Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, genau so funktioniert Haushaltspolitik bei den GRÜ- NEN!)

Nein, Herr Dressel, Ihr Senator hat gerade gesagt, es ginge nicht um das kleine Geld. Er hat ge

rade die 2 Millionen als wenig Geld bezeichnet. Es gehe darum, dass das Verfahren schwierig sei und die Opfer ihre Geschichte nicht zweimal erzählen wollen.

Herr Senator, Sie haben mit zwei Heimkindern gesprochen. Wie kann es sein, dass die Opfer, die am Runden Tisch sitzen, gesagt haben, sie würden das Verfahren erst einmal mittragen? Sicherlich hat Frau Özdemir damit recht, dass man das Verfahren noch verbessern kann. Ich finde Ihre Ausführungen aber etwas von oben herab. Woher nehmen Sie Ihre Weisheit, dass der Hilfsfonds den Opfern nicht hilft? Ich behaupte das Gegenteil. Ihre Rede hat das eigentlich auch bewiesen, die war absurd.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der FDP und der LINKEN)

Frau Leonhard, Sie haben das Wort. – Ich bitte das Plenum um mehr Ruhe. Hören Sie der Rednerin bitte aufmerksam zu.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, mir Ihr Gehör für zwei, drei erläuternde Anmerkungen zu diesem Thema zu schenken. Die GRÜNEN sollten einmal einen Blick darauf werfen, wie die bundespolitische Debatte zu dem Thema Hilfsfonds gestaltet ist. Ich glaube, niemand hat gesagt, dieser Hilfsfonds wäre generell von Übel. Das ist überhaupt nicht unser Thema, und das ist auch nicht das Thema von 15 anderen Bundesländern, darunter auch ein Grün-geführtes. Alle, die sich an dieser Diskussion rund um den Runden Tisch beteiligt haben, haben es als äußerste Herausforderung angesehen, dass man ihn um das Thema Opfer häuslicher Gewalt erweitert hat. Es ist eine große Herausforderung, denen gerecht zu werden. Alle haben gesagt, dass in erster Linie von Bedeutung sei, die Regelsysteme zu stärken. Die Opferverbände haben gerade in der letzten Woche noch einmal geäußert, welch großes Problem es sei, dass die Novellierung des Opferschutzgesetzes seit langer Zeit im Rechtsausschuss festhänge. Wir wissen alle, woran das liegt; es liegt nicht an den Oppositionsfraktionen in diesem Hause. Das ist in Wahrheit das wesentliche Thema.

Hier ist natürlich das Beispiel des Hilfsfonds für die Heimkinder relevant und auch wichtig in diesem Zusammenhang zu nennen, weil man dann nämlich sehen kann, dass bisher kaum Geld abgeflossen ist und es bisher nur wenigen Opfern gelungen ist, von dem Hilfsfonds zu profitieren, der den Menschen ein schwieriges bürokratisches Verfahren aufbürdet und am Ende nur zweifelhaft sicherstellt, dass sie eine Unterstützung erhalten. Wenn 15 Bundesländer sagen, sie hätten Schwierigkeiten, da einzuzahlen, kann man das nicht als ab

(Christiane Blömeke)

surd abtun. Das ist ein ernstes Problem, und hier ist noch richtig etwas zu regeln. Das hat die Bundesregierung versäumt, und auch die Familienministerin hat es bisher versäumt, dort etwas zu tun. Es hilft nicht, nur Geld einzuzahlen, wenn das Antragsverfahren noch nicht einmal klar ist. Das ist die bundespolitische Diskussion.

(Beifall bei der SPD)

Wer dazu einmal etwas Authentisches hören will, hat es im Moment ganz leicht. Die ARD hat auf "tagesschau.de" ein Spezial dazu zusammengestellt. Da kann man einmal reingucken, es kommen viele Menschen zu diesem Thema zu Wort. Dann wird man feststellen, dass die Diskussion sich um das Thema Opferschutzgesetz dreht und um die Frage, wie gerade Menschen, die im privaten Raum Opfer von Missbrauch geworden sind, zum Beispiel durch verlängerte Verjährungsfristen profitieren und dass es über solch einen Fonds nämlich sehr schwierig ist. Das wäre eine ernsthafte Hinwendung zu diesem Thema. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Wolff, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei Herrn Scheele war ich eine Sekunde zu spät, Sie haben Ihr Manuskript schon zusammengepackt. Eine Antwort auf meine Frage habe ich trotzdem leider nicht bekommen, deswegen stelle ich mich noch ein zweites Mal hier hin. Vielleicht kommen Sie gleich noch einmal nach vorn,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee!)

und vielleicht finden Sie irgendetwas in Ihrem Redemanuskript, was einen Aufschluss darüber zulässt, warum Sie in diesen Hilfsfonds nicht investieren wollen.

(Karin Timmermann SPD: Das haben Sie doch eben gehört!)

Frau Leonhard, ich habe bei Ihnen auch kein genaues Argument gehört; deutlich fachlicher war es – dafür vielen Dank. Aber die GRÜNEN jetzt aufzufordern, ihre Oppositionsarbeit niederzulegen, weil sie auf Bundesebene gucken sollen – das finde ich an der Stelle ein bisschen schwach, das Thema zu Wahlkampfzwecken zu benutzen.

(Beifall bei der CDU – Gabi Dobusch SPD: Das erweitert den Horizont!)

Die Rede von Herrn Scheele, das hat Frau Blömeke auch schon gesagt, war eine absolute Nullnummer. Sie war ein gutes Beispiel dafür, wie man eine Rede hält, ohne auch nur ein einziges konkretes Argument zu nennen.

(Beifall bei der CDU und bei Martina Kaes- bach FDP)

Das Einzige, was ich gelernt habe, ist, dass ein Brief von Herrn Scheele ähnlich viel wert ist wie 2 Millionen Euro, denn ansonsten könnten Sie diesen Vergleich kaum ziehen. Herr Scheele, vielleicht wollen Sie dazu noch etwas sagen, wenn nicht, dann wäre das schade, denn ich habe keine Antwort bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Yildiz, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Scheele, eines der Heimkinder, denen Sie einen Brief geschickt haben, hat mich auch besucht. Ich finde es richtig, dass man den Menschen und ihren Wünschen entgegenkommt und sich auch einmal entschuldigt, das ist sehr wichtig. Aber der Mann hat deutlich gemacht, dass sie auch finanzielle Unterstützung brauchen. Dass sie nicht einmal das Fahrkartengeld haben, um einen Psychologen zu besuchen, und sich Geld erbetteln müssen, hat er auch gesagt.

Jetzt will ich Bezug auf dieses Thema nehmen. Was Sie gesagt haben, hat mit diesem Thema in erster Linie wenig zu tun gehabt. Die Regelsysteme zu stärken, da bin ich Ihrer Meinung, aber hier muss der Staat auch schnell handeln. Die Regelsysteme dauern und dauern, das hat man auch bei den Heimkindern bemerkt. Die Folge ist, dass diese Menschen dermaßen traumatisiert sind, dass sie jahrelang psychologische Betreuung brauchen, gesundheitlich kaputt sind und nicht einmal in der Lage sind, für sich zu sorgen. Hier kann der Staat sehr schnell reagieren und handeln, um zu unterstützen; daher finde ich den Antrag wichtig. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und bei Martina Kaesbach FDP)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/7603 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen.

Wer möchte den Antrag der FDP-Fraktion aus Drucksache 20/7603 annehmen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Dr. Melanie Leonhard)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf, Drucksache 20/7568, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Gebührenfreiheit in der Kindertagesbetreuung für Familien mit geringem Einkommen sicherstellen und Beitragsrückstände den Kindertageseinrichtungen erstatten.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Gebührenfreiheit in der Kindertagesbetreuung für Familien mit geringem Einkommen sicherstellen und Beitragsrückstände den Kindertageseinrichtungen erstatten – Drs 20/7568 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Yildiz, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Über 160 000 Hamburger und Hamburgerinnen sind überschuldet, fast 80 000 Haushalte sind davon betroffen. Die Gründe für die zunehmende Verschuldung haben viele Ursachen. Die Menschen verdienen in der Regel immer weniger, Mieten und Lebenshaltungskosten steigen – man könnte hier stundenlang über die Ursachen reden. Eine der Ursachen, weshalb Familien in Hamburg überschuldet sind, sind die Kita-Gebühren. Deshalb haben wir von der Links-Fraktion den Antrag gestellt, dass diese Menschen von den Kita-Gebühren befreit werden. Unsere Anfrage vom Herbst letzten Jahres hat ergeben, dass die abgefragten 310 Kitas durchschnittlich jeweils 5100 Euro Außenstände haben. Das bedeutet nichts anderes, als dass Eltern ihre Kinder in eine frühkindliche Bildungseinrichtung schicken und nicht mit der Zahlung der Gebühren hinterherkommen. Das sind keine kleinen Beträge. Wenn wir das auf alle etwa 1100 Kitas hochrechnen, sind das etwa 5,6 Millionen Euro Schulden, die sich aufgebaut haben.

(Glocke)

Herr Yildiz, entschuldigen Sie bitte. Obwohl so wenige Leute im Plenum sind, finde ich es zu laut. Bitte unterhalten Sie sich draußen, auch Herr Ritter und Herr Kienscherf.

Fahren Sie bitte fort mit Ihrer Rede.

– Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Wenn man diese 5,6 Millionen Euro auf die Kinder und ein Jahr herunterrechnet, dann entspricht das

17 300 Kindern, die die Kita besuchen und deren Familien dort Schulden haben. Das ist nicht wenig. Ich habe auf ein Jahr gerechnet, wenn man das durch drei teilt, also auf drei Jahre rechnet, sind es jährlich fast 5000 bis 6000 Kinder. Problematisch ist es vor allem für die Familien, die von Hartz IV leben oder Geringverdiener sind. Deswegen haben wir in unserem Antrag diese Menschengruppe hervorgehoben. Für diese Gruppe bleibt in der gegenwärtigen Situation nur die Aussicht, das Kind abzumelden oder sich immer weiter zu verschulden.

Letztens kam eine alleinerziehende Mutter in meine Sprechstunde. Sie hat Schulden in der Kita, sie hat eine Ratenzahlung abgeschlossen, und das Problem ist, dass dieser Tilgungsbetrag so hoch ist, dass sie mit ihren fortlaufenden Gebühren nicht hinterherkommt. Ich frage euch alle: Soll diese Mutter ihr Kind abmelden und die Chance ihres Kindes auf ein besseres Leben aufs Spiel setzen oder lieber das Risiko eingehen, dass sie irgendwann einmal Insolvenz anmelden muss?

Nun kann man sagen, es handele sich bei den Beträgen, die die Betroffenen zu zahlen haben, um Minimal- oder Mindestbeträge. Aber diese Mindestbeträge sind in der Realität von diesen Menschen nicht mehr aufzubringen. Das lässt sich auch wunderbar nachweisen: Im Hartz-IV-Regelsatz wird das Existenzminimum für ein Kind unter fünf Jahren mit 224 Euro angegeben. Bei der Bemessung ist kein einziger Cent für die Kita-Gebühr vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 festgestellt, dass ein kinder- und altersspezifischer Bedarf zu berücksichtigen ist. Dieser altersspezifische Bedarf ist bis heute bundesweit nicht in den Regelsätzen eingetragen worden. Dass erwerbslose Eltern ihre Kinder bisher trotzdem in die Kita schicken, finde ich sehr wichtig und wunderbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Um ihr Kind überhaupt in die Kita schicken zu können, sparen diese Familien beim Essen oder vielleicht einmal daran, den Kindern Schuhe zu kaufen oder etwas anderes für das Kind oder die Familie.

Nun ist dem Hamburger Senat nicht direkt vorzuwerfen, dass in den Hartz-IV-Regelsätzen nicht eingeführt wird, was vorgesehen sein sollte. Aber es geht nicht um die Zuständigkeit. Wenn die Bundesregierung nichts tut, dann muss Hamburg hier eigenständig handeln. Hamburg kann unbürokratisch und unproblematisch für Hartz-IV- und Geringverdienerfamilien die Kita-Gebühren abschaffen. Das ist möglich, und nach einer Volksinitiative ist es auch ab dem Jahr 2014 vorgesehen. Damit entlasten wir nicht nur die Familien, sondern auch die Kita-Einrichtungen, die die Gelder oft vergeblich eintreiben müssen. Wir können nicht zulassen, dass Konflikte in der Beziehung zwischen Kindern, Eltern und Erzieherinnen und Erziehern entstehen, weil es Zahlungsprobleme gibt.

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

(Beifall bei der LINKEN)