Protokoll der Sitzung vom 11.04.2013

(Antje Möller)

(Zuruf aus dem Plenum: Sollten Sie da sein!)

Ich werde auch da sein.

Ihr Antrag bezieht sich stark auf den Mord des Herrn Tasköprü in Hamburg. Auch dazu hat uns der Senat im Laufe der Befassung im Innenausschuss bereits vor einem Jahr den derzeitigen Stand der Ermittlungen aus unserer Sicht schlüssig dargestellt. Dass es sich kriminalistisch sehr viel leichter und effektiver ermitteln lässt, wenn man aus der Retrospektive handelt und das Ergebnis im Grundsatz bereits kennt, versteht sich. Die Angelegenheit NSU wurde im Innenausschuss, wir haben es schon gesagt, des Öfteren behandelt. Der Senat und auch der Verfassungsschutz berichteten. Des Weiteren wurden auch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags diese Vorgänge um den NSU beleuchtet. Die öffentliche Berichterstattung war deutlich und ausführlich. Nennenswerte neue Hinweise auf eine Verquickung mit Hamburg haben sich bisher, ich betone bisher, nicht ergeben.

Aus diesem Grunde erscheint uns Ihr Antrag zu diesem Zeitpunkt unbegründet, weil wir glauben, dass wir im Moment wenig neue Erkenntnisse haben. Für den Fall, dass sich aus der Anklageschrift im bevorstehenden Prozess vor dem OLG München neue Erkenntnisse für Hamburg ergeben oder es Verbindungen zwischen dem NSU und rechtsradikalen Gefängnisgruppierungen gibt, was als Nachricht in den vergangenen Tagen über die Sender lief, sollte das im Innenausschuss erörtert werden.

(Farid Müller GRÜNE: Hamburg steht da nicht vor Gericht!)

Hamburg steht nicht vor Gericht, da haben Sie recht.

Von daher erscheint uns der Antrag der SPD auf Überweisung an den Innenausschuss trotz allem im Moment zielführend. Wir werden das unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort erhält nun Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben den Sitzungstag mit einem Gedenken an die endgültige Machtübernahme des Nationalsozialismus vor 80 Jahren durch das Ermächtigungsgesetz begonnen; wir waren alle sehr beeindruckt. Wir haben sehr bewusst diese Debatte heute angemeldet, weil wir natürlich nicht nur in die Vergangenheit schauen wollen, sondern auch in die Gegenwart und die Zukunft.

(Olaf Ohlsen CDU: Nun müssen wir sachlich bleiben!)

Wenn es nun heißt, es könne nicht sein, dass DIE LINKE zum wiederholten Mal eine Debatte über den NSU oder die Neonazis anzettelt, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wir können es gar nicht oft genug machen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Der Rede von Frau Schneider habe ich sehr genau zugehört. Es war eine ausgesprochen sachliche Rede.

(Zurufe von der CDU)

Es gab darin überhaupt keine Schuldzuweisungen. Alles, was hier als Schuldzuweisungen interpretiert wurde, hat sie nicht gesagt. Sie hat niemanden beschuldigt.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Sie hat einen Ord- nungsruf bekommen!)

Sie hat Fragen gestellt, aber alle Redner, die nach ihr gekommen sind, und insbesondere Herr Wysocki, haben nicht eine einzige dieser Fragen aufgegriffen. Es waren Fragen im Zusammenhang mit Ermittlungen, und sie hat Zitate herangezogen. Alles, was Sie ihr vorwerfen, hat sie überhaupt nicht gemacht. Es war weit sachlicher als all das, was ich in den Zeitungen finde. Wenn Sie in die Zeitungen schauen, dann lesen Sie fast täglich neue Enthüllungen über Pannen bei der Ermittlung zum NSU. Nun können Sie doch nicht sagen, es gäbe keine Fragen. Es stellen sich jeden Tag neue Fragen, und deswegen ist es wichtig, dass dieses Thema aufgegriffen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden die Rede von Frau Schneider ins Netz stellen, und dann können sich die Hamburgerinnen und Hamburger selbst ein Bild von der Art dieser Rede machen.

(Wolfgang Rose SPD: Es geht gar nicht um die Rede!)

Wenn es nicht um die Rede geht, dann hätte ich gern gewusst, warum Herr Wysocki sich hier hinstellt und mit derartigen persönlichen Angriffen auf Frau Schneider losgeht. Das ist für uns völlig inakzeptabel gewesen. Wenn sich einer entschuldigen muss, dann ist es Herr Wysocki.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Zur Kontrolle der Pressemitteilung hat Frau Möller schon etwas gesagt.

(Dirk Kienscherf SPD: Die darf gar nicht so rausgehen!)

Ich sage nur eines: Wir respektieren die Eigenverantwortlichkeit aller Abgeordneten. Darüber hinaus

(Carl-Edgar Jarchow)

sage ich noch einmal sehr deutlich: Frau Schneider hat in jedem Fall, auch in diesem Fall und auch in Bezug auf diese Presseerklärung, unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der LINKEN)

Getoppt hat Herr Wysocki seine Aussagen noch mit dem Zusatz "Wir werden solche Anträge in Zukunft nicht zulassen." Ich weiß nicht, wer wir ist, aber erstens steht ihm das gar nicht zu und zweitens werden Sie das wohl müssen. Und drittens werden wir uns in unserer freien Meinungsäußerung nicht beschneiden lassen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort erhält erneut Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will einiges nicht so stehenlassen. Frau Heyenn, Sie wissen, ich schätze Sie persönlich sehr. Ich kann auch verstehen, dass eine Fraktionsvorsitzende sich vor eine Kollegin aus der eigenen Fraktion stellen muss,

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

aber es gibt Grenzen, und die Grenzen haben Sie heute deutlich überschritten. Ihre eigene Fraktion hätte deutlich machen müssen, dass eben nicht Fragen gestellt wurden, wie Sie es dargestellt haben. Hier sind keine Fragen gestellt worden,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Es ist eine Frage gestellt worden!)

sondern Behauptungen in den Raum gestellt worden. Das ist auch genau das, was Frau Möller falsch dargestellt hat. Dieser Antrag, den wir heute zur Vorlage haben, ist kein Antrag, der sich auf neue Erkenntnisse stützt, sondern darauf, dass Sie etwas gehört haben und weiterforschen wollen. Dieser Antrag formuliert schlichtweg und durchgängig Behauptungen. Der Beitrag von Frau Schneider tat genau dasselbe. Was uns als Demokraten momentan eigentlich einigen sollte, ist, es nicht zuzulassen, dass der NSU uns in diesem Hause so weit bringt, dass wir unsere eigenen demokratischen Traditionen infrage stellen. Dazu gehört auch, dass wir nicht vorverurteilen. Frau Möller, bei allem Respekt, natürlich darf man das Wort Rassismus gebrauchen, aber ich finde es unglaublich, Menschen persönlich mit diesem Vorwurf ohne einen Hauch von Beweis zu konfrontieren. Das, Frau Möller, dürfen auch wir nicht, und das sollten wir auch nicht machen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der FDP – Zuruf von Cansu Özde- mir DIE LINKE)

Frau Schneider, Sie haben das Wort.

Ich glaube, Sie waren es in Ihrem ersten Beitrag, Herr Voet van Vormizeele, der gesagt hat, das Ergebnis stünde noch nicht fest. Das ist wahr, das Ergebnis steht noch lange nicht fest, weil die Aufklärungsarbeit tatsächlich noch ziemlich in den Anfängen steckt. Wir haben das im Innenausschuss mehrfach diskutiert, das letzte Mal vor ungefähr einem Jahr. Damals gab es den Aufklärungsstand, den es heute gibt, noch nicht. Ich entschuldige mich für das Wort gelogen, aber ich kann sagen, dass Vertreter des LKA damals nicht gesagt haben, was sie wussten. Auf dieser Basis haben wir vielleicht 5 Prozent von dem erfahren, was das LKA wusste. Wir haben sehr allgemeine Floskeln gehört, wir haben alles Mögliche erfahren, wie vielen Spuren nachgegangen wurde und so weiter. Vieles haben wir aber nicht erfahren. Die Aufklärung ist nicht abgeschlossen, aber sie ist heute weiter, weil nämlich der Vertreter des LKA Hamburg vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt hat. Ihre Kollegen im Untersuchungsausschuss, das habe ich mir von meinen Kollegen bestätigen lassen, arbeiten ausgezeichnet. Daher möchte ich Sie bitten, sich bei Ihren Kollegen zu erkundigen,

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Ich warte auf einen Abschlussbericht!)

wie ich mich bei meinen Kollegen erkundigt habe. Von den Tatsachenbehauptungen, die ich aufgestellt habe – ich habe Fragen gestellt, aber auch Tatsachen behauptet, das will ich schon sagen –, habe ich mir keine einzige ausgedacht. Ich habe mir nicht ausgedacht, dass Herr Schwarz, der Leiter dieser Ermittlungsgruppe, gesagt hat, dass man Herrn Tasköprü im LKA einen ganz normalen türkischen Mann genannt hat, und ich habe mir nicht ausgedacht, wie er diesen ganz normalen türkischen Mann charakterisiert hat.

Ich möchte etwas zur Frage des Rassismus sagen. Es liegt mir sehr fern, irgendjemanden des Rassismus zu beschuldigen, weil das ein sehr harter Vorwurf ist. Wenn man zu jemandem sagt, er sei ein Rassist, dann stempelt das diesen Menschen ab. Jetzt kommt das Aber. Ich möchte nach Großbritannien ausweichen. In Großbritannien gab es einen Mord an einem farbigen jungen Mann. Es lag eigentlich alles offen auf der Hand, und trotzdem führte der Prozess nicht zu einer Verurteilung, und zwar, weil die Polizei wahnsinnig geschlampt hatte. Daraufhin war der britische Innenminister so klug, eine Kommission mit einem Lord als Vorsitzenden einzusetzen. Der hat einen Bericht verfasst. Dort ist der Begriff des institutionellen Rassismus geprägt worden, der genau darauf abzielt, dass es völlig unabhängig davon, ob Menschen rassistischen Mist im Kopf haben oder Ressenti

(Dora Heyenn)

ments pflegen, Handlungsmuster, Praktiken und Verfahrensweisen gibt, die tatsächlich rassistisch sind.

(Olaf Ohlsen CDU: Was wollen Sie uns ei- gentlich erzählen?)

Es gibt zum Beispiel gerade eine Debatte in der Bundesrepublik zum Racial Profiling.

(Zuruf aus dem Plenum)

Das gibt es auch in Hamburg.

Gehen Sie einmal im Frühjahr an die Alster. Dort geht die Polizei, weil sich Jugendliche zusammenhocken, trinken und so weiter. Gehen Sie Ihnen einmal hinterher und sehen Sie sich an, wen sie überprüfen. Ich habe das einmal einen ganzen Abend lang gemacht. Es waren ausschließlich Migrantinnen und Migranten, die überprüft wurden. Ich sage nicht, dass diese Polizisten Rassisten sind, aber sie haben eine bestimmte Sichtweise, die natürlich auch durch ihre Erfahrungen geprägt ist. Davon ist nicht nur die Polizei betroffen, sondern jede Institution. Es gibt zum Beispiel einen EU-Untersuchungsbericht über Rassismus in Schulen. Dort wird die Behauptung aufgestellt, dass Lehrer sehr oft als Türöffner oder eben Nichtöffner für Migranten wirken. Diesen wird nicht Rassismus unterstellt, sondern gesagt, dass sie eine bestimmte Sicht auf den Schüler haben.