Protokoll der Sitzung vom 15.08.2012

Meine Damen und Herren! Wir sanieren den Haushalt und modernisieren die Stadt. Wir sanieren unsere Schulen, Straßen und überschuldete Sondervermögen und schaffen die flächendeckende Ganztagsbetreuung in Grundschulen. Wir machen Hamburg zum Zentrum der Energiewende. Die Beteiligung an den Netzen sowie die Vereinbarungen mit den großen Energieversorgern sind dafür zentrale Bausteine. Wir schaffen eine Investitionsbank, die über Kleinkreditprogramme kleine und mittlere Betriebe und damit Innovationen effektiver fördern wird. Wir gestalten eine moderne Metropole. Eine moderne Metropole braucht eine gute und für jeden, der diese benötigt, ganztägige Betreuung für Kinder.

(Olaf Ohlsen CDU: Hör doch mal auf, das kann man ja nicht mehr hören!)

Eine moderne Metropole braucht keine Gebühren auf Bildung und Studium.

(Beifall bei der SPD)

Eine moderne Metropole braucht mehr und bezahlbare Wohnungen, und eine moderne Metropole braucht für all das gesunde Finanzen. Wir sind mit diesem Haushaltsplan-Entwurf auf einem guten Weg dorthin.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Nun hat Frau Hajduk das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Haushaltseinbringung für den Doppelhaushalt 2013/2014 findet unter neuen und auch besonderen Bedingungen statt. Diesmal beraten wir einen Haushalt vor dem Hintergrund einer neuen Verfassung. Die Verabschiedung der Schuldenbremse im Juni dieses Jahres liegt noch nicht so weit zurück. Die Schuldenbremse, die im Finanzbericht des Senats einen großen Raum einnimmt, haben wir mitverhandelt und mitgetragen, und deswegen tragen wir auch das damit verbundene moderate Ausgabenwachstum für die nächsten Jahre, die damit verbundene Langfristperspektive und die vorsichtige Einnahmeentwicklung mit. Dieser Haushalt findet aber nicht nur unter den neuen rechtlichen Rahmenregelungen statt, sondern auch unter weiterhin recht günstigen Bedingungen für den Haushalt, unter einer enorm positiven Entwicklung der Steuereinnahmen, die schon im letzten Jahr deutlich gewesen ist und die sich

dieses Jahr fortsetzt. Wir haben weiterhin verhältnismäßig geringe Ausgaben bei den Zinsen, will sagen, dass die Zinssätze aktuell günstig sind. Diese positiven Bedingungen können dazu verleiten, dass man denkt, dass das schon alles läuft und in Ordnung ist. Man könnte vergessen, die Risiken zu erkennen, die in diesem Haushalt stecken. Ich will in dieser Einbringungsdebatte auf die wesentlichen großen Punkte eingehen, die uns auffallen. Wir halten die Risiken, die in diesem Haushalt stecken, schon für sehr, sehr groß.

(Beifall bei der GAL)

Beim ersten Punkt, den ich ansprechen will, geht es um Risiken bei den städtischen Beteiligungen. Finanzsenator Dr. Tschentscher ist selber darauf eingegangen und hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir noch mit hohen Risiken zu kämpfen haben, was die Entwicklung bei der HSH Nordbank angeht. Und wenn man sich die Entwicklungsperspektive bei den städtischen Beteiligungen, zum Beispiel bei der HGV, anschaut, speziell die Entwicklung des Verlustausgleichs, dann müssen wir feststellen, dass die Zahlen, ausgehend von einem Verlustausgleich, den wir aus dem Haushalt finanzieren müssen – 68 Millionen Euro in 2011 – stetig ansteigen: 87 Millionen Euro in 2012, 89 Millionen Euro in 2013, über 90 Millionen Euro in 2014. Die HGV hatte vor einigen Jahren noch eine Nulllinie da stehen, und diese Entwicklung gibt Anlass zur Sorge, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Verlustausgleich von 91 Millionen Euro im nächsten Jahr eine Dividendenzahlung von Hapag-Lloyd in der Größenordnung von 35 Millionen Euro und eine Dividendenausschüttung der HHLA von 30 Millionen Euro unterstellt.

(Jörg Hamann CDU: Sehr realistisch!)

Man braucht keine Prophetin zu sein, um zu sagen, dass der Verlustausgleich der HGV schon im nächsten Jahr über die 100-Millionen-Grenze springen wird. Und das 35-Millionen-Euro-Risiko, das bei Hapag-Lloyd drinsteckt, haben Sie und dieser Senat aus unserer Sicht unnötig ausgeweitet. Gerade vor dem Hintergrund der Risiken bei der HSH Nordbank hätten wir uns bei Hapag-Lloyd zurückhalten sollen, um uns nicht zusätzliche Risiken einzuhandeln, auf die dieser Senat politisch keinen Einfluss nehmen kann.

(Beifall bei der GAL, der CDU und der FDP)

Wir haben schon darüber gestritten, dass diese Investition große Risiken birgt. Gestern ist das mit der Vorlage des zweiten Quartalsberichts leider mehr als deutlich geworden. Wir haben nicht nur ein 15-Millionen-Euro-Zinsrisiko für die zusätzliche Hapag-Lloyd-Beteiligung, sondern ein komplettes Ausfallrisiko von 35 Millionen Euro bei der Dividende. Das war eine falsche Investitionsentscheidung des Senats und das ist kein gutes Zukunftsprogramm für Hamburg.

(Jan Quast)

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Kommen wir zu einem weiteren Bereich, der in diesem Haushalt sehr kritisch ist – die Beteiligungen im dreistelligen Millionenbereich habe ich gerade angesprochen –, dem Bereich der Investitionen des Haushalts. Ich habe einen Vergleich angestellt, wie es eigentlich gewesen ist mit den Investitionen in der vorherigen Legislaturperiode. Wenn Sie dort die Investitionsplanungen von 2008 bis 2011 addieren – ich habe dieses Überschneidungsjahr einmal der alten Periode zugeschlagen –, dann kommen Sie auf eine Summe von 4,9 Milliarden Euro. Das heißt, im Durchschnitt haben wir pro Jahr mehr als 1,2 Milliarden Euro investiert. Die Ist-Zahlen weichen nicht groß davon ab, ich glaube, sie sind in Teilen sogar höher. Wenn Sie sich vergleichsweise die Investitionsplanungen des SPD-Senats von 2012 bis 2015 anschauen – 2011 war identisch, sowohl die SPD-Planung als auch die schwarz-grüne, damit da keine Fragezeichen entstehen –, dann kommen wir auf 3,4 Milliarden Euro, das heißt, im Durchschnitt auf 857 Millionen Euro. Wir haben es also mit einer Rückführung der Investitionen von über 1,2 Milliarden Euro auf rund 850 Millionen Euro zu tun. Das heißt, wir haben eine substanzielle Veränderung in der Finanzplanung dieser Stadt, die man auch so ausdrücken kann: Investitionen minus 30 Prozent.

Da muss man zu Recht einmal überlegen, ob das eine kluge Strategie ist. Der Bürgermeister hat doch auch den Anspruch erhoben, gerade bei der Haushaltspolitik in langfristigen Perspektiven zu denken. Da sage ich ganz deutlich: Diese dramatische Rückführung der Investitionen ist nicht gut für die Zukunft der Stadt. Ich erwähne das hier, weil ich auch schon häufig die Kritik aus der SPD-Fraktion gehört habe, dass in den letzten Jahren immer irgendwelche Leuchtturmprojekte finanziert worden seien. Ich glaube, Sie sitzen da langsam einer Fehleinschätzung auf. Wir leben heute noch ganz gut mit großen Investitionsentscheidungen, die vor einigen Jahren getroffen worden sind, wenn man an IBA und igs denkt, wenn man an Deckelplanungen und andere Dinge denkt.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe bei Ihnen den Eindruck, dass Sie sich auf den Entscheidungen der Vorgängerjahre ausruhen und einen Investitionsplan für die Zukunft entwickeln, der mit einer Quote von 7 Prozent weit zu gering ist.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich möchte noch erwähnen, dass der Schulbau bei diesem Vergleich keine verzerrende Rolle spielt. Er war sowohl zu schwarz-grüner Zeit als auch heute jenseits dieser Planungen. Von daher hat das nicht verzerrend auf diesen Vergleich Einfluss genommen.

Ich komme beim Thema Investitionen noch einmal auf das Sanierungsprogramm zu sprechen, weil das immer wie so eine Art Erklärungsmuster für Investitionen à la SPD ist. Was Sie da hervorzaubern wollen, ist für mich der Gipfel der Frechheit.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Dieses Sanierungsprogramm ist im Finanzbericht für meine Begriffe relativ lieblos dargestellt, denn es hat keine einheitliche Systematik.

(Dirk Kienscherf SPD: Müssen wir nächstes Mal Bilder machen!)

Man kann überhaupt nicht erkennen, welche Investitionen schon seit Ewigkeiten in der Finanzplanung sind und was wirklich ganz neu ist. Mein Tipp ist, das "ganz neu" wird ganz wenig sein, aber ich will Ihnen eine Sache einmal ganz klar vorrechnen. Der Vorgängersenat hat gegen Ende der Koalition einen Sanierungsfonds Infrastruktur aufgelegt. Er wurde insbesondere wegen der damaligen Diskussion um Straßensanierungen und andere Sanierungsprogramme aufgelegt, die aufgestockt wurden. Dieser Sanierungsfonds Infrastruktur ist durchgeschrieben in der alten Finanzplanung, wenn wir mal nur die Zahlen von 2012 bis 2016 nehmen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ausfinanziert war er nie!)

Das stimmt so nicht, das sind ganz normale Finanzplanungen gewesen mit 170 Millionen Euro.

Sie haben genau diesen Sanierungsfonds in demselben Zeitraum jetzt zusammengestrichen auf 100 Millionen Euro und rühmen sich öffentlich, dass Sie Sanierung als eine Schwerpunktaufgabe betreiben. Das ist doch der Gipfel der Frechheit.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Herr Dr. Dressel, man kann das nur als Schwerpunkt bezeichnen, was Sie machen – diese Rückführung von 170 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro –,

(Olaf Ohlsen CDU: Unglaublich!)

wenn man es normal findet, dass man die Investitionen sowieso zusammenstreicht. Das ist Ihre Politik.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich möchte aber noch auf einen dritten Bereich kommen, den wir als Risikopunkt in diesem Haushalt sehen, und der wird uns noch sehr intensiv während der Haushaltsberatungen begleiten. Der SPD-Senat hat entschieden, die zentrale Reserve für Tariferhöhungen abzuschaffen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Oh, oh!)

Der Bürgermeister hat im letzten Jahr einen Brief an die Spitzenorganisation der Gewerkschaften

geschickt, indem er eine Garantieerklärung abgegeben hat – das muss man sich an dieser Stelle in Erinnerung rufen –, zukünftig die Tarifverhandlungsergebnisse mit der TDL in jedem Fall auf den Beamtenbereich zu übertragen. Wenn man sich jetzt diesen Brief in Erinnerung ruft und weiß, dass die SPD die zentrale Reserve für Tariferhöhungen streicht – die bisher eingestellte Reserve hat 1,5 Prozent –, dann muss man sich einmal überlegen, wo wir ungefähr landen werden mit den Tarifverhandlungen 2013/2014. Das ist ab dem 1. Januar alles zu erwarten und wird gültig sein.

Nehmen wir einmal als Vergleichsmaßstab das aktuelle Ergebnis, das für den Bund und die Kommunen ausverhandelt wurde. Meiner Erinnerung nach waren das 3 Prozent pro Jahr. Wenn jetzt also zusätzlich zu erwarten ist, dass es im nächsten Jahr eine erfolgreiche Tarifverhandlung gibt – davon gehen wir natürlich alle aus –, dann ist es ganz seriös, heute zu sagen, dass die Tariferhöhung wahrscheinlich ähnlich hoch ausfallen wird und damit doppelt so viel wie das eingeplante 1,5-Prozent-Polster. Rechnen wir doch einmal aus, was das eigentlich heißt, wenn eine zusätzliche Tariferhöhung dann dezentral in den Behörden durch Einsparungen erreicht werden muss. Das heißt, es müssen 55 Millionen Euro über den Kernhaushalt der Stadt im Personalbereich eingespart werden. Eigentlich ist es klar, dass ein Bürgermeisterversprechen gehalten werden muss. Hier kann man sagen, dass das Bürgermeisterversprechen zu einem Streichautomatismus mutiert, ohne ein konkretes Konzept zu liefern und ohne dafür Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Finn- Ole Ritter FDP)

Ich kann das noch ein wenig deutlicher machen. Für die Schulbehörde bedeutet dies Einsparungen im Personalbereich von 20 Millionen Euro. Das entspricht der Größenordnung von 400 Lehrerstellen. Wir wissen alle, dass die Schulbehörde gar nicht so eine große Verwaltung jenseits der Lehrerstellen hat, dass sie das ohne weiteres erbringen könnte. Es bedeutet im Hochschulbereich, was dann auf Universitäten und andere zukommt, Einsparungen im Doppelhaushalt allein bei der Universität in einer Größenordnung von 10 Millionen Euro. Das kann man ungefähr gleichsetzen mit 31 Lehrstühlen; Professoren plus Arbeitsbereich wären dann weg.

Man kann sich auch einmal überlegen, was dies für den Kita-Bereich bedeutet. Kita-Politik ist ja immer das Beglückungsprogramm für alle laut SPD.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ist auch richtig!)

Was muss da noch gemacht werden, wie sollen die Entgelte bezahlt werden und was muss dort verhandelt werden gemäß Landesvertrag? Herr Scheele hatte gesagt, dass eine Steigerung von

mehr als 0,88 Prozent vorgenommen würde, aber nicht mehr. Das bedeutet auch dort ein Einsparvolumen von 11 Millionen Euro.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Es wird dann mit der Qualität in den Kitas nicht so gut weitergehen.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Finn- Ole Ritter FDP)

Diese Beispiele machen deutlich, dass der Senat in seinen Haushaltsberatungen mit der Entscheidung, das Risiko für Tariferhöhungen zu dezentralisieren, nichts anderes getan hat, als sich vor einem ehrlichen, transparenten Haushalt zu drücken.