Die Hamburgerinnen und Hamburger draußen haben sehr wohl verstanden, um was es hier geht. Wir GRÜNE begrüßen es ausdrücklich, dass dieser Senat freiwillig die Verantwortung übernimmt, für diese Menschen eine Bleibe zu finden. Wir finden es auch richtig und gut, dass das Wort gehalten wurde, dass Jenfeld eine Übergangslösung war. Wir hätten uns das von Anfang an anders gewünscht, aber ein Wort muss gehalten werden, sonst verspielt man seine Glaubwürdigkeit gerade bei diesem Thema schneller, als man denkt.
Diese Verantwortungsbereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein habe ich in dieser Debatte nicht bei allen Kolleginnen und Kollegen in der Öffentlichkeit und auch heute wahrgenommen. Das finde ich noch ausbaufähig, um es einmal ganz freundlich zu formulieren. Auf die Frage, wie weit man die Menschen vor Ort einbindet – das wissen wir doch und das wissen auch in Hamburg alle –, muss man ehrlich sagen: Wenn wir hier fragen, wo sie hin sollten, würde keiner sagen, wir dulden sie, schickt sie hierher.
Wenn das aber so ist, dann wäre es doch fadenscheinig zu sagen, wir fragen die Menschen vor Ort, aber dann interessiert uns die Antwort nicht, weil wir uns schon entschieden haben. So geht das natürlich auch nicht. Wenn man fragt,
dann muss man auch mit der Antwort umgehen, und in diesem Fall gibt es keine optimale Entscheidung, wenn man die Verantwortung übernimmt, diese Männer in Hamburg unterzubringen und einen Ort zu suchen, der nicht in irgendeiner Weise angreifbar ist. Ich finde es auch nicht richtig, wenn die FDP sagt, schon bevor man überhaupt gesucht hat, die müssten ganz aus Hamburg raus. Dies zeugt nicht gerade von Verantwortungsbewusstsein und geradem Rücken. In so einer Situation Verantwortung zu übernehmen, die dann auch erst einmal erklärt werden muss, da haben Sie, Herr Tabbert – seien Sie mir bitte nicht böse –, vielleicht innerlich die richtige Haltung, aber Sie haben heute dafür nicht die richtigen Worte gefunden.
Es ist doch richtig, wie es auch die Kollegen von der CDU sagen, dass natürlich in Moorburg das Gefühl vorherrscht, man habe dort schon so viele Probleme, und dass die Menschen vor Ort nicht verstehen, warum sie jetzt noch weiter belastet werden sollen. Weil das so ist, ist es noch unverständlicher, dass Sie als Regierungsabgeordnete möglicherweise mehr wissen als die anderen Ab
geordneten hier im Hause, wie denn diese Entscheidung zustande gekommen ist. Ich habe deswegen heute auch eine Schriftliche Kleine Anfrage an den Senat gestellt, damit für die Moorburgerinnen und Moorburger nachträglich ganz dringend und schnell Transparenz hinsichtlich der Entscheidungsfindung geschaffen werden kann. Wie sollen sie denn sonst verstehen, warum es gerade Moorburg geworden ist? Ich will jetzt einmal nicht auf Google eingehen; wie gesagt, waren die Worte heute nicht passend, um die Menschen vor Ort zu überzeugen.
Deswegen verstehe ich auch nicht, warum wir erst eine Schriftliche Kleine Anfrage stellen müssen, damit das bekannt wird. Letztes Mal musste die CDU sogar Akteneinsicht beantragen und jetzt muss man mit einer Schriftlichen Kleinen Anfrage versuchen herauszufinden, wie es zu Moorburg gekommen ist. Das ist nicht der richtige Weg, wenn man will, dass Moorburg keine Übergangslösung wird, sondern eine Lösung für längere Zeit. Das ist das, was ich aus den Senatsäußerungen herausgehört habe. Wenn man wie die SPD diesen schwierigen Weg geht, den wir GRÜNE grundsätzlich unterstützen, dann würde ich mir sehr wünschen, dass man bei der Akzeptanzfindung mit Transparenz arbeitet und nicht bröckchenweise Informationen hinschmeißt, wenn es vor Ort bei so einer Informationspolitik verständlicherweise dann zu Widerstand kommt. So geht es nicht.
Ich würde mir sehr wünschen, wenn wir im ganzen Haus dazu ständen, dass es gut ist, dass der Senat freiwillig diese Verantwortung übernommen hat und dass es hier noch Arbeit gibt, die Menschen vor Ort zu überzeugen, und zwar mit Transparenz und nicht mit dem Vorenthalten von Informationen; wir werden das ganz sicher im Ausschuss noch besprechen. Ansonsten würde ich mir sehr wünschen, dass wir bei dieser Frage ehrlich mit den Menschen in dieser Stadt umgehen. Die wissen alle, was los ist; da brauchen wir nicht drum herumreden und auch keine Scheindebatten führen. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Müller, machen Sie sich bitte keine Sorgen um die FDP, sondern lieber um die GAL. Das vorneweg und jetzt zur Sache.
schuss zur Unterbringung der ehemals Sicherungsverwahrten in Jenfeld gesagt: Zu diesem Angebot stehen wir, aber ein anderes wird es nicht geben. Frau Senatorin, das ist jetzt neun Monate her. Neun Monate, an deren Anfang Sie die Jenfelder Bürger erst im letzten Moment über die neu eingezogenen Nachbarn informiert haben. Neun Monate, in denen die Jenfelder Bürger auch wegen dieser Überrumpelung protestierten und die Polizeigewerkschaft – wir erinnern uns – den hohen Aufwand zur Sicherung dort, nicht weit weg von Schulen und Kitas, kritisierte. Neun Monate also, in denen Sie hätten erkennen können, dass der teure Rat einer Berliner Kommunikationsagentur – mit SPD-Genossen-Verknüpfung, wenn man das einmal so sagen darf –, die ehemals Sicherungsverwahrten von jetzt auf gleich in einem Wohngebiet anzusiedeln, nicht so klug war. Frau Senatorin Schiedek, offenbar haben Sie in diesen neun Monaten nicht ganz so viel dazugelernt in dieser Problematik, denn Sie machen jetzt mit der Verlagerung nach Moorburg den gleichen Fehler: wieder ein belasteter Stadtteil und diesmal sogar einer, der durch Häuserleerstand infolge der Airbus-Startbahn-Verlängerung um seine Existenz kämpft,
(Dr. Andreas Dressel SPD: Nein, das ist falsch, das ist Neuenfelde! Lassen Sie mal lieber Herrn Duwe reden, der kennt sich besser aus!)
wieder ein Stadtteil, in dem viele Kinder und Jugendliche leben, wenn auch weniger als in Jenfeld, und wieder eine überfallartige Hauruckaktion – das ist nun aber richtig, diesmal in Moorburg –, die geradezu zum Protest einlädt.
Herr Trepoll hat es schon erwähnt, ich finde es sehr bezeichnend, dass Sie eine Einladung verschickt haben, in der dieser Tagesordnungspunkt geradezu verschleiert und als Sanierung von Gebäuden benannt wurde. Wer will denn so etwas verstehen? Da wird man überrascht und es wird einem dann mitgeteilt, wie die Sachlage wirklich ist. Das finde ich unmöglich. Wie wäre es denn, wenn Sie vorher einmal den Dialog mit den Anwohnern und den Betroffenen, die umziehen sollen, gesucht hätten? Es geht übrigens nicht darum, die Frage zu stellen, ob sie denn wollen – es ist natürlich klar und das sehen wir auch so, dass keiner sagt, wir würden gerne –, aber ein Dialog ist etwas anderes als das, was Sie da gemacht haben. Das muss man auf jeden Fall machen und es wundert mich ein bisschen bei den GRÜNEN, dass sie das nicht auch einfordern, bürgernah, wie sie sonst so sind.
Wie wäre es also schlicht mit einer Überprüfung der bisherigen, vielleicht nicht ganz so erfolgreichen Taktik in dieser sensiblen Angelegenheit? Wie wäre es, kurz gesagt, mit einem echten Konzept? Das ist kein Vorgehen nach Konzept, wie
Sie behaupten, das ist ein wenig konzeptionsloses Aneinanderreihen von Provisorien, man möchte fast von einem Verschiebebahnhof sprechen. Und das ist nicht nur den Anwohnern in Jenfeld oder Moorburg – oder demnächst vielleicht noch woanders, wer weiß – nicht zuzumuten. Das ist auch für die ehemals Sicherungsverwahrten und ihre Sicherungskräfte eine Zumutung.
Sie missachten nicht nur die Interessen der Anwohner, sondern auch die der betroffenen ehemaligen Sicherungsverwahrten. Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
Wir fordern Sie auf, Frau Senatorin Schiedek, aber auch Ihre mitbefassten Kollegen Neumann und Scheele, endlich ein Quartier für die ehemals Sicherungsverwahrten zu suchen, das nicht in der Nähe von Wohnquartieren und verlassenen Stadtteilen liegt, und frühzeitig mit den Betroffenen zu kommunizieren.
Alles in allem finden wir, dass es ein unangemessener Umgang mit den Betroffenen ist, und wenn Sie sich noch so sehr darüber aufregen, das müssen Sie sich schon gefallen lassen. Ich schätze, das hätten Sie, wenn Sie in der Opposition gewesen wären, wahrscheinlich noch etwas schärfer formuliert. – Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Es verbietet sich, die Diskussion für parteipolitische Süppchen zu nutzen.
Auch wir Abgeordneten tragen die Verantwortung dafür, dass die Diskussion über den Umgang mit ehemaligen Sicherungsverwahrten besonnen geführt wird. Wenn CDU-Politikerinnen und -Politiker im Zusammenhang mit der Entscheidung des Senats, die drei Männer, die bisher in Jenfeld wohnten, in Moorburg unterzubringen, mit Worten wie Müll oder Mülleimer zitiert werden, dann tasten Sie die Menschenwürde an, die allen Menschen zukommt, auch solchen, die schwere Straftaten begangen haben.
In der aktuellen Debatte geht es eigentlich um zwei Problemkomplexe: erstens um die wichtige Frage, wie die Gesellschaft mit Menschen umgeht, die aus der Sicherungsverwahrung oft nach jahrzehntelanger Haft entlassen werden. Schon 1977 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die Menschenwürde es gebietet, dass auch zu lebenslanger Haft Verurteilte eine realistische Perspektive haben müssen, irgendwann in Freiheit leben zu können. Das gilt natürlich ebenso und kein bisschen weniger für Menschen, die zu Zeitstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurden. Mit dieser Perspektive der Freiheit und der Entlassung in die Freiheit, mit diesem Gebot der Menschenwürde hat die ganze Gesellschaft eine Verpflichtung, die sie nicht loswerden kann. Sie hat die Verpflichtung, den Entlassenen eine realistische Chance zu eröffnen, ihren Weg zurück in die Gesellschaft zu finden.
Deshalb ist es ein inakzeptabler Vorschlag der CDU, die Betroffenen in irgendeinem menschenleeren Gewerbegebiet oder im Hafen abzuladen und sie von der Gesellschaft praktisch zu isolieren. Das ist übrigens auch ein unpraktikabler Vorschlag, denn es gibt keine rechtliche Handhabe für eine solche Verbannung.
Nicht nur die ehemaligen Gefangenen tragen eine Verantwortung für ihre Reintegration in die Gesellschaft, nein, die ganze Gesellschaft trägt diese Verantwortung. Die Verantwortung für die Reintegration von Menschen, die schwere Straftaten begangen haben, ist schwer. Sie weckt ernstzunehmende und auch irrationale Ängste. Die Reintegration ist anstrengend, sie ist Arbeit und sie kann fehlschlagen. Aber das alles ändert nichts daran, dass vom Standpunkt der Menschenrechte und der Menschenwürde diese Arbeit geleistet werden muss.
Wir können als Opposition nicht beurteilen, ob der Senat wirklich alle Alternativen ernsthaft geprüft hat und ob die Gründe für die Entscheidung, die Anschlussunterbringung in Moorburg zu organisieren, hinreichend abgewogen sind. Diese Frage muss der Senat beantworten und er muss sich kritischen Fragen aus Moorburg stellen. Aber wir wenden uns dagegen, dass die Debatte über die Senatsentscheidung auf dem Rücken der betroffenen Menschen – ich meine jetzt die ehemaligen Sicherungsverwahrten – und ihres Rechts auf Freiheit und Wiedereingliederung ausgetragen wird, wie dies die CDU tut und das nicht erst seit heute.
(Dietrich Wersich CDU: Ich denke, Sie woll- ten bei diesem Komplex keine Parteipolitik machen! Das ist ein bisschen geheuchelt, oder?)
Damit komme ich zum zweiten Problemkomplex: Aus Moorburg hören wir Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind. Die Bewohnerinnen und Bewohner weisen darauf hin, dass das Dorf in weit überproportionalem Umfang Lasten zu tragen hat, die durch die Entwicklung der Großstadt Hamburg, aber auch durch falsche politische Entscheidungen anfallen. Aber dass ausgerechnet die CDU sich zum Anwalt der Moorburgerinnen und Moorburger aufspielt, die eine der verhängnisvollsten Entscheidungen gegen Moorburg zu verantworten hat, nämlich den Bau des Kohlekraftwerks, ist scheinheilig und billigster Populismus.
Wenn Bürgerschaft und Senat die Argumente aus Moorburg ernst nehmen, dann heißt das in allererster Linie, Entwicklungsperspektiven für Moorburg weiterzuentwickeln. Eine Bürgerin aus Moorburg spricht die Befürchtung aus – alle Fraktionen haben den Brief erhalten –, die ehemaligen Sicherungsverwahrten sollten nach Moorburg verlegt werden, um die Bewohner zu vertreiben und dort ein Hafenindustriegebiet entstehen zu lassen. Solche Befürchtungen können nur entkräftet werden, wenn die Stadt die Garantie gibt, dass das nicht geschehen wird, und das heißt für mich vor allem, dass Moorburg endlich aus den Hafenerweiterungsplänen herausgenommen wird.
In diesem Sinne fordern wir vom Senat in der Tat, die Argumente aus Moorburg ernst zu nehmen. Wir nehmen auch die Ängste ernst, die die Unterbringung der ehemaligen Sicherungsverwahrten hervorruft, aber wir übernehmen sie nicht. Wir wollen uns vielmehr rational und besonnen mit diesen Ängsten auseinandersetzen und davor kneifen die CDU und auch die FDP.