Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Fast zwei Jahre Vorbereitung, sage und schreibe 162 Maßnahmen und ein ganz großer Name – das sind die auf den ersten Blick beeindruckenden Rahmenbedingungen Ihres Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms. Aber wie so oft, wenn der Senat mit großem Getöse ein wichtiges politisches Ziel, wie hier die bessere Förderung der Gleichberechtigung, angeht, lohnt ein kritischer zweiter Blick. Wer diesen auf das Mammutwerk aus dem Hause Schiedek wirft, der stellt fest, dass es aus ziemlich viel heißer Luft und wenig Substanz besteht. Ich möchte mit Letzterem anfangen, liebe Sozialdemokraten.
Einig sind wir uns über die Maßnahmen, die die Möglichkeit einer Teilzeitausbildung weiterführen, die die Förderung der Vereinbarkeit von Studium und Familie stärken, die den Männeranteil beim Kita-, Pflege- und Fachkräftepersonal erhöhen – besonders wichtig – und die die Beratungs- und Fortbildungsangebote zum Wiedereinstieg in den Beruf intensivieren. Leider sind dies aber auch schon die wenigen konkreten Maßnahmen in Ihrem 162Punkte-Plan. Sehr vage geht es dann weiter. Ein knappes Drittel, 52 Ihrer 162 Punkte, bestehen nur aus Prüfaufträgen und dort, wo Sie konkret werden, marschieren Sie mit Ihren Vorstellungen von Gleichberechtigung in die falsche Richtung, nämlich in Richtung Bevormundung und Bürokratie. Ihre im Bundesrat groß vorgestellte Initiative zur 40Prozent-Quote in DAX-Unternehmen ist ein Musterbeispiel dafür. Noch dazu ist Ihre Quotenpolitik ziemlich inkonsequent, denn bei den öffentlichen Unternehmen Hamburgs liegt der Frauenanteil in Führungspositionen unter 25 Prozent. Meine Damen und Herren, in Berlin für private Großunter
nehmen lauthals die Quote zu fordern, aber in Hamburg im eigenen Verantwortungsbereich möglichst im Ungefähren zu bleiben, das finde ich ziemlich bedenklich.
Ebenso verhält es sich mit einer Reihe weiterer Punkte in Ihrem Großprogramm, während ein anderer, für uns Liberale besonders wichtiger Punkt völlig fehlt, nämlich dass Gleichberechtigung nicht durch mehr Bürokratie, sondern durch Stärkung von Eigenengagement geschaffen wird. Nur dadurch kann man das erreichen.
Stattdessen setzen Sie auf das alte sozialdemokratische Muster der Überreglementierung und verlieren so aus dem Auge, dass es unsere Aufgabe im Parlament ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, Rahmenbedingungen, die die Eigeninitiative, in diesem Fall die der Frauen, stärken. Statt börsennotierten Unternehmen deutschlandweit Quotenregelungen von oben aufzuerlegen, sollten Sie, liebe Kollegen von der SPD, intensiver in Hamburg an einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten.
Das ist es, worum es wirklich geht und was den Frauen, die selbstbewusst und selbstbestimmt genug sind, die Möglichkeit eröffnen würde, allein das zu erreichen, was wir alle wollen.
Statt übermäßig zu regulieren, sollten Sie verbesserte politische Rahmenbedingungen insgesamt für berufstätige Frauen schaffen. Statt 162-mal schöne Ziele, vage Prüfaufträge und ein paar wenige konkrete und sinnvolle Vorschläge aufzuschreiben, sollten Sie Ihre Energie besser für solche Zwecke verwenden. Das wäre dann wirklich ein gesellschaftliches Reformprojekt und nicht nur ein Punktekonvolut. Dazu könnten wir alle stehen. Die Diskussion um die zu ergreifenden Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung ist aber zu wichtig, um sie mit diesem inhaltlich etwas mageren Mammutkatalog abzuschließen. Wir brauchen mehr Zeit, um echte Inhalte zu diskutieren. Deshalb stimmen wir natürlich einer Überweisung an den Ausschuss für Justiz und Gleichstellung zu, halten allerdings eine Mitberatung der anderen Ausschüsse nicht für notwendig. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Frau Wolff, mit Ihrer Rede haben Sie ein unglaubliches, fulminantes Ei
gentor geschossen, aber wie Sie die Demontage Ihrer Partei weiterbetreiben, müssen Sie selbst verantworten.
Das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm ist wichtig, weil es eine erste Gesamtdarstellung aller gleichstellungspolitischen Aktivitäten beinhaltet, und dafür gebührt denjenigen, die daran mitgearbeitet haben, Respekt und Dank.
Wie in der Drucksache steht, gehört es zu den verfassungsrechtlichen Aufgaben des Staats, Frauen und Männer nicht nur gleich zu behandeln, sondern darüber hinaus die tatsächliche Durchsetzung ihrer Gleichberechtigung zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Bei der geschlechtergerechten Verteilung der Steuereinnahmen hat der Senat aber bislang lediglich vor, die Kennzahlen in den Haushaltsplänen zu erweitern. Das aber reicht nicht aus.
Das Geld muss vielmehr geschlechtergerecht umverteilt werden. Die Bürgerschaft plant aufgrund eines Antrags der Links-Fraktion zum Gender Budgeting im Haushaltsausschuss eine Experten-undExpertinnenanhörung. Ich habe große Erwartungen, dass dann das Programm noch nachjustiert wird. In welchem Umfang Frauen guter Arbeit nachgehen können, daran macht sich die Verwirklichung der Gleichstellung weitgehend fest.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist daher von großer Bedeutung. Im Programm steht dazu unter anderem, die Verteilung der Pflege- und Sorgearbeit präge die Erwerbsläufe und damit die Chancen der Geschlechter auf Bildung und Erwerb. Es wird dann aber lediglich zeitlich unbestimmt ein Demografiekonzept angekündigt, das bis zum Jahr 2030 die Entwicklung beschreiben soll. Beschreiben reicht aber schon lange nicht mehr aus, um diesen gesellschaftlich und frauenpolitisch höchst relevanten Bereich zu erfassen. Vielmehr müsste hinterfragt werden, wie sich die mangelhafte Pflegeversicherung und das völlig unzureichende Pflegezeitgesetz auf die Erwerbstätigkeit von Frauen und ihre private Pflegeleistung auswirken und welche gesetzlichen Initiativen erforderlich wären. Für den Bereich Pflege lese ich als einzige konkrete Maßnahme, dass es eine Imagekampagne geben soll, um junge Männer für den Pflegeberuf zu gewinnen. Das ist aber viel zu dünn.
Sehr geehrte Herren und Damen! Dieses Land steuert in der Pflege in eine gesellschaftspolitische Krise hinein. Die Hamburger Ökonomin Professor Gabriele Winker nennt dies die Krise der Reproduktion. Die Aushöhlung der Renten, die wachsende Altersarmut, der Anstieg der Niedriglöhne, all das wird sich in den nächsten Jahren unglaublich zuspitzen, und die Krise wird sich vornehmlich auf den weiblichen Teil der Bevölkerung auswirken. Es gibt konkrete und sehr umwälzende Vorschläge, um diese Krise zu bewältigen. Ich erwarte, dass dieser Bereich in dem Programm umfassender dargestellt wird.
Sehr geehrte Abgeordnete! Arbeitsmarktpolitik bildet richtigerweise einen Schwerpunkt in diesem Programm, und so lesen wir, dass 5000 Alleinerziehende zwischen 16 und 35 Jahren keine Berufsausbildung haben. Alleinerziehende haben die größte Armutsgefährdung, und 90 Prozent aller Alleinerziehenden sind Frauen. Mir ist es daher zu wenig, dass die Alleinerziehenden in dem Programm lediglich unter Teilzeitausbildung erwähnt werden. Alleinerziehende verdienen eine besondere Betrachtung, eine Schwerpunktbetrachtung. Hier muss ebenso nachgebessert werden.
Der gesamte Bereich der Arbeitsmarktpolitik krankt meines Erachtens daran, dass das Handlungsfeld als Markt definiert wird.
Das macht den Staat zum Anbieter von Arbeitskräften und überlässt es den Betrieben, die Angebote an menschlichen Arbeitskräften anzunehmen oder auch nicht. Die Folgen muss ich Ihnen an dieser Stelle nicht näher beschreiben, Sie kennen sie alle. Nehmen Sie den Gedanken mit, dass wir künftig über Beschäftigungspolitik reden sollten. Dieser Gedanke und seine Weiterentwicklung wären eine Aufnahme in das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm wert.
Sehr geehrte Abgeordnete! Ich möchte nun aber noch drei Bereiche erwähnen, in denen ich sehr positive Ansätze sehe. DIE LINKE heißt es zum Beispiel gut, dass für das Vergaberecht noch in 2013 eine Gleichstellungsförderungsregelung und für das Zuwendungswesen gleichstellungsbezogene Förderrichtlinien erarbeitet werden sollen. Wir unterstützen ebenso die Positionierung, das Ehegattensplitting durch eine gerechtere und nicht mehr frauenfeindliche Besteuerung abzulösen. Auch dass wir aufgrund der Initiative der Links-Fraktion, sich mit der Gendermedizin auseinanderzusetzen, am 23. April eine Expertinnen-und
Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss durchführen werden, werten wir als gutes Zeichen. Ich habe Ihnen aber bewusst einige sehr große Schwächen des Programms aufgezeigt. Es gibt, ehrlich gesagt, noch etliche mehr: zum Beispiel die politische Bildung, bei der eine differenzierte Darstellung fehlt, ob und wie Frauen und Männer Angebote politischer Bildung unterschiedlich nutzen, oder auch die unklare Weiterentwicklung geschlechtsspezifischer Ansätze in der Kultur oder die geplante Erhöhung der Teilzeitquote für Männer im öffentlichen Dienst statt des Abbaus der Teilzeit für Frauen. Leider werden die Folgen der Schuldenbremse auf die Gleichstellung konsequent aus dem analytischen Teil ausgeblendet, aus dem Maßnahmenplan sowieso. Die Schuldenbremse ist aber eine Gleichstellungsbremse.
Daher muss der Senat, wenn er seinem Auftrag nachkommen will, die Folgen dieser selbstauferlegten Begrenzungspolitik wenigstens analysieren, wenn er sie schon nicht zurücknehmen will.
Dass die Ressourcen für die einzelnen Maßnahmen aus den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln genommen werden sollen, macht klar, dass das Programm ohne jede Zusatzfinanzierung zu verstehen ist. Wenn dieses Programm aber keine Prosa sein will, dann muss noch Geld hineingebuttert werden. Wenn Sie beabsichtigen, dass Hamburg wieder Hauptstadt der Gleichstellungspolitik werden soll, dann muss das Programm in vielen Punkten grundsätzlich neu angefasst und überarbeitet werden. DIE LINKE wird ihre Vorschläge dazu vorlegen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heribert Prantl hat es ziemlich treffend auf den Punkt gebracht:
(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE – Katharina Wolff CDU: Das hätte Ihr Bundestagsabgeordneter mal sagen sollen!)
Das nimmt der Senat, das nehme ich sehr ernst. Ich bin mir sicher, dass zumindest die meisten von Ihnen dies auch tun, wenn mich auch die eine oder andere Äußerung in der Debatte daran hat zweifeln lassen. Für den Großteil der hier Anwesenden möchte ich es aber annehmen.
der Gleichstellung von Frauen und Männern gemacht. Auch wenn wir noch nicht so weit sind wie in anderen Ländern Europas, schneidet Hamburg im Bundesvergleich durchaus gut ab. Wir haben eine beträchtliche Anzahl von Frauen, die einen technischen Ausbildungsberuf ergreifen. Hamburg liegt an der Spitze mit seinem Frauenanteil bei den Existenzgründungen, und Hamburg ist Spitzenreiter, was den Anteil der männlichen Erzieher betrifft. Wir können vergleichsweise stolz sein auf den Frauenanteil in der Bürgerschaft – zumindest insgesamt gesehen –, im Senat und ebenso bei den Hochschulprofessoren. Hamburg wird seiner Rolle als Vorreiter in Sachen Gleichstellung in einigen Bereichen also durchaus gerecht. Aber es gibt überhaupt keinen Anlass, sich auszuruhen, denn von einer tatsächlichen Gleichstellung sind wir in vielen, vielen Lebensbereichen noch ein ganzes Stück entfernt, und auch in den eben genannten Bereichen besteht noch viel Luft nach oben.
Nach wie vor bestimmt das Geschlecht den Platz in der Gesellschaft: bei der Wahl des Berufs, bei der Höhe des Gehalts, bei den Aufstiegsmöglichkeiten und beim Wiedereinstieg in den Beruf nach der Geburt eines Kindes. Wir wollen aber in Hamburg die Rahmenbedingungen so gestalten, dass jeder Mensch selbstbestimmt über den eigenen Weg entscheiden kann, denn nur wenn das möglich ist, geht es in unserer Gesellschaft gerecht zu. Dabei gilt aber auch, damit das klar ist, Frau Wolff: Für welchen Weg sich jeder oder jede entscheidet, bleibt natürlich jeweils in seiner oder ihrer freien Entscheidung, aber jeder Mensch verdient eine faire Chance und faire Rahmenbedingungen.