nämlich den Hamburger Hafen und die wirtschaftspolitischen Aufgaben dort nicht mehr wahrnimmt. Man sollte unter anderem die Hapag-Lloyd-Anteile nicht kaufen. Ich halte das für wirtschaftspolitischen Kinderkram, der dort angedacht wird, aber es ist immerhin noch ein Vorschlag, was man hier tun könnte.

(Zuruf von Finn-Ole Ritter FDP)

Ansonsten gibt es keinen Vorschlag. Ich will Ihnen sagen, worin das Problem eigentlich liegt. Wir haben eine Gesellschaft – auch das wurde eben in der Debatte festgestellt –, die mehr Anforderungen an den Staat hat. Das zeigte nicht nur die Wirtschaftskrise. Das zeigt auch die Situation, die wir gegenwärtig an den Schulen haben, zum Beispiel der multiethnische Unterricht, der dort notwendig ist. Wir haben staatlicherseits höhere Anforderungen durch Familien, die auseinanderfallen. Wir wissen genau – Herr Scheele hat es auch gestern aufgezählt –, wie viele zusätzliche Aufgaben wir im Sozialbereich haben, und zwar nicht, weil dort irgendein Unsinn gemacht wird, sondern weil die Anforderungen in der Gesellschaft da sind. Aber Sie gehen darüber hinweg und sagen, es wären

ambitionierte Aufgaben, dies alles zu kürzen. Das geht nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Andy Grote SPD: Können Sie mal eine verantwortliche Kür- zung aus Ihrer Sicht nennen?)

Sie sind in dieser Hinsicht unverantwortlich. Dann kommt immer der schöne Verweis auf Griechenland und ob nicht auch hier der Behördenapparat völlig aufgebläht sei. Er ist es nicht, denn alle, die sich den Behördenapparat ansehen, wissen,

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Er ist zu klein!)

dass in den letzten 15 bis 20 Jahren dort Kürzungspolitik betrieben wurde und die Situation insgesamt sehr schlank worden ist, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Es gibt eher das Problem, dass die gesellschaftlichen Aufgaben durch die Behörden nicht erfüllt werden können. Dazu kommt, dass die Beschäftigten durch die Kürzungspolitik, besonders auch im letzten Jahr, finanziell zur Ader gelassen worden sind. Das heißt, auch dieser Bereich kann nicht herangezogen werden zu weiteren Kürzungsaufgaben.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)

Nun warten Sie doch ab, es kommt noch alles.

Ich halte auch die Idee, 250 Vollzeitstellen zu reduzieren, für unglaublich. Dabei hatte der Rechnungshof schon ausgerechnet, dass es real 950 Stellen sind. Aufgrund der Tarifsteigerungen, die ausgehandelt und festgelegt worden sind mit der Gewerkschaft, sind wir in einem Bereich von über 1000 Stellen, die dort in den nächsten Jahren jährlich reduziert werden sollen.

Wo sind Sie denn, dass Sie glauben, das durchsetzen zu können? Und was meinen Sie denn, was in dieser Gesellschaft übrigbleibt, wenn Sie dieses Projekt so durchsetzen?

(Beifall bei der LINKEN)

Dementsprechend unterstütze ich den DGB völlig in dem Punkt,

(Finn-Ole Ritter FDP: Na, jetzt aber!)

dass wir ohne strukturelle Einnahmeverbesserungen – nicht irgendwelche kleinen Sicherungen, die Sie hier einschieben – nicht in der Lage sein werden, eine Schuldenbremse vernünftig einzuführen. Diese strukturellen Einnahmeverbesserungen müssen eine wichtige Aufgabe sein. Daher fordere ich Sie – gerade innerhalb der SPD – dazu auf, dieses Problem zu lösen. Wir werden sonst nicht in der Lage sein, diese Schwierigkeiten lösen zu können.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Wir brauchen eine Mehrheit im Bundestag!)

Wir werden sehen, wie wir das in gewisser Weise hinbekommen können. Aber wenn das so ist, was bedeutet das politisch, was Sie gegenwärtig mit der Schuldenbremse machen? Ich will es vor allem auch der GAL sagen, die immer versucht, bei sozialen Bewegungen mitzumachen. Politisch bedeutet die Schuldenbremse nichts anderes, als dass Sie diese Umverteilung, die in den letzten Jahren von unten nach oben zugunsten der Vermögenden mit der Entlastung riesiger Milliardenbeträge stattgefunden hat, jetzt auf regionaler Ebene durchsetzen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde das unvorstellbar. Wie wollen Sie da irgendeine Occupy-Bewegung mitnehmen, die sagt, dass 99 Prozent zugunsten von 1 Prozent darunter leiden? Ich weiß, dass Sie es politisch mit durchgesetzt haben.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Hajduk?

Sehr geehrter Kollege Hackbusch! Ist es nicht auch einmal eine Ereiferung wert, sich zu überlegen, wer eigentlich der Profiteur der hohen Staatsverschuldung ist, gerade mit Blick auf Ihre große Arm/ Reich-Diskussion? Ist es nicht so, dass öffentliche Ausgaben für alle eingeschränkt werden durch hohe Zinsen an Kapitalbesitzer? Haben Sie sich diesen Zusammenhang schon einmal überlegt? Dann überdenken Sie noch einmal Ihre Argumentation.

(Beifall bei der GAL, der SPD und der FDP)

Die Frage ist völlig berechtigt und die Antwort ist auch relativ einfach. Die Situation führt dazu, dass eine hohe Verschuldung schlecht ist für diejenigen, die normal arbeiten, und gut für diejenigen, die vermögend sind und Zinsen erhalten. Das ist aber keine Begründung für das, was ich eben gesagt habe, dass diese riesige Umverteilung, die über die letzten Jahre stattgefunden hat und an der Sie sogar als Bundestagsabgeordnete beteiligt waren, dass die riesigen Vermögen in diesem Land so gut gestellt worden sind, dass es dort eine Explosion der Gewinne gegeben hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Das jetzt damit zu verteidigen, ist kurzsichtig und ein Trick, den Sie hier formulieren. Es geht um eine gesellschaftliche Umverteilung und diese gesellschaftliche Umverteilung ist die Aufgabe der nächsten Monate und Jahre. Es gibt diesbezüglich

noch Hoffnung – Sozialdemokratie, warum seid Ihr so zaghaft? –, Hollande zeigt einen Weg auf, das machen zu können. Wir müssen diese Veränderung durchführen, ansonsten läuft das falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wirtschaftspolitisch ist das hier noch ein Proseminar, erstes Semester, der neoklassischen Wissenschaften nach dem Motto, die hohe Verschuldung sei gegenwärtig das Problem. Wir haben das Problem, dass es eine Solidität des wirtschaftlichen Wachstums und der wirtschaftlichen Situation nur dann gibt,

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

wenn es einigermaßen solide Haushalte gibt, die groß genug sind und nicht so klein geschmurgelt werden, wie Sie das durch Ihre Verfassungsänderung gegenwärtig machen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die Aufgabe der nächsten Zeit. Wir brauchen einen kräftigen Staat, ohne ihn geht es nicht. Wir können die Aufgaben dieser Gesellschaft nicht ohne ihn lösen und wir können keine Gerechtigkeit herstellen. Beides läuft bei der Schuldenbremse, die Sie gegenwärtig planen, schief. Mit Hollande und mit Griechenland ist die Geschichte auf der Seite der Linken, und Sie werden sich noch wundern, was mit Ihnen geschieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Tschentscher hat das Wort.

Frau Präsidentin! Wenn man mit einer Schuldenbremse der Haushaltskonsolidierung Verfassungsrang gibt, dann ist das ein ernster und bedeutsamer Schritt, und das zunächst einmal unabhängig von der Frage, ob das mit der Jahreszahl 2020 oder 2015 verbunden ist. Das Parlament bekennt sich damit nämlich, stellvertretend für die Stadt, mit großer Mehrheit zu der Erkenntnis, der Forderung, der Einsicht und der Verantwortung, nicht weiter zulasten der Zukunft zu wirtschaften. Dieser wichtige Schritt hat rechtliche, aber auch symbolische, politische und praktische Bedeutung, zum Beispiel für die Haushaltsplanungen, aber auch für Fragen wie das Rating der Länder, die ganz praktisch eine Wirkung auch auf die Refinanzierungskosten der Stadt haben werden.

Auf der zweiten Seite der Medaille steht aber ein praktisches Problem, das wir mit Paragrafen oder Verfassungsartikeln nicht lösen. Eine gesetzliche, vor allem aber eine verfassungsrechtliche Vorgabe muss zwingend eingehalten werden und sollte deshalb auch einhaltbar sein, ohne zwangsläufig große Schäden auszulösen. Um diese Frage zu

(Norbert Hackbusch)

beurteilen, muss man sich die Mühe machen, die Verfassungsregelung auf die praktische Haushaltsplanung herunterzubrechen. Wer sich diese Mühe nicht macht, geht nicht ernsthaft mit der Haushaltskonsolidierung und auch nicht ernsthaft mit der Verfassung um. Vor diesem Hintergrund – ich will mich jetzt nicht in die vielen Einzelpunkte einmischen, die das Parlament diskutiert und die aktuellen Bezug haben – halte ich den Vorschlag, der heute voraussichtlich eine Zweidrittelmehrheit bekommt, für besser als die Alternative, die zur Abstimmung steht. Es wird schwer genug werden, den Weg, der dort gezeichnet wird, einzuhalten. Es ist eine gemeinsame Aufgabe und der Senat wird jedenfalls alles dazu beitragen, dass es gelingt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GAL)

Herr Heintze, Sie haben das Wort.

Es sind ein paar Dinge gesagt worden, die so a) nicht stehen gelassen werden können und b) nicht stimmen. Aber ich bin dem Senator für seinen – wenn auch kurzen – Beitrag sehr dankbar, da er hier eines widerlegt hat, nämlich eine Suggestion, die Frau Hajduk versucht hat aufzubauen. Frau Hajduk hat vorgeschlagen, diese Schuldenbremse doch einmal aus dem konkreten Raum der politischen Diskussion herauszunehmen und sie abstrakt zu betrachten. Frau Hajduk, die Schuldenbremse 2020 ist in Ihrer Regierungszeit mit Ihnen verantwortet worden, Landeshaushaltsordnung 2013. Die Zeiten, in denen wir abstrakt über Schuldenbremse und die Hinführung zur Schuldenbremse diskutieren konnten, sind mitnichten vorbei. Der Beschluss der Schuldenbremse hat praktische Auswirkungen und so, wie Sie in Ihrem Beitrag vorgegangen sind, machen Sie sich einen verdammt schlanken Fuß nach dem Motto: Lasst Sie doch streiten, wir haben das damals mitbeschlossen und dann gucken wir einmal.

(Beifall bei Thilo Kleibauer und André Tre- poll, beide CDU – Anja Hajduk GAL: Das stimmt doch gar nicht!)

Die Schuldenbremse – da hat der Senator recht – ist haushaltspolitische Realität, egal, welches Datum hier heute beschlossen wird.

(Zurufe von Dr. Andreas Dressel SPD und Jens Kerstan GAL)

Jetzt kommen wir zu der Mär, Herr Kerstan, 2013 sei die Abschaffung schon vorbereitet worden. Es mag sein, dass der Senat aufgrund der Krisensituation 2009 und 2010, die wir uns jetzt bitte einmal vor Augen führen müssen, gesagt hat, bei dieser Regelung in der Landeshaushaltsordnung, die es gab, bestehe ein Handlungserfordernis. Ich sa

ge Ihnen aber auch eines sehr klar, und ich weiß nicht, ob dieser Teil der Debatte um diese Senatsvorlage damals an der GAL-Fraktion vorbeigegangen ist: Die CDU hat zu jedem Zeitpunkt deutlich signalisiert, es möge an Senatsvorlagen kommen, was da wolle, sie werde im Parlament auch gegen den Widerstand in den eigenen Regierungstruppen für diese Schuldenbremse 2013 in der Landeshaushaltsordnung kämpfen. Die Fraktion steht dazu und seien Sie sicher, dass diese Senatsvorlage in diesem Parlament nicht die Stimmen der CDUFraktion bekommen hätte. Also hören Sie bitte auf mit der Geschichtsdeuterei aus Ihrer Sicht.

(Beifall bei der CDU)