Protokoll der Sitzung vom 13.06.2013

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Abaci, es erschüttert mich, dass Sie sagen, unser Antrag stehe in keinem sachlichen Zusammenhang zu Ihrem Antrag. Das ist einfach absurd. Man kann den Blick nicht so verengen, wie Sie das tun.

(Ksenija Bekeris SPD: Oh, Frau Möller, nicht immer!)

Ihre Überschrift lautet: Jungen Flüchtlingen die Aufnahme einer Ausbildung erleichtern. Das ist genau der Punkt, wie erleichtert man den jungen Flüchtlingen die Aufnahme einer Ausbildung.

(Sören Schumacher SPD: Es geht um nicht genannte Identitäten, um mehr nicht!)

Und da haben Sie einen Aspekt genannt, der auf Bundesebene zu regeln ist. Wir haben ganz deutlich einen Aspekt genannt, bei dem wir in Hamburg Ermessensspielräume haben. Wenn wir den einen Weg gehen, warum wollen Sie den anderen Weg nicht auch gehen?

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Kazim Abaci SPD: Das habe ich nicht gesagt!)

Sie haben einen weiteren Satz gesagt, den ich richtig gut finde, nämlich dass Sie keinem Flüchtling einen Stein in den Weg legen wollen. Beides sind Steine, die den Flüchtlingen im Weg liegen. Aber der Stein, den wir bei dem Aufenthaltsgesetz benannt haben, ist einer, der von Hamburg aus entfernt und weggerollt werden kann. Der, den Sie auf Bundesebene benennen, ist schon in der Diskussion, da stimme ich Herrn van Vormizeele zu, da passiert schon einiges. Und Sie stellen sich, ähnlich wie gestern bei dem Antrag zur EU-Konvention zum Menschenhandel, ein bisschen dahinter.

Lassen Sie uns doch in Hamburg konkret etwas tun. Setzen Sie das um, was das Bundesverwaltungsgericht als Vorschlag in seinem Urteil benennt, nämlich das Nutzen des Ermessensspielraums, um Jugendlichen, auch wenn sie nicht alle Voraussetzungen nach Paragraf 25 Aufenthaltsgesetz erfüllen, trotzdem die Möglichkeit einer Ausbildung zu geben. Setzen Sie das um, dann kann man beide Anträge als Paket sehen, und dann tut Hamburg auch wirklich etwas.

Ich stimme im Übrigen auch dem Kollegen van Vormizeele zu, dass das Thema so komplex ist, dass wir für beide Anträge Zeit im Ausschuss brauchen. Es ist eine gute Geste, unseren Antrag im Ausschuss zu diskutieren, aber auch bei Ihrem Antrag sind einige Dinge noch im Detail zu besprechen. Es wäre schön, wenn das gemeinsam geschehen könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ritter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich meinen Vorrednern anschließen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Und Rednerin- nen auch?)

Und Rednerinnen natürlich auch. Das kam bestimmt von Frau Sudmann, da muss ich gar nicht hinsehen.

Zum Antrag, Herr Abaci: Wir geben Ihnen in der Richtung recht. Das ist auch ein Thema, das total wichtig war. Leider schreiben Sie Ihren Antrag aus der Vergangenheit ab und bringen ihn noch einmal ein. Wiederholung bringt Ihnen vielleicht Sicherheit. Sie können aber das nächste Mal auch mit Ihrem Integrationssenator sprechen, der Ihnen berichten kann, was alles beschlossen wurde bei der Integrationsministerkonferenz. Dort steht nämlich genau das Gleiche.

(Kai Voet van Vormizeele)

Allerdings haben Sie noch einen Punkt vergessen, nämlich die Finanzierung. Hamburg ist zu einem Drittel an der möglichen Ausweitung des BAföG-Anspruchs beteiligt. Auch das wäre ein Thema, das wir noch einmal im Ausschuss besprechen müssten, wenn wir den Antrag ernsthaft diskutieren wollten, was wir auch möchten. Wir freuen uns, im Ausschuss darüber zu diskutieren.

Frau Möller hat natürlich erwartungsgemäß gleich hinterher geschossen und ein Verwaltungsgerichtsurteil angeführt, ohne Begründung, und dann das Urteil gleich in ihren Antrag geschrieben, und unserer Ansicht nach noch zu wenig ausführlich. Es steht dort nämlich, dass ein öffentliches Interesse an der Legalisierung des Aufenthalts bestehen solle. Das ist die einzige Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts.

Wenn man sich einmal insgesamt anschaut, was die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts fordert, dann wird man später in der Begründung sehen, dass das, was Sie in dem Antrag genannt haben, nur ein Teil davon ist. Deswegen sollten wir diesen Antrag auch im Ausschuss debattieren.

Wir sind uns alle darin einig, dass es wichtige Themen sind. Einige sind bereits vor zwei Monaten besprochen worden, aber das können wir gern noch einmal tun. Andere Themen, die Frau Möller mit einbrachte, sind auch wichtig. Lassen Sie uns also die Fachdebatte im Ausschuss führen. – Danke.

(Beifall bei der FDP)

Frau Özdemir, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele junge Menschen, die eine Berufsausbildung machen oder ein Studium aufnehmen, wissen ganz genau, dass BAföG für sie eine existenzsichernde Leistung ist. Das heißt, es gibt viele, die Eltern haben, die sich die Bildung ihrer Kinder nicht leisten können. Deshalb ist auch sozialpolitisch gesehen BAföG sehr, sehr wichtig.

Wenn wir uns die Gesetzeskonstellation anschauen, dann sehen wir, dass die Flüchtlinge aus dem Raster fallen. Herr van Vormizeele hat auch zugegeben, dass es in diesem Bereich eine Lücke gibt und dass man handeln muss, denn dieser Umgang mit den Flüchtlingen ist natürlich ungerecht und macht, sozialpolitisch gesehen, überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Wille der Flüchtlinge, eine Ausbildung zu machen, sich weiterzubilden oder ein Studium anzufangen, ist bei den meisten da, denn sie konnten in ihren Heimatländern keine Ausbildung machen oder sie haben eine angefangen und konnten sie

nicht beenden. Deshalb freuen sie sich, dass sie hier wieder die Chance haben, eine Ausbildung zu beginnen. Aber wenn sie sie dann anfangen, werden ihnen die Existenzmittel, die ihnen zustehen, entzogen. Das heißt, die monatlichen Leistungen bekommen sie nicht mehr bewilligt und auch kein BAföG mehr. Meistens müssen sie dann ihre Ausbildung abbrechen, und wenn sie das getan haben, dann werden ihnen komischerweise die Existenzmittel wieder bewilligt. Das ist meiner Meinung nach ziemlich eigenartig und macht keinen Sinn.

Ich denke auch, wie Frau Möller, dass wir schauen sollten, was wir in Hamburg machen können und wie wir den Flüchtlingen den Bildungsweg ermöglichen oder erleichtern können. Es ist wichtig, im Ausschuss darüber zu sprechen. Ich möchte aber vorschlagen, einen Sonderfonds einzurichten, um den Flüchtlingen finanziell dabei zu helfen, ihre Ausbildung zu beginnen, weiterzumachen oder zu beenden.

(Olaf Ohlsen CDU: Gerne!)

Herr Ohlsen, Sie sagen gerne, aber die SPD hat diesen Antrag eingereicht und sagt, wir müssten auf Bundesebene handeln.

Aber bis wir beziehungsweise Sie die Möglichkeit haben, auf Bundesebene zu handeln, wird wohl noch etwas Zeit vergehen, wenn nicht schon im September, dann vielleicht in den nächsten vier Jahren. Deshalb muss der Hamburger Senat hier handeln und diesen Sonderfonds einrichten, damit die Flüchtlinge auch die Möglichkeit haben, ihre Ausbildung zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Herr Senator Rabe das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde dargestellt, dass viele jugendliche Flüchtlinge in einem Dilemma stecken. Unsere Gesellschaft verlangt von ihnen Integrationsanstrengungen, und sie selbst wünschen sich auch einen Platz in Deutschland. Sie wollen hier leben und arbeiten und lernen, aber viele Gesetze stehen dem entgegen. Die von Herrn Abaci vorgetragene sogenannte BAföG-Falle ist ein Beispiel dafür.

Wir haben eine ganze Reihe von guten Ausbildungs- und Fortbildungsangeboten an den beruflichen Schulen. Für die Menschen, die daran teilnehmen, gibt es BAföG, denn diese Angebote sind prinzipiell durch BAföG förderungsmöglich. Allerdings bedeutet das auch, dass andere soziale Leistungen für diejenigen, die an solchen Ausbildungsgängen teilnehmen, verschlossen sind.

(Finn-Ole Ritter)

Die jugendlichen Flüchtlinge, um die es hier geht, haben allerdings keinen Anspruch auf BAföG. Sie müssen, wenn sie einen ungesicherten Aufenthaltsstatus haben, vier Jahre warten, bis sie BAföG bekommen. Wenn sie aber einen solchen Bildungsgang belegen, vielleicht zum Altenpfleger, vielleicht nur zur Vorbereitung auf die duale Berufsausbildung, dann haben sie dadurch prinzipiell kein Recht mehr, nach dem Sozialgesetz gefördert zu werden, weil dieser Ausbildungsgang eigentlich ein BAföG-Ausbildungsgang ist. BAföG bekommen sie nicht, die anderen Dinge werden nicht gefördert, und plötzlich kann man diese Ausbildungsgänge nicht absolvieren, ohne jeglichen Lebensunterhalt zu verlieren.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Herr Senator Rabe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ritter?

Herr Ritter, bitte.

Herr Rabe, ist Ihnen bekannt, dass die Integrationsministerkonferenz das Problem, das Sie jetzt wieder ausführlich beschreiben, bereits erkannt hat und die Bundesregierung im März zum Handeln aufgefordert hat?

Möglicherweise ist Ihnen dabei entgangen, dass die Integrationsministerkonferenz auf Vorstoß Hamburgs handelte,

(Finn-Ole Ritter FDP: Ja, ist doch super!)

und dass wir als Hamburger Parlament in der Regel sehr häufig darüber diskutieren, wie der Hamburger Senat dem Willen der Bürgerschaft auch auf Bundesebene Gehör verschaffen kann. Deswegen gehört dieses Thema sehr wohl hierher und hat hier seinen Platz.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben für diese jungen Menschen zurzeit Überbrückungsmaßnahmen, die man sich ausgedacht hat, die aber in ihrem Charakter nicht tatsächlich der Ausbildung nahe kommen. 300 Jugendliche haben wir jedes Jahr in diesen Überbrückungsmaßnahmen, die jedoch nur eine Krücke sind. Ihnen wäre in Wahrheit vielmehr geholfen, wenn es gelingen könnte, eine entsprechende Änderung der Bundesgesetze auf den Weg zu bringen.

Ich sage offen, dass das Thema so kompliziert doch nicht sein kann, Herr Ritter, wenn Sie sich schon so tief hineingearbeitet haben. Es macht dann aus unserer Sicht eine solche Überweisung nur bedingt Sinn, das ist Sache des Parlaments.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Richtig, ge- nau das!)

Aber im Kern ist es doch so, dass wir zu dieser Fragestellung offensichtlich schon im Plenum eine große Expertise haben. Deswegen freue ich mich, dass es einen so großen Rückhalt für entsprechende Initiativen des Senats gibt. Es hilft nicht nur dem Fachkräftemangel ab, es wird auch dazu beitragen, dass junge Menschen einen Platz in unserer Gesellschaft finden, und Arbeiten gehört dazu. Es kann diesen jungen Menschen helfen, ihre Rolle in unserer Gesellschaft zu finden.

(Olaf Ohlsen CDU: Genau!)

Deswegen freue ich mich über den Rückenwind des Parlaments. Wir als Senat werden ihn ernst nehmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.