Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

Ein Punkt ist mir darüber hinaus noch wichtig. Die bisher etablierten Varianten der Bürgerbeteiligung wie der Beirat zur Stadtentwicklung Wilhelmsburg oder die Sanierungsbeiräte müssen auch weiterhin genutzt und sogar weiterentwickelt werden. Wir sollten auch darüber nachdenken, wie wir diese Form der Bürgerbeteiligung bei der Stadtentwicklung auch in anderen Stadtteilen noch besser nutzbar machen können.

Wenn Hamburg weiter wachsen will, dann müssen wir nicht nur bestehende Quartiere weiter verdichten, sondern wir müssen auch neue Viertel entwickeln. Der "Sprung über die Elbe" bietet dafür hervorragende Voraussetzungen, und er hat durch die IBA einen deutlichen Schub erfahren. Diesen Weg sollte die Stadt weitergehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Sudmann, Sie haben das Wort.

Die IBA ist zu Ende und ich glaube, sie war in vielen Punkten interessant. Sie hat sehr viele Hoffnungen und Erwartungen auf sich gezogen, die größtenteils nicht eingetreten sind, und es gab viele Befürchtungen, die teilweise eingetreten sind. Es ist schwer, eine knappe Woche nach dem Ende zu sagen, wie sie wirklich gewirkt hat, denn viele Projekte brauchen noch eine ganze Zeit, bis sie in ihren Folgen auszumachen sind.

(Beifall bei Tim Golke DIE LINKE)

Die IBA wurde und wird gern als ein Labor der Stadtentwicklung bezeichnet. In einem Labor der Stadtentwicklung erwarte ich, dass neue Prozesse angestoßen werden und neue Entwicklungen ein

(Katja Suding)

treten, ohne dass die Versuchskaninchen dabei hopsgehen.

Es gibt zwei Punkte, auf die ich gern eingehen und den Fokus der Bürgerschaft für die Zukunft lenken möchte. Ein Punkt ist die Aufwertung ohne Verdrängung, das hat Bürgermeister Scholz als ein Ziel ausgegeben. Im Gegensatz zu meinen Vorrednerinnen und Vorrednern glaube ich nämlich nicht, dass hier keine Gentrifizierung stattfindet; dazu sage ich gleich etwas.

Der zweite Punkt ist die Beteiligung. Und bei der Beteiligung ist von der IBA auch erwartet worden, dass sie über ein Phänomen hinausgeht, das wir eigentlich immer kennen, nämlich die Beteiligung der überwiegend weißen, deutschen Mehrheitsbevölkerung. Da hätte die IBA wesentlich mehr leisten können.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Abschlussveranstaltung waren einige von Ihnen mit mir anwesend. Sie war so gedacht, dass es zu allen Themenfeldern Expertinnen und Experten gab, immer jedoch auch Kritiker und Kritikerinnen oder Menschen, die vor Ort aktiv waren. Es war auffällig, dass es nicht eine einzige Person mit migrantischem Hintergrund gab. Es gab keine Vertreterin und keinen Vertreter, der aus migrantischen oder anderen Vereinen kam, die im Stadtteil aktiv sind, und der dort etwas gesagt hätte. Dort ist wirklich etwas gescheitert, das hat die IBA nicht geschafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich wünsche mir, dass die Beteiligung in Wilhelmsburg ausgebaut wird. Es hat von den Aktiven vor Ort zu Recht die Kritik gegeben, man habe sie – fast bis zur Erschöpfung – beteiligt, aber man habe sie nicht wirklich mitreden lassen. Wenn die Beteiligung ausgebaut wird, muss dazu auch wesentlich mehr Entscheidungsmacht kommen, und ich sage bewusst: Macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde es ungeheuerlich finde, dass schon durchsickerte – da war die IBA noch nicht ganz zu Ende –, dass der Beirat, der nun wirklich gute Arbeit geleistet hat, zukünftig nicht mehr finanziert werden soll.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Das geht überhaupt nicht. Wir haben einen Beirat, der etwas macht und der auch migrantische Bevölkerungsteile mit einbezogen hat, und ihm soll der Geldhahn zugedreht werden. Was ist das denn für ein Abschluss für eine IBA?

(Beifall bei der LINKEN)

Bei den Mieten verstehe ich einen Punkt nicht. Meine Vorrednerinnen und Vorredner sagen im

mer, es sei doch gar nicht so viel passiert, die Mieten seien nicht so stark angestiegen und in anderen Stadtteilen Hamburgs seien sie wesentlich höher. Niemandem, der in Wilhelmsburg eine günstige Wohnung hat, nützt es zu erkennen, dass in St. Georg oder St. Pauli die Mieten nicht so stark gestiegen sind. Da hinzuziehen, das hätte er oder sie sowieso nie bezahlen können. Ihr Maßstab ist da doch völlig schräge.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich wiederhole gerne noch einmal die Zahlen, die ich Ihnen schon im März genannt habe: Von 2006 bis 2010 sind laut IBA Strukturmonitoring die Mieten in Wilhelmsburg um 21 Prozent gestiegen. Im Jahr 2013 sind die Mieten laut Studie des Gymnasiums Ohmoor noch einmal um 19 Prozent gestiegen. Das werden sich viele Leute nicht leisten können. Dann können Sie nicht sagen, hier gebe es überhaupt keine Verdrängung. Das ist wirkliche Augenwischerei.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Aber es gibt noch Chancen. Wir wissen, dass Sie 5000 bis 6000 Wohnungen in Wilhelmsburg neu bauen wollen. Die Neubauten werden nicht alle günstig sein, aber wir haben dort die SAGA als eine der größten Vermieterinnen, und wir haben bei der SAGA viele Sozialwohnungen, deren Preisbindung ausläuft. Gerade bei diesen SAGA-Wohnungen besteht die Möglichkeit, die Sozialbindung zu verlängern. Das ist ein Ansatzpunkt, wo ich von der SPD erwarte, dass sie im nächsten Haushalt genau das hier tut. Und Sie haben eine weitere Möglichkeit – eigentlich sogar zwei –, die Wilhelmsburger Wohnverhältnisse, um die es hier auch geht, zu verbessern oder zu erhalten. Sie werden bitte schön keine Autobahn wie die Wilhelmsburger Reichsstraße bauen, die dann keine Bundesfernstraße mehr wäre wie jetzt, sondern die Sie als Autobahn ausbauen wollen, und die Hafenquerspange braucht Wilhelmsburg erst recht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich stelle fest, dass es Erwartungen gab, die mit der IBA verknüpft waren und die erfüllt wurden. Es gab viele Erwartungen, die nicht erfüllt wurden, aber ein Großteil der Befürchtungen ist leider eingetreten. Deshalb darf Wilhelmsburg auf keinen Fall aus dem Fokus geraten, sondern Wilhelmsburg braucht weiterhin Unterstützung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Frau Senatorin Blankau.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Sudmann, Wilhelmsburg hat auch in Zukunft

(Heike Sudmann)

unsere Unterstützung, und die Wilhelmsburger und Wilhelmsburgerinnen sind in der großen Mehrheit stolz auf das, was in den letzten Jahren dort passiert ist.

(Beifall bei der SPD)

Dies gilt übrigens auch für die Harburger,

(Beifall bei Sören Schumacher und Karin Timmermann, beide SPD)

weil die Internationale Bauausstellung und die "internationale gartenschau" den Süden Hamburgs umfasst haben, und das waren die Elbinseln und Harburg. Wir können tatsächlich auf ein ereignisreiches und erfolgreiches Jahr zurückblicken. Das letzte Jahr war der Höhepunkt einer Entwicklung, die sieben Jahre lang auf der Elbinsel unter Beteiligung der Bevölkerung stattgefunden hat.

In den Jahren 2006 bis 2013 hat Hamburg auf den Elbinseln und im Harburger Binnenhafen im Rahmen der IBA und der igs – es ist immer ein Gemeinschaftsprojekt gewesen, das von allen Bürgerschaftsparteien getragen worden ist – besondere und herausragende Anstrengungen für die Entwicklung in der inneren Stadt unternommen. Damit verbunden war ein wichtiger Anschub für den Paradigmenwechsel weg von der Siedlungsentwicklung im Speckgürtel hin zum Wachstum im Herzen der Stadt. Die Formate IBA und igs haben zudem dafür gesorgt, dass diese Maßnahmen von einer internationalen Öffentlichkeit wahrgenommen wurden und Hamburgs Vorreiterposition in Stadtentwicklung und Städtebau in der internationalen Wahrnehmung gefestigt wurde.

Daraus erwächst ein reichhaltiger Fundus aus Erfahrungen und Erkenntnissen, die wir für die weitere Entwicklung Hamburgs auch nutzen müssen und werden. Die IBA war ein Ausnahmezustand auf Zeit, der anders als die igs mit einer besonderen Ressourcenausstattung und mit neuen Ansätzen bei der Koordination und Kooperation von Verwaltung, Investoren und Projektentwicklern in kurzer Zeit das Erscheinungsbild der Elbinseln nachhaltig verändert hat. Nun kommt es darauf an, aus diesem Ausnahmezustand einen Normalzustand zu machen, der aber das Erreichte nicht nur bewahrt, sondern auch weiterentwickelt, denn Hamburg muss seine Chance nutzen und die Impulse der IBA auf den Elbinseln wie auch in Harburg nachhaltig sichern.

Lassen Sie mich kurz auf das eingehen, was durch IBA und igs entstanden ist, denn davon geht ein städtebaulicher, ein architektonischer, ein bildungspolitischer und ein kultureller Impuls aus, der weit über das Projektgebiet ausstrahlt und national wie international seine Wirkung finden wird. Das Labor für die Metropole des 21. Jahrhunderts – das war die IBA. Es hat die Bauausstellung in der Bauausstellung gegeben, und mit den drei Leitthemen Metrozonen, Kosmopolis und Stadt im

Klimawandel wurden die wichtigsten Herausforderungen treffsicher benannt, vor denen wir in der Stadtentwicklung im Allgemeinen stehen. Die IBA hat nicht nur die richtigen Fragen gestellt, sondern auch Antworten gegeben. Von den Gebäuden kann sich jeder vor Ort überzeugen. Manche äußern sich auch kritisch dazu, wie man am vergangenen Freitag mitbekommen hat.

Bei den neu entstandenen oder weiterentwickelten Netzwerken, zum Beispiel im Bildungs- und Kulturbereich, muss man schon genauer hinsehen, aber daraus sind auch Erkenntnisse abzuleiten, nämlich dass diese Netzwerke bewahrt werden müssen, und die Beteiligung der Menschen wird auch weiterhin stattfinden.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens hat gerade die Arbeit mit den Menschen und für die Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen die Arbeit der IBA und das Besondere der IBA in Hamburg ausgemacht. Tatsächlich ist mehr als eine Milliarde öffentliches und privates Kapital in den sieben Jahren auf den Elbinseln investiert worden – für neue Wohnungen, für Modernisierungen wie im Weltquartier, für neue Bildungszentren, für Gewerberäume wie den WeltGewerbehof und tatsächlich auch für die Frei- und Grünflächen, die – darauf ist noch keiner eingegangen – ein besonderes Markenzeichen dieser IBA waren, und das nicht nur wegen des durch die igs entstandenen Wilhelmsburger Inselparks mit seiner rund 100 Hektar großen Fläche. Der Inselpark ist Zentrum eines Netzes von neu erschlossenen Grün- und Freiflächen. So hat die IBA die Insellage Wilhelmsburgs wieder erfahrbar gemacht. Deiche sind zugänglich gemacht worden und können als öffentlicher Raum für Freizeit und Erholung genutzt werden.

Meine Damen und Herren! Die soziale Infrastruktur ist mit Bildungszentren, Kindertagesstätten, Senioreneinrichtungen mit interkulturellem Schwerpunkt und Sport- und Schwimmhallen nachhaltig verbessert worden. Es gibt ein Zentrum für Künstler und Kreative, die technische Infrastruktur ist geschaffen worden wie der S-Bahnhof Wilhelmsburg mit der neuen Fußgängerbrücke, die neue Fährverbindung zur Ernst-August-Schleuse und der neue Radweg zwischen Altem Elbtunnel und dem Reiherstiegviertel. Freuen können sich die Wilhelmsburger im Übrigen noch über den Umbau und die Modernisierung des Einzelhandelszentrums am Berta-Kröger-Platz, was zwar kein originäres IBA-Projekt war, wohl aber im Windschatten der IBA entstanden ist.

Damit sind wir aber noch nicht am Ende. Wilhelmsburg und die Elbinseln, der ganze Süden Hamburgs mit Harburg haben ein großes, vielfach ungenutztes Potenzial. Wenn die Wilhelmsburger Reichsstraße verlegt ist, bietet der Stadtteil Potenzial für weitere 5000 Wohneinheiten, und um ge

(Senatorin Jutta Blankau)

nau dieses Potenzial zu nutzen, wollen und werden wir die IBA GmbH als Projektentwickler weiterführen, die gemeinsam mit den beiden Bezirken Harburg und Hamburg-Mitte die Insel weiterentwickelt.

(Beifall bei der SPD)

Hier liegen die konkreten Chancen, die wir nutzen müssen, aber nicht nur das Gebaute eröffnet neue Perspektiven für die Elbinseln und für ganz Hamburg. Im Rahmen der IBA und der igs sind viele unterschiedliche Formen der Bürgerbeteiligung und Mitwirkung erprobt worden. Insbesondere die Formate, Frau Sudmann, die sich um die Ansprache und Einbindung von Migranten und Migrantinnen bemüht haben, haben wertvolle Erkenntnisse gebracht, denn im Weltquartier hat die SAGA die Mieter und Mieterinnen direkt in den Sanierungsprozess einbezogen. Das ist ein Format der IBA, und das werden wir auch weiterhin anwenden.

(Beifall bei der SPD)