Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

Ausschuss, eine so unversöhnliche Haltung von beiden Seiten gegeben hat im Sinne der Einschätzung der Lage bei der Hamburger Staatsanwaltschaft. Ich kann mich wirklich nicht entsinnen, und mir ist völlig rätselhaft, wie man seitens der Behörde so ignorant mit den Sorgen, die dort dezidiert auf vier Seiten geschildert wurden, umgehen kann. Ich habe es im Ausschuss nicht verstanden, und ich verstehe es bis heute auch nicht durch die öffentlichen Äußerungen der Senatorin.

Auf vier Seiten hat die Staatsanwaltschaft aufgelistet, wo die Probleme in der Hamburger Justiz liegen. Sie begannen eigentlich schon, als die SPD festgelegt hat, dass Teile des Haushalts, der Polizei und der Inneren Sicherheit ein Schonbereich sein sollten. Es wird in diesem Brief auch sehr deutlich, dass die Polizei fleißig weiterarbeitet, aber dass das Nadelöhr jetzt die Staatsanwaltschaft geworden ist, und das führt natürlich zu zusätzlichen Reibereien mit den Ermittlungsbehörden auf der anderen Seite. Dazu gibt es jedoch kein Wort.

Herr Kollege Tabbert, wie ich von der Senatorin im Ausschuss gehört habe, gibt es offenbar auch massive, gegensätzliche Auffassungen, wie die Kürzungen überhaupt zu bewerten sind. Sie haben von drei bis vier Stellen gesprochen.

(Urs Tabbert SPD: Vollzeitäquivalenten!)

Dann hätten Sie die Antworten Ihres eigenen Senats besser lesen müssen. Bereits in der Schriftlichen Kleinen Anfrage 20/9024 teilt uns der Senat mit, dass es insgesamt in 2013/2014 acht Stellen sein würden, die dann bis 2015 wirksam werden sollten; damit könnte man umgehen. Das ist eine Zahl, die man über zwei Jahre vielleicht noch abfedern könnte. Parallel – und das wurde auch deutlich – war der wirklich große Einschnitt, als die Senatorin Ende 2011 gesagt hat, dass man von allen Stellen, die dort nicht besetzt gewesen seien, annehmen würde, dass man sie überhaupt nicht brauche und sie deshalb jetzt wegnehmen könne. Das waren 25 Stellen, die mit einem Federstrich weggenommen wurden.

(Olaf Ohlsen CDU: Unglaublich!)

Als wir dann im Ausschuss noch einmal nachfragten, wurde uns doch frech gesagt, dass diese Stellen niemals ausfinanziert gewesen seien.

(Jan Quast SPD: Sie verstehen das Prinzip nicht! Stellen müssen ausfinanziert werden!)

Dann frage ich mich, was diese Behörde und dieser Senat diesem Parlament vorgelegt haben, dass wir einen Rahmen für einen Haushalt beschließen, der nicht ausfinanziert war. Von unserer Seite war er in 2011 ausfinanziert. Wir haben einen Haushaltsplan vorgelegt, der auf Cent und Euro für die Staatsanwaltschaft ausfinanziert war. Wenn man sich dann den Finanzplan der SPD für 2011

und folgende Jahre ansieht, dann sinkt die Zahl des Budgets, während die Vollzeitäquivalente – das heißt jetzt so in diesem Haushaltsdeutsch, ich bleibe aber weiter bei dem Begriff Stellen, damit wir vernünftig miteinander reden können – zurückgehen. Das sind alles Ausreden. Wir haben es hier mit wirklich massiven Kürzungen zu tun, die weit über die drei bis vier Stellen, die Herr Tabbert genannt hat, hinausgehen. Das erklärt auch diesen Brandbrief der Staatsanwaltschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als wäre das nicht genug, gibt es darüber hinaus noch einen Streit, wie es überhaupt zu den Rückkehrern von Asklepios bei der Hamburger Staatsanwaltschaft gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft schreibt in ihrem Brief, sie hätte die Rückkehrer nie haben wollen und beklagt sich, warum sie überhaupt so viele aufnehmen musste. Es war ein Bäcker dabei, ein Koch, eine Krankenschwester und einige Leute ohne Berufsausbildung. Die Staatsanwaltschaft kommt in ihrer Bewertung zu dem Schluss, dass diese Leute nicht wirklich einsetzbar seien. Als wir dann die Senatorin im Ausschuss fragten, wie das denn zustande gekommen sei und wieso die Staatsanwaltschaft jetzt diese Leute beschäftigen müsse und dafür keine anderen einstellen dürfe, wurde geantwortet, sie hätten sich die Leute selbst ausgesucht.

(Olaf Ohlsen CDU: Ja, die haben sie ge- schätzt!)

Wieder einmal gibt es von zwei Seiten völlig gegensätzliche Aussagen. Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, Frau Senatorin, dass ein Generalstaatsanwalt an die Senatorin herantritt und sagt, dass man gern einen Bäcker, einen Koch und eine Krankenschwester bei der Staatsanwaltschaft gehabt hätte und man schon etwas finden würde, wo man diese Leute verwenden könne. Ich glaube, das war nicht so, Frau Senatorin. Und ich weiß nicht, warum Sie uns erzählen, dass es doch so gewesen sein solle.

Es ist an sich traurig, dass man auf diese Weise mit so einer Sache in der Öffentlichkeit umgehen muss.

(Jan Quast SPD: Traurig ist, was Sie da er- zählen, frei von jedem Wissen! So ein Müll!)

Sie waren nicht dabei, halten Sie mal den Mund. Sie haben sich überhaupt nicht an dieser ganzen Debatte beteiligt, Sie haben überhaupt nichts dazu beizutragen.

(Glocke)

Herr Müller, bitte halten Sie sich an die parlamentarischen Gepflogenheiten.

(Farid Müller)

– Ja, Frau Präsidentin.

Diese massiven Kürzungen bei der Staatsanwaltschaft aus 2011, die folgenden in den beiden letzten Jahren plus der Asklepios-Rückkehrer machen insgesamt deutlich, warum die Staatsanwaltschaft diesen Brandbrief geschrieben hat in ihrer Not und auch gesagt hat, sie könne die Arbeitsfähigkeit in diesem Sinne nicht mehr garantieren. Ich finde, das muss man sehr ernst nehmen.

Wir im Parlament nehmen das sehr ernst, wir wollen, dass das nicht weiterhin so ist. Das hat auch nichts mit einer Schuldenbremse zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, wie man mit knappen Mitteln in dieser Stadt umgeht. Sie gehen bei der Justiz damit schlecht um, und das weiß auch jeder dort. Ich hoffe, dass diese Senatorin nicht weiter auf Konfliktkurs geht. Ich hoffe, dass diese Senatorin einsieht, dass die Justiz jemanden braucht, der sie schützt und der sie vor allen Dingen in die Lage versetzt, ihre Arbeit zu tun. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei André Tre- poll CDU)

Frau von Treuenfels, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir wollen das Thema von einer anderen Seite angehen.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Diese Stadt leistet sich seit einigen Jahren deutlich mehr Lehrer, weil das der Bildung guttun soll. Diese Stadt lässt seit Monaten immer mehr Bedienstete zur Verkehrsüberwachung durch die City und andere Stadtteile streifen, um Tickets zu verteilen, weil das dem Haushalt guttun soll. Und diese Stadt tut mehr für den Rechtsstaat, indem sie Gerichte und Staatsanwaltschaft stärkt. Diesen letzten Satz würden wir an dieser Stelle sehr gerne sagen können, aber leider ist das Gegenteil der Fall.

(Beifall bei der FDP – Olaf Ohlsen CDU: Bravo!)

Unsere Stadt erlebt unter diesem Senat eine deutliche Schwächung der Staatsanwaltschaft. Das belegen nicht nur die lauten Klagen der Staatsanwälte in der Öffentlichkeit, von denen wir nun schon viel gehört haben und die wir im Ausschuss auch sehr gut besprochen haben, das belegt auch der vorliegende Bericht des Justizausschusses. Die Diskussion um die Art und Weise des Vorbringens der Klagen der betroffenen Staatsanwälte finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich peinlich. Die Folgen der SPD-Kürzungspolitik in der Staatsanwaltschaft sind allerdings mehr als nur eine Stilfrage, sie wer

fen für uns vielmehr Grundsatzfragen auf. Wie wenige Staatsanwälte darf sich eine Stadt wie Hamburg eigentlich leisten, ohne das Rechtsstaatsprinzip infrage zu stellen? Wie sehr darf sich ein mutmaßlicher Straftäter vor Strafverfolgung allein deshalb sicher fühlen, weil eine überlastete Staatsanwaltschaft nicht mit der Bearbeitung hinterherkommt oder gar Verfahren einstellen muss? Welche Folgen hat das für die öffentliche Sicherheit? Vielleicht sollten wir darüber einmal sprechen; das ist Ihnen sicher etwas unangenehm.

(Beifall bei der FDP und bei Olaf Ohlsen CDU – Zuruf von Urs Tabbert SPD)

Ganz ruhig, Herr Tabbert. Wir können das später noch einmal in Ruhe besprechen. Jetzt lassen Sie mich bitte einmal ausreden.

Meine Damen und Herren! Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.

(Olaf Ohlsen CDU: Das sehe ich auch so!)

In Hamburg ist die durchschnittliche Verfahrensdauer in den letzten vier Jahren um fünf Tage gestiegen und wird laut Senatsantwort auf unsere Anfrage in diesem Jahr bei 43 Tagen ankommen – kein gutes Ergebnis, finde ich. Während im Bundesdurchschnitt 27 Prozent der Verfahren eingestellt werden, sind es in Hamburg mehr als ein Drittel, nämlich 34 Prozent. Was sagt uns das? Gleichzeitig kürzen Sie bei der Staatsanwaltschaft munter weiter, bis zu vier Vollzeitäquivalente pro Jahr, 2015 werden wir bei nur noch 503 ankommen. Die gesamte Justiz trägt über 18 Prozent zu Ihren Sparauflagen im Haushalt 2013/2014 bei. Auch die Staatsanwaltschaft ist erheblich betroffen.

(Urs Tabbert SPD: Mit einem Prozent!)

Die Unterbringung von zurzeit sieben AsklepiosRückkehrern in den Geschäftsstellen der Staatsanwaltschaft hat intern zu Unruhe geführt, und das nicht nur, weil es sich um juristisch fachfremdes Personal handelt, denn die endgültige Zuweisung wurde auch noch ohne vorherige Anhörung der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Das ist das Gegenteil von dem, was Sie behauptet haben. Ihre Behauptung können Sie weder beweisen, noch ist sie plausibel; wir glauben Ihnen das einfach nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Olaf Ohlsen CDU)

Gleichzeitig versuchen Sie, diese Sparwelle mit einer Überprüfung von Organisations- und Ablaufstrukturen zu begleiten – wieder ein kleiner Arbeitskreis –, bei der allerdings bisher nicht erkennbar ist, ob ernsthafte Aufgabenkritik betrieben oder vielleicht nur kosmetische Vorschläge der Behördenleitung erbracht werden sollen. Sicher ist, dass die Staatsanwaltschaft wieder eingebunden wird in ihrer Arbeitszeit und sich kaum noch auf ihre Fälle konzentrieren kann – so jedenfalls deren Aussage, die wir nicht immer nur anzweifeln sollten.

Meine Damen und Herren! Das gesamte Szenario erinnert fatal an das Verhalten der Senatorin Schiedek und ihrer Behördenleitung im Zuge des U-Haft-Ausbruchs und weiterer Zwischenfälle in den letzten Monaten: nichts hören, nichts sehen und besser auch nichts sagen.

(Urs Tabbert SPD: Es ist doch alles erledigt mittlerweile!)

Was Sie dabei riskieren, ist aber sehr fundamental. Sie riskieren die Akzeptanz eines in vernünftigen Zeitabläufen arbeitenden Rechtsstaats beim Bürger. Sie riskieren ein Stück öffentliche Sicherheit – spätestens da sollten die Alarmglocken bei der SPD angehen. Sie riskieren, dass die Staatsanwaltschaft ihrer Pflicht zur Verfolgung von Straftaten nur noch zeitverzögert und lückenhaft nachkommen kann, sodass Täter manchmal sogar ungeschoren davonkommen und Opfer von Straftaten frustriert zurückbleiben.

Das alles haben wir in dieser Stadt schon einmal erlebt; Sie werden sich wahrscheinlich ziemlich gut daran erinnern. Vor gut zehn Jahren gab es unter dem letzten rot-grünen Senat eine intensive Diskussion über Tempo und Urteilsfähigkeit der Hamburger Justiz. Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, was das für politische Folgen hatte, gerade für die Sozialdemokraten. Und deshalb, aber vor allem im Interesse der Bürger, die einen funktionierenden Rechtsstaat erwarten, appellieren wir an Sie: Stoppen Sie weitere Kürzungswellen in der Staatsanwaltschaft.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP)

Treten Sie vonseiten der Justizbehördenleitung doch einmal in einen echten Dialog mit der Staatsanwaltschaft, sodass wir, was von allen Rednern schon gesagt wurde, nicht immer so sehr unterschiedliche Auffassungen hören müssen, um die Probleme wirklich zu erörtern. Richten Sie Ihr Augenmerk bei künftigen Sparwellen nicht nur auf dieses wichtige Instrument des Rechtsstaats, damit wir vielleicht irgendwann alle gemeinsam sagen können: Hamburgs Politik tut etwas für seine Gerichte und für die Staatsanwaltschaft und damit für den Rechtsstaat und für unsere Bürger. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Schneider, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ob es ein gewöhnlicher Vorgang ist, dass sich der Generalstaatsanwalt und der leitende Staatsanwalt mit einem Beschwerdebrief, der an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig lässt, an die Behördenleitung wenden, kann ich nicht beurteilen. Ungewöhnlich ist aber in jedem Fall, dass diese Beschwerde an die Öffent

lichkeit gelangt. Das spricht dafür, das Anliegen der Staatsanwaltschaft ernst zu nehmen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Whistleblower! Der Snowden aus der Staatsanwaltschaft!)