Protokoll der Sitzung vom 13.02.2013

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: So ist es! – Glocke)

Frau Arndt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

Nein, danke.

Ich möchte Ihren Blick auf eine Tatsache lenken, die mir bei den Gesprächen mit den inhaftierten Frauen in Hahnöfersand sehr deutlich geworden ist. Sehr viele von ihnen sind nämlich aufgrund einer Suchtproblematik dort. Für sie sind neben der Entlassungsvorbereitung und einer möglichen beruflichen Integration vor allem auch und gerade die Hilfeangebote von entscheidender Bedeutung. Externe Drogen-, Alkohol- und Spielsuchtberatung wird es ebenso geben wie ein soziales Training und auch die seelsorgerische Betreuung in dem in Billwerder vorhandenen eigenen Kirchenraum.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Die gibt es jetzt nicht, oder was?)

Nicht zuletzt dürfte es auch von Vorteil sein, dass die Frauen in Billwerder während der Woche täglich zu einem Allgemeinmediziner gehen können.

(Farid Müller)

Meine Damen und Herren! Die Debatte über den Teilaspekt Verlagerung und Umzug des Frauenvollzugs ist strittig und teils emotional, teils sehr emotional geführt worden. Das liegt sicherlich auch an den atmosphärischen Umständen. Die Frauen ziehen in den überdimensionierten Bau von Billwerder, den CDU und FDP zu verantworten haben. Der ist in der Tat weniger eine architektonische Glanzleistung als vielmehr ein großes, sehr graues Betonteil, das wir allerdings auch den Männern zumuten.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Aber da- durch wird es doch nicht besser für die Frau- en!)

Wir haben auch die im Blick, die an dem Umzug beteiligt sein werden. Damit meine ich nicht so sehr die aktuell in Haft befindlichen Frauen, sondern vielmehr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Teilanstalt für Frauen, die externen Fachleute und auch die ehrenamtlichen Helfer. Für sie und uns alle bedeuten diese angestrebten Veränderungen eine Herausforderung, und wir werden die einzelnen Schritte engagiert und sehr aufmerksam begleiten. Ich bin sicher, dass wir diese Herausforderung meistern werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Sie alle ausdrücklich einladen, an der Begleitung teilzuhaben, und Sie in diesem Zusammenhang auf den kleinen feinen Punkt Anstaltsbeirat aufmerksam machen. Die Frauen werden in Billwerder einen eigenen Anstaltsbeirat bekommen. Er hat die ausdrückliche Funktion, parallel Ansprechpartner zu sein. Und für den Anstaltsbeirat der künftigen TAF Billwerder werden wir bestimmt engagierte und empathische Menschen finden, die sich dort erfolgreich engagieren wollen, wozu ich auch Sie ausdrücklich einladen möchte, denn die dort inhaftierten Frauen werden auch diese Form emotionaler wie praktischer Unterstützung sehr begrüßen, davon bin ich überzeugt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Trepoll hat nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein eigener Anstaltsbeirat wird die Probleme sicherlich lösen, Frau Arndt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da kannst du ja reingehen!)

Frau Senatorin und Herr Tabbert, das Gefährliche an Halbwahrheiten ist, dass immer die falsche Hälfte geglaubt wird, und das haben Sie uns auch wieder vor Augen geführt.

(Beifall bei der CDU und bei Anja Hajduk GRÜNE – Jan Quast SPD: Das kennen Sie von der CDU nicht?)

Bei der Frage der Finanzierung hat der Kollege Müller völlig recht, dass es schon ein bisschen absurd ist, wenn Planungen gegeneinander abgewogen werden und dann schon Einsparungen erzielt werden, wenn man Planungen nicht umsetzt. Ganz so einfach können Sie sich das nicht machen. Wir haben alleine seit Ende der Neunzigerjahre in das Gebäude der Frauenhaftanstalt auf Hahnöfersand über 9 Millionen Euro investiert, und das lassen Sie völlig außer Acht. Das gehört doch zur Wahrheit auch dazu.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Jetzt kommen mindestens 3 Millionen Euro an Umbaukosten in Billwerder dazu – ich glaube, dass die Summe noch zu niedrig gegriffen ist – und die ganzen Extras, die ich noch erwähnt habe: Umbau, Barrierefreiheit bei den Männern, ein Hafthaus in Billwerder muss noch umgebaut werden und auch – das bitte ich noch einmal zu bedenken, was ich bereits angesprochen habe – die Kosten, die für eine neue Nutzung des Gebäudes der Frauen für den Jugendstrafvollzug anfallen werden. Jeder, der sich im Strafvollzug ein bisschen auskennt, Frau Arndt, weiß, dass Frauenvollzug etwas anderes ist als Jugendstrafvollzug. Das hört sich zwar auf den ersten Blick vergleichbar an, aber dort sitzen junge Erwachsene, die teilweise wegen schwerer Delikte zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Das sehen Sie auch an der Sicherung der Anlagen, dass dort im Bereich der Frauen eine ganz andere Sicherung stattfinden muss, und auch das ist noch überhaupt nicht finanziert.

Sie haben auch die Realitäten im Strafvollzug angesprochen, Frau Arndt. 70 bis 80 Prozent der Frauen im Strafvollzug haben eine Suchtvergangenheit oder sind noch drogenabhängig. Man muss sich auch einmal die Frage stellen bei einem so gut separierbaren Bereich, einer eigenen Anstalt wie Hahnöfersand im Vergleich zu einer Großanstalt mit bis zu 700 männlichen und 100 weiblichen Gefangenen: Was meinen Sie, was da los ist an Besuchsverkehr und solchen Sachen? Es ist natürlich utopisch, davon auszugehen, dass dort eine drogenfreie Haftanstalt möglich sei, und das wird auch nicht passieren. Die Frauen werden in Billwerder leichter wieder an Drogen kommen als in Hahnöfersand.

Wenn Sie mit den inhaftierten Frauen sprechen, was wir getan haben, dann spüren Sie auch diese Angst der Frauen. Das ist etwas, worauf Sie bisher überhaupt nicht eingegangen sind, Herr Tabbert, und das ist ein Vorwurf, den Sie sich gefallen lassen müssen. Sie haben sich daran abgearbeitet, sich lächerlich darüber zu machen, dass ich zu

(Peri Arndt)

sammen mit Herrn Müller und Frau Schneider Hahnöfersand besucht habe. Sie haben als große Neuigkeit verkündet, dass die drei unterschiedlichen Fraktionen gemeinsam dort anreisen.

(Urs Tabbert SPD: Ohne uns!)

Woher Sie das wissen, weiß ich nicht, aber Sie scheinen gute Informationen zu bekommen. Aber darum geht es nicht. Es geht doch darum, dass man die Sorgen und Ängste der Frauen ernst nimmt, das ist das Entscheidende, und das tun Sie überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Wenn wir uns hier immer Sachen wie Vollzeitäquivalente, Stellen und Ähnliches um die Ohren schlagen, dann macht es doch auch einmal Sinn, einen Schritt zurückzutreten und den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Es muss doch jedem möglich sein, die Probleme, die wir damit haben, nachzuvollziehen: Wie soll das zu großartigen Einsparmöglichkeiten im finanziellen Bereich führen, wenn man eine Anstalt nur verlagert? Es erschließt sich doch keinem, wenn man eine Anstalt nur von A nach B versetzt, dass dadurch große Einsparpotenziale möglich sind. Das sind sie nicht, das werden die Erfahrungen in Billwerder auch zeigen, und deshalb lehnen wir die Reformen nach wie vor ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Frau von Treuenfels.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass ich meinen Vorwurf hier wirklich aufrechterhalte. Ich halte es für einen Grad sozialer Kälte – ich meine es wirklich ernst und Sie werden sich daran noch erinnern –,

(Dirk Kienscherf SPD: Das meinen Sie nicht ernst, das können Sie gar nicht ernst mei- nen!)

dass die SPD nur eine einzige Möglichkeit sieht, hier zu agieren, und das ist unendliche Hilflosigkeit. Die Fakten werden aus der Vergangenheit herangezogen, und in die Zukunft gerichtet gibt es nur vage Vermutungen. Allein dass Frau Schiedek uns hier erzählt, man könne den offenen mit dem geschlossenen Vollzug vergleichen, spricht doch schon wieder Bände. Im offenen Vollzug in Glasmoor wird das natürlich anders gehandhabt, dass Frauen und Männer zusammen im Vollzug sind. Das ist doch etwas ganz anderes, das kann man überhaupt nicht vergleichen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, den GRÜ- NEN und der LINKEN)

Sie machen sich hier einfach zunutze, dass die meisten die Gegebenheiten, das ist auch ganz klar, überhaupt nicht kennen. In Hahnöfersand braucht es solche Zuführungen nicht, weil es ein Inhouse-Konzept gibt. Genau das ist der Vorteil dieser kleinen funktionierenden Anstalt, und genau das macht es auch aus. Die Frauen sollen da nicht bevorteilt werden, sondern sie sollen ihren Schutzraum haben.

(Dirk Kienscherf SPD: Wo würden Sie denn Geld einsparen?)

Warum können Sie das nicht endlich einsehen? Wenn Sie sich das von uns nicht sagen lassen wollen, dann denken Sie doch einfach an alle Experten und an alle Fachleute Ihres eigenen Hauses, die das selbst gesagt haben. Sie können sich dem doch nicht einfach verschließen, sich hier hinstellen, ein Finanzierungskonzept vorlegen, das niemanden überzeugt, und ansonsten sagen, die Frauen würden davon profitieren. Das reicht definitiv nicht aus, und Sie werden sich daran erinnern, was wir Ihnen hier gesagt haben.

(Urs Tabbert SPD: Sie verrennen sich!)

Und ich bin wirklich erstaunt darüber, dass Sie, Herr Tabbert, uns im Ausschuss beschimpfen und feststellen, wer mit wem im Auto gefahren ist. Ab und zu heißt es, Frau von Treuenfels kenne immerhin die Anstalten – vielen Dank. Sie kennen sie anscheinend nicht, denn wenn Sie sie kennen würden und mit den Frauen so geredet hätten wie wir – unabhängig davon, wer in welchem Auto wohin fährt, Herr Tabbert, das hat nämlich nichts zu sagen –,

(Dirk Kienscherf SPD: Das muss Ihnen nicht peinlich sein! – Zuruf von Urs Tabbert SPD)

dann ginge es einfach einmal um die Sache und um die Frauen. Denken Sie einmal darüber nach. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU, den GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Schneider.

Meine Damen und Herren! In gewisser Weise ist das eine bittere Stunde, weil man feststellen kann, Frau Senatorin, Herr Staatsrat und SPD-Fraktion, dass Sie sich von wirklich jedem Reformgedanken, was den Justizvollzug angeht, verabschiedet haben.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP)

Sie argumentieren rein mit dem Haushalt, und Sie verschwenden keinen einzigen Gedanken an die Weiterentwicklung des Vollzugs. Sie verschwenden keinen einzigen Gedanken an die Weiterent

(André Trepoll)

wicklung zum Beispiel von offeneren Formen des Vollzugs auch im geschlossenen Vollzug.

(Zurufe von der SPD)