Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

(Beifall bei der SPD)

Es ist natürlich legitim, Herr Schinnenburg, eine Situation neu zu bewerten und darüber nachzudenken, ob sich etwas verändert hat. Das ist völlig in Ordnung. Die SPD-Fraktion ist aber der Meinung, dass sich bis heute nichts geändert hat und auch wirklich nichts dafür spricht, die besagte Alsterkreuzfahrtlinie wieder in den HVV einzugliedern, ganz im Gegenteil. Ich möchte Ihnen meine wichtigsten Gründe dafür darlegen.

Ein erstes Stichwort ist Verfügbarkeit und Bereitstellung des Angebots, und zwar nicht nur für die Touristen, sondern gerade im Hinblick auf die ÖPNV-Pendler. Der ÖPNV, der nutzerfreundlich und gut ist, zeichnet sich doch vor allem dadurch aus, dass er ganzjährig angeboten wird. Das ist bei den Alsterfähren schon einmal nicht der Fall, die bekanntlich nur von April bis Oktober verkehren. Und selbst wenn sie ganzjährig fahren würden: Ein Betrieb im Winterhalbjahr ist weit weniger attraktiv, erzeugt höhere Betriebskosten – Stichwort Heizung – und kann aufgrund des temporären Eisgangs nicht garantiert werden.

Ein weiterer Aspekt: Die Schiffe der Alsterkreuzfahrt und der ATG allgemein fahren eben gerade nicht zu den Stoßzeiten des Berufsverkehrs, sondern meist zwischen 10 und 17 Uhr, und das auch nur stündlich. Hier kann also wirklich nicht von einer Entlastung für den ÖPNV gesprochen werden, wie Sie es in Ihrem Antrag tun, oder einer Alternative für den ÖPNV-Pendler, der vielleicht gerade seinen Bus am Jungfernstieg oder wo auch immer verpasst hat. Für den derzeitigen Stundentakt der Alsterkreuzfahrt ist der Einsatz von zwei Schiffen erforderlich. Möchte man das wirklich attraktiv, nutzerfreundlich und sinnvoll ausbauen, müsste man weitere Schiffe zur Verfügung stellen. Die gibt es im Moment nicht – die vorhandenen Schiffe sind anders eingesetzt –, die müsste man erst für teures Geld neu beschaffen.

Beim Thema Beschaffung und Ausbau des Linienverkehrs und stärkerer Verkehr auf der Alster werden wir ein starkes Veto einlegen. Wir hatten vor ein paar Monaten Ihren Antrag vorliegen, Wassertaxis auf der Alster einzuführen, und waren uns mit allen Fraktionen außer der Ihren einig, dass die Alster für uns ein ganz besonderer Natur- und Freizeitraum ist, den wir schützen wollen, und dass wir den motorisierten Verkehr auf ihr so gering wie möglich halten wollen. Dazu stehen wir auch weiterhin.

(Beifall bei der SPD)

Zweites Stichwort, der bereits vorhandene ÖPNV. Ich habe mir, Herr Schinnenburg, wirklich sehr verwundert die Augen gerieben, als ich in Ihrem Antrag gelesen habe, dass die Stadtteile Winterhude und Uhlenhorst – das haben Sie eben auch noch einmal gesagt – unzureichend angebunden seien.

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Das ist mitnichten der Fall, alleine durch die Buslinien. Es gibt westlich der Alster die Linie 109 und östlich die Metrobusse 6 und 25, die mindestens alle zehn Minuten fahren, und die Linie 6 fährt zu Hauptverkehrszeiten sogar alle drei Minuten. Wenn man sich die Auslastungszahlen des HVV einmal anschaut, dann fahren die Busse ausreichend häufig. Mit dem Busbeschleunigungsprogramm – wir haben es eben in der Debatte von Herrn Buschhüter gehört – wird es zu einer weiteren Verbesserung des Angebots kommen.

(Beifall bei der SPD)

Drittes Stichwort, die Reisezeit. Die Zeit, in der Sie die Strecke zwischen den einzelnen Stationen zurücklegen, ist mit den vorhandenen Buslinien wesentlich kürzer. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Von der Krugkoppelbrücke bis zum Jungfernstieg brauchen Sie mit dem HVV 13 Minuten, mit dem Alsterschiff 35. Und wenn Sie dort in die Bahn steigen, brauchen Sie mit der U1 vom Jungfernstieg bis zum Winterhuder Fährhaus neun Minuten, mit dem Schiff aber lange 52 Minuten.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das ist die Entschleunigung, die Herr Schinnenburg will!)

Das mag nett sein für die Touristen zum Alsterschippern oder auch für Rentner, aber sicherlich nicht für den Berufstätigen oder den Schüler oder Auszubildenden, der möglichst schnell nach Hause möchte. In einem Punkt haben Sie aber recht in Ihrem Antrag. Es gibt eine schnelle West-Ost-Verbindung vom Mühlendamm zum Fährdamm, das dauert nur sieben Minuten. Aber diese schnelle Überquerung ist auch heute schon sehr kostengünstig zu haben. Sie gehen einfach zum Anleger der ATG, kaufen für 1,70 Euro ein Ticket und fahren dann mit dem Schiff. Dafür brauchen wir wirklich keine Eingliederung der Alsterkreuzfahrt in den HVV.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Und last but not least das Stichwort Finanzierung. Sie haben völlig recht, die heutigen Nutzungsentgelte der Alster-Touristik sind auf Touristik ausgerichtet – der Name ist Programm – und liegen deutlich über den Fahrpreisen im HVV. Darin liegt auch die Crux, denn eine Einbeziehung in den Tarif des HVV und damit eine Reduzierung auf dessen Niveau würde zu einer wesentlichen Vergrößerung des Betriebsdefizits der ATG führen. Ich hatte es schon kurz erwähnt: Will man auf der Alster wirklich ein nennenswertes ÖPNV-Angebot schaffen, müsste man die Taktung erhöhen, die Betriebszeiten verlängern, neue Schiffe kaufen und mehr Personal einstellen. Es reicht also nicht, einfach nur die günstigeren Tickets vom HVV zu verkaufen und die dadurch entstehenden Einnahmeverluste auszugleichen. Ganz im Gegenteil, bei ei

ner solchen Verbesserung des Fahrtenangebots wäre mit einer erheblichen Kostensteigerung in Millionenhöhe zu rechnen. Und diese wäre letztendlich von der HGV und damit vom Hamburger Haushalt zu tragen und würde nicht einfach betriebsintern beim HVV umgeschichtet.

Liebe Kollegen und Kolleginnen der FDP! Wenn Sie das Angebot für vermutlich nur wenige Nutznießer – und ich konzentriere mich jetzt auf die ÖPNV-Nutzer, auf die Hamburger Berufstätigen – ausdehnen wollen,

(Finn-Ole Ritter FDP: Minderheitenrecht!)

dann müssen Sie das bitte auch ganz klar benennen und sagen, woher und in welcher Höhe die Gelder kommen sollen.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bläsing zu?

Ich bin gleich fertig, Herr Bläsing, Sie können gerne danach noch einmal ans Mikro.

Sie sollten bitte auch sagen, an welcher Stelle Sie dafür im Hamburger Haushalt kürzen wollen. Der Kollege Ritter – eben hat er mir noch zugehört – hat gestern in der Debatte gesagt, das Geld wachse nicht auf den Bäumen. Da haben Sie völlig recht, und das hätten Sie auch bei diesem Antrag beachten sollen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wir versenken das lieber im Wasser! – Gegenruf von Finn- Ole Ritter FDP: Ach, Frau Sudfrau, äh, Frau Sudmann! – Heiterkeit im Plenum)

Genauso hätten Sie, bevor Sie den Antrag stellen, vielleicht auch einmal mit der ATG und dem HVV sprechen können.

Abschließend also zusammengefasst: Ihr Antrag stellt nun wirklich keine sinnvolle Ergänzung für den Berufsverkehr dar. Von Touristen wird die Alsterkreuzfahrt gerne und oft genutzt. Ihre Forderung eines Parallelverkehrs für die Hamburger auf der Alster ist verkehrspolitisch unsinnig, finanzpolitisch unseriös und schlichtweg unnütz, außer vielleicht für eine Schlagzeile im "Hamburger Abendblatt". Wir werden ihn daher ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Herr Stemmann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol

(Dorothee Martin)

legen! Gestern wurde in der schulpolitischen Debatte über KESS 13 das Wort rückwärtsgewandt benutzt – aus meiner Sicht völlig unangebracht an dieser Stelle. Aber auf diesen FDP-Antrag trifft es zu.

(Beifall bei Ole Thorben Buschhüter SPD)

Lassen Sie mich einmal weit zurückschauen, weiter noch, als Frau Martin es eben getan hat. In der Zwischenkriegszeit hatten wir 6 Millionen Passagiere, später nur noch 4 Millionen. 1950 lagen die Fahrgastzahlen bei 3,4 Millionen, 1969 bei nur noch 1,5 Millionen und 1983 bei 690 000, verbunden mit einem jährlichen Verlust von 1 Million DM. Daraufhin wurde 1984 der Linienverkehr eingestellt, und das war auch richtig so.

(Beifall bei Dorothee Martin SPD)

Herr Schinnenburg, Sie haben angeführt, dass damit Touristen gelockt werden könnten. Frau Martin hat eben ausgeführt, dass die Betriebskosten bei der Umsetzung Ihres Vorschlags erheblich steigen würden. Aus meiner Sicht kann es keine Quersubventionierung für ein touristisches Angebot geben, das muss kostendeckend betrieben werden. Wir haben bereits im Hafen die Situation, dass dort die HHLA …

(Glocke)

(unterbre- chend) : Entschuldigen Sie, Herr Stemmann. Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bläsing zu?

Bitte schön, Herr Bläsing.

Vielen Dank, Herr Kollege Stemmann. Ich wollte nur fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass es ausgerechnet die CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord war, die diesen Antrag dort sinngemäß gestellt hat, der dann einstimmig – auch mit den Stimmen der SPD übrigens –beschlossen worden ist?

(Dirk Kienscherf SPD: Abgeschrieben haben sie ihn auch noch! Da haben sie die Fußno- te vergessen!)

Wir sind hier in der Bürgerschaft und nicht in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Aber lassen Sie mich auch auf den zweiten Punkt von Herrn Schinnenburg eingehen. Er sprach an, dass die Touristen hauptsächlich im Hafen und am Jungfernstieg zu finden seien. Wo ist das Pro

blem? Alle touristischen Angebote der Alster-Touristik starten am Jungfernstieg. Da finden wir also keine Verbesserung.

Als dritten Punkt haben Sie die Verbindung der Stadtteile angeführt. Schauen Sie doch einmal auf die Fahrzeiten. Als es noch die Linienschifffahrt gab, dauerte es vom Winterhuder Fährhaus zum Jungfernstieg 33 Minuten, eine Zeit, die heute gar nicht mehr erreicht werden kann, weil die Alsterschiffe nicht mehr so schnell fahren dürfen. Die U1, die genau diese Strecke fährt, braucht zehn Minuten. Für wen soll das denn attraktiv sein? Ein anderes Beispiel: Saarlandstraße – Jungfernstieg, damals auch ein Angebot der Linienschifffahrt, per Alster-Touristik zurückgelegt in 35 Minuten. Steigen Sie heute in die U3 und in der Kellinghusenstraße um in die U1, brauchen Sie 13 Minuten. Uhlandstraße – Jungfernstieg: mit der U3 sieben Minuten Fahrzeit, damals mit der Alster-Touristik 21 Minuten. Lediglich die Strecke Mühlenkamp – Jungfernstieg ist nahezu zeitgleich per Bus oder per Bahn zurückzulegen: Damals waren es 22 Minuten, mit dem Metrobus 6 sind es heute 19 Minuten. Das ist vielleicht ein Bereich, wo man noch einmal überlegen könnte, was man dort besser machen kann, aber ansonsten halten wir diesen Antrag nicht für zielführend.

Einer Überweisung an die Ausschüsse stimmen wir zu, um vielleicht noch einmal nähere Argumente zu hören, aber ansonsten sehen wir diesen Antrag äußerst kritisch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Dr. Steffen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Jeden Satz von dem, was Frau Martin und Herr Stemmann gesagt haben, kann ich unterstreichen. Man fragt sich, Herr Schinnenburg, wo Sie eigentlich gewesen sind, wenn wir verkehrspolitische Debatten geführt haben, weil dieser Antrag wirklich zu überhaupt nichts passt, was wir sonst diskutieren. Wir beschäftigen uns mit Fragen der Kapazität, wir beschäftigen uns mit Fragen von leistungsfähigen und zügigen Verbindungen. Insofern ist es tatsächlich vertane Zeit, diese Debatte zu führen,

(Beifall bei Heidrun Schmitt GRÜNE und der SPD)

und ich möchte an dieser Stelle die Position ändern, die ich in die Beratung eingebracht hatte: Ich glaube, wir brauchen auch keine Überweisung.