Wir stehen einer drastisch gesunkenen Gefangenenzahl bei gleichbleibender Haftplatzzahl gegenüber, und dem können wir nur begegnen, wenn wir teure Haftplätze abbauen. Den Weg dahin zeigt das intensiv beratene Senatskonzept klar auf. Wir konzentrieren die Anstalten dadurch, dass die TAF, die Teilanstalt für Frauen, nach Billwerder umzieht, denn dort haben wir eine Anstalt, die unter CDU/Schill/FDP-Regierung teuer und überdimensioniert für 800 Gefangene konzipiert und gebaut wurde. Tatsächlich haben wir dort heute eine Belegung von 600 Gefangenen. Darauf müssen wir doch reagieren. Ich bin mir sicher, dass sich die Erkenntnis über die positiven Effekte des Umstrukturierungskonzeptes, sobald der Betrieb in Billwerder nach den neuen Plänen aufgenommen wird, auch bei der Opposition, jedenfalls bei breiten Teilen der Bevölkerung durchsetzen wird, denn dann wird sich zeigen, dass die Anstalt für alle, die die Frauen besuchen und von externer Seite betreuen wollen, viel besser zu erreichen ist als zum Beispiel Hahnöfersand. Dann wird sich auch zeigen, dass das Angebot an Ausbildung und Qualifizierung weiter verbessert werden kann, und es wird sich zeigen, dass sich die Befürchtungen, die dem Vollzug von Männern und Frauen auf einem Anstaltsgelände entgegengebracht werden, nicht realisieren werden.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Alternativen haben Sie nicht aufgezeigt. Die FDP hat sich immerhin in der letzten Debatte hier im Hause von dem Bau Billwerders distanziert. Das ist in der Sache richtig, nützt aber nichts mehr und ist sehr durchschaubar. Klammheimlich verabschieden sich die CDU und die GRÜNEN nun von dem völlig überteuerten Konzept aus der vergangenen Legislaturperiode, der Verlagerung des offenen Vollzugs hinter die Mauern von Fuhlsbüttel, wohlgemerkt auch des Frauenvollzugs. Wie Sie mittlerweile konzedieren müssen, hatten Sie überhaupt keinen Rückhalt in der Fachöffentlichkeit, und jetzt bringen Sie dauernd fachliche Kritik vor. Darüber hinaus hätte der ganze Spaß 51 Millionen Euro gekostet. Unser Konzept gibt es nun für 20 Millionen Euro; immerhin werden 30 Millionen Euro gespart.
Wir setzen, um es zusammenzufassen, auf einen quantitativen und qualitativen Ausbau des offenen Vollzugs am bisherigen Standort in Glasmoor. Wir setzen auf einen Abbau von Haftplätzen, und wir setzen darauf, dass der Umzug des Frauenvollzugs nach Billwerder auch neue Chancen eröffnet. Das macht aus unserer Sicht Sinn. Keinen Sinn macht es, drei Stunden vor der heutigen Abstimmung nach anderthalb Jahren Beratung mit einem vermeintlich neuen Konzept auf den Markt zu kommen. Das taugt noch nicht einmal für die Bezeichnung Heldentum kurz vor Ladenschluss. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tabbert, Sie haben uns zwei- oder dreimal ganz süffisant darauf hingewiesen, dass wir uns mit diesem Vorschlag von unserem Konzept von vor zweieinhalb Jahren verabschieden würden. Das ist richtig, aber das unterscheidet uns auch von Ihnen: Wir sind lernfähig, wir sind bereit, auf die Argumente der Experten einzugehen, und das sind Sie nicht.
Ihre Argumentation kann ich schon gar nicht mehr für voll nehmen. Wenn Sie sagen, Sie gäben 30 Millionen Euro weniger aus, als es vom schwarz-grünen Senat geplant war, dann beweist das doch nur, dass Sie weniger ausgeben, aber größeren Mist bauen können. Das kann doch nicht ernsthaft Ihre Argumentation sein.
Ich will noch einmal auf die Besonderheit eingehen, dass die vier Oppositionsfraktionen Ihnen hier geschlossen über einen Zeitraum von über einem Jahr gegenüberstehen. Das ist nicht in jedem Politikbereich der Fall und zeigt,
Ihr Vorwurf uns gegenüber war immer, wir würden nicht die ganze Reform sehen, denn auch was die finanziellen Mittel anginge, sei der größere Teil in Glasmoor veranschlagt. Jetzt machen wir genau das, und es ist Ihnen wieder nicht recht. Unser Antrag zielt nämlich genau auf eine Abkopplung des größeren Teils der Reform – im finanziellen Rahmen Glasmoor – und nimmt nur diesen einen kleinen Teilbereich aus, der aber höchst umstritten ist und von dem alle Experten im Strafvollzug und bei uns in der Anhörung gesagt haben: Macht das nicht, zerschlagt nicht diese guten bestehenden Strukturen im Frauenvollzug.
Die Reform ist fachlich falsch, sie führt zum Nachteil der inhaftierten Frauen und ihrer Resozialisierung. Sie ist finanziell unverhältnismäßig. Die Ein
sparungen, die Sie erzielen, stehen in keinem Verhältnis zu dem, was Sie auf Hahnöfersand zerschlagen.
Wir haben in den letzten gut zehn Jahren über 9 Millionen Euro in den Frauenbereich von Hahnöfersand investiert. Sie wissen gar nicht, was Sie mit dem Gebäude dort jetzt anfangen können. Wenn man mit der Jugendstrafanstalt spricht, dann können die das Gebäude gar nicht gebrauchen,
es ist überhaupt nicht gesichert für den Jugendstrafvollzug. All das ist also weiterhin offen, und dass Sie als SPD-Fraktion nicht die Kraft besitzen, Ihrer Justizsenatorin im wahrsten Sinne des Wortes einen Riegel vorzuschieben und sich einmal durchzusetzen, ist die wahre Tragödie bei dieser Abstimmung.
Der Senat hat im Haushaltsausschuss zugegeben – wir haben das in den Antrag aufgenommen –, dass die Personaleinsparungen auch ohne eine Verlagerung der Frauen von Hahnöfersand nach Billwerder möglich sind. Ich bleibe dabei: Das Tragische an dieser Entscheidung ist, dass sie unumkehrbar ist. Wenn Sie diese Strukturen zerschlagen haben, dann wird man sie nicht wieder aufbauen können, das steht fest. Und das wird der justizpolitische Sündenfall der SPD-Fraktion in dieser Legislaturperiode sein.
Herr Tabbert, Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung – und Sie haben es eben auch gesagt –, es werde seit anderthalb Jahren diskutiert. Die Drucksache wurde am 21. August 2012 an den Ausschuss überwiesen, das ist keine anderthalb Jahre her. Ich finde, Sie sollten sich an die Wahrheit halten. Wir haben jetzt ein gutes halbes Jahr darüber diskutiert, wir haben sehr intensiv diskutiert und es wurden sehr viele Argumente angeführt. Es ist von Ihnen kein einziges fachliches Argument in dieser in der Tat sehr langen Zeit von über einem halben Jahr gekommen, warum Sie die Einrichtung des Frauenvollzugs liquidieren wollen.
Warum, fragen Sie, sollen wir dieses Haus 3 leer stehen lassen? Das kann ich Ihnen sagen: Weil das Ziel des Strafvollzugs immer noch die Resozialisierung ist
und weil die Verlagerung des Frauenvollzugs in die Männeranstalt die Resozialisierungsbedingungen der Frauen nachhaltig schwächt und verschlechtert. Deshalb sagen wir: Lieber lassen wir das Gebäude leer stehen, als dass wir das Vollzugsziel verfehlen, denn das würde kurzfristig und auch langfristig recht teuer. Das wird die Gesellschaft viel Geld kosten und sich letzten Endes auch im Haushalt niederschlagen, denn jede Frau, die kein Leben in sozialer Verantwortung schafft und in das Gefängnis zurückkehrt, weil die Resozialisierungsbedingungen schlecht waren, wird natürlich Kosten verursachen durch neue Hafttage.
Es kommen sowieso – das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten diskutieren – schwere Belastungen auf den Strafvollzug zu. Ich verfolge mit Sorge die Haushaltsverhandlungen im Europäischen Parlament, den ESF zu kürzen, von dem erhebliche Teile der Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen nicht nur im Frauenvollzug abhängen; das wird ohnehin schwierig. Ich habe mit Schrecken in dem Gesetzentwurf zum Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz gelesen, dass die zusätzlichen Gelder, die in die Sicherungsverwahrung gehen, durch Umschichtungen beim Vollzug erwirtschaftet werden sollen. Das heißt, dass sich die Resozialisierungsbedingungen in allen Gefängnissen sowieso verschlechtern werden, wenn es nach Ihren Plänen geht. Angesichts dessen werden wir um diesen Schritt, dass die Frauen nicht dahin verlagert werden, kämpfen. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich gebe zu, dass wir heute die gefühlt zwanzigste oder dreißigste Debatte zum Thema Justizvollzugsreform führen, und manch einer unter Ihnen mag sich fragen, ob die Argumente nicht längst ausgetauscht sind.
Ich habe Ihnen eine kleine Pause gelassen, damit Sie das sagen können, Herr Dressel; ich habe es mir gedacht.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz klar: Das sind sie offensichtlich nicht. Deshalb legen wir Ihnen heute einen interfraktionellen Änderungsantrag vor, um ein letztes Mal zu versuchen, den schweren Fehler der Verlagerung des Frauenvollzugs in die JVA Billwerder zu verhindern. Ich nenne dafür drei weitere Gründe; ich beziehe mich nur auf diese.
Erstens haben wir in dieser Legislaturperiode in diesem Haus bisher noch keine derart unsoziale Haltung erlebt, wie von Ihnen zu diesem Thema.
Das kann ich auch begründen. Im Laufe der letzten Monate kamen allerlei Scheinargumente, mit denen der wahre Kern Ihrer Argumentation für die Verlagerung des Frauenvollzugs, nämlich das Kostenargument, verborgen werden sollte. Die gemeinsame Unterbringung von Frauen und Männern in Billwerder sei am Ende billiger, behaupteten Sie. Die drohenden körperlichen Gefahren für die Frauen, die seelischen Belastungen und vor allem der gefährdete Resozialisierungsgedanke, was Ihnen alle Experten bestätigen, das alles ist für Senat und Sozialdemokraten nur noch soziales Gedöns. In Wahrheit geht es Ihnen nur um einen angeblichen Sparbeitrag der Justizbehörde für den Haushalt. Das ist eine sozial verantwortungslose Politik, die Sie mit Ihrer absoluten Mehrheit im Parlament gegen jede Vernunft durchsetzen wollen.
Zweitens ist im Laufe der Diskussion deutlich geworden, dass Ihr Kostenargument gar nicht zieht. Wir werden nicht weniger, sondern sogar mehr Geld in Billwerder und auch in Hahnöfersand für die erforderlichen Umbaumaßnahmen ausgeben müssen. Wir werden mehr Geld für die zusätzliche Zuführung ausgeben müssen, die wir für die Frauen in Billwerder brauchen. Und auch langfristig wird es nicht weniger, sondern mehr Geld kosten, schlechter oder gar nicht resozialisierte Frauen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Ob Sie das vielleicht auch einmal mitgerechnet haben? Ergo ist das Ganze eine Milchmädchenrechnung der Senatorin.
Drittens hat der Verlauf der parlamentarischen Debatten zu diesem sensiblen Thema eine sehr rücksichtslose SPD gezeigt, die mit vielen verschiedenen Geschäftsordnungstricks ihren Mehrheitswillen durchgesetzt hat. Sie wollten zusätzliche Anhörungen im Ausschuss verhindern und haben das Verlesen von Briefen inhaftierter Frauen mit Ihren Geschäftsordnungstricks schlichtweg blockiert. Frau Senatorin Schiedek, Sie haben bisher alle Argumente, die der Opposition wie die der Experten, konsequent ignoriert. Das finde ich ziemlich kalt, arrogant und machtverliebt.
Das erinnert an die alte, weit über 40 Jahre in dieser Stadt herrschende SPD, die frei nach dem Sonnenkönig gelebt hat und glaubte, der Staat sei sie und der Rest egal.