Protokoll der Sitzung vom 12.09.2012

Ich rufe nun Punkt 19 auf, Drucksache 20/5024, Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 11. November 2011, "Hamburg 2020: Langfristige Konsolidierung mit weiterer Aufgabenkritik und Entflechtung sowie vernünftiger Personalentwicklungspolitik verbinden".

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 11. November 2011 "Hamburg 2020: Langfristige Konsolidierung mit weiterer Aufgabenkritik und Entflechtung sowie vernünftiger Personalentwicklungspolitik verbinden" – Drucksache 20/2156 – – Drs 20/5024 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an den Verfassungs- und Bezirksausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Quast, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaft hat den Senat auf Antrag der SPD-Fraktion ersucht, die Arbeit der Verwaltung noch effektiver und effizienter zu gestalten und Schritte einzuleiten, um Doppelarbeit zwischen Bezirksämtern und Fachbehörden zu vermeiden, um Durchführungsaufgaben in der Regel eindeutig den Bezirksämtern zuzuordnen und um Zustimmungsvorbehalte von Fachbehörden gegenüber Bezirksämtern abzubauen. Der Senat benennt in dieser Drucksache erste Bereiche, in denen er diese Zielsetzung umsetzt. Es ist ohnehin Aufgabe einer jeden Organisation und vor allem einer, die der Steuerzahler finanziert, regelmäßig zu überprüfen, ob sie effizient und effektiv arbeitet. Aber es gibt mindestens drei weitere gute Gründe, Doppelarbeit abzubauen, Durchführungsaufgaben eindeutig zu verorten und Zustimmungsvorbehalte einzuschränken, nämlich erstens die Stärkung von Kundenfreundlichkeit und Bürgernähe, zweitens die konsequente Umsetzung des Bezirksverwaltungsgesetzes von 2006 und drittens die Schuldenbremse der Hamburger Verfassung.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen Bürgernähe und Kundenfreundlichkeit weiter erhöhen, indem wir klare und eindeutige Verantwortlichkeiten schaffen. Verwaltungshandeln soll durch klare Zuständigkeiten für die Bürgerinnen und Bürger transparenter werden und durch den Abbau von Doppelarbeit in Fachbehörden und Bezirksämtern sowie die Einschränkung von Beteiligungsvorgaben beschleunigt werden. Wir wollen die Bezirke, Bezirksämter und Bezirksversammlun

(Tim Golke)

gen weiter stärken, wie CDU, SPD und GRÜNE es 2005 mit dem Bezirksverwaltungsgesetz beschlossen haben, indem Durchführungsaufgaben eindeutig den Bezirksämtern zugeordnet werden und Zustimmungsvorbehalte der Fachbehörden weiter eingeschränkt werden, vor allem auch Fälle von gesamtstädtischer Relevanz. Wir wollen die Vorgaben der Schuldenbremse der Hamburgischen Verfassung einhalten, die uns gebietet, ab dem Doppelhaushalt 2019/2020 ohne neue Schulden auszukommen und das strukturelle Defizit Jahr für Jahr möglichst gleichmäßig abzubauen. Das heißt, dass wir nur begrenzt Ausgaben erhöhen können und immer wieder prüfen müssen, ob Abläufe besser und wirtschaftlicher organisiert werden können oder ob Aufgaben künftig ganz entfallen können.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Der Senat hat mit der Drucksache eine Vielzahl von Bereichen beschrieben, in denen es möglich ist, Doppelarbeit abzubauen und Kompetenzen klarer zuzuordnen. Ich will nur wenige benennen: Die Aufstellung von B-Plan-Verfahren und die Genehmigung von Bauanträgen soll beschleunigt werden, indem anstelle von Zustimmungsvorbehalten der BSU Informationspflichten der Bezirke treten, die Zuständigkeiten beim Rahmenprogramm Integrierte Stadtentwicklung werden klar geregelt und die Bezirksämter gestärkt, das Flächenmanagement wird professionalisiert und Unternehmen, die Gewerbeflächen suchen, erhalten künftig einen Ansprechpartner, der sich ihres Anliegens annimmt; der Weg durch die Instanzen entfällt. Und das Sportstättenmanagement, so haben wir es gestern Abend im Haushaltsausschuss gehört, wird künftig beim Bezirksamt Hamburg-Mitte zusammengeführt.

Meine Damen und Herren! Wir können heute nur Teile der Drucksache diskutieren. Deswegen haben wir beantragt, diese Drucksache an den Verfassungsund Bezirksausschuss und an den Haushaltsausschuss zu überweisen, um uns dort vom Senat berichten zu lassen, wie er die Realisierung weiter fortsetzt. Wir erwarten aber vor allem auf folgende zwei zentrale Fragen Informationen.

Erstens: Wir wollen wissen, ob Ressourcen auf die Bezirksämter verlagert werden, damit diese die zusätzlichen Aufgaben erfüllen können. Denn eines ist uns wichtig: Mit den Aufgaben müssen auch die Ressourcen wandern. Dafür hat die SPD-Fraktion immer gestanden, und wir werden uns genau ansehen, ob das auch passieren soll.

Zweitens: Welche Ressourcen können eingespart werden, wenn Doppelarbeit künftig entfällt? Auch dies ist wichtig, wenn wir unser Ziel, begrenzt Personal abzubauen, realisieren wollen.

Der Senat hat in der vorliegenden Drucksache schon eine entscheidende Botschaft gegeben. Die anstehenden Veränderungen werden haushalts

neutral oder haushaltsentlastend sein. Die Optimierung von Abläufen und Strukturen und der Einsatz neuer Technik allein werden nicht ausreichen. Die SPD-Fraktion setzt daher auf Aufgabenkritik. Auch die Beschäftigten erwarten von ihrem Arbeitgeber, der Stadt Hamburg, dass es eine systematische, aufgabenkritische Untersuchung der verschiedenen Bereiche gibt und keine pauschalen Stellenstreichungen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden daher insbesondere auf dieses Thema der Aufgabenkritik in den nächsten Monaten einen Schwerpunkt legen und auch als Fraktion eigene Vorschläge einbringen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Heintze, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Quast, ich habe mich sehr über den letzten Satz gefreut, dass wir an das Thema Aufgabenkritik deutlich stärker heranmüssen, als es bisher passiert ist und als es in der vorgelegten Drucksache angesprochen wird. Bisher hatte ich das Gefühl, dass das Rhetorik ist, und daher freue ich mich, dass die SPD-Fraktion beim Thema Aufgabenkritik dabei ist.

(Beifall bei der CDU)

Beim Prozess Entflechtungen sind wir ohne Frage auch mit dabei. Eine wichtige Prämisse für uns ist, die auch in dieser Drucksache zu finden ist, dass es keine Mehrkosten geben soll, sondern dass es effizienter und am Ende des Tages auch preiswerter werden muss. Für uns ist völlig unverständlich, wieso es am Ende teuer werden kann, wenn ich Verwaltungsstufen abbaue.

Besonders freut uns, dass die Verwaltungsreform 2006, die wir zu dritt angeschoben haben, weiter fortgeführt wird. An dieser Stelle gefällt mir die Drucksache ausgesprochen gut; das vorweg zum Anliegen der Drucksache.

Allerdings muss ich persönlich und für unsere Fraktion sagen, dass uns jetzt 17 Seiten vorliegen, in denen viele Worte um viele Dinge gemacht werden. Aber immer, wenn man sich fragt, wo denn konkret etwas zu den einzelnen Bereichen steht, gibt es leider eine Fehlanzeige. Wir könnten mit dieser Drucksache schon einen Schritt weiter sein.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP)

Das gilt insbesondere für eine der wesentlichen Fragen, nämlich die der Aufgaben und Ressourcen, wenn sie in die Bezirke übergehen. Das muss Hand in Hand geschehen. Die Befürchtung, die derzeit in vielen Bezirksversammlungen die Kom

(Jan Quast)

munalpolitiker aller Fraktionen umtreibt, ist, dass gesagt wird, es ist schön, dass ihr das jetzt ausführt, aber die Ressource, die ihr eigentlich braucht und die bei uns sitzt, bekommt ihr so nicht mit.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Genau, das ist so!)

Hierzu sagt die Drucksache deutlich zu wenig, und wir hätten uns deutlich mehr Ausführungen gewünscht. Man bleibt sehr bewusst vage und das darf nicht sein.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing FDP und Christiane Schneider DIE LINKE)

Leider haben auch die Nachfragen dazu bisher nicht viel Neues erbracht. Wir haben gestern im Sportausschuss,

(Jan Quast SPD: Ja, das wäre ja sehr sport- lich!)

nein, im Haushaltsausschuss beim zuständigen Staatsrat nachgefragt, wie denn die Konkretisierung aussieht, wenn wir über das Management der Sportstätten sprechen. Man sei noch nicht so weit, war die Antwort, man würde das alles noch irgendwie regeln. Die GRÜNEN sagten dann, dass das aber eine ganze Menge Stellen beträfe, womit sie am Ende recht haben. Das kann nicht die Art und Weise sein, wie Entflechtung betrieben wird. Leider ist dies aber die Art und Weise der Senatsmitteilung. Immer, wenn es für die Bezirke und für die Fachbehörden interessant wird, hält man es sehr bewusst vage, und das über 16 Seiten. Herr Senator, das ist ein gutes Anliegen, aber sehen Sie es mir nach, diese 16 Seiten wären Ihnen in der Opposition auch zu wenig konkret gewesen, wenn wir Ihnen das vorgelegt hätten. Das finde ich ausdrücklich schade.

(Beifall bei der CDU)

Einige Papiere sollen noch kommen, diese warten wir ab und werden sie entsprechend diskutieren. Es gibt noch ein paar Unklarheiten, ich habe noch nicht verstanden, wie die Vergabe der Gewerbeflächen effektiver werden soll. Wie und vor allen Dingen von wem der ruhende Verkehr kontrolliert werden soll, bleibt auch im Vagen. Vielleicht gibt es demnächst noch eine dritte Ebene, das sind dann private Unternehmen. Aber auch hier gibt es noch offene Fragen. Diese werden wir sicher im Ausschuss diskutieren.

Abschließend ein Punkt, an dem mich die Senatsmitteilung enttäuscht hat, und zwar das Berichtsersuchen zu Ziffer 2. Dort geht es um die 200 Vollzeitäquivalente, die man gern einsparen möchte. Man könnte da endlich mal konkret werden, insbesondere in Bezug auf das, was wir bereits aus der Senatskanzlei zu diesem Thema gehört haben. Diesem Thema widmet man nach 16 Seiten eine Seite und da liegt die Krux. Man weiß nicht, wie man damit umgehen soll, und deswegen flüchtet

man sich in Ziffer 2 in die Antwort, dass man eine große Seminarreihe aufsetze. Das Zentrum für Aus-, Weiter- und Fortbildung führt moderierte Runden und Veranstaltungen durch, das Personalamt hilft auch, dann stellt man in den Behörden vielleicht noch ein paar Ansprechpartner zur Verfügung. Aber wie man nun eigentlich zu dem erklärten Ziel kommen will, dazu finden wir leider kein Wort. Das ist Absicht, weil das nämlich deutlich machen würde, wie hilflos Sie an dieser Stelle sind.

(Beifall bei der CDU)

Die Hilflosigkeit zeigt das auf, was bisher bekannt ist. Man möchte – ich habe das in der Schriftlichen Kleinen Anfrage abgefragt – die Dienstunfähigkeit künftig weiter auslegen. Das bedeutet praktisch, dass ich, wenn ich bisher zum Amtsarzt musste, um meine Dienstunfähigkeit feststellen zu lassen, das zukünftig aussitzen kann, weil der Senat nämlich sagt, wenn du dich lange genug nicht bei uns meldest und zum Amtsarzt gehst, dann stellen wir schon so fest, dass du dienstunfähig bist, und dann musst du dich gar nicht weiter bemühen. Das scheint mir ein falscher Ansatz beim Personalkonzept zu sein. Ich finde es eher fahrlässig, als dass es der Sache dient.

Der dritte Punkt ist die Abfindung. Man möchte die Abfindungsregelung künftig größer und weiter auslegen. Ich habe nachgeschaut, wie viel die Stadt bisher bei nicht großzügiger Auslegung an Abfindungsleistungen zahlt: 245 000 Euro in 2011, 367 000 Euro in 2012. Herr Finanzsenator, wenn Sie jetzt allen eine maximale Ausschöpfung der Abfindungshöhe anbieten, damit diese aus dem städtischen Dienst aussteigen, verlieren Sie diejenigen, die gut sind und in der Privatwirtschaft gute Jobs finden. Ich befürchte, das sind die teuer aufgebauten Menschen in der Finanzverwaltung, die gleich wieder gehen, weil sie gute Chancen haben. Sie fahren ein teures Programm hoch, denn wenn Sie allen 250 Angestellten Abfindungen zahlen wollen, kommen Sie mit den 367 000 Euro aus dem Jahr 2012 nicht mehr hin. Auch das scheint uns personalpolitisch völlig fehlgeleitet.

(Beifall bei der CDU)

In einem anderen Kontext wird immer wieder Ihre Erfahrung mit Rückkehrern thematisiert. Sie bieten jetzt jedem an, acht Jahre Sonderurlaub zu machen und zu schauen, ob man vielleicht in der Privatwirtschaft was wird, und wenn es nichts wird, dann kommt man gern wieder zurück. Nach acht Jahren frage ich mich nur, in welche Verwendung man dann zurückkommt. Das scheint mir ziemlich undurchdacht. Deswegen steckt in dieser einen Seite der Senatsmitteilung ein Gehalt, der den ersten Teil in den Schatten stellt, nämlich dass mehr als deutlich wird, mit welcher Hilflosigkeit Sie auch an diesem Punkt agieren. Da kann ich nur sagen, lesen Sie Teil 1 und hören Sie auf das, was der

Kollege Quast gesagt hat. Auch in diesem Fall würde Aufgabenkritik deutlich mehr helfen als die Aneinanderreihung von hilflosen Maßnahmen, um 250 Vollzeitäquivalente abbauen zu können – von daher ein zweigeteiltes Echo. Wir diskutieren über beide Themen gerne mit Ihnen im Ausschuss. Auf das, was in Teil 1 dargestellt ist, freuen wir uns. Da ist viel Gutes dabei, das nur noch konkretisiert werden muss. Teil 2, wie Sie mit Ihren Vollzeitäquivalenten umgehen wollen, die Sie abbauen wollen, ist für uns eine Bankrotterklärung. Von daher freuen wir uns in beiden Fällen auf die Ausschussberatung.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Steffen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Quast, Herr Voet van Vormizeele und ich haben vor zwei Wahlperioden zusammengesessen – seinerzeit mit wohlwollender Unterstützung des Staatsrats Gottschalk – und über die Frage der Entflechtung nachgedacht und da auch, glaube ich, einen guten Anfang gemacht. Es ist ein gutes Prinzip, dass Aufgaben möglichst nicht an mehreren Stellen gleichzeitig wahrgenommen werden. Aus dieser Erfahrung wissen wir auch, dass es ein sehr zähes Geschäft ist, weil die wichtigste Frage für alle Beteiligten immer ist: Was wird aus mir? Diese Frage beantwortet natürlich jede Ebene auf ihre Weise, und weil die mächtigste Ebene bei uns die Landesebene ist, ist es ausgesprochen schwer, ihr Kompetenzen zu entziehen. Vor diesem Hintergrund muss man das Thema immer betrachten.

Wenn man sich die Drucksache anschaut, fällt ein Bereich auf, in dem es den allermeisten Unmut aufgrund auseinanderfallender Zuständigkeiten gibt, also der Bearbeitung ein und derselben Angelegenheit von unterschiedlichen Dienststellen, und das sind aus dem Bereich Verkehr die unteren Straßenverkehrsbehörden. Das klingt sehr technisch, aber es geht schlicht und einfach darum, dass die Bezirke dafür zuständig sind, kleinere Straßen zu bauen, und die unteren Straßenverkehrsbehörden bei der Polizei dafür, die passenden Schilder aufzustellen. Und wenn diese beiden Stellen sich nicht einigen, dann geht gar nichts. Das ist leider eine weit verbreitete Erfahrung, die die Bürgerinnen und Bürger den von ihnen direkt gewählten Bezirksabgeordneten schildern. Diese nehmen sich des Problems an, finden auch Lösungen, die gut passen, und dann sagt die Polizei einfach nein. Das schafft viel Verdruss und es schafft natürlich auch überflüssige Doppelarbeit. Viele Kommunen in Deutschland machen das anders, nämlich aus einer Hand. Es gibt in der Sache kein Argument, an den bisherigen Strukturen festzuhal

ten. Dass es nicht gut läuft, macht die Drucksache deutlich, wenn es in ihr heißt, künftig solle sichergestellt sein, dass auch ein Vertreter des Polizeikommissariats an den bezirklichen Sitzungen teilnimmt.