Protokoll der Sitzung vom 29.08.2012

In diesem Sinne fordern wir vom Senat in der Tat, die Argumente aus Moorburg ernst zu nehmen. Wir nehmen auch die Ängste ernst, die die Unterbringung der ehemaligen Sicherungsverwahrten hervorruft, aber wir übernehmen sie nicht. Wir wollen uns vielmehr rational und besonnen mit diesen Ängsten auseinandersetzen und davor kneifen die CDU und auch die FDP.

Ich schließe mit dem Appell, dass auch die ehemaligen Sicherungsverwahrten eine verlässliche Perspektive und die Chance erhalten, ein neues Leben zu beginnen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Senator Scheele, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! Am Freitagnachmittag sind Frau Senatorin Schiedek, Herr Senator Neumann und ich gemeinsam nach Moorburg gefahren, um mit dem Gesprächskreis Moorburg über

(Christiane Schneider)

die ab Herbst geplante Unterbringung von ehemals Sicherungsverwahrten zu sprechen. Es war ein gutes und offenes Gespräch und wir wollten, dass die Moorburger direkt vom Senat über die Pläne der Unterbringung informiert werden und nicht aus den Medien. Wir stehen selbstverständlich für einen weiteren Dialog mit den Moorburgern bereit. Dieser ist bereits vereinbart, und Sonntagabend waren Herr Neumann und Staatsrat Pörksen spontan noch einmal dort, nachdem der Runde Tisch zusammengetreten war und uns gebeten hatte, vorbeizukommen. Selbstverständlich kommen wir dann, wenn darum gebeten wird, auch spontan am Sonntagabend; das haben Herr Neumann und Herr Pörksen getan, darauf will ich einmal hinweisen.

(Beifall bei der SPD)

Die Unterbringung ehemals Sicherungsverwahrter ist ein sensibles Thema. Die mediale Aufmerksamkeit ist enorm und das macht die Suche nach einem geeigneten Standort nicht einfacher. Der Senat hat sich dieses Thema ebenso wenig wie der Vorgängersenat ausgesucht. Es steht nicht im Regierungsprogramm der SPD.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Ausnahmsweise mal nicht!)

Aber die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sowie die darauffolgende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellen uns vor die Aufgabe, diese Menschen unterzubringen. Vor knapp einem Jahr haben wir beschlossen, die Unterbringung in Jenfeld durchzuführen. Das war von vornherein befristet geplant, und wir haben im Dezember in Jenfeld zugesagt, zum 30. November 2012 fortzugehen. Das tun wir, wir halten Wort gegenüber den Jenfelderinnen und Jenfeldern.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU, insofern dürfte es Sie nicht verwundern, dass wir nach anderen Standorten gesucht haben. Dieser Senat hält sich an seine Zusagen.

Lassen Sie mich ein paar Sätze zur Standortsuche sagen. Diese ist nicht einfach. Wir waren auf ein öffentliches Gebäude angewiesen, und das sind meist große Wohnprojekte mit zu dichter Besiedelung, die ungeeignet sind und die Auswahl einschränken. Neben dem Gebäude in Moorburg haben wir 13 weitere Objekte durch Besichtigung vor Ort als mögliche Alternativen geprüft. Diese waren aber nicht in gleicher Weise geeignet. Darunter waren drei Objekte in Bahrenfeld, zwei in Heimfeld und in Kirchwerder und jeweils ein Objekt in der Altstadt von Altona, in Niendorf, Langenhorn, Horn, Billwerder und Gut Moor.

Ich möchte Ihnen sagen, nach welchen Auswahlkriterien wir vorgegangen sind. Wir haben ein abgegrenztes, eingegrenztes Gelände mit einem ei

genen Gebäude beziehungsweise einer Wohngruppe in einem Gebäude gesucht; es sollte überschaubar sein. Für die ehemals Sicherungsverwahrten brauchen wir privaten Wohnraum sowie Gemeinschaftsräume für die Betreuung und die Polizei. Es sollte eine Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz geben, denn zur Rückkehr ins gesellschaftliche Leben gehört auch Mobilität. Und natürlich spielte das Kriterium soziale Verträglichkeit eine wichtige Rolle. Insbesondere sollte sich in unmittelbarer Nähe keine Kita oder Schule befinden, denn wir haben in Jenfeld die Erfahrung gemacht, wie das diskutiert wird. Dann haben wir uns für Moorburg entschieden, da die Kriterien hier am besten erfüllt wurden und deshalb aus Sicht des Senats als geeignet anzusehen war. Es handelt sich um ein abgegrenztes Gelände und in dem Haus können sowohl privater Wohnraum als auch Gemeinschaftsräume eingerichtet werden. Weil es sich um eine ländliche Gegend handelt und es nur wenige Nachbarn gibt, ist auch das Kriterium soziale Verträglichkeit mit Blick auf Kindertageseinrichtungen und Schulen in der Nähe gesichert.

Mir ist klar – und wir erwarten auch nichts anderes –, dass dies vor Ort anders bewertet wird.

(Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

Bitte, Herr Müller.

Herr Senator, Sie haben jetzt wiederholt, was Sie einer großen Tageszeitung über Ihre Kriterien mitgeteilt haben. Die Menschen in Moorburg interessiert aber, wie sich diese Kriterien bei anderen Standorten verhalten. Das ist ein entscheidender Punkt, der dazu führen könnte, dass die Akzeptanz steigt.

(Zuruf aus dem Plenum: Was war die Fra- ge?)

Die Frage habe ich verstanden und kann sie auch beantworten.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Alles ist in Ordnung, der Abgeordnete darf auch eine Zwischenbemerkung machen. Fahren Sie fort, Herr Senator.

Ich will das gern beantworten. Wir haben dem Gesprächskreis zugesagt, dass die Staatsräte Herr Kleindiek aus der Justizbehörde und Herr Pörksen aus der Sozi

(Senator Detlef Scheele)

albehörde an den Runden Tischen im kleinen Kreis detailliert Auskunft geben, wie wir vorgegangen sind und welche anderen Standorte möglich waren. Man kann das nicht an die große Glocke hängen, aber so kann man das machen und dazu haben wir uns entschieden.

Aber wenn jetzt Forderungen erhoben werden, man hätte die Suche nach einer Unterbringung offener und transparenter gestalten sollen, als wir das getan haben, man hätte schon vorher mit den Leuten vor Ort sprechen und nach einer gemeinsamen Lösung suchen sollen, so ist das – einige haben schon darauf hingewiesen – eine utopische Forderung. Man kann nämlich nicht mit dem Moderationskoffer und Plakaten durch die Stadt ziehen und fragen, ob Interesse an einer Unterbringung besteht. Es gibt keinen Stadtteil, der an einer solchen Unterbringung Interesse hat; nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD)

Es ist Aufgabe der Politik, Entscheidungen zu treffen und zu vertreten, auch wenn sie unangenehm sind. Das ist nun mal bei solch unpopulären Entscheidungen so; wir haben sie getroffen und stehen dazu.

In Moorburg bestand die Befürchtung, dass wir weitere leerstehende Häuser für eine Unterbringung suchen. Es gibt aber nur diese drei Wohnungen und mehr werden es nicht. Es können nicht mehr als drei ehemals Sicherungsverwahrte zeitgleich in Moorburg untergebracht werden. Diese Zusage gilt genauso wie die Zusage für ein Jahr in Jenfeld.

(Beifall bei der SPD)

Die Vorgängerregierung weiß, wie schwierig die Unterbringung ist, denn Sie haben sich selbst daran versucht. Es gab bereits einen Ex-Sicherungsverwahrten zur Zeit Ihrer Regierung, der sich in Freiheit befand. Und es ist Ihnen nicht gelungen, den Mann verlässlich unterzubringen und ihm eine Heimat zu geben, wenn ich das so sagen darf. Als wir ins Amt gekommen sind, haben weder Frau Schiedek noch Herr Neumann noch ich ein Konzept vorgefunden, wo diese Menschen untergebracht werden können. Man kann nicht darauf hoffen, dass eine norddeutsche Lösung vom Himmel fällt. Während Ihrer Regierungszeit ist eine solche Lösung fast vom Himmel gefallen, nämlich in Sachsenwaldau bei "fördern und wohnen". Merkwürdigerweise ist das aber nicht weiterverfolgt worden. Hätten Sie das in Reinbek mit Mut weiterverfolgt, stünden wir heute nicht vor dieser Problematik. Man muss aber hingehen und mit den Leuten reden.

(Beifall bei der SPD)

Wie auch in Jenfeld verfolgen wir das Konzept Sicherheit – Wohnen – Leben – Arbeiten. Dieses

Konzept ist bundesweit einmalig und wir haben in Jenfeld damit positive Erfahrungen gemacht. Wir haben darüber berichtet und vielleicht trägt es dazu bei, ein bisschen Vertrauen zu schaffen. Kern dieses Konzepts ist, dass die Personen gut strukturiert untergebracht werden. Die Strukturierung gibt den betroffenen Personen Stabilität und Sicherheit, und diese sind sie aus der Sicherungsverwahrung gewohnt. Sie können nach langen Jahren der Verbüßung der Strafhaft und der anschließenden mindestens zehnjährigen Sicherungsverwahrung nicht ohne Unterstützung entlassen werden. Dieses Konzept hilft den ehemals Sicherungsverwahrten, aber zuallererst kommt es den Sicherheitsinteressen der Bevölkerung entgegen, denn es ist bekannt, dass eine soziale Einbindung und engmaschige Betreuung die Rückfallwahrscheinlichkeit senkt. Der Hamburger Senat hat ein umfassendes Konzept zur Unterbringung und Betreuung für diese Personen entwickelt, und die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung stehen dabei an allererster Stelle. Generell wird vor der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung für jeden einzelnen Betroffenen eine Fallkonferenz unter Teilnahme verschiedener Behörden und Ämter durchgeführt. Darüber hinaus findet ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden statt. Auf Grundlage der hierbei gewonnenen Erkenntnisse treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Maßnahmen. Die polizeilichen Maßnahmen erfolgen lageangepasst und orientieren sich an der einzelfallbezogenen Gefährdungseinschätzung. Unabhängig davon trifft die Polizei bei Vorliegen einer konkreten Gefahr alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Zurzeit werden aufgrund der Beschlüsse der Fallkonferenz zwei Menschen in Jenfeld durch Polizistinnen und Polizisten begleitet. Es ist sichergestellt, dass diese Begleitung rund um die Uhr erfolgt.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf die Gesamtlage in Moorburg eingehen und auf die teilweise unterschwelligen, teilweise offen formulierten Vorwürfe, dass der Senat Moorburg, ja, ganz Harburg und die Entwicklung der südlichen Gebiete im Stich lasse. Wir vergessen den Harburger Süden nicht, im Gegenteil, wir haben mit der IBA und der igs Projekte im Süden Hamburgs aufgelegt, die auch auf Harburg ausstrahlen und dort aktiv sind.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

An verschiedenen Stellen sehen wir Potenzial für den Wohnungsbau und kümmern uns intensiv darum. Auch für die Stadtteile tun wir etwas. Im Rahmen der integrierten Stadtteilentwicklung werden wir erneut in Neuwiedenthal aktiv und gezielt in soziale Infrastruktur investieren. Als weiterer Stichpunkt ist der Wohnungsbau auf der Harburger Schlossinsel zu sehen. Der Bezirksamtsleiter aus Harburg, Herr Völsch, hat uns gebeten, die Bezirksversammlung umfassend zu informieren; dem

(Senator Detlef Scheele)

kommen wir gern nach. Wir werden die Bezirksversammlung in gleicher Weise informieren, wie wir es tun müssten, wenn es sich um ein Verfahren nach Paragraph 28 Bezirksverwaltungsgesetz handeln würde. Das tut es nicht, aber wir kommen dem Wunsch nach einer umfassenden Beratung in den parlamentarischen Gremien gern nach, weil es Transparenz schafft.

(Beifall bei der SPD)

Der Stadtteil Moorburg stellt sich seit Jahrzehnten seiner Verantwortung hinsichtlich der gesamtstädtischen Interessen im Rahmen der Hafenentwicklung oder der Energiewirtschaft. Um ein positives Signal an die Moorburger zu geben und die Lebensqualität im Stadtteil zu verbessern, ist die weitere Sanierung und Vermietung von in städtischem Besitz befindlichen Häusern ein weiteres Anliegen des Bezirksamtsleiters. Das ist auch eine permanente Forderung des Gesprächskreises Moorburg. Nach den Gesprächen und nachdem man den Ort gesehen hat, kann man diese Forderung gut verstehen. Ich sage im Namen des Senats heute zu, dass die Fortsetzung der Sanierung und Vermietung der im städtischen Besitz befindlichen Liegenschaften jetzt zügig beschleunigt wird.

(Beifall bei der SPD)

Wohnungsknappheit und gleichzeitiger Leerstand von städtischen Wohnungen vertragen sich nicht. Ich setze mich als Sozialsenator mit meinen Kolleginnen und Kollegen für die schnellstmögliche Vermietung der wirtschaftlich sanierbaren Häuser in Moorburg ein. Dafür stehen wir gerade. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Senator, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie mehr als das Doppelte der den Abgeordneten zur Verfügung stehenden Redezeit in Anspruch genommen haben.

Das Wort hat nun Herr Trepoll.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist schon eine mutige Aussage als Senator, dass Sie jetzt zügig die Liegenschaften vermieten werden. Ist das ernst gemeint, dass Sie die entlassenen Sicherungsverwahrten dort unterbringen und dann die leer stehenden, anderen Gebäude zur Vermietung freigeben wollen? Wer soll denn da noch hinziehen? Das müssen Sie sich doch vor Augen führen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was haben Sie denn die zehn Jahre über gemacht, Herr Trepoll! – Christiane Schneider DIE LINKE: Unmöglich! Furchtbar!)