Protokoll der Sitzung vom 13.06.2013

(Finn-Ole Ritter FDP: Machen Sie mal einen Vorschlag! – Gegenruf von Dora Heyenn DIE LINKE: Das haben wir schon gemacht!)

Wir haben in unserem Programm, das können Sie einmal lesen, Herr Ritter, genau dieses Thema benannt. Dass man durch eine einfache Inflation proportional mehr Steuern bezahlen soll, halten wir für eine falsche Entwicklung. Wir haben einen Vorschlag gemacht, wie man aus der kalten Progression der Steuerentwicklung herauskommen kann. So weit sind wir mit Ihnen einer Meinung.

Jetzt kommen wir zu zwei Themen, die dabei wichtig sind. Ihre Bemerkung zur Lohnquote war doch ein richtiger Trick. Sie setzen die Lohnquote zweier Jahre in einen Vergleich, anstatt die vergangenen zehn Jahre zu betrachten, wobei Sie genau wissen, dass dann die Entwicklung anders aussieht. Das ist das Erste. In der Zeit sind die Unternehmensgewinne kräftig gestiegen, die Lohnquote dementsprechend nicht. Nur in diesem langfristi

(Katja Suding)

gen Vergleich ist das meiner Meinung nach ordentlich darzustellen und zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens stellt sich die Gerechtigkeitsfrage bei einer Lohnquote nicht, sondern sie stellt sich bei der Verteilung von Armut und Reichtum in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben das anhand des Armuts- und Reichtumsberichts diskutiert. Dort wurde deutlich festgestellt, dass das obere 1 Prozent besonders kräftig gewonnen hat. Sie könnten nun aufgrund Ihrer politischen Vorstellung sagen: Wir finden das auch sehr ungerecht und sogar unverschämt, aber man kann leider politisch nichts machen. Das sagen Sie aber noch nicht einmal. Ich bin der Meinung, wenn etwas unverschämt und ungerecht ist, dann müssen wir uns anstrengen, das zu verändern.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Dafür stehen wir auch ein. Dementsprechend ist eine Vermögensteuer, wie sie fast überall in Europa erhoben wird,

(Robert Bläsing FDP: Das sieht man ja an Frankreich!)

auch hier vernünftig und bedeutet nicht den Untergang des Abendlandes.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Was die Vorschläge der CDU betrifft, unterstütze ich einmal ausnahmsweise den Redebeitrag von Herrn Tschentscher. Bei der CDU will ich noch einmal einiges einfordern. Ich freue mich, dass wir endlich eine volkswirtschaftliche Betrachtung bekommen werden, also nicht nur eine kameralistische, sondern eine volkswirtschaftliche Doppik-Betrachtung. Dann können wir feststellen, dass etwas zusätzlich zu kaufen nicht ein höheres strukturelles Defizit bedeutet.

(Roland Heintze CDU: Das wird zu teuer!)

Wir werden einmal darüber diskutieren, ob der Kauf der Netze das Eigentum der Stadt erhöhen oder verringern wird. Das wird die große gesellschaftliche Debatte sein.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Heute nicht mehr!)

Dementsprechend ist das eine ganz andere Frage. Strukturelles Defizit zu machen dient vor allen Dingen der sozialen und kulturellen Infrastruktur in dieser Stadt und der schlecht dastehenden Infrastruktur im Allgemeinen. Dafür brauchen wir mehr Geld, und das wissen Sie auch. Setzen Sie sich doch dafür ein. – Danke.

Meine Damen und Herren! Wird zu diesem Punkt weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aktuelle Stunde beendet.

Wir kommen zu den Debatten. Wir beginnen mit Punkt 44, das ist die Drucksache 20/8152, Bericht des Verfassungs- und Bezirksausschusses: 1. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren, 2. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V., 3. Viertes Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes.

[Bericht des Verfassungsund Bezirksausschusses über die Drucksache 20/5830: 1. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren 2. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. 3. Viertes Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes (Senatsantrag) – Drs 20/8152 –]

Wir kommen zur Debatte. Das Wort hat Frau Duden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Fast genau vor einem Jahr haben wir das erste Mal mit den Obleuten des Verfassungsausschusses und Staatsrat Christoph Krupp zusammengesessen und über die Möglichkeiten geredet, einen Vertrag mit den islamischen Verbänden in dieser Stadt abzuschließen. Von vornherein war dieser parlamentarische Prozess darauf abgestellt, transparent zu arbeiten und möglichst viele auf dem Weg bis zur heutigen Beschlussfassung mitzunehmen. Von daher war allen Beteiligten klar, dass es eine Sache ist, die es wert ist, sie ohne Zeitdruck zu beraten. Deshalb haben wir ein Jahr gebraucht, aber ich denke, das ist auch gut so.

Wir haben das erste Mal über den Entwurf dieses Vertrags in einer Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft geredet und über inhaltliche Dinge gesprochen, bei denen wir ein bisschen Angst hatten, dass man sie vielleicht absichtlich missverstehen würde. Wir haben in dieser Aktuellen Stunde deutlich gemacht, was dieser Vertrag alles beinhaltet und was nicht. Auch das haben wir in großer Einvernehmlichkeit in diesem Hause erreicht, und darauf können wir alle stolz sein.

(Norbert Hackbusch)

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Wir haben im Verfassungsausschuss Experten angehört, wir haben mit vielen Beteiligten der islamischen Verbände geredet und mit einer Senatsbefragung das alles gemeinsam ausgewertet. Uns war immer klar, dass es ein hoher symbolischer Wert ist, über den wir reden, für alle Vertragspartner, und zwar für die 121 Abgeordneten, aber auch für die Verbände, die diesen Vertrag dann unterschrieben haben. Ich glaube, die Teilnahme vieler derjenigen, die mit uns darüber im Vorfeld diskutiert haben und die sich heute noch einmal die Diskussion darüber anhören, macht deutlich, welchen hohen symbolischen Wert das hat.

Wir haben die Inhalte im Verfassungsausschuss und sicher auch in allen Fraktionen ausführlich diskutiert. Es gab eine Reihe von Punkten, bei denen man wirklich Vorurteile abbauen musste, egal, auf welcher Seite. Ich denke, das ist ein ganz normaler Prozess. Wir haben Missverständnisse aufgedeckt, weil es teilweise auch Dinge waren – darauf habe ich vorhin schon hingewiesen –, die absichtlich missverstanden werden können, um sie dann ins Gegenteil zu verkehren. Dieser Versuchung haben alle in allen parlamentarischen Diskussionen widerstanden. Das ist auch ein parlamentarischer Wert an sich, der deutlich macht, wie ernsthaft wir das betrieben haben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Hierzu eine ganz persönliche Bemerkung: Ich habe in den Diskussionen viel über Dinge gelernt, über die ich mir vorher wenig Gedanken gemacht hatte.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Aber die heutige Abstimmung zeigt auch die Akzeptanz und die Wertschätzung aller Vertragspartner des Parlaments auf der einen Seite und der muslimischen Verbände auf der anderen Seite. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als eine Gleichbehandlung vieler Hamburgerinnen und Hamburger mit islamischen Wurzeln.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Die Frage, die wir im Vorfeld und auch heute immer wieder beantworten mussten, war doch, ob diese Menschen damit nicht unglaublich privilegiert werden. Wir haben immer gesagt, dass die islamischen Religionsgemeinschaften damit nicht privilegiert werden, sondern gleiche Rechte bekommen, die wir auch in den Verträgen, die teilweise auch Staatsverträge sind, mit der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinde seit 2005 festgelegt haben. Es ist nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Die SPD hat von Anfang an positiv auf den damaligen CDU-Vorstoß reagiert. Olaf Scholz hat sozusagen die Arbeit von Ole von Beust an dieser Stelle weitergeführt. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich auch an dieser Stelle, dass die CDU-Fraktion nach vermutlich schwierigen innerfraktionellen Abstimmungen heute die Abstimmung freigegeben hat. Ich hoffe, dass viele von Ihnen mit uns für diesen Vertrag stimmen werden.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Erster Vizepräsident Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Unser Vorgehen hat Nachahmer gefunden. In Bremen und im Saarland hat man auch über Verträge in den Parlamenten diskutiert. Die Bremer waren etwas schneller. Wir sind also heute nur die Zweiten, aber dafür, dass wir uns Zeit gelassen haben, kann man den Bremern ausnahmsweise auch einmal den Vortritt lassen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass auch andere Parlamente – Herr Golke, ich weiß, für Sie ist das schlimm – diesen Verträgen nachziehen und genau die gleichen Diskussionen haben werden.

Es ist ein Signal, das wir heute aussenden, es ist ein gutes Zeichen für ein partnerschaftliches Miteinander. Lassen Sie uns heute beschließen, dass wir den Vertrag von heute an mit Leben füllen auf beiden Seiten. Darauf und auf die künftigen Diskussionen freut sich die SPD-Fraktion. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat nun Herr Wersich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Regierungswechsel 2001 hat die CDU die Integrationspolitik in Hamburg neu gestaltet. Aus der Erkenntnis heraus, dass die vielen Menschen mit ausländischen Wurzeln in Hamburg nicht Gastarbeiter sind, die das Land nach ein paar Jahren wieder verlassen werden, aber genauso aus der Erkenntnis heraus, dass Multikulti allein nicht funktioniert, sind endlich maßgebliche politische Konsequenzen gezogen worden.

(Beifall bei der CDU)

Ich will nur wenige Meilensteine dieser neuen Integrationspolitik benennen, von denen viele sagen, dass es die erste echte Integrationspolitik überhaupt in unserer Stadt war. Wir haben die Ausländerbeauftragte abgeschafft und einen Integrationsbeirat eingerichtet, um nicht länger über Ausländer zu reden, sondern mit den Menschen mit ausländischen Wurzeln und wichtigen Hamburger Institutionen gemeinsam das Zusammenleben in der Stadt zu gestalten. Wir haben die Sprachstandserhe

(Barbara Duden)

bung und die Sprachförderung vor der Einschulung eingeführt und den Besuch einer Kita oder Vorschule verpflichtend gemacht, weil die Beherrschung der deutschen Sprache für die Kinder eine unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Schullaufbahn ist.

(Beifall bei der CDU)

Und wir haben das erste Handlungskonzept zur Integration in Hamburg überhaupt gemeinsam mit allen Behörden und dem Integrationsbeirat erarbeitet, damit Hamburgs Behörden endlich in Sachen Integration an einem Strang ziehen. Wir haben das Welcome Center im Gebäude des Rathauses und der Handelskammer im Herzen der Stadt für internationale Neubürger eingerichtet, damit der Weg für kluge Köpfe aus aller Welt nach Hamburg erleichtert wird. Und wir haben unseren öffentlichen Dienst der Stadt geöffnet, um die Verwaltung für junge Nachwuchskräfte mit Zuwanderungsgeschichte attraktiver zu machen.

Meine Damen und Herren! Wir haben nicht nur für die Einbürgerung geworben, sondern unser Bürgermeister Ole von Beust hat auch mit der Tradition der Einbürgerungsfeiern im Rathaus angefangen, um diesem bedeutenden persönlichen Schritt für unser Land und unsere Stadt endlich einen würdigen Rahmen zu geben.

(Beifall bei der CDU)