Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Ein weiteres Motiv Ihres Antrags ist die größere Praxisnähe. Ich habe nachgeschlagen: Schon jetzt enthält die Erzieherinnenausbildung 1300 Praxisstunden. Diese sind, wenn ich das richtig verstanden habe, in Sequenzen organisiert. Dahinter steckt die Idee, dass die Auszubildenden die vielen verschiedenen Tätigkeitsfelder ihres späteren Berufsfelds kennenlernen. So ein Erzieher ist schließlich nicht nur für die Kitas zuständig. Ich weiß nicht recht, wie das ein Ausbildungsbetrieb hinbekommen kann; das müsste man sicherlich organisieren in einer dualen Ausbildung.

Schwierigkeiten habe ich mit dem Punkt Ausbildungsvergütung. Klar, das ist immer ein Anreiz. Die Frage ist aber, wie ich das refinanziere. Nun wäre es klassisch so, dass man das auf die Be

(Finn-Ole Ritter)

treuer-Kind-Relation anrechnen würde; das möchten Sie nicht so gerne. Dann ist für mich allerdings die Frage, wo die Gegenfinanzierung bleibt.

Ganz zum Schluss weise ich darauf hin, dass ich es etwas problematisch fände, wenn Hamburg aus der KMK-Strategie, die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung zu vereinheitlichen, ausscheren und einen Sonderweg wählen würde, zumal der Senator gerade den Vorsitz führt. Das ist vielleicht ein bisschen schwierig.

Insgesamt kann ich feststellen, dass die Fachschulbildung jetzt schon Vorteile einer dualen Ausbildung bietet, ohne manche ihrer Nachteile aufzuweisen. Dennoch werden wir einer Überweisung gern zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Czech. – Das Wort hat Herr de Vries.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ritter, wenn ich Ihren Antrag richtig verstanden habe, zielt er darauf ab, vermehrt Fachkräfte für die Kitas zu gewinnen. Das ist grundsätzlich richtig und knüpft an die Debatte von vor zwei Wochen an, in der wir über den Antrag, dem Fachkräftemangel in der Kindertagesbetreuung entgegenzutreten, beraten haben. Dieser Antrag ist an den Ausschuss überwiesen worden. Es geht im Wesentlichen um die Frage, wie man den steigenden Fachkräftebedarf gut decken kann. Der Unterschied ist aber, dass wir uns bei dem Antrag der GRÜNEN einig waren, dass es die Qualität der Erzieherausbildung nicht mindert, wenn wir auf Anforderungen verzichten, die gar nichts mit den Fertigkeiten des Berufs zu tun haben, wie eine abgeschlossene Berufsausbildung nach der mittleren Reife, die völlig fachfremd sein kann und keine Kenntnisse zu vermitteln braucht, die für den späteren Beruf wichtig sind.

Ihr Antrag sieht aber anders aus, denn bei Ihrem Antrag besteht auch die Gefahr, dass Abstriche in der Qualität gemacht werden. Er geht ein bisschen an den Gegebenheiten und Anforderungen der Erzieherausbildung vorbei. Ich will das kurz an einigen Punkten verdeutlichen.

Die Erzieherausbildung in der Fachschule baut bisher auf einer Erstausbildung auf.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig, so ist es!)

Sie ist also nicht zu vergleichen mit einer dualen Berufsausbildung, die direkt an den Schulabschluss anschließt. Das haben Sie in Ihrem Antrag nicht berücksichtigt. Deswegen ist die Erzieherausbildung im deutschen Qualitätsranking auch wie ein Bachelorabschluss in Qualitätsstufe 6 eingeordnet und eben nicht mit einer dualen Berufsausbildung gleichgesetzt. Hinzu kommt, dass die An

forderungen, die von Politik, Gesellschaft und Eltern an die Ausbildung und ihre Inhalte gestellt werden, seit Jahren steigen. Wir verlangen frühkindliche Bildung, frühkindliche Sprachförderung und, und, und. All das ist nicht vereinbar damit, die Qualitätsanforderungen der Erzieherausbildung herunterzuschrauben.

Ein letzter Punkt. Die Erzieherausbildung ist eine Breitbandausbildung. Mit ihr werden nicht nur Erzieher ausgebildet, die in den Kitas arbeiten, sondern es werden auch Erzieher für ganz andere Professionen ausgebildet wie die Arbeit in Jugendhilfeeinrichtungen, in heilpädagogischen Einrichtungen oder die Arbeit mit Erwachsenen. Zu all diesem passt eine duale Ausbildung in der Kita nicht.

Was Sie wollen, wäre theoretisch denkbar für die Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistenz, denn das ist die berufliche Erstausbildung für die Mitarbeiter. Aber auch da haben wir erhebliche Bedenken hinsichtlich der Qualität. Anders als in anderen dualen Ausbildungsgängen gibt es in den Kitas keine gewachsenen Strukturen und Rahmenbedingungen, die für die Ausbildung gelten. Kitas gehören den unterschiedlichsten Trägern an. Wir haben keine Kammer wie die Handelskammer oder die Handwerkskammer, die die Prüfungen der Azubis abnimmt und Ausbildungseignungskurse durchführt, die wichtig wären, um einheitliche Qualitätsstandards in der Ausbildung sicherzustellen. Insofern gibt es im Grunde niemanden, der darüber wachen würde, dass die erforderlichen Lernstoffe auch tatsächlich in den Kitas vermittelt werden. Zurzeit kümmern sich darum die Dozenten und Lehrer in den Fachschulen. Sie kennen die Einrichtungen, in denen die Schüler ihre Praktika ableisten, und wissen, wo Aufholbedarf und wann ein Praxiswechsel angezeigt ist. Damit liegt die Qualitätssicherung in den Händen der Schulen, und da sollte sie nach unserer Meinung auch bleiben.

Eines ist doch ganz klar: Die Wirkung pädagogischer Arbeit ist, anders als im Handwerk, nicht so ganz leicht zu beurteilen. Hier kann man nur hoffen, dass nach entsprechenden Anstrengungen und dem Durchlaufen einer qualifizierten Ausbildung ein positives Ergebnis herauskommt und die pädagogischen Fachkräfte sich engagiert der Bildung und Erziehung unserer Kinder widmen. Die Rahmenbedingungen dafür sind in den Fachschulen heute schon bestens gegeben.

Sie haben sich ein bisschen schlank vom Acker gemacht, als Sie sagten, es müsse dann eben Fortbildungen geben für diejenigen, die in den Kitas ausbilden sollen; aber so einfach ist das nicht. Wir bräuchten richtig ausgebildete Ausbildungsleiter in den Kitas. Davon sind wir heute weit entfernt, das gibt es in der Realität nicht. Eine einfache Fortbildung reicht da nicht aus. Schauen Sie sich ein

(Matthias Czech)

mal die Strukturen in den Kitas an. Da gibt es meistens eine Leitung, da gibt es Personal in den Küchen, hauswirtschaftliches Personal zumeist, das für die Essensversorgung da ist und die Reinigung betreibt, und dann gibt es die Erzieher selbst. Die sind aber bisher überhaupt nicht damit befasst, die angehenden Erzieher auszubilden. Das ist nicht deren Aufgabe. Dafür ist im Übrigen auch gar keine Zeit bemessen in ihrem täglichen Ablauf. Insofern ist das ein Problem, das nicht so ganz banal ist und das man wirklich noch einmal durchdenken müsste. Weil es also keine Strukturen gibt, die eine vernünftige duale Ausbildung mit den Kitas als Ausbildungsbetrieben garantieren können, sind wir gegen entsprechende Modellversuche. Es geht uns einfach darum, die Qualität der Erziehung und Bildung unserer Kinder aufrechtzuerhalten und keine Abstriche zu machen.

Wir überweisen diesen Antrag, das ist der Mehrheitswille, ohnehin an den Schulausschuss, wenn die FDP das mitträgt. Wir hätten es geeigneter gefunden, ihn an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zu überweisen. Dort können wir das weiter besprechen und vielleicht diesen Antrag noch mehr ausfeilen und den Gegebenheiten anpassen. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr de Vries. – Das Wort hat Frau Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über den Fachkräftemangel haben wir in der Tat bereits während der letzten Bürgerschaftssitzung debattiert. Wir GRÜNE hatten einen Antrag dazu eingereicht, der das Ziel hatte, den Zugang zur Erzieherinnenausbildung zu reformieren, die Zahl der Studienplätze im Studiengang "Bildung und Erziehung in der Kindheit" an der HAW zu erhöhen und gemeinsam mit den Kitaträgern nach Möglichkeiten zusätzlicher Personalgewinnung zu suchen.

Grundlage unseres Antrags ebenso wie des Antrags der FDP ist der Fachkräftemangel, den wir nicht vom Tisch wischen können und der sich auch noch weiter verschärfen wird. In Hamburg werden 2013 enorme Anstrengungen unternommen werden müssen, weil – ich will die Zahl noch einmal nennen – ein Bedarf von rund 500 zusätzlichen Erzieherstellen prognostiziert wird. Das ist eine immense Zahl; da müssen wir uns ganz schön ranhalten, um das zu schaffen. Aus diesem Grund ist eigentlich fast jede Initiative, die sich mit Lösungsmöglichkeiten beschäftigt, zu begrüßen.

Allerdings gibt es durchaus qualitative Unterschiede. Aus der Sozialbehörde ist zeitweilig zu hören, dass ein Schwerpunkt auf Umschulungen gelegt werden solle; das sehen wir kritisch. Die Kita ist

unserer Meinung nach kein Sammelbecken für – wir hatten das auch in der letzten Debatte schon – gekündigte Schlecker-Mitarbeiterinnen oder Berufszweige, die irgendwie etwas mit Kindern zu tun haben. Eine Kinderkrankenschwester macht ihren Job mit kranken Kindern mit Sicherheit richtig gut, aber das rechtfertigt bei Weitem noch keinen Einsatz in der Kita. Generell stellt sich die Frage, ob Umschulungen wirklich das nötige Maß an Qualität bringen, das wir in der frühkindlichen Bildung brauchen; wir bezweifeln das. Bei dem Wunsch nach Lösungen darf es nicht darum gehen, Qualität herunterzuschrauben, sondern im Gegenteil, Qualität in der frühkindlichen Bildung hochzusetzen.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Die FDP möchte einen Modellversuch "duale Ausbildung" einführen. Ich hatte eben fast gedacht, ich hätte meine Rede mit Herrn de Vries zusammen vorbereitet.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ah, die schwarz- grüne Koalition! – Finn-Ole Ritter FDP: Eine Allianz!)

Ja, es gibt da schon eine gewisse Verbindung.

Ich bin froh, dass der Antrag überwiesen wird, weil er eine Grundlage für weitere Diskussionen schafft. Dieses Thema müssen wir im Fachausschuss behandeln, das ist ganz klar. Aber wenn wir heute hätten abstimmen müssen, hätte ich den FDP-Antrag abgelehnt. Ich bin der Ansicht, dass er so nicht ausreichend durchdacht ist. Die Prüfung einer dualen Ausbildung unterstützen wir, aber diese ganzen detaillierten Einzelpunkte, die Sie in Ihrem Antrag aufführen, greifen einer Beratung vor. Sie gehen viel zu weit und sind vor allen Dingen nur auf den Kita-Aspekt gemünzt, während – das hat Herr de Vries richtig gesagt – Erzieherinnen und Erzieher auch für die Jugendhilfe oder die Schule ausgebildet werden. Es gibt da einen großen Einsatzbereich.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Dazu kommt, dass Sie eine entscheidende Frage in Ihrem Antrag nicht berücksichtigen. Die Erzieherausbildung ist in der Tat im deutschen Qualifikationsrahmen sehr hoch angesiedelt. Ausbildungsberufe bewegen sich generell auf den Niveaustufen 3 oder 4, die Erzieherausbildung liegt auf Niveaustufe 6; Herr de Vries sagte, das sei bachelorähnlich. Wir wollen, dass das so bleibt. Das ist etwas ganz Wertvolles und Wichtiges. Die Erzieherausbildung ist zu Recht qualitativ so hochwertig angesiedelt, schließlich geht es um frühkindliche Bildung, mit der wir bei den ganz Kleinen den Grundstein für ihre weitere Entwicklung legen. Ähnliches gilt für die anderen Berufszweige, bei denen es die Erzieherinnen und Erzieher immer mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.

(Christoph de Vries)

Eine Umstellung auf eine duale Ausbildung bringt einfach die Gefahr einer Qualitätsabsenkung mit sich, zumindest wenn sie so umgesetzt wird, wie Sie es in Ihrem Antrag formuliert haben, und das geht nicht. Für eine duale Ausbildung braucht man – das wurde schon gesagt – eine Kammerprüfung. Auch die müsste zunächst eingerichtet werden. Dies ist ein langwieriger Prozess und mit Sicherheit nicht geeignet, um dem 2013 drohenden Fachkräftemangel möglichst schnell zu begegnen. Auch das fehlt ein bisschen in Ihrem Antrag.

Nicht zuletzt kostet eine duale Ausbildung Geld. Im Moment haben die Auszubildenden einen Schülerstatus. Das ist für viele ein ganz großes Problem, und es wäre sicherlich reizvoll, wenn die Ausbildung bezahlt würde. Aber natürlich muss die Frage erlaubt sein, wie teuer das wird und wie das finanziert werden soll. Auch das fehlt in Ihrem Antrag.

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Wenn sich nach den Ausschussberatungen ein Konzept finden lässt, das die duale Ausbildung rechtfertigt, dann finden auch wir, dass das Geld dort gut aufgehoben ist. Bis dahin ist es aber noch ein ziemlich weiter Weg und dazu brauchen wir die Beratungen.

Wichtig ist – das ist, glaube ich, Konsens –, dass in Hamburg umgehend gehandelt wird. Das Problem des Fachkräftemangels wird sich nicht von alleine lösen, abwarten reicht nicht. In diesem Sinne ist es gut, dass die Anträge überwiesen werden. Ich hoffe, dass sie bei uns im Ausschuss nicht so sehr lange schmoren.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Weil wir so viel überweisen, kann es schon dauern!)

Viel kann man nicht sagen, heute waren Sie alles andere als überweisungsfreudig.

Bei diesem Antrag ist die Überweisung auf jeden Fall positiv. Vor allen Dingen, Herr Dressel, sind wir im Fachausschuss auf die Vorschläge der SPD gespannt. Davon habe ich in der Bürgerschaft noch gar nichts gehört. Bislang haben die Oppositionsfraktionen gute Vorschläge vorgelegt, die zwar qualitativ unterschiedlich, aber auf jeden Fall eine gute Diskussionsgrundlage für die weitere Beratung sind. Wir werden sehen, ob die SPD da dann auch nachzieht.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da ich meine Zeit beim Abitur maßlos überschritten habe, darf ich nur noch kurz sprechen.

Der vorliegende Antrag der FDP ist diskussionsbedürftig. Eben hat Frau Blömeke schon darauf hingewiesen, dass die Verengung des Einsatzbereiches der Erzieherinnen in Hamburg nicht stattfindet. Das müsste noch einmal diskutiert werden. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde die FDP in diesem Antrag eine duale Erstausbildung vorschlagen. Aber wenn man von einer Fachschulausbildung spricht, dann muss man natürlich wissen, dass die Zugangsvoraussetzung zu einer Fachschule eine abgeschlossene Berufsausbildung oder langjährige Berufstätigkeit ist und dass sich keineswegs Menschen bewerben, die praxisunerfahren sind. Daher müsste die FDP das für sich klären, und dann müssen wir das zusammen im Ausschuss besprechen. Wir nehmen es als guten Willen, dass Sie das Anliegen hatten, sich mit dem Fachkräftemangel zu beschäftigen. Es ist schon richtig, dass wir viel zu wenige Erzieherinnen und Erzieher haben und in Zukunft einen noch größeren Mangel bekommen werden. Aber ein Mangel an Erzieherinnen und Erziehern darf auf keinen Fall ein Argument dafür sein, eine verkürzte Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu fordern.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Weiter sind wir nach wie vor der Auffassung, dass Erzieherinnen und Erzieher eine qualitativ hochwertige Ausbildung erhalten müssen. Unter Bachelor-Niveau darf es auf keinen Fall bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine gute Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher ist deshalb so wichtig, weil wir ihnen das Beste anvertrauen, was wir haben, und das sind unsere Kinder.